Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.03.2021, Az. 1 B 4/21

1. Senat | REWIS RS 2021, 7650

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Gegenstand

Erfolglose Nichtzulassungsbeschwerde; Absehen von mündlicher Verhandlung; rechtliches Gehör


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des [X.] vom 28. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe einer grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache ([X.]) und eines Verfahrensmangels (I[X.]) gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

[X.] Die Revision ist nicht wegen der mit der [X.]eschwerde geltend gemachten grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

3

1. Grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung entscheidungserhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende [X.]edeutung besteht. Die [X.]eschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. [X.], [X.]eschluss vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Die [X.]egründungspflicht verlangt, dass sich die [X.]eschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher [X.]edeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt und im Einzelnen aufzeigt, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der Frage zugrunde liegt, zu folgen ist (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 8. Juni 2006 - 6 [X.] - NVwZ 2006, 1073 Rn. 4 f. und vom 10. August 2015 - 5 [X.] - juris Rn. 3 m.w.N.). Die Darlegung muss sich auch auf die Entscheidungserheblichkeit des jeweils geltend gemachten [X.] erstrecken.

4

2. Die von der [X.]eschwerde als rechtsgrundsätzlicher Klärung bedürftig erachtete Frage,

"ob sich das [X.] trotz des Systems der normativen Vergewisserung der den [X.]etroffenen zu erwartenden Situation im [X.] individuell genau und substantiiert nähern muss oder ob - wie hier - eine pauschale und verallgemeinernde [X.]ewertung ausreicht, um einen Eingriff in Art. 4 [X.] bei Rückführung in den [X.] auszuschließen",

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung, weil es bereits an der Darlegung einer weiter klärungsbedürftigen Rechtsfrage fehlt.

5

Die abstrakten Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung im Asylverfahren sind - auch bezüglich der Frage, ob einem Schutzberechtigten im Zielstaat der Abschiebung mit Art. 4 der [X.] ([X.]) unvereinbare Lebensbedingungen drohen - in der Rechtsprechung geklärt. Das [X.] bzw. das Verwaltungsgericht haben insoweit alle für die [X.]eurteilung des Vorliegens einer unmenschlichen oder erniedrigenden [X.]ehandlung relevanten Lebensbedingungen im Zielstaat der Abschiebung zu ermitteln und zu würdigen (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 8. August 2018 - 1 [X.] - [X.] 402.242 § 60 Abs. 2 ff. [X.] Nr. 58 Rn. 16). Dafür ist unter anderem auch von [X.]edeutung, ob der rückkehrende Ausländer eine Unterkunft finden kann und ob er seine elementarsten [X.]edürfnisse durch eigene Arbeit oder Sozialleistungen decken kann. Dabei muss die fachgerichtliche [X.]eurteilung von möglicherweise gegen Art. 4 [X.] bzw. Art. 3 [X.] verstoßenden Aufnahmebedingungen - jedenfalls dann, wenn diese ernstlich zweifelhaft sind - auf einer hinreichend verlässlichen, auch ihrem Umfang nach zureichenden tatsächlichen Grundlage beruhen (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 10. Oktober 2019 - 2 [X.]vR 1380/19 - juris Rn. 15). Auch nach der Rechtsprechung des [X.] ist das Gericht, das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung befasst ist, mit der ein neuer Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurde, in dem Fall, dass es über Angaben verfügt, die der Antragsteller vorgelegt hat, um das Vorliegen eines solchen Risikos in dem bereits [X.] Mitgliedstaat nachzuweisen, verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten [X.] der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen (vgl. [X.], Urteil vom 19. März 2019 - [X.]/17 u.a. [[X.]:[X.]:[X.]], [X.] u.a. - Rn. 88).

6

Einer weitergehenden grundsätzlichen Klärung sind die allgemeinen Anforderungen an die gerichtliche Sachverhaltsaufklärung nicht zugänglich. Die [X.]eschwerde wendet sich insoweit vielmehr im Gewand der Grundsatzrüge gegen die Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung des Gerichts. Damit kann sie die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nicht erreichen.

7

I[X.] Auch die Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greifen nicht durch. Die [X.]eschwerde zeigt weder auf, dass das Oberverwaltungsgericht das Recht des [X.] auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt (1.), noch, dass es gegen die Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des maßgeblichen Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen hätte (2.).

