Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.02.2015, Az. VIII ZR 175/14

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 16074

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BUNDES[X.]RIC[X.]TS[X.]OF

IM NAMEN DES VOL[X.]ES

URTEIL
VIII ZR 175/14
Verkündet am:

4. Februar 2015

Ring,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BG[X.]Z:
ja
BG[X.]R:
ja
[X.] §§ 276 [X.], 278, 286, 535, 543, 569, 573; ZPO §§ 260, 263, 524, 533
a)
Dem für einen [X.] des Mieters gemäß §
286 Abs. 4 [X.] erfor-derlichen Vertretenmüssen steht nicht entgegen, dass er, um die Miete entrichten zu können, auf Sozialleistungen einer öffentlichen Stelle angewiesen ist und diese Leistungen rechtzeitig beantragt hat.
b)
[X.]ündigt der Vermieter in solch einem Fall gemäß §
543 Abs. 2 Satz 1 Nr.
3 [X.] aus wichtigem Grund, findet eine Berücksichtigung von persönlichen Umständen und Zumutbarkeitserwägungen grundsätzlich nicht statt. Vielmehr sind die nach dieser Vorschrift allein auf den Umstand des [X.] [X.]ün-digungsgründe vom Gesetzgeber so konzipiert worden, dass bei Erfüllung der [X.] Voraussetzungen des §
543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] bereits ein wichtiger Grund zur fristlosen [X.]ündigung gegeben ist und die in § 543 Abs. 1 [X.] genannten Abwägungsvoraussetzungen nicht noch zusätzlich erfüllt sein müssen (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 21. Oktober 2009 -
VIII ZR 64/09, [X.], 3781 Rn.
26).

BG[X.], Urteil vom 4. Februar 2015 -
VIII ZR 175/14 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-

Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar
2015
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Milger, die Richterin Dr.
[X.] sowie
die [X.]
Achilles, Dr.
Bünger und [X.]osziol

für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der 23.
Zivilkammer des [X.] vom 11.
Juni 2014 wird [X.].
Der Beklagte hat die [X.]osten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Beklagte ist seit Dezember 2010 Mieter einer 140
qm großen Woh-nung des [X.]lägers in [X.].

. Die spätestens bis zum dritten Werktag eines jeden Monats im Voraus zu entrichtende Miete beläuft sich auf monatlich 1.100

t-to zuzüglich der Miete für die dazugehörige Garage in [X.]öhe von 50

einer Betriebskostenvorauszahlung von 180

Ab Oktober 2011 bezog der Beklagte Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB
II. Die seit Januar 2013 vom zuständigen Jobcenter für seine Unterkunft erhaltenen Zahlungen leitete er nicht an den [X.]läger weiter. Dieser kündigte daraufhin das Mietverhältnis unter dem 17.
April 2013 wegen der bis dahin aufgelaufenen Mietrückstände fristlos. Mit seiner am 8.
Juni 2013 zuge-stellten [X.]lage hat
er den Beklagten auf Zahlung der rückständigen Miete bis 1
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-

einschließlich Mai 2013 in [X.]öhe von 6.650

der Wohnung in Anspruch
genommen. Seine Mietzahlungspflicht hat der [X.] anerkannt, so dass er durch rechtskräftiges Teilanerkenntnisurteil des Amtsgerichts insoweit antragsgemäß verurteilt worden ist.
Nach Zustellung der [X.]lage beantragte der Beklagte bei dem für ihn bis dahin
zuständigen Jobcenter die Übernahme der Mietschulden, was mit [X.] auf die Größe der Wohnung durch Bescheid vom 26.
Juni 2013 abgelehnt wurde. Nachdem sein hiergegen erhobener Widerspruch erfolglos geblieben war, begehrte der Beklagte unter dem 23.
Juli 2013 bei dem zuständigen Sozi-algericht einstweiligen Rechtsschutz. Dieses verpflichtete das Jobcenter durch einstweilige Anordnung
vom 8.
August 2013, zur Abwendung der Räumungs-klage die vom [X.]läger eingeklagte rückständige Miete sowie darüber hinaus die fällige Miete beziehungsweise
Nutzungsentschädigung zu zahlen; zugleich wurde dem Jobcenter aufgegeben, noch am selben Tage gegenüber dem [X.]lä-ger eine entsprechende Verpflichtungserklärung abzugeben. Das Jobcenter gab die geforderte Verpflichtungserklärung in der Folge ab, zahlte jedoch an den [X.]läger lediglich die eingeklagte Miete von Januar bis Mai 2013.
Seit
Juni 2013 stehen dem
Beklagten
Sozialleistungen nach dem SGB
XII
zu, für deren Bewilligung
nicht mehr das Jobcenter, sondern
die Stadt [X.].

