Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.10.2012, Az. VIII ZR 107/12

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2496

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BUNDES[X.]RICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VIII [X.]
Verkündet am:

10. Oktober 2012

Ermel,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
[X.] § 573 Abs. 2 Nr. 1
Eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs ist auch unterhalb der für die fristlose Kündigung geltenden Grenze des §
543 Abs.
2 Nr.
3 [X.] möglich. Eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung des Mieters liegt jedoch nicht vor, wenn der [X.] eine Monatsmiete nicht übersteigt und die Verzugsdauer weniger als einen Monat beträgt.
[X.] §
569 Abs.
3 Nr.
3
§
569 Abs.
3 Nr.
3 [X.] findet keine entsprechende Anwendung auf die ordentliche Kündigung.

[X.], Urteil vom 10. Oktober 2012 -
VIII [X.] -
LG [X.]

AG [X.]-Tempelhof-Kreuzberg

-
2
-
Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter
[X.], die Richterin Dr.
Milger sowie die
Richter Dr.
Achilles, Dr.
Schneider und
Dr.
Bünger

für Recht erkannt:
Die Revision
des Beklagten
gegen das
Urteil der Zivilkammer 67 des [X.] vom 1. März 2012 wird zurückgewiesen.
Der
Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens
zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Beklagte ist seit 1972 Mieter einer Wohnung in [X.]. Die Klägerin, eine aus zwei Gesellschaftern bestehende [X.],
ist durch Eigentumserwerb im Jahr 2003 in die [X.] eingetreten.
Gemäß
§ 4 des Mietvertrags ist die Miete monatlich im Voraus, [X.] am dritten Werktag,
zu entrichten. Nach
§ 5 des Mietvertrags kann der Mieter gegenüber Mietforderungen
mit Gegenforderungen nur aufrechnen, wenn er seine Absicht dem Vermieter mindestens
eine Woche vor Fälligkeit angekündigt hat.
Nach dem [X.] der
ursprünglich nur mit Einzelöfen ausgestatteten Wohnung des Beklagten
an die Fernwärmeversorgung
verlangte die
Klägerin ab März 2008
neben der Grundmiete ()
monatliche Heizkostenvor-1
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3
-

Dem Beklagten waren zu diesem [X.]punkt vom Jobcenter monatliche Leistungen
von be-willigt, wovon das Jobcenter 252,81

in
und 50 h auf
ein vom Beklagten benanntes Konto überwies.
Der Beklagte zahlte die
von der Klägerin ab
März 2008 verlangten
Vor-schüsse zunächst nicht. Mit anwaltlichem Schreiben vom 6. Mai 2009
teilte er mit, er
sei davon ausgegangen, dass das Jobcenter
monatliche Vorschüsse von 50

an die Klägerin
gezahlt habe,
und kündigte Zahlungen in dieser Höhe für die Zukunft an;
für Mai und Juni 2009 zahlte er am 1. Juli 2009 da-nach
monatlich 50

.
Mit Anwaltsschreiben vom 5. Oktober 2009
kündigte die
Klägerin das Mietverhältnis
fristgemäß
zum 31. Juli 2010, weil der Beklagte die Heizkosten-vorauszahlungen von
März 2008 bis April 2009
(14

nicht [X.] hatte. Die rückständigen Vorschüsse für diesen [X.]raum waren Gegen-stand eines Zahlungsprozesses, in dem der Beklagte mit Urteil des Amtsge-richts vom 12. November
2009 antragsgemäß verurteilt wurde. Der Beklagte leistete
die ausstehenden Zahlungen am 30. Juli 2010. [X.] wurde durch Zurückweisung der Berufung am 15. November 2010 rechtskräftig.
Mit Schreiben vom 12. November 2010
kündigte die Klägerin erneut
fristgemäß, weil der Beklagte zu diesem [X.]punkt die Miete für den laufenden Monat noch nicht gezahlt hatte.
Das Amtsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben, das
Landgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Ziel der Klageabweisung wei-ter.
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4
-
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht
(LG [X.], [X.] 2012, 548)
hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Die Kündigung vom 5. Oktober 2009 scheitere zwar nicht daran, dass sie nicht von der Klägerin, sondern von deren Gesellschaftern persönlich erklärt worden sei. Ungeachtet der Teilrechtsfähigkeit der [X.] sei es den Gesellschaftern unbenommen, persönlich die Kündigung des Mietverhältnisses zu erklären.
Der Beklagte könne gegen die Kündigung auch nicht mit Erfolg einwen-den, dass ihn kein Verschulden an den Zahlungsrückständen treffe. Der [X.] überwiesen habe, was ihm jedenfalls im Juni 2009 durch einen ent-sprechenden Ausdruck der Zahlungen des [X.] klar gewesen sein [X.]. Allerdings könne die Kündigung unwirksam sein, wenn die Vorschrift des §
569 Abs. 3 Nr. 3 [X.] auf die ordentliche Kündigung anzuwenden sei. Dies könne indes dahinstehen, weil jedenfalls die weitere Kündigung vom 12. No-vember 2010
das Mietverhältnis beendet habe. Der Beklagte sei im [X.]punkt dieser weiteren Kündigung mit der vollen Novembermiete in Rückstand gewe-sen. Dies rechtfertige eine ordentliche Kündigung gemäß §
573 Abs.
2 Nr.
1 [X.], denn es handele sich angesichts der Höhe des Rückstands um eine er-hebliche Pflichtverletzung. Der Rückstand mit einer Monatsmiete genüge für die ordentliche Kündigung. Auf die in § 543 Abs. 2 Nr. 3 [X.] in Verbindung mit §
569 Abs. 3 Nr. 1 [X.] genannte Grenze könne für die ordentliche Kündigung 8
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nicht abgestellt werden, denn sonst liefe diese bei Verletzung
der Hauptleis-tungspflicht leer.