8

1. [X.] (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) dadurch, dass das [X.]erufungsgericht über die [X.]erufung des [X.] verfahrensfehlerhaft durch [X.]eschluss nach § 130a Satz 1 VwGO entschieden hätte, ist nicht schlüssig dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

9

a) Nach § 130a Satz 1 VwGO kann das Oberverwaltungsgericht über die [X.]erufung durch [X.]eschluss entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die [X.]eteiligten sind vorher zu hören (§ 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ist das sich auf die [X.]egründetheit oder Unbegründetheit der [X.]erufung beziehende Einstimmigkeitserfordernis (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 20. Januar 1998 - 3 [X.] - [X.] 310 § 130a VwGO Nr. 19 S. 11 f.) erfüllt, steht die Entscheidung, ob ohne mündliche Verhandlung durch [X.]eschluss befunden wird, im Ermessen des Gerichts. Die Grenzen des dem [X.]erufungsgericht eingeräumten Ermessens sind weit gezogen. Das Revisionsgericht kann die Entscheidung für die Durchführung des vereinfachten [X.]erufungsverfahrens nur darauf überprüfen, ob das Oberverwaltungsgericht von seinem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 12. März 1999 - 4 [X.] 112.98 - [X.] 310 § 130a VwGO Nr. 35 S. 5 m.w.N. und vom 25. September 2003 - 4 [X.] - [X.] 140 Art. 6 [X.] Nr. 9 S. 16). Ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung ist seitens des [X.] nur zu beanstanden, wenn es auf sachfremden Erwägungen oder einer groben Fehleinschätzung des [X.]erufungsgerichts beruht (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 3. Februar 1999 - 4 [X.] - [X.] 310 § 130a VwGO Nr. 33 S. 2 m.w.N.) oder wenn im konkreten Fall Art. 6 [X.] beziehungsweise Art. 47 [X.] die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gebieten ([X.], [X.]eschluss vom 10. Juli 2019 - 1 [X.] 57.19 - juris Rn. 6).

An die Anhörungsmitteilung sind in formeller und inhaltlicher Hinsicht strenge Anforderungen zu stellen, da das damit eingeleitete Verfahren es dem [X.]erufungsgericht ermöglicht, ohne die auch im [X.]erufungsverfahren grundsätzlich vorgesehene mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1, § 101 Abs. 1 VwGO) zu entscheiden ([X.], [X.]eschlüsse vom 22. April 1999 - 9 [X.] 1037.98 - [X.] 310 § 130a VwGO Nr. 38 S. 16 und vom 24. April 2017 - 6 [X.] 17.17 - juris Rn. 11). Machen die [X.]eteiligten von der ihnen [X.] Gebrauch, muss das Gericht ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) dadurch Rechnung tragen, dass es das Vorbringen der [X.]eteiligten zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 24. April 2017 - 6 [X.] 17.17 - juris Rn. 11 unter [X.]ezugnahme auf [X.], [X.]eschluss vom 10. Juni 1975 - 2 [X.]vR 1086/74 - [X.]E 40, 101 <104 f.>).