zuständig ist. Diese bewilligte ihm wegen
Bedenken gegen die Ange-messenheit der Unterkunftskosten durch Bescheid vom 26.
August 2013 ledig-lich den Regelsatz. [X.]iergegen erhob der Beklagte am 5.
September 2013 [X.]. Auf Antrag des Beklagten wurde die Stadt [X.].

durch Beschluss des zuständigen [X.] vom 30.
April 2014
im Wege einstweiliger An-ordnung verpflichtet, die [X.]osten der Unterkunft des Beklagten für die [X.] von November 2013 bis Juni 2014 zu tragen.

3
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4
-

Im vorliegenden Rechtsstreit hat das Amtsgericht der Räumungsklage mit Schlussurteil vom 2.
Oktober 2013 stattgegeben. [X.]ierbei ist es zwar davon ausgegangen, dass die [X.]ündigung des [X.]lägers vom 17.
April 2013 durch die Verpflichtung des [X.], die rückständigen Mieten auszugleichen, gemäß §
569 Abs.
3 Nr.
2 Satz
1 [X.] unwirksam geworden ist. Zugleich hat es jedoch eine auf die rückständige Miete für die Monate Juni bis August 2013 gestützte weitere fristlose [X.]ündigung des [X.]lägers vom 30.
August 2013 für wirksam er-achtet. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagen hat keinen Erfolg [X.], nachdem der [X.]läger
das Mietverhältnis wegen der von Oktober 2013 bis März
2014 ausgebliebenen Miete unter dem 12.
März 2014 und wegen der von
Juli
2013 bis April 2014 ausgebliebenen
Miete unter
dem 17.
April 2014 erneut fristlos gekündigt hatte. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein [X.]lageabweisungsbegehren hinsichtlich der [X.] weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Zwar sei die [X.]ündigung vom 30.
August 2013 wegen Verstoßes gegen §
242 [X.] unwirksam. Denn das Jobcenter habe sich zum [X.]punkt des [X.]ün-digungsausspruchs gegenüber dem [X.]läger verpflichtet, die rückständige Miete jedenfalls bis August 2013 auszugleichen; die Vermögensinteressen des [X.]lä-gers seien deshalb
nicht ernsthaft gefährdet gewesen, auch wenn eine Zahlung 5
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für die Monate Juni bis August 2013 zum [X.]ündigungszeitpunkt noch nicht er-folgt sei. Allerdings sei das Mietverhältnis durch die anschließende [X.]ündigung vom 12.
März 2014 wirksam beendet worden, auf
die sich der [X.]läger
ungeach-tet der verweigerten Einwilligung des Beklagten
im Wege einer sachdienlichen [X.]lageänderung
hilfsweise gestützt habe und die er im Wege einer wirksam er-hobenen [X.]berufung auch noch zum Gegenstand seines Räumungsbe-gehrens habe machen können. Denn der Beklagte sei auch mit der Miete für die Monate Oktober 2013 bis März 2014 in Verzug geraten, so dass hierauf ge-stützt der [X.]läger gemäß §
543 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3 [X.] erneut habe kündigen können.
Der Annahme eines dafür erforderlichen Zahlungsverzugs stehe nicht entgegen, dass der Beklagte rechtzeitig die entsprechenden Anträge beim zu-ständigen Sozialamt gestellt und ein sozialgerichtliches Verfahren angestrengt habe, nachdem das Sozialamt sich geweigert habe, die [X.]osten für die
Unter-kunft zu tragen. Denn für seine finanzielle Leistungsfähigkeit habe ein Schuld-ner -
wie der Beklagte
-
verschuldensunabhängig einzustehen. Eine Fallgestal-tung, bei der nach einer in der Instanzrechtsprechung teilweise vertretenen [X.] das Ausbleiben der Mietzahlung ausnahmsweise entschuldigt sein könne, weil der Mieter auf die Mietzahlung durch das Sozialamt habe vertrauen können und von deren Ausbleiben überrascht worden sei oder weil er sonst unabwendbar durch unvorhergesehene Umstände an einer rechtzeitigen [X.] gehindert gewesen sei, sei hier nicht gegeben. Soweit in der [X.] auch für die hier gegebene
[X.]onstellation bisweilen die Auffassung anklinge, der im Leistungsbezug der [X.]
[heute gemäß § 6d [X.]: [X.]]
stehende Mieter habe mit der rechtzeitigen [X.] alles ihm Obliegende und Zumutbare getan, um die [X.]
zur pünktlichen Zahlung der geschuldeten Miete an den Vermieter zu veranlassen und mit Blick auf das So-zialstaatsprinzip dadurch seinem Beschaffungsrisiko genügt, könne dem schon 9
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deshalb nicht gefolgt werden, weil auch das Sozialstaatsprinzip nicht so weit gehe, dass es die Verantwortung für den hilfebedürftigen Mieter dem Vermieter anstelle der staatlichen Gemeinschaft aufbürde.
Die am 12.
März 2014 ausgesprochene [X.]ündigung sei auch nicht durch den Beschluss des [X.] vom 30.
April 2014 unwirksam geworden. Abgesehen davon, dass dieser Beschluss nicht alle der [X.]ündigung zugrunde liegenden Zahlungsrückstände erfasst habe, habe §
569 Abs.
3 Nr.
2 Satz
2 [X.] der Gewährung einer erneuten Schonfrist entgegengestanden, da bereits die [X.]ündigung vom 17. April 2013 nach §
569 Abs.
3 Nr.
2 Satz
1 [X.] unwirk-sam geworden sei.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revi-sion zurückzuweisen ist.

