Bundessozialgericht, Urteil vom 09.11.2011, Az. B 12 KR 21/09 R

12. Senat | REWIS RS 2011, 1633

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Kranken- und Pflegeversicherung der Landwirte - rückwirkende Feststellung der Versicherungspflicht eines landwirtschaftlichen Unternehmers - Befreiungsantrag - Fristversäumnis - keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Verfassungsmäßigkeit


Leitsatz

Durch die rückwirkende Feststellung der Versicherungspflicht eines landwirtschaftlichen Unternehmers in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung wird die bereits abgelaufene Frist für einen darauf bezogenen Befreiungsantrag nicht erneut eröffnet.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 11. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des [X.] in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung sowie seine Befreiung von der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung.

2

Der Kläger ist seit 1991 bzw 1997 Geschäftsführer zweier Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH, an denen er Gesellschaftsanteile von 36 % bzw 31 % hält. Diese bewirtschaften landwirtschaftliche Flächen von rund 300 ha und über 2000 ha; ihr Wirtschaftswert übersteigt jeweils 60 000 DM. Mit Bescheid vom 11.4.1995 stellte die [X.] fest, dass bei dem Kläger wegen der 1991 aufgenommenen Tätigkeit als Geschäftsführer und Gesellschafter ab 1.11.1991 keine Versicherungspflicht in der [X.] und keine Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung vorliege, da er hauptberuflich selbstständig tätig sei. Der Kläger wählte daraufhin eine private Krankenversicherung.

3

Aufgrund eines Katasterhinweises vom [X.] übersandten die Rechtsvorgänger ([X.] Landwirtschaftliche Krankenkasse bzw Pflegekasse - [X.] bzw [X.]) der Beklagten (Landwirtschaftliche Krankenkasse bzw Pflegekasse Mittel- und Ostdeutschland) dem Kläger einen Meldebogen zur Überprüfung der Mitgliedschaft als [X.] landwirtschaftlicher Unternehmer. Daraufhin beantragte dieser am [X.] die Befreiung von der Versicherungspflicht. Mit Bescheid vom [X.] stellten [X.] und [X.] die Versicherungspflicht des [X.] in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung ab 1.1.1995 fest und setzten die für die Vergangenheit (22 354,54 Euro) und ab [X.] (insoweit 440,55 Euro monatlich) zu zahlenden Beiträge fest. Änderungen der [X.] erfolgten durch [X.] vom 16.1.2004, 27.1.2005, 19.1.2006, 5.1.2007, 10.1.2008 sowie - nur bezüglich des [X.] - mit Bescheid vom 1.7.2008. Den Befreiungsantrag des [X.] lehnte die [X.] mit einem weiterem Bescheid vom [X.] ab, weil dieser Antrag nicht innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht gestellt worden sei. Der gegen beide [X.] eingelegte Widerspruch ist ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid vom 1.4.2005).

4

Mit Urteil vom 18.1.2007 hat das [X.] die bis dahin ergangenen [X.] der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, den Kläger von der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu befreien: Er sei zwar als landwirtschaftlicher Unternehmer pflichtversichert und sein Befreiungsantrag verfristet. Er könne sich jedoch auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch berufen, da es die [X.] bei Erteilung des [X.]s vom 11.4.1995 unterlassen habe, ihn auf eine mögliche Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung hinzuweisen und sich die Beklagten dieses Unterlassen zurechnen lassen müssten. Angesichts dessen und der seit Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit verstrichenen [X.] sei die Beitragsforderung der Beklagten zudem verwirkt.