Hat das [X.]erufungsgericht eine Anhörung durchgeführt und stellt ein [X.]eteiligter einen [X.]eweisantrag, der in der mündlichen Verhandlung gemäß § 86 Abs. 2 VwGO beschieden werden müsste, so wird das Gericht seiner Pflicht der Gewährung rechtlichen Gehörs in der Regel nur dadurch gerecht, dass es den [X.]eteiligten durch eine erneute Anhörungsmitteilung im Sinne des § 130a VwGO in Verbindung mit § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die unverändert beabsichtigte Entscheidung durch [X.]eschluss und damit darauf hinweist, dass es seinem [X.]eweisantrag nicht nachgehen werde (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 22. Juni 2007 - 10 [X.] 56.07 - juris Rn. 8 und vom 2. Mai 2018 - 6 [X.] 69.17 - [X.] 402.5 [X.] Nr. 112 Rn. 5). Sinn und Zweck des § 86 Abs. 2 VwGO ist es, einerseits das Gericht zu veranlassen, sich vor Erlass der Sachentscheidung über die Entscheidungserheblichkeit des [X.]eweisantrags schlüssig zu werden, und andererseits die [X.]eteiligten auf die durch die Ablehnung des [X.]eweisantrags entstandene prozessuale Lage hinzuweisen. Gleiches wird durch die erneute Anhörung erreicht; dadurch wird insbesondere dem [X.]eweisführer die Einschätzung ermöglicht, wie das Gericht seinen nach der ersten Anhörung gestellten [X.]eweisantrag bewertet ([X.], [X.]eschluss vom 2. Mai 2018 - 6 [X.] 69.17 - [X.] 402.5 [X.] Nr. 112 Rn. 5 m.w.N.). Dies beschränkt sich aber auf die [X.]ewertung im Ergebnis, die sich aus der Mitteilung des Gerichts ergibt, dass an der beabsichtigten Entscheidung durch [X.]eschluss nach § 130a VwGO festgehalten werde; nicht mitteilen muss das Gericht, aus welchen Gründen es den [X.]eweisanträgen seiner Auffassung nach nicht nachzugehen braucht ([X.], [X.]eschluss vom 4. April 2003 - 1 [X.] 244.02 - [X.] 310 § 130a VwGO Nr. 62; [X.], in: [X.]/[X.], VwGO, 5. Aufl. 2018, § 130a Rn. 28; Rudisile, in: [X.]/[X.], VwGO, Werkstand: 39. EL Juli 2020, § 130a Rn. 10; [X.], in: [X.], VwGO, 15. Aufl. 2019, § 130a Rn. 10a; [X.], in: [X.]eckOK VwGO, [X.]/[X.], 56. Edition, Stand: 01.01.2021, § 130a Rn. 27.1).

Von einer nochmaligen Anhörungsmitteilung kann allerdings abgesehen werden, wenn das neue Vorbringen des [X.]eschwerdeführers nicht jenen Anforderungen genügt, die nach der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts erfüllt sein müssen, damit das [X.] gehalten ist, durch weitere Ermittlungen bzw. eine Vorabentscheidung darauf einzugehen ([X.], [X.]eschluss vom 18. März 1992 - 5 [X.] 36.92 - [X.] 310 § 130a VwGO Nr. 4 S. 3). Der Anspruch auf rechtliches Gehör bezieht sich nur auf entscheidungserhebliches Vorbringen; er verpflichtet das Gericht nicht, Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen oder zu erörtern, auf die es aus seiner Sicht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ankommt. Deshalb erübrigt sich eine erneute Anhörung beispielsweise, wenn das Vorbringen unsubstantiiert ist, neben der Sache liegt oder früheren Vortrag lediglich wiederholt; entsprechendes gilt bei [X.]eweisanträgen ([X.], [X.]eschluss vom 18. Juni 1996 - 9 [X.] 140.96 - [X.] 310 § 130a VwGO Nr. 16 S. 10). Maßgeblich für die [X.]eurteilung der Entscheidungserheblichkeit ist hierbei die sachlich-rechtliche Auffassung des [X.]erufungsgerichts ([X.], [X.]eschluss vom 22. Juni 2007 - 10 [X.] 56.07 - juris Rn. 9). Hält das [X.]erufungsgericht an einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 130a VwGO fest, ohne eine Vorabentscheidung über einen gestellten [X.]eweisantrag zu treffen, muss aus den Entscheidungsgründen seines [X.]eschlusses ersichtlich sein, dass es die Ausführungen des [X.]eteiligten zur Kenntnis genommen und seine [X.]eweisanträge vorher auf ihre Rechtserheblichkeit geprüft hat. Insoweit korrespondiert der Verzicht auf eine Vorabentscheidung über einen [X.]eweisantrag mit der Pflicht des [X.]erufungsgerichts, die Erheblichkeit der [X.]eweiserhebung vor der Entscheidung zu prüfen und sich in den Entscheidungsgründen damit auseinanderzusetzen ([X.], [X.]eschlüsse vom 22. Juni 2007 - 10 [X.] 56.07 - juris Rn. 10 und vom 2. Mai 2018 - 6 [X.] 69.17 - [X.] 402.5 [X.] Nr. 112 Rn. 6).