Das Berufungsgericht hat den Räumungsanspruch des [X.]lägers (§ 546 Abs. 1 [X.]) rechtsfehlerfrei für begründet erachtet, weil das Mietverhältnis der Parteien durch die [X.]ündigung vom 12. März 2014 wirksam beendet worden ist. Zu
diesem [X.]punkt war der Beklagte mit der Entrichtung der Miete (§ 535 Abs.
2 [X.]) für die Monate Oktober 2013 bis März 2014 in Verzug, so dass ein für die ausgesprochene fristlose [X.]ündigung erforderlicher wichtiger Grund im Sinne von §
543 Abs. 1 Satz 1,
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, § 569 Abs. 3 Nr.
2 Satz 1 [X.] vorgelegen hat.
1. Das Berufungsgericht durfte -
anders als die Revision meint -
über das auf die [X.]ündigung des [X.]lägers vom 12. März 2014 gestützte Räumungsbegeh-ren in der Sache entscheiden.
Denn der [X.]läger hat
diesen [X.]lagegrund zulässi-10
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-
7
-

gerweise im Wege
der [X.]berufung (§ 524 ZPO)
in das [X.] eingeführt.
a)
Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine hilfsweise [X.]lageänderung vorgelegen hat, als der [X.]läger im [X.] sein [X.] nunmehr auch auf die [X.]ündigung vom 12. März 2014 gestützt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] wird der Streitgegenstand durch den [X.]lageantrag, in dem sich die vom [X.]läger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und durch den Lebenssach-verhalt ([X.]lagegrund) bestimmt, aus dem der [X.]läger die begehrte Rechtsfolge herleitet (BG[X.], Urteile
vom 9. Juni 2011
-
I [X.], [X.], 180 Rn. 19; vom 7. Dezember 2007 -
V [X.], [X.], 1953 Rn. 15; jeweils mwN). Dementsprechend hat der [X.]läger, der erstinstanzlich mit dem auf die [X.]ündi-gung vom 30. August 2013 gestützten [X.] durchgedrungen war, dadurch, dass er dieses
Begehren zusätzlich mit der
[X.]ündigung vom 12.
März 2014 unterlegt hat, einen neuen Streitgegenstand in den Prozess ein-geführt, nämlich ein [X.], das hilfsweise auf diese erneute [X.]ündigung und den darin geltend gemachten [X.]ündigungsgrund gestützt war (vgl. Senatsbeschluss vom 20. November 2012 -
VIII ZR 157/12, [X.] 2013, 117 Rn.
8).
Die auf diese Weise herbeigeführte
nachträgliche (Eventual-)[X.]lage-häufung (§
260 ZPO) ist deshalb wie eine [X.]lageänderung im Sinne der §§ 263, 533 ZPO mit den dafür geltenden Regeln zu behandeln (vgl. BG[X.], Urteile vom 27. September 2006 -
VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414 Rn. 8; vom 10. Januar 1985 -