II.
Das
Berufungsurteil
hält rechtlicher Nachprüfung lediglich im Ergebnis stand. Die Kündigung vom 12. November 2010 ist unwirksam, weil Zahlungs-rückstände des Mieters die ordentliche Kündigung nicht
rechtfertigen, wenn sie -
wie hier -
den Betrag einer Monatsmiete nicht übersteigen und im [X.]punkt der Kündigung weniger als einen Monat angedauert haben.
Gleichwohl hat das Berufungsgericht die Berufung des Beklagten im Ergebnis zu Recht zurückge-wiesen, denn das Mietverhältnis der Parteien ist bereits durch die Kündigung vom 5. Oktober
2009
beendet worden.
1.
Die Kündigung der Klägerin
vom 12. November 2010 ist unwirksam, weil die Pflichtverletzung des Beklagten, auf die sie gestützt ist
-
die Nichtzah-lung der neun Tage zuvor fälligen Miete -
keine "nicht unerhebliche [X.]"
im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 1 [X.] darstellt.
a) Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Miete für den Monat November
2010 gemäß
§ 4 des Mietvertrags am 3. November
2010
fällig
wurde. Zwar wurde
der Mietvertrag noch unter Geltung von
§ 551 [X.] aF
abgeschlossen, wonach die Miete jeweils am Monatsende zu zahlen war. Eine [X.], die hiervon abweichend eine Zahlung je-weils bis
zum dritten
Werktag eines Monats im Voraus verlangt, ist nach der Rechtsprechung des Senats gleichwohl wirksam
(Senatsbeschluss vom 26.
Oktober 1994 -
VIII ARZ 3/94, [X.]Z 127, 245, 249
f.).
Entgegen der [X.] der Revision gilt dies auch dann, wenn die Fälligkeitsklausel -
wie hier -
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mit einer sogenannten Ankündigungsklausel
kombiniert
ist (Senatsurteil vom 4.
Mai 2011 -
VIII ZR 191/10, NJW 2011, 2201
Rn. 15; Senatsbeschluss vom 7.
September 2011 -
VIII ZR 345/10, [X.], 676 Rn. 3).
b) In der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der
mietrechtlichen Literatur ist streitig, wie hoch ein
vom Mieter verschuldeter Zahlungsrückstand sein und wie lange er angedauert haben muss, um die ordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
[X.]) Nach einer teilweise vertretenen
Auffassung soll den in §
543 Abs.
2 Nr. 3 [X.] für die fristlose Kündigung festgelegten
Voraussetzungen eine all-gemeingültige Bedeutung zukommen. Deshalb setze
auch eine auf Zahlungs-verzug gestützte ordentliche Kündigung voraus, dass
sich der Mieter mit einem Betrag in Höhe von zwei vollen Monatsmieten oder für zwei aufeinanderfolgen-de Monate mit einem nicht unerheblichen Teil der Miete in Verzug befinde
([X.]t-Futterer/Blank, Mietrecht, 10. Auflage, § 573 [X.] Rn. 27; [X.]/Häublein, 6. Aufl., § 573 Rn.
59).
bb) Nach der Gegenauffassung kommt
auch bei einem Zahlungsverzug unterhalb der Schwelle des § 543 Abs. 2 Nr. 3 [X.] eine ordentliche Kündigung in Betracht. Dabei werden an die Höhe des Rückstands und die Dauer des [X.] unterschiedliche Anforderungen gestellt. Teilweise soll jeder Zahlungsver-zug zur Kündigung berechtigen, soweit es sich nicht um einen solchen handele, der auch bei jedem gutwilligen Vertragspartner einmal auftreten könne und nur zu einer kurzfristigen Störung des Vertragsverhältnisses führe ([X.],
[X.] 1982, 77, 84); auch Rückstände unterhalb einer Monatsmiete und einer [X.]dauer unterhalb eines Monats werden gelegentlich als ausreichend ange-sehen
([X.] in:
Bub/[X.], Handbuch der Geschäfts-
und [X.], 3. Aufl., Rn.
[X.] 64).

