Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.06.2011, Az. VI R 14/10

6. Senat | REWIS RS 2011, 5216

STEUERRECHT STEUERN BUNDESFINANZHOF (BFH) PFLEGE

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung eines Angehörigen als außergewöhnliche Belastungen - Keine Aufteilung in Unterhaltskosten und Krankheitskosten - Kein Wahlrecht zwischen § 33 EStG oder § 33a EStG - Altersbedingte Heimunterbringung von Angehörigen)


Leitsatz

1. Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen für die krankheitsbedingte Unterbringung eines Angehörigen in einem Altenpflegeheim entstehen, stellen als Krankheitskosten eine außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG dar. Abziehbar sind neben den Pflegekosten auch die Kosten, die auf die Unterbringung und Verpflegung entfallen, soweit es sich hierbei um gegenüber der normalen Lebensführung entstehende Mehrkosten handelt .

2. Eine Aufteilung derartiger Kosten in Unterhaltskosten i.S. von § 33a EStG und Krankheitskosten i.S. von § 33 EStG kommt nicht in Betracht .

3. Bei Unterhaltsaufwendungen besteht kein Wahlrecht zwischen einem Abzug nach § 33 EStG oder nach § 33a EStG (§ 33a Abs. 5 EStG) .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Aufwendungen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für die Heimunterbringung ihres pflegebedürftigen [X.] als außergewöhnliche Belastung abziehbar sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt (Gesamtbetrag der Einkünfte: 73.180 €). In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2006 machten die Kläger Aufwendungen der Klägerin in Höhe von 1.316 € als außergewöhnliche Belastung geltend. Diesen Betrag hatte die [X.] von der Klägerin für Kosten der Unterbringung ihres [X.] in einem Altenpflegeheim, die durch einen schweren Schlaganfall und die daraus resultierende Pflegebedürftigkeit (Pflegestufe II) notwendig geworden war, gefordert. Die Kosten der Heimunterbringung hatten sich auf insgesamt 37.700 € belaufen. Hiervon hat der Vater der Klägerin 9.440,64 €, die Pflegeversicherung 22.344 € und den verbleibenden Restbetrag das Sozialamt der [X.] getragen. Außerdem hat der Vater der Klägerin, der im Jahr 2006 eine Rente in Höhe von 24.069 € bezog, seiner schwer gehbehinderten Ehefrau, der Mutter der Klägerin, Unterhalt --im Einvernehmen mit dem [X.] in Höhe von 15.229 € gewährt. Im Einkommensteuerbescheid vom 27. Juli 2007 berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) die geltend gemachten Unterhaltsaufwendungen der Klägerin nicht.

3

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach erfolglosem Vorverfahren ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 965). Das [X.] habe die Unterhaltsaufwendungen der Klägerin zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigt. Denn die anrechenbaren Einkünfte und Bezüge des [X.] der Klägerin überstiegen den Höchstbetrag von 7.680 €.

4

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 33a EStG.

5

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das Urteil des [X.] vom 1. Februar 2010  11 K 1996/08 E und die Einspruchsentscheidung des [X.] vom 13. Mai 2008 aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid 2006 mit der Maßgabe zu ändern, dass bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens Aufwendungen in Höhe von 1.316 € als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33a EStG zum Abzug zugelassen werden.

6

Das [X.] beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist un[X.]egründet. Das [X.] hat im Erge[X.]nis zu Recht entschieden, dass die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen der Klägerin für die Heimunter[X.]ringung ihres pflege[X.]edürftigen [X.] nicht als außergewöhnliche Belastung a[X.]zieh[X.]ar sind.