5

In der mündlichen Verhandlung über die von den Beklagten dagegen eingelegte Berufung haben sie anerkannt, "dass eine beitragspflichtige Mitgliedschaft erst ab dem 06.07.2003 besteht"; der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen. Das L[X.] hat sodann das Urteil des [X.] geändert und die Klage mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Beitragspflicht des [X.] erst ab 6.7.2003 besteht (Urteil vom 11.12.2008): Der Kläger sei seit dem 1.11.1991 versicherungspflichtig in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Er habe keinen Anspruch auf Befreiung, da er den Antrag nicht innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht gestellt habe. Wiedereinsetzung in die versäumte Antragsfrist sei ihm nicht zu gewähren, da die bloße Unkenntnis der Rechtslage keinen ausreichenden Grund hierfür darstelle und auch die maximale Frist von einem Jahr zur Nachholung der versäumten Handlung bei Antragstellung bereits abgelaufen gewesen sei, ohne dass dies auf höherer Gewalt beruht habe. Auch die rückwirkende Feststellung der Versicherungspflicht begründe keinen Befreiungsanspruch, da der vom 10. Senat des B[X.] im Rahmen übergangsrechtlicher Befreiungsanträge in der Alterssicherung der Landwirte herangezogene Rechtsgedanke des § 34 Abs 2 Satz 3 [X.] nicht auf den vorliegenden Sachverhalt zu übertragen sei. Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs lägen ebenfalls nicht vor, da die Antragsfrist auch bei Erlass des [X.]s der [X.] vom 11.4.1995 sowie bei einer fehlerhaften Auskunft des Vorsitzenden der Vertreterversammlung der Beklagten zu 1. im Jahre 2001 bereits verstrichen gewesen sei. Die verbliebenen Beitragsforderungen der Beklagten seien zutreffend berechnet worden und nicht verwirkt.

6

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des - seiner Ansicht nach entsprechend anzuwendenden - § 34 Abs 2 Satz 3 [X.]. Das B[X.] habe in mehreren Entscheidungen (ua Urteil vom [X.] LW 4/99 R; B[X.] SozR 3-5868 § 85 [X.] unter Heranziehen des Rechtsgedankens des § 34 Abs 2 Satz 3 [X.] festgestellt, dass ein Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 85 Abs 3 und 3a [X.] nicht ohne Weiteres wegen Versäumung der Antragsfrist abgelehnt werden dürfe, wenn erst nach deren Ablauf die Versicherungspflicht bescheidmäßig festgestellt werde. Dem betroffenen Personenkreis solle zumindest eine gewisse Überlegungsfrist in der [X.] zwischen der Feststellung der Versicherungspflicht und dem Befreiungsantrag eingeräumt werden. Der allgemeine Gleichheitssatz gebiete, dass es zu keiner Bevorzugung der Personen kommen dürfe, die noch so rechtzeitig einen Bescheid über die Feststellung der Versicherungspflicht erhalten hätten, dass sie die Antragsnotwendigkeit erkennen und den Antrag noch vor Ablauf der allgemeinen Frist stellen konnten.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.]n Landessozialgerichts vom 11. Dezember 2008 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 18. Januar 2007 zurückzuweisen.

8

Die Beklagten beantragen übereinstimmend,
die Revision zurückzuweisen.

9

Die Beklagten verteidigen das Urteil des L[X.]: Das B[X.] habe den Rechtsgedanken des § 34 Abs 2 Satz 3 [X.] nur mit Rücksicht auf die Fülle der für Laien schwer zu durchschauenden Neuregelungen in den Jahren 1995 und 1996 auf die Übergangsregelungen des § 85 Abs 3 und 3a [X.] übertragen, was mit den hier vorliegenden Umständen nicht vergleichbar sei. Stattdessen habe es bereits zu der Vorgängerregelung des § 4 Abs 2 Satz 1 [X.] 1989 ausdrücklich entschieden, dass die Frist für den Befreiungsantrag eine absolut wirkende, von Amts wegen zu beachtende Ausschlussfrist sei (B[X.] Urteil vom 10.6.1980 - 11 RK 11/79 - USK 80157).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.] ist unbegründet. Zu Recht hat das [X.] das Urteil des [X.] geändert und die Klage mit der Maßgabe abgewiesen, dass eine Beitragspflicht des [X.] erst ab [X.] besteht. Zutreffend hat das [X.] entschieden, dass der Kläger zumindest seit 1.11.1991 versicherungspflichtig in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung ist (hierzu 2.) und dass er nicht aufgrund seines Antrags vom [X.] von der Krankenversicherungspflicht zu befreien ist (hierzu 3.). Schließlich sind die für die [X.] bis zum 11.12.2008 vom Kläger zu zahlenden Beiträge durch die Beklagten zutreffend festgesetzt worden und nicht verwirkt (hierzu 4.).