III ZR 93/83, NJW 1985, 1841 unter 4; jeweils mwN;
BG[X.],
Beschluss vom 20. November 2012 -
VIII ZR 157/12, aaO).
b) Den neuen [X.]lagegrund konnte und musste der [X.]läger zweitinstanzlich
im Wege eines [X.]rechtsmittels in den Rechtsstreit einführen. Denn der Berufungsbeklagte, der seine in erster Instanz erfolgreiche [X.]lage erweitern oder 14
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-

auf einen neuen [X.]lagegrund stellen will, muss sich
dazu
gemäß §
524 ZPO der Berufung der Gegenseite anschließen. Das gilt entgegen der Auffassung der Revision auch dann, wenn -
wie hier -
die Einführung des neuen [X.]lagegrundes eine Änderung des [X.] nicht erforderlich macht. Auch in einem sol-chen Fall will nämlich
der Berufungsbeklagte, der im [X.] seine [X.]lage auf einen anderen [X.]lagegrund stützt, damit mehr erreichen als die bloße Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung über den mit der [X.]lage verfolg-ten Anspruch (BG[X.], Urteile vom 9. Juni 2011 -
I [X.], aaO Rn. 22; vom
7.
Dezember 2007 -
V [X.], aaO).
c)
Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die [X.]berufung auch sonst den Anforderungen des § 524 ZPO genügt. Insoweit erhebt auch die Revision keine Beanstandungen. [X.] ist es unschädlich, dass der [X.]läger, als er sich in seiner Berufungserwide-rung auf die spätere [X.]ündigung gestützt hat, dieses Vorgehen nicht als [X.] bezeichnet hat. Für die Einlegung eines [X.]rechtsmit-tels ist keine dahingehende ausdrückliche Erklärung erforderlich. Es genügt vielmehr jede Erklärung, die sich ihrem Sinn nach als Begehren auf Abände-rung des Urteils erster Instanz darstellt. Dementsprechend kann der [X.] an das Rechtsmittel der
Gegenseite auch konkludent in der Weise erfolgen, dass der [X.]läger -
wie im Streitfall -
sein im Übrigen unverändertes [X.]lagebegeh-ren auf einen weiteren [X.]lagegrund stützt (BG[X.], Urteil vom 9. Juni 2011 -
I [X.], aaO Rn. 26).
2. Entgegen der Auffassung der Revision hat
das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass der Beklagte bei Ausspruch der [X.]ündigung vom 12.
März 2014 mit der Zahlung der Miete für die Monate Oktober 2013 bis März 2014 in Verzug war. Dass der Beklagte, um die Miete entrichten zu können, auf Sozialleistungen einer öffentlichen Stelle angewiesen war und diese Leistungen 16
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9
-