8

a) Aufwendungen für den Unterhalt einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenü[X.]er unterhalts[X.]erechtigten Person können nach § 33a A[X.]s. 1 EStG im Streitjahr [X.]is zu 7.680 € vom Gesamt[X.]etrag der Einkünfte a[X.]gezogen werden. § 33a A[X.]s. 1 EStG erfasst allerdings nur ü[X.]liche, typische Aufwendungen zur Bestreitung des Le[X.]ensunterhaltes (ständige Rechtsprechung, z.[X.] Urteile des [X.] --BFH-- vom 22. Juli 1988 [X.]3/83, [X.], 111, [X.] 1988, 830, m.w.N.; vom 22. Septem[X.]er 2004 [X.]/03, [X.] 2005, 523; [X.] in Kirchhof, EStG, 10. Aufl., § 33a [X.] 5; Kanzler in [X.]/ [X.]/[X.] --[X.]--, § 33a EStG [X.]; [X.]/[X.], § 33a EStG [X.]; [X.]/[X.], EStG, 30. Aufl., § 33a [X.] 9). Dazu gehören ins[X.]esondere Aufwendungen für Ernährung, Kleidung, Wohnung, Hausrat sowie notwendige Versicherungen (BFH-Urteile vom 31. Okto[X.]er 1973 [X.]/70, [X.], 547, [X.] 1974, 86, [X.]etr. Krankenversicherung, und vom 5. Septem[X.]er 1980 [X.]/80, [X.], 475, [X.] 1981, 31), und zwar ohne Rücksicht darauf, o[X.] mit den Zuwendungen ein einfacher Le[X.]ensstil oder geho[X.]ene Ansprüche finanziert werden (BFH-Urteil vom 19. Juni 2008 [X.], [X.], 338, [X.] 2009, 365, m.w.N.). Der von § 33a A[X.]s. 1 EStG umfasste Bereich ist insofern enger als der den "gesamten Le[X.]ens[X.]edarf" und damit z.[X.] auch Krankheitskosten umfassende (vgl. § 1610 A[X.]s. 2 des Bürgerlichen Gesetz[X.]uchs) Unterhalts[X.]egriff des [X.]ürgerlichen Rechts (BFH-Urteil vom 18. Juni 1997 [X.], [X.] 1997, 755). Diese für den typischen Le[X.]ensunterhalt des Empfängers [X.]estimmten Unterhaltsaufwendungen können nur [X.]is zum gesetzlichen Höchst[X.]etrag des § 33a A[X.]s. 1 Satz 1 EStG a[X.]gezogen werden, sie sind vom Anwendungs[X.]ereich des § 33 EStG ausgeschlossen (§ 33a A[X.]s. 5 EStG).

9

[X.]) Untypische Unterhaltsleistungen, mit denen ein [X.]esonderer und außergewöhnlicher Bedarf a[X.]gedeckt wird --z.[X.] die Ü[X.]ernahme von Krankheits- oder [X.], sind dagegen nach § 33 EStG zu [X.]erücksichtigen, wenn der Unterhalts[X.]erechtigte nicht in der Lage ist, diese Aufwendungen sel[X.]st zu tragen (BFH-Urteile in [X.], 338, [X.] 2009, 365, m.w.N., und vom 17. Dezem[X.]er 2009 [X.]/08, [X.], 487, [X.] 2010, 341; [X.]/Kanzler, § 33a EStG [X.]; siehe auch [X.] in Korn, § 33 EStG [X.] 10; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], Kommentar, § 33 [X.] 25; [X.], in: [X.][X.], EStG, § 33a [X.] B 1). Aufwendungen für die krankheits[X.]edingte Unter[X.]ringung von Angehörigen in einem Altenpflegeheim fallen deshal[X.] unter § 33 EStG, während [X.]eispielsweise Aufwendungen für deren alters[X.]edingte Heimunter[X.]ringung nur nach § 33a A[X.]s. 1 EStG [X.]erücksichtigt werden können (BFH-Urteile vom 24. Fe[X.]ruar 2000 III R 80/97, [X.], 280, [X.] 2000, 294; in [X.], 338, [X.] 2009, 365, und vom 11. Fe[X.]ruar 2010 [X.]/08, [X.], 350, [X.] 2010, 621). Wie sich aus § 33a A[X.]s. 5 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung (jetzt § 33a A[X.]s. 4 EStG) ergi[X.]t, hat der Steuerpflichtige insoweit kein Wahlrecht zwischen dem A[X.]zug nach § 33 EStG und dem nach § 33a EStG (BFH-Urteil vom 26. März 2009 [X.]/08, [X.] 2009, 1418).