1. Im Streit steht zwischen den Beteiligten noch die Feststellung der Versicherungspflicht des [X.] in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung durch den gemeinsamen Bescheid der [X.] und [X.] vom [X.] sowie die Ablehnung des Befreiungsantrags des [X.] durch die [X.] mit weiterem Bescheid vom selben Tag. Darüber hinaus sind im Revisionsverfahren (nur noch) Beitragsforderungen für die [X.] im Streit. Das von den Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des B[X.] zu den Folgen einer rückwirkenden Feststellung der Mitgliedschaft in der Krankenversicherung (B[X.]E 69, 20 = [X.]-2200 § 381 [X.]) abgegebene - vom Kläger angenommene - Teilanerkenntnis ist als Verzicht auf Beitragsnachforderungen für die [X.] bis 5.7.2003 auszulegen. Gegenstand des Rechtsstreits sind über § 86 [X.]G auch die Bescheide vom 16.1.2004 und 27.1.2005 sowie nach § 96 Abs 1 [X.]G die Bescheide vom [X.], 5.1.2007, 10.1.2008 und - nur den [X.] betreffend - vom [X.], durch die die unbefristeten [X.] der jeweils vorhergehenden Bescheide mit Wirkung für die Zukunft geändert wurden. Über die während des Revisionsverfahrens ergangenen Änderungsbescheide hat der [X.] dagegen - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht zu befinden (vgl § 171 Abs 2 [X.]G).

2. Den Bescheid über die Feststellung der Versicherungspflicht des [X.] in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung vom [X.] hat das [X.] zu Recht auf die Anfechtungsklage hin nicht aufgehoben, denn der Kläger wird hierdurch und auch wegen der Feststellung der Versicherungspflicht erst ab dem [X.] nicht iS des § 54 Abs 1 Satz 2 [X.]G beschwert. Nach § 2 Abs 1 [X.] 1989 (in der ab 1.1.1989 gültigen Fassung durch Gesetz vom 20.12.1988, [X.] 2477, die nach [X.] I Kapitel VIII Sachgebiet G Abschnitt [X.], [X.]I 1990, 885, 889, 1055, mit den dort genannten Maßgaben seit dem 3.10.1990 auch im Beitrittsgebiet Anwendung findet) sind in der Krankenversicherung der Landwirte ua versicherungspflichtig Unternehmer der Land- und Forstwirtschaft (landwirtschaftliche Unternehmer), deren Unternehmen, unabhängig vom jeweiligen Unternehmer, eine auf Bodenbewirtschaftung beruhende Existenzgrundlage bildet bzw (idF ab [X.] durch Gesetz vom [X.], [X.] 1890) auf Bodenbewirtschaftung beruht und die Mindestgröße (hier: 4 ha) erreicht. Dabei gelten nach § 2 Abs 3 Satz 2 [X.] 1989 (idF durch Gesetz vom [X.], [X.] 1890; sinngemäß bereits idF durch Gesetz vom 20.12.1988, [X.] 2477) auch Mitglieder einer juristischen Person als Unternehmer, wenn sie hauptberuflich im Unternehmen tätig und wegen dieser Tätigkeit nicht kraft Gesetzes in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind.

Nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den [X.] bindenden (§ 163 [X.]G) Feststellungen des [X.] haben diese Voraussetzungen bezogen auf die seit Januar 1991 ausgeübte Geschäftsführertätigkeit des [X.] zumindest seit dem 1.11.1991 und bezogen auf die weitere Geschäftsführertätigkeit seit dem [X.] vorgelegen, worüber zwischen den Beteiligten auch kein Streit besteht. Die Versicherungspflicht nach § 2 [X.] 1989 begründet nach § 20 Abs 1 Satz 2 [X.] 3 [X.]B XI gleichzeitig die Versicherungspflicht in der [X.] Pflegeversicherung, die nach § 48 Abs 1 Satz 1 [X.]B XI bei der Beklagten zu 2. bzw für die [X.] zuvor bei deren Rechtsvorgängerin, der [X.], durchzuführen ist.

Der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung steht - anders als in der Revisionsbegründung angedeutet - auch die im Bescheid der [X.] vom 11.4.1995 getroffene Feststellung des Nichtbestehens einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht entgegen. Wie auch für den Kläger anhand der weiteren Ausführungen des Bescheides unschwer erkennbar war, bezog sich diese Feststellung allein auf den (von der Krankenkasse bejahten) versicherungsrechtlichen Status als Selbstständiger und auf die bisher bei der [X.] durchgeführte "Fehlversicherung" nach [X.]B V, zu deren Prüfung diese Krankenkasse ausschließlich berufen war. Ausführungen zu den Besonderheiten der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, insbesondere zur Kranken- und Pflegeversicherung dieses Sondersystems, enthielt der Bescheid nicht.

3. Der Kläger war - in Übereinstimmung mit dem Urteil des [X.] - aufgrund seines Antrags vom [X.] nicht von der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung zu befreien (wodurch auch die Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Pflegeversicherung entfallen wäre), denn dieser Antrag war verspätet (hierzu a), ohne dass dem Kläger wegen der versäumten Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (hierzu b) oder dass er nach den Grundsätzen über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch so zu stellen wäre, als hätte er den Antrag rechtzeitig gestellt (hierzu c).

a) Nach § 4 Abs 2 Satz 1 [X.] 1989 ist ein Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht bei der zuständigen Krankenkasse zu stellen. Diese Frist war hier bei der entsprechenden Antragstellung des [X.] im Juli 2001 bereits verstrichen.

aa) Die Versicherungspflicht auch in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung tritt grundsätzlich bereits mit dem Vorliegen ihrer Voraussetzungen kraft Gesetzes ein, ohne dass es hierzu eines feststellenden Verwaltungsakts oder der Kenntniserlangung des Versicherten hiervon bedarf (B[X.] [X.] 5420 § 2 [X.] ; B[X.] Urteil vom 10.6.1980 - 11 RK 11/79 - [X.] 80157; vgl allgemein zur Krankenversicherungspflicht zB [X.] in [X.], Stand April 2008, § 5 [X.]B V Rd[X.]06; [X.] in [X.]/Wagner/[X.], Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, Stand Dezember 1997, Vor § 5 [X.]B V Rd[X.] 3). Dass dies insbesondere für die Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 [X.] 1989 gilt, verdeutlicht § 22 Abs 1 [X.] 1989, der für den Beginn der Mitgliedschaft allein an den [X.] als landwirtschaftlicher Unternehmer anknüpft, während die Mitgliedschaft der nach § 2 Abs 1 [X.] und 5 [X.] 1989 Versicherungspflichtigen erst mit deren Aufnahme in das Mitgliederverzeichnis beginnt.