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Überwiegend wird jedoch eine erhebliche Pflichtverletzung erst bei einem Rückstand von
einer
Monatsmiete und einer Verzugsdauer von mindestens ei-nem
Monat angenommen
([X.], 713:
rückständige titulier-te Monatsmiete;
Staudinger/[X.], [X.], Neubearb. 2011, § 573 Rn. 47;

Bam-berger/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 573 Rn. 28; [X.]/[X.], Miete,
2006,
§ 573 Rn. 22;
Erman/Lützenkirchen,
[X.], 13. Aufl., § 573 Rn.
24; vgl. auch [X.]/[X.], [X.], 71. Aufl., § 573 Rn. 16:
mindestens ein halber
Monat Verzugsdauer).
cc) Der Auffassung, dass auch unterhalb der in § 543 Abs. 3 Nr. 2 [X.] festgelegten Grenzen eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs möglich
ist, gebührt der Vorzug. Die fristlose Kündigung setzt voraus, dass dem Vermieter unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls die Fortsetzung des Vertrags nicht bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist zugemutet werden kann. Demgegenüber knüpft die ordentliche Kündigung an
eine nicht unerhebliche Vertragsverletzung des Mieters
an, die dem Vermieter die Lösung vom Vertrag nur unter Beachtung gesetzlicher oder vereinbarter Kündigungsfristen erlaubt. Angesichts dieser unterschiedlichen Anforderungen an die fristlose und die or-dentliche Kündigung besteht kein Grund, die vom Gesetzgeber für die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs festgelegten Grenzen auf die ordentliche Kündigung zu übertragen.
Hiervon geht auch das Berufungsgericht im Ansatzpunkt zutreffend aus. Allerdings muss bei der Bewertung einer Pflichtverletzung als "nicht unerheb-lich"
die Dauer und die Höhe des Zahlungsverzugs berücksichtigt werden. Nicht jeder geringfügige oder nur kurzfristige Zahlungsverzug rechtfertigt die Annah-me einer nicht unerheblichen Pflichtverletzung. In Anlehnung an die überwie-gend vertretenen Auffassungen erscheint dem Senat die Erheblichkeitsgrenze nicht überschritten, wenn der Rückstand eine Monatsmiete
nicht übersteigt
und 18
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zudem die Verzugsdauer weniger
als einen
Monat
beträgt. Hier befand sich der Beklagte im [X.]punkt der Kündigung
vom 12. November 2010 mit der Miete für November neun Tage in Verzug, so dass die Grenze zur "nicht unerheblichen"
Pflichtverletzung noch nicht überschritten war.
2. Das Urteil des Berufungsgerichts
erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig, denn das Mietverhältnis der Parteien ist bereits durch
die Kündigung der Klägerin vom 5. Oktober
2009 beendet worden.
a) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Kündigung vom 5. Okto-ber 2009
nicht deswegen unwirksam, weil sie nicht im Namen der Vermieterin erklärt worden wäre. Auf die -
nach Ansicht der Revision zu verneinende -
Fra-ge, ob die Gesellschafter einer [X.]
ein von der
Gesellschaft eingegangenes Mietverhältnis persönlich kündigen können, kommt es nicht an, weil
die anwaltliche
Kündigung vom 5. Oktober 2009
im
Namen der Gesellschaft
ausgesprochen worden ist. Denn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat darin
auf eine von beiden Gesellschaftern erteilte Vollmacht und das mit dem Beklagten bestehende Mietverhältnis Bezug
genommen. Hieraus ergibt sich hinreichend, dass die Kündigung im
Namen der Gesellschaft als
Vermieterin erfolgte.
b) Die
Klägerin
hat ein berechtigtes
Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses
(§ 573 Abs. 1 [X.]), weil der Beklagte seine Pflichten aus dem Mietvertrag schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat

573 Abs.
2 Nr.
1 [X.]), indem
er in der [X.] von März
2008 bis April 2009 keine Zahlungen auf [X.].

Dass er diese Pflichtverletzung mangels Verschulden nicht zu vertreten hätte (§ 280 Abs. 1 Satz 2 [X.]), lässt sich dem Vorbringen des Beklagten
ent-21
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-
gegen der Auffassung der Revision nicht entnehmen. Zu Recht hat das [X.] darauf abgestellt, dass eine unverschuldete wirtschaftliche Notla-ge, die den Beklagen an der Zahlung der Vorschüsse gehindert hätte, schon deshalb nicht vorlag, weil er im fraglichen [X.] vom Jobcenter erhielt. Dass er diese Beträge "versehent-lich"
zur Tilgung anderer Verbindlichkeiten verwendete, ändert nichts daran, dass dem Beklagen zumindest Fahrlässigkeit zur Last fiel.
Selbst wenn nur mo-berücksichtigt
würden, wäre in dem [X.]-raum von März
2008 bis April
2009 ein erheblicher, zwei Monatsmieten über-steigender und vom Beklagten auch zu vertretender Rückstand aufgelaufen.
Soweit
der
Beklagte geltend macht,
er sei irrig davon ausgegangen, dass er die
Vorauszahlungen nicht leisten
müsse, könnte ihn dies
nur
unter
den Vo-raussetzungen eines unvermeidbaren [X.] entlasten (vgl. Senatsurtei-le
vom 25. Oktober 2006 -
VIII [X.], [X.], 35 Rn. 25, 27 sowie vom
11. Juli 2012 -
VIII ZR 138/11, [X.], 499
Rn.19). Für das Vorliegen eines unvermeidbaren [X.] bestehen nach dem Sachvortrag des Beklagten
jedoch keine Anhaltspunkte. Der Umstand, dass der Beklagte nach eigenen Angaben davon ausging,