c) Entgegen der Auffassung der Kläger sind die Kosten, die die Klägerin für die Unter[X.]ringung ihres [X.] in dem Pflegeheim getragen hat, nicht in Unterhaltskosten i.S. von § 33a EStG und Krankheitskosten i.S. von § 33 EStG aufzuteilen. Denn die unter § 33 EStG fallenden a[X.]zieh[X.]aren krankheits[X.]edingten Mehrkosten --und nur wegen dieser ist die Klägerin ausweislich der [X.]indenden Feststellungen des [X.] vom Sozialamt der [X.] in Anspruch genommen [X.] umfassen e[X.]enso wie [X.]ei einer Unter[X.]ringung in einem Krankenhaus nicht nur die Aufwendungen für Pflege und ärztliche Hilfe, sondern auch die gesamten vom Heim in Rechnung gestellten Kosten für Unterkunft und Verpflegung, die [X.]ei einem Heimaufenthalt in der Regel erhe[X.]lich höher liegen als die dafür ü[X.]lichen Kosten [X.]ei einem Ver[X.]lei[X.] im eigenen Haushalt (BFH-Urteil in [X.], 280, [X.] 2000, 294, m.w.N.).

d) Nach diesen Maßstä[X.]en sind die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen für die Heimunter[X.]ringung des durch den schweren Schlaganfall pflege[X.]edürftigen [X.] der Klägerin nicht gemäß § 33a A[X.]s. 1 EStG, sondern nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastungen zu [X.]erücksichtigen. Allerdings scheidet ein A[X.]zug der streitigen Aufwendungen nach dieser Vorschrift im Streitfall schon deshal[X.] aus, weil diese Aufwendungen die zumut[X.]are Belastung i.S. von § 33 A[X.]s. 3 EStG nicht ü[X.]ersteigen. Denn diese [X.]eträgt vorliegend nach § 33 A[X.]s. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. [X.] EStG 4.390,80 € (6 % des Gesamt[X.]etrags der Einkünfte in Höhe von 73.180 €).

Damit hat das [X.] die Klage der Kläger im Erge[X.]nis zu Recht a[X.]gewiesen, so dass die Revision als un[X.]egründet zurückzuweisen ist.

Meta

VI R 14/10

30.06.2011

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 1. Februar 2010, Az: 11 K 1996/08 E, Urteil

§ 33 Abs 1 EStG 2002, § 33 Abs 3 Nr 1 S 1 Buchst b EStG 2002, § 33a Abs 1 EStG 2002, § 33a Abs 5 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.06.2011, Az. VI R 14/10 (REWIS RS 2011, 5216)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5216

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI B 82/12 (Bundesfinanzhof)

Abziehbarkeit von Aufwendungen für die Heimunterbringung eines Elternteils als außergewöhnliche Belastung


VI R 38/09 (Bundesfinanzhof)

Heimkosten als außergewöhnliche Belastung


VI R 51/09 (Bundesfinanzhof)

(Heimkosten des nicht pflegebedürftigen Ehegatten keine außergewöhnlichen Belastungen - Zwangsläufigkeit i.S. des § 33 Abs. …


VI R 35/16 (Bundesfinanzhof)

Abzug von Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastung


VI R 22/16 (Bundesfinanzhof)

Aufwendungen für die Unterbringung in einem Alten- und Pflegeheim - Ansatz einer Haushaltsersparnis für beide …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.