rechtzeitig beantragt hatte, ändert an dem -
neben den hier gegebenen Voraus-setzungen des § 286 Abs.
1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.] für einen Verzugseintritt erforderlichen
-
Vertretenmüssen (§
286 Abs. 4 [X.])
ebenso wenig etwas wie der Umstand, dass der zuständige Träger der Sozialhilfe nach [X.]ündigungsaus-spruch zur Übernahme der Mietschulden verpflichtet worden ist.
a) Zur Verantwortlichkeit des Schuldners und damit auch zu der von §
286 Abs. 4 [X.] geforderten Zurechnung einer Nichtleistung trotz Fälligkeit
sieht
§
276 Abs. 1 Satz 1 [X.]
vor, dass der Schuldner Vorsatz und Fahrlässig-keit zu vertreten hat, wenn eine strengere oder mildere [X.]aftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos,
zu entnehmen ist.
Eine solche
strengere [X.]aftung besteht aber nach
allgemeiner Auffassung bei Geldschulden. Danach befreit eine Leistungsunfähigkeit
aufgrund wirtschaftli-cher Schwierigkeiten, um die es hier geht, den Schuldner auch dann nicht
von den Folgen des Ausbleibens der (rechtzeitigen) Leistung, wenn sie auf unver-schuldeter Ursache beruht. Vielmehr hat jedermann nach dem Prinzip der [X.] Vermögenshaftung,
das
§
276 Abs. 1 Satz 1 [X.] genauso zu-grunde liegt wie der Vorgängerregelung des §

279 [X.]
aF und
das
im Übrigen auch aus dem geltenden Zwangsvollstreckungs-
und Insolvenzrecht abzuleiten ist, ohne Rücksicht auf ein Verschulden für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen (BG[X.], Urteile vom 28. Februar 1989 -
IX ZR 130/88, BG[X.]Z 107, 92, 102
mwN; vom 11. Dezember 2001 -
VI [X.], [X.], 347 unter II
3 b; vom 15. März 2002 -
V [X.], BG[X.]Z 150, 187, 194; ebenso auch BT-Drucks. 14/6040, S. 132).
b) Dieses Verständnis des Vertretenmüssens
im Falle mangelnder finan-zieller Leistungsfähigkeit gilt auch für Mietzahlungspflichten und die bei [X.] bestehenden [X.]ündigungsmöglichkeiten des Vermieters
aus 18
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-
10
-

wichtigem Grund nach §
543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] (Senatsurteil vom 16.
Februar 2005 -
VIII ZR 6/04, [X.], 334 unter [X.]; [X.]/
[X.], [X.], Neubearb.
2014, § 543 Rn. 56a;
Schmidt-Futterer/[X.], [X.], 11. Aufl., § 543 [X.] Rn. 96 f.; [X.], [X.], 204, 205; jeweils mwN).
Soweit in der Instanzrechtsprechung teilweise die Auffassung vertreten oder jedenfalls erwogen wird, ein Mieter, der Sozialleistungen einer öffentlichen Stel-le beziehe, genüge seinen Pflichten zur Beschaffung der zur Entrichtung der Miete benötigten Geldmittel bereits dann, wenn er alles ihm Obliegende und Zumutbare getan habe, um die öffentliche Stelle zur pünktlichen Zahlung der für seine Unterkunft geschuldeten Miete zu veranlassen ([X.], Beschluss
vom 10.
November 2011 -
6 [X.], juris Rn.
5; Urteil vom 6. November
2014
-
6 [X.], juris Rn. 15; [X.], [X.], 623, 624; ähnlich [X.], [X.], 121, 122; WuM
2014, 607 f.), trifft dies nicht zu.
aa) Zwar braucht sich -
wie der Senat klargestellt hat -
ein hilfebedürftiger
Wohnungsmieter die Säumnis einer öffentlichen Stelle, die die [X.]osten seiner Unterkunft zu übernehmen hat, nicht gemäß § 278 [X.] als eigenes Verschul-den zurechnen zu lassen.
Denn eine Behörde, die im Rahmen der [X.] staatliche Transferleistungen an einen Bürger erbringt, ist hierbei nicht Erfüllungsgehilfe des Mieters zur Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen ge-genüber seinem Vermieter (Senatsurteil vom 21. Oktober 2009 -
VIII ZR 64/09, [X.], 3781 Rn. 30). Das ändert entgegen der Auffassung
der Revision aber nichts daran, dass
der
Mieter
verschuldensunabhängig für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen hat.
Dementsprechend sind auch die
nach §
543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] al-lein auf den Umstand des [X.] [X.]ündigungsgründe
vom Gesetzgeber so konzipiert
worden, dass sie -
anders als § 543 Abs. 1, §
573 Abs. 2 Nr.
1 [X.] (dazu Senatsurteile vom 16. Februar 2005
20
21
-
11
-