An den Eintritt der Versicherungspflicht im vorgenannten Sinne knüpft § 4 Abs 2 Satz 1 [X.] 1989 nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut für den Beginn der Antragsfrist an (im Ergebnis ebenso Noell/[X.], Die Krankenversicherung der Landwirte, 16. Aufl 2001, [X.]). Gleichzeitig schließt der Wortlaut des § 4 [X.] 1989 eine Antragstellung nach Ablauf der ersten drei Monate nach Eintritt der Versicherungspflicht aus. Eine entsprechende Regelung, wie sie - ausgehend von einer ersten Antragsfrist von einem Monat nach Eintritt der Versicherungspflicht - in § 5 [X.] 1989 für die Befreiung von der Versicherungspflicht wegen Binnenfischerei, Imkerei oder Wanderschäferei vorgesehen ist, fehlt in § 4 [X.] 1989. Darauf, dass dieses Ergebnis auch dem Willen des historischen Gesetzgebers entspricht, deutet insbesondere die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu § 4 [X.] hin ([X.] [X.]). Danach sollte die gegenüber der Vorbildnorm § 173a Abs 2 RVO von einem auf drei Monate verlängerte Antragsfrist gerade den Besonderheiten der Landwirtschaft ("Feststellung des Einheitswerts, Erfassung des Personenkreises") Rechnung tragen. Einer solchen Verlängerung hätte es nicht bedurft, wenn nach der Vorstellung der Entwurfsverfasser diese Umstände, insbesondere die Schwierigkeiten bei der Erfassung des von der Versicherungspflicht betroffenen Personenkreises mit der Folge einer oft rückwirkenden Feststellung der Versicherungspflicht zu einer Antragsberechtigung auch nach Ablauf der mit dem Eintritt der Versicherungspflicht beginnenden Antragsfrist hätten führen sollen.

bb) Die Einräumung einer Möglichkeit zur Antragstellung auch aus Anlass einer erst nach Ablauf der [X.] des § 4 Abs 2 Satz 1 [X.] 1989 erfolgten Feststellung der Versicherungspflicht ist entgegen der Ansicht des [X.] auch nicht von [X.] wegen geboten.

Zwar hat die Gruppe derjenigen, deren Versicherungspflicht noch während der ersten drei Monate nach ihrem Eintritt durch die landwirtschaftliche Krankenkasse festgestellt wird, gegenüber der vom Kläger repräsentierten Gruppe derjenigen, deren Versicherungspflicht erst zu einem späteren [X.]punkt festgestellt wird, den Vorteil, ggf auch ohne eine regelmäßig vorangegangene Anzeige der Aufnahme einer landwirtschaftlichen Unternehmertätigkeit so zeitig auf die Versicherungspflicht hingewiesen worden zu sein, dass ein fristgerechter Befreiungsantrag noch möglich ist. Der mit dem Fehlen eines solchen Hinweises verbundene Nachteil derjenigen, deren Versicherungspflicht erst zu einem späteren [X.]punkt festgestellt wird, rechtfertigt sich jedoch aus der Konzeption des [X.] 1989, dass in Verbindung mit § 2 Abs 2 [X.] 3 [X.]B IV als einen Sonderfall zur Beschäftigtenversicherung eine Versicherungspflicht von Unternehmern (§ 2 Abs 1 [X.] 1989) begründet. In deren Rahmen obliegt es dem Unternehmer, von sich aus den an die Aufnahme seiner Tätigkeit anknüpfenden Verpflichtungen nachzukommen und im Zweifelsfall eine Klärung über Bestehen und Umfang dieser Pflichten herbeizuführen (vgl B[X.] [X.]-5868 § 3 [X.] f; B[X.] [X.]-5850 § 14 [X.] S 5 f). Neben Melde- und Anzeigepflichten des Unternehmens-, Gewerbe- und Steuerrechts sowie den sozialrechtlichen Meldepflichten nach § 28a [X.]B IV gehört hierzu auch die Verpflichtung nach § 27 Abs 1 [X.] 1989, die Aufnahme der Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer sowie alle sonstigen die Versicherungspflicht und Beitragshöhe sowie die Mitgliedschaft berührenden Tatbestände innerhalb von zwei Wochen der landwirtschaftlichen Krankenkasse zu melden. Kommt der Unternehmer dieser Verpflichtung nicht nach, kann er sich nicht auf eine erst nach Ablauf der Antragsfrist des § 4 Abs 2 Satz 1 [X.] 1989 rückwirkend erfolgte Feststellung der Versicherungspflicht berufen. Dem vergleichbar hat es das [X.] als mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar angesehen, wenn einem selbstständigen Lehrer die Befreiungsmöglichkeit von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 231 Abs 6 [X.]B VI nur deshalb verschlossen ist, weil diese Versicherungspflicht in seinem Fall im Unterschied zu anderen selbstständigen Lehrern bereits vor dem Stichtag 31.12.1998 durch den Rentenversicherungsträger festgestellt worden war ([X.] [X.] 4-2600 § 2 [X.] Rd[X.] 34 ff, 41 ff). Zugleich hat das [X.] auch in der - hier von der Beklagten nicht mehr verfolgten - Beitragsnacherhebung bei verspäteter und unvollständiger Erfassung des versicherten Personenkreises keinen [X.]verstoß gesehen, sofern der Gesetzgeber ua durch eine Meldepflicht Maßnahmen zur Erfassung des betroffenen Personenkreises trifft ([X.] aaO Rd[X.] 34 ff).