ihn vom Jobcenter erbracht worden seien, und er
Zahlungen
in dieser Höhe ab Mai 2009 tatsächlich auch leistete, spricht im Gegenteil dafür, dass
er sich
dar-über
im Klaren war, nach dem [X.] seiner Wohnung an die Fernwärme-versorgung
Heizkostenvorauszahlungen entrichten
zu müssen. Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigt der Umstand, dass dem
Beklagten im Zah-lungsprozess
in der ersten Instanz
Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, keine andere Beurteilung.
c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Revision steht der Kündigung vom 5. Oktober 2009
auch nicht die "Sperrwirkung"
des 25
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10
-
§
569 Abs. 3
Nr. 3 [X.] entgegen. Diese Vorschrift bestimmt für die fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
[X.], dass im Falle einer rechtskräf-tigen Verurteilung des Mieters zur Zahlung einer erhöhten Miete nach §§
558 bis 560 [X.] das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs nicht vor Ablauf von zwei Monaten nach rechtskräftiger Verurteilung gekündigt werden kann, wenn nicht die Voraussetzungen der außerordentlichen fristlosen Kündigung schon wegen der bisher geschuldeten Miete erfüllt sind.
Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf die ordentliche Kündigung kommt nicht in Betracht. Es besteht schon keine Regelungslücke, die eine solche analoge Anwendung rechtfertigen könnte.
[X.]) Wie der Senat für den ähnlich gelagerten Fall der in §
569 Abs.
3 Nr.
2 [X.] geregelten Schonfristzahlung ausgeführt
hat (Senatsurteil
vom 16.
Februar 2005 -
VIII ZR 6/04, [X.], 334 unter II 2 a, c),
sprechen be-reits die unterschiedlichen Kündigungsvoraussetzungen für die außerordentli-che fristlose Kündigung in § 543 [X.] und für die ordentliche Kündigung in §
573 [X.] dagegen, dass der Gesetzgeber die in §
569 Abs. 3 [X.] enthalte-nen Schutzvorschriften nur versehentlich auf die außerordentliche Kündigung beschränkt haben könnte.
Der Zweck der Schutzvorschriften besteht darin, in bestimmten Konstellationen eine Obdachlosigkeit des Mieters infolge einer frist-losen Kündigung zu vermeiden; eine solche Gefahr der Obdachlosigkeit
besteht angesichts der bei der ordentlichen Kündigung einzuhaltenden
Kündigungsfrist nicht oder jedenfalls nicht in gleichem Maße
(Senatsurteil vom 16. Februar 2005 -
VIII ZR 6/04, [X.]O unter II 2 d
[X.]).
Im Übrigen kann von einem gesetzge-berischen Versehen, die Schutzvorschriften des § 569 Abs.
3 [X.] entgegen der eigentlichen Intention nicht auch auf die ordentliche Kündigung bezogen zu haben,
auch deshalb nicht (mehr) ausgegangen werden, weil der Gesetzgeber im Mietrechtsreformgesetz vom 19. Juni 2001 ([X.]l. I
S. 1149)
zwar die 27
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-
Schonfrist bei der fristlosen Kündigung auf zwei Monate verlängert, gleichwohl aber bei dieser Gelegenheit für die ordentliche Kündigung keine anderweitige Regelung getroffen hat, obwohl die obergerichtliche Rechtsprechung schon in den 1990er Jahren eine analoge Anwendung der Regelung über die Schonfrist-zahlung auf die ordentliche Kündigung verneint hat (vgl. Senatsurteil vom 16.
Februar 2005
-
VIII ZR 6/04, [X.]O
unter
II 2 b).
bb) Auch bei der Regelung des § 569 Abs. 3 Nr. 3 [X.] handelt es sich um eine Regelung mit Ausnahmecharakter. Nach der Rechtsprechung des Se-nats kommt deshalb -
mangels Bestehen einer Regelungslücke -
eine analoge Anwendung weder für den preisgebundenen
Wohnraum (Senatsurteil vom 9.
Mai 2012 -
VIII ZR 327/11, NJW 2012, 2279 Rn. 16) noch für den Fall in [X.], dass der Vermieter wegen [X.], die aus erhöhten Betriebs-kostenvorauszahlungen (§ 560 Abs. 4 [X.]) resultieren,
nach §
543 Abs.
3 Nr.
3 Buchst. b [X.] kündigt, ohne zuvor auf Zahlung der Rückstände zu klagen (Senatsurteil vom 18. Juli 2012 -
VIII ZR 1/11, [X.], 497 Rn. 21). Für die ordentliche Kündigung gilt nichts anderes; auch insoweit ist für
eine Ausdeh-nung des Anwendungsbereichs des § 569 Abs. 3 Nr. 3 [X.]
kein Raum.
d) Entgegen der Auffassung der Revision führt die vom Beklagten am 30.
Juli 2010 nachträglich geleistete
Zahlung ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung.
Allerdings hat der Senat im Zusammenhang mit der Bedeutung der Schonfristzahlung für eine
ordentliche Kündigung ausgeführt, die innerhalb der Frist des § 569 [X.] erfolgte nachträgliche Zahlung könne die Pflichtverletzung des Mieters in einem milderen Licht erscheinen lassen und unter diesem Ge-sichtspunkt von Bedeutung sein (vgl. Senatsurteil vom 16. Februar 2005
-
VIII
ZR 6/04,
[X.]O unter II 2 d cc).
Ob dies -
wie es im damaligen Senatsurteil 29
30
31
-
12
-
möglicherweise anklingt -
im Rahmen der Wirksamkeit der Kündigung oder -
was aus systematischen Gründen näher liegen dürfte
-
im Rahmen von §
242 [X.] zu prüfen ist, weil sich die Berufung auf eine wirksam ausgesprochene Kündigung aufgrund nachträglich eingetretener Umstände im Einzelfall als rechtsmissbräuchlich darstellen kann (vgl.
hierzu Senatsurteil vom 13. Oktober 2010 -
VIII ZR 78/10, NJW 2010, 3775 Rn. 14,
zur Anbietpflicht),
bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die
im Juli 2010 und somit
fast
neun
Monate nach der Kündigung erfolgte Zahlung
lässt die schuldhafte Pflichtverletzung
des
Be-klagten, der in der [X.] vom März 2008 bis April 2009 Rückstände in Höhe von mehr als zwei Monatsmieten hat auflaufen lassen, auch nachträglich nicht in einem milderen
Licht erscheinen.
Die nachträgliche Zahlung steht daher dem [X.] der Klägerin weder unter dem Gesichtspunkt der Wirk-samkeit der Kündigung noch mit Rücksicht auf
Treu und Glauben entgegen.
[X.]
Dr. Milger
Dr. Achilles

Dr. Schneider
Dr. Bünger

Vorinstanzen:
AG [X.]-Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 17.12.2010 -
19 C 28/10 -

LG [X.], Entscheidung vom 01.03.2012 -
67 [X.]/11 -

Meta

VIII ZR 107/12

10.10.2012

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.10.2012, Az. VIII ZR 107/12 (REWIS RS 2012, 2496)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2496

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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8 C 26/20 (Amtsgericht Lünen)


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