-
VIII ZR 6/04, aaO; vom 21. Oktober 2009 -
VIII ZR 64/09, aaO Rn. 26) -
eine
Berücksichtigung von persönlichen Umständen und Zumutbarkeitserwägungen grundsätzlich nicht
zulassen (Senatsurteil vom 15. April 1987 -
VIII ZR 126/86, [X.], 932 unter [X.] c).
Vielmehr ist danach bei Vorliegen der Tatbestände des § 543 Abs. 2 [X.] allein aus diesem Grund
eine
außerordentliche fristlose [X.]ündigung möglich, ohne dass die in § 543 Abs. 1 [X.] genannten
Abwä-gungsvoraussetzungen noch
zusätzlich erfüllt sein müssen. Denn nach der Ge-setzessystematik und den ihr zugrunde liegenden gesetzgeberischen Wertun-gen handelt es sich bei den in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 [X.] aufgeführ-ten, die (objektive) Verletzung bestimmter mietrechtlicher ([X.]ardinal-)Pflichten von erheblichem
Gewicht betreffenden
[X.]ündigungsgründen um gesetzlich typi-sierte Fälle der Unzumutbarkeit
einer weiteren Fortsetzung des Mietverhältnis-ses.
Soweit deren tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt sind, ist danach grundsätzlich auch ein wichtiger Grund im Sinne von § 543 Abs. 1 [X.] zur fristlosen [X.]ündigung gegeben (vgl. Senatsurteile vom 14. Juli 2010
-
VIII ZR 267/09, NJW 2010, 3020 Rn.
15; vom 29. April 2009 -
VIII ZR 142/08, [X.], 2297 Rn. 16 mwN; vom 26.
März 1969 -
VIII ZR 76/67, [X.], 625 unter IV 3 c).
bb) [X.], die eine abweichende rechtliche Beurteilung der aufgrund mangelnder finanzieller Leistungsfähigkeit des Mieters und seinem Angewiesensein auf öffentliche Sozialleistungen ausgebliebenen Mietzahlungen und einer hierauf gestützten [X.]ündigung tragen könnten, zeigt die
Revision nicht
auf. Insbesondere steht der von ihr hervorgehobene [X.], dass der Beklagte bei dem für ihn zuständigen Sozialhilfeträger rechtzei-tig die Übernahme seiner Wohnungskosten beantragt und dieser die [X.] -
wie revisionsrechtlich zu unterstellen ist -
zunächst zu Unrecht verweigert hatte, einer Wirksamkeit der [X.]ündigung des [X.]lägers vom 12. März 2014 nicht
entgegen.
22
-
12
-

Der Gesetzgeber, der es seit langem als eine in der [X.] des Art. 20 Abs. 1 GG angelegte Aufgabe begreift, den [X.] vor willkürlichen beziehungsweise vor nicht von berechtigten Interes-sen des Vermieters getragenen [X.]ündigungen und damit dem Verlust seiner Wohnung zu schützen (vgl. nur BT-Drucks. 7/2011, S. 7),
hat die
in Rede ste-hende
Problemlage gesehen, sie jedoch nicht dadurch zu
bereinigen versucht, dass er -
abweichend von den sonst geltenden rechtlichen Maßstäben -
die An-forderungen an die Leistungspflichten des Mieters und ein Vertretenmüssen
von Mietzahlungsrückständen
zu Lasten des Vermieters herabgesetzt und dadurch die [X.]ündigungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] verändert hat.
Er hat dem
Interesse
des durch einen
erheblichen Mietrückstand vertragsuntreu
gewordenen Mieters an einem Erhalt der gemieteten Wohnung
vielmehr dadurch Rechnung getragen, dass er ihm
-
allerdings vorrangig zum Zwecke der im allgemeinen Interesse liegenden Vermeidung von Obdachlosig-keit -
durch § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 [X.] genauso wie zuvor schon durch §
554 Abs. 2 Nr. 2 [X.] aF die Möglichkeit
zur einmaligen Nachholung
rück-ständiger Mietzahlungen
innerhalb von zwei Jahren eingeräumt hat, um bei de-ren Einhaltung eine auf den eingetretenen [X.] gestützte [X.]ün-digung unwirksam werden zu lassen
(BT-Drucks. 14/4553, [X.]).
Zugleich
hat der Gesetzgeber es
bei Verfolgung dieses Ziels genügen lassen, dass eine Befriedigung des Vermieters nicht sofort, wie in § 535 Abs. 2, §
556b Abs. 1
[X.] vorgesehen, durch Entrichtung der bis dahin fälligen Miete oder Entschädigung, sondern durch Vorlage der entsprechenden Verpflich-tungserklärung einer öffentlichen Stelle erfolgt (vgl. bereits BT-Drucks. IV/806, [X.]). Aufgrund der Erkenntnis, dass sich die ursprünglich vorgesehene [X.] [X.] häufig als zu kurz [X.] hat, hat er, um diesen Behörden ein auf die Vermeidung von Obdachlo-sigkeit finanziell schwacher Mieter gerichtetes Tätigwerden zu erleichtern, bei 23
24
-
13
-