cc) Nach alledem verbleibt im vorliegenden Kontext der landwirtschaftlichen Krankenversicherung für die vom Kläger gewünschte Übertragung des [X.] aus § 34 Abs 2 Satz 3 iVm Satz 1 [X.], wie sie der für Streitigkeiten aus der [X.] bzw Alterssicherung der Landwirte zuständige [X.] des B[X.] in mehreren Entscheidungen in Bezug auf § 85 Abs 3 und Abs 3a [X.] (damals idF durch Gesetz vom [X.], [X.] 1814) vorgenommen hat (Urteile vom [X.] LW 4/99 R und [X.] LW 2/99 R; B[X.] [X.]-5868 § 3 [X.] 3; B[X.] [X.]-5868 § 85 [X.] 8), auch in Ermangelung einer erkennbaren Regelungslücke im Recht der landwirtschaftlichen Krankenversicherung (vgl insoweit die vorstehenden Ausführungen zur Auslegung des § 4 Abs 2 Satz 1 [X.] 1989) kein Raum (zu den Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung allgemein vgl zB [X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvR 918/10 - NJW 2011, 836).

Darüber hinaus ist auch die Situation, die den [X.] zu dieser Übertragung veranlasst hat, mit der vorliegenden Sachverhaltsgestaltung nicht zu vergleichen. So hat der [X.] die Verlängerung der gesetzlich bis [X.] bzw 30.6.1996 begrenzten Antragsfristen des § 85 Abs 3 und Abs 3a [X.] mit der durch die Einbeziehung der Landwirtsehegatten in die Alterssicherung der Landwirte zum [X.] entstandenen Übergangssituation gerechtfertigt. Diese Übergangssituation war seinerzeit dadurch gekennzeichnet gewesen, dass eine Vielzahl von Personen ohne Änderung ihrer persönlichen Verhältnisse versicherungspflichtig geworden, der entsprechende Personenkreis nicht leicht zu ermitteln gewesen und der [X.] hinter der Prognose des Gesetzgebers zurückgeblieben war (so B[X.] Urteile vom [X.] LW 4/99 R und [X.] LW 2/99 R). Zusätzlich hat der [X.] den damals ausdrücklich geregelten Ausschluss einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hervorgehoben (insbes B[X.] [X.]-5868 § 3 [X.]).

Dem ist die Sach- und Rechtslage im vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Eine Übergangssituation der vorbeschriebenen Art liegt weder der Versicherungspflicht landwirtschaftlicher Unternehmer auch als Gesellschafter einer juristischen Person nach § 2 Abs 1 [X.] 1 iVm Abs 3 [X.] 1989 (bis zum 31.12.1988: § 2 Abs 1 [X.] 1 iVm Abs 2 [X.]) zu Grunde noch der Regelung über die Befreiung von der Versicherungspflicht in § 4 [X.] 1989 (zuvor § 4 [X.]). Gleichzeitig fehlt ein ausdrücklicher Ausschluss der Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, welcher auch bei unverschuldeter verspäteter Antragstellung eine Befreiung grundsätzlich ausschließt (vgl aber das noch zur Rechtslage vor In-Kraft-Treten des [X.]B X am 1.1.1981 ergangene B[X.] Urteil vom 10.6.1980 - 11 RK 11/79 - jedoch andererseits B[X.]E 64, 153 = [X.] 1300 § 27 [X.] 4 zum Beitrittsrecht für Schwerbehinderte nach § 176c RVO). Zudem deuten gerade Regelungen wie § 34 Abs 2 Satz 3 [X.] oder § 7a Abs 6 [X.]B IV und die mittlerweile aufgehobenen, die Einführung des Anfrageverfahrens nach § 7a [X.]B IV flankierenden Übergangsregelungen in §§ 7b und 7c [X.]B IV (jeweils idF durch [X.], [X.] 2000, 2) darauf hin, dass Unkenntnis oder Unsicherheit über das Vorliegen von Versicherungspflicht nur ausnahmsweise und [X.] besonderer gesetzlicher Anordnung für den Beginn der Versicherungs- und Beitragspflicht oder hiermit verbundene weitere Rechtsfolgen eine Anknüpfung an deren Feststellung durch Verwaltungsakt zulassen.

Danach begann vorliegend die Antragsfrist im Hinblick auf die vom Kläger seit Januar 1991 ausgeübte Geschäftsführertätigkeit mit Eintritt der Versicherungspflicht spätestens am 1.11.1991 und endete am [X.] (§ 26 Abs 1 [X.]B X iVm § 187 Abs 2, § 188 Abs 2 Alt 2 BGB; vgl dazu Volbers/[X.], Krankenversicherung der Landwirte, 6. Aufl 2005, [X.]). Einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht stellte der Kläger aber erstmals am [X.], mithin mehr als neun Jahre nach Fristablauf.

b) Dem Kläger ist wegen der versäumten Frist zur Beantragung der Befreiung von der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dabei braucht der [X.] nicht zu entscheiden, ob eine Wiedereinsetzung in die Frist des § 4 Abs 2 Satz 1 [X.] 1989 nach § 27 [X.]B X allgemein (vgl einerseits B[X.] Urteil vom 10.6.1980 - 11 RK 11/79 - andererseits B[X.]E 64, 153 = [X.] 1300 § 27 [X.] 4) oder zumindest dann ausgeschlossen ist, wenn sie allein auf der Unkenntnis des Versicherten und/oder Beitragspflichtigen vom Bestehen der Versicherung beruht (vgl B[X.] [X.] 5420 § 2 [X.]; B[X.] [X.] 4-2600 § 6 [X.] 5 Rd[X.] 19 mwN). Denn die Wiedereinsetzung scheidet bereits nach § 27 Abs 3 [X.]B X aus, weil im Falle des [X.] die versäumte Handlung nicht innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Frist des § 4 Abs 2 Satz 1 [X.] 1989 am [X.] nachgeholt wurde. Dass diese Verspätung von mehr als einem Jahr auf höherer Gewalt beruhte, ist nach den - vom Kläger im Revisionsverfahren nicht beanstandeten - Tatsachenfeststellungen des [X.] nicht erkennbar.