Schaffung des §
569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 [X.] schließlich die Schonfrist für die Nachholung der Zahlung der rückständigen Miete und der fälligen Nutzungsent-schädigung oder der Vorlage einer entsprechenden Verpflichtungserklärung um einen Monat auf zwei Monate verlängert (BT-Drucks. 14/4553,
aaO; vgl. dazu auch Senatsurteil vom 14. Juli 2010 -
VIII ZR 267/09, NJW 2010, 3020 Rn. 21).
Durch diese Sonderregelung (vgl. Senatsurteil vom 14. Juli 2010
-
VIII ZR 267/09, aaO) hat der Gesetzgeber
-
allerdings abschließend -
im all-gemeinen Interesse zugleich auch dem Anliegen eines leistungsunfähigen [X.], eine auf einen erheblichen [X.] gestützte fristlose [X.]ündi-gung des Vermieters nachträglich ungeschehen zu machen
und ihm so
die ge-mietete Wohnung zu erhalten, Rechnung getragen
(im Ergebnis
ebenso Schmidt-Futterer/[X.], aaO Rn. 97). Die dem Mieter auf diese Weise kraft Ge-setzes einmalig eingeräumte Nachfrist zur Beschaffung der zur Mietzahlung erforderlichen Mittel, zumindest aber zur [X.]erbeiführung der erforderlichen [X.], kann entgegen der Auffassung der Revision deshalb nicht dahin erweitert werden, dass über den
eindeutigen Gesetzeswortlaut hinaus bereits die Beantragung der zur Erbringung der Mietzahlungen erforderlichen öffentlichen Mittel genügen soll. Denn die damit verbundene
Ungewissheit,
den Gebrauch der Mietsache weiterhin gewähren zu müssen, ohne als Gegenleis-tung zumindest die Sicherheit einer Begleichung der bis dahin fälligen [X.] zu haben, hat der Gesetzgeber dem Vermieter über den zweimonatigen Schonfristzeitraum hinaus gerade nicht mehr aufbürden wollen.

c) Da
nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts
bereits die unter dem 17. April 2013 wegen der bis dahin seit Januar 2013 auf-gelaufenen Mietrückstände ausgesprochene fristlose [X.]ündigung durch die im August 2013 abgegebene Verpflichtungserklärung des [X.] gemäß §
569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 [X.] unwirksam geworden war, kommt
auch eine er-25
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-
14
-

neute Anwendung dieser Bestimmung hinsichtlich der
auf den weiteren Miet-zahlungsverzug im [X.]raum von Oktober 2013 bis März 2014 gestützten [X.]ün-digung vom 12. März 2014 von vornherein nicht mehr in Betracht (§
569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 [X.]). Das Mietverhältnis der Parteien ist durch diese [X.]ündigung vielmehr
wirksam beendet worden.
Dr. Milger
Dr. [X.]
Dr. Achilles

Dr. Bünger
[X.]osziol
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 02.10.2013 -
34 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 11.06.2014 -
23 [X.]/13 -

Meta

VIII ZR 175/14

04.02.2015

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.02.2015, Az. VIII ZR 175/14 (REWIS RS 2015, 16074)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 16074

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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