c) Der Kläger kann schließlich auch nicht nach den Grundsätzen über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verlangen, so gestellt zu werden, als habe er den Befreiungsantrag fristgerecht gestellt. Nach diesen Grundsätzen kann die Verletzung der dem Versicherungsträger gegenüber dem Versicherten obliegenden Betreuungspflicht (vgl §§ 14, 15 [X.]B I) dazu führen, dass der Versicherungsträger einen dadurch entstandenen sozialrechtlichen Nachteil oder Schaden des Versicherten ausgleichen muss, indem er eine (rechtmäßige) Amtshandlung vornimmt und so den Zustand herstellt, der ohne die Pflichtverletzung bestehen würde (stRspr, vgl zB jüngst B[X.]E 106, 296 = [X.] 4-2500 § 50 [X.], Rd[X.]5 mwN). Zutreffend hat bereits das [X.] darauf abgestellt, dass selbst für den Fall, dass die [X.] im Zusammenhang mit der Überprüfung der Versicherungs- und Beitragspflicht des [X.] und der Erteilung ihres Bescheides vom 11.4.1995 die Verpflichtung getroffen hätte, den Kläger auf eine mögliche Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer hinzuweisen, und wenn sich die Beklagte zu 1. eine solche Pflichtverletzung zurechnen lassen müsste, der vom Kläger geltend gemachte Nachteil nicht - wie erforderlich - durch eben diese Pflichtverletzung entstanden wäre. Denn bereits zum [X.]punkt des Erlasses des Bescheides bestand für den Kläger keine Möglichkeit mehr, die Befreiung von der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung fristgerecht zu beantragen. Anhaltspunkte für eine der Beklagten zu 1. zurechenbare oder für eine von ihr selbst verursachte Pflichtverletzung zu einem früheren [X.]punkt hat das [X.] - ebenfalls vom Kläger im Revisionsverfahren ungerügt - nicht festgestellt.

4. Dass die vom Kläger aufgrund der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung ab [X.] zu zahlenden Beiträge von der Beklagten zutreffend festgesetzt worden sind, zieht er nicht in Zweifel. Hierfür bestehen auf Grundlage der Feststellungen des [X.] auch keine Anhaltspunkte. Ebenso fehlen Anhaltspunkte für eine Verwirkung dieser unmittelbar mit Bescheid vom [X.] und den nachfolgenden [X.] geltend gemachten Beiträge. Insoweit fehlt es hier bereits am [X.]moment der Verwirkung, also an einem längeren [X.]raum, in dem die Beklagten die Ausübung ihres Rechts zur Geltendmachung rückständiger Beiträge unterlassen hätten (zu dieser Voraussetzung allgemein vgl zB Urteil des [X.]s vom 27.7.2011 - B 12 R 16/09 R - Rd[X.] 36 f, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen; B[X.] [X.] 4-2400 § 24 [X.] 5 Rd[X.] 31 mwN).

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 [X.]G.

Meta

B 12 KR 21/09 R

09.11.2011

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Leipzig, 18. Januar 2007, Az: S 8 KR 20/05, Urteil

§ 2 Abs 1 Nr 1 KVLG 1989 vom 29.07.1994, § 2 Abs 3 S 2 KVLG 1989 vom 29.07.1994, § 4 Abs 2 S 1 KVLG 1989, § 34 Abs 2 S 1 ALG, § 34 Abs 2 S 3 ALG, § 27 Abs 3 SGB 10, § 20 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 11, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 09.11.2011, Az. B 12 KR 21/09 R (REWIS RS 2011, 1633)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1633

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 12 KR 17/10 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung der Landwirte - Nebeneinander der Versicherungs- und Beitragspflicht als Bezieher von Arbeitslosengeld II und …


B 12 KR 18/10 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung der Landwirte - Versicherungspflicht - landwirtschaftliches Unternehmen - Bodenbewirtschaftung - Mindestgröße - hauptberuflich selbstständige …


B 3 KR 15/15 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung der Landwirte - Betriebshilfe - kein Anspruch für notwendige Stallarbeiten in ausgelagertem Tiermastbetrieb


B 12 KR 16/12 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung der Landwirte - Versicherungspflicht - landwirtschaftliche Unternehmertätigkeit - versicherungspflichtige Beschäftigung - Hauptberuflichkeit - wirtschaftliche …


B 12 KR 7/10 R (Bundessozialgericht)

(Krankenversicherung der Landwirte - Beitragsbemessung - Berücksichtigung nur von Einkommen aus der versicherungspflichtigen Tätigkeit aus …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 BvR 918/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.