Welche Anforderungen im Detail an das Vorbringen, das das [X.]erufungsgericht zu einer neuerlichen Anhörung zu einer Entscheidung durch [X.]eschluss nach § 130a VwGO oder zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung veranlassen muss, zu stellen sind, richtet sich nach dem jeweiligen Verfahrensstand. Sind neben Fragen des individuellen Verfolgungsschicksals auch - wie oftmals im Flüchtlingsrecht - fallübergreifend klärungsfähige Tatsachenfragen zu den allgemeinen Verhältnissen in einem Verfolgerstaat, einem Transitland oder einem Mitgliedstaat zu beurteilen, die in der Rechtsprechung des jeweiligen Gerichts bereits bewertet und in bestimmter Weise geklärt sind, reicht es regelmäßig nicht aus, dem Ergebnis dieser Klärung lediglich entgegenzutreten oder zu diesen Fragen [X.]eweisanträge zu stellen, wenn diese Rechtsprechung allgemein zugänglich oder auf sie in der Anhörung ausdrücklich hingewiesen worden ist. Erforderlich ist insoweit dann Vorbringen, das sich mit dieser [X.]ewertung erkennbar - jedenfalls in der Sache - auseinandersetzt und zumindest in Ansätzen darlegt, dass und aus welchen Gründen diese [X.]ewertung unzutreffend ist, sich weitergehender oder neuerlicher Klärungsbedarf ergibt oder sie wegen welcher auf die Person des Schutzsuchenden bezogener [X.]esonderheiten für diesen nicht zutrifft.

b) Nach diesen Grundsätzen konnte das [X.]erufungsgericht verfahrensfehlerfrei ohne neuerliche Anhörung und insbesondere auch ohne Vorabbescheidung der [X.]eweisanträge an der angekündigten Entscheidung durch [X.]eschluss nach § 130a VwGO festhalten. Das Vorbringen des [X.] in seiner Stellungnahme vom 12. August 2020 beschränkt sich - ohne in [X.]ezug auf den Kläger individuelle [X.]esonderheiten geltend zu machen - auf allgemeine Ausführungen zu den Lebensverhältnissen, die einen dort anerkannten Schutzberechtigten bei Rückkehr erwarten, welche das [X.]erufungsgericht in seinem [X.]eschluss vom 17. März 2020 - 7 A 10903/18.OVG -, auf welchen es in der Anhörung hingewiesen hatte, der Sache nach eingehend bewertet hatte, ohne auch nur ansatzweise auszuführen, welche erheblichen Erkenntnisse das [X.]erufungsgericht in jener Entscheidung nicht berücksichtigt hätte, aus welchen Gründen insoweit die [X.]ewertung des [X.]erufungsgerichts nicht oder nicht mehr zutreffend sei, welche neuen Tatsachen oder Erkenntnisse diese [X.]ewertung zumindest zu erschüttern geeignet seien oder aus welchen Gründen sie auf den Fall des [X.] nicht zuträfen; auch dass die in den [X.]eweisanträgen genannten [X.]eweismittel (soweit sie nicht schon - wie Auskünfte des [X.] - berücksichtigt, ausgewertet und bewertet worden waren) über zusätzliche oder überlegene Sachkunde verfügten, wird nicht ausgeführt.

Im Einzelnen:

aa) Das [X.]erufungsgericht hat die [X.]eweisanträge verfahrensfehlerfrei in den Entscheidungsgründen teils als für die Entscheidung unerheblich, teils (sinngemäß) als unsubstantiierten [X.]eweis(ermittlungs)antrag abgelehnt. Nach den Ausführungen des [X.]erufungsgerichts in seinem [X.]eschluss vom 17. März 2020 - 7 A 10903/18.OVG - musste sich dies dem Kläger auch aufdrängen, der sich auch in der [X.]eschwerdebegründung nicht substantiiert mit den Gründen des [X.]erufungsgerichts auseinandersetzt und darlegt, aus welchen Gründen das [X.]erufungsgericht aufgrund des Vorbringens in dem [X.] veranlasst gewesen sein sollte, ihn erneut anzuhören oder eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Soweit der Kläger nunmehr in der [X.]egründung der Nichtzulassungsbeschwerde unter [X.]eifügung eines nervenfachärztlichen Gutachtens aus dem März 2018 auf mögliche individuelle [X.]esonderheiten in seiner Person hinweist, bleibt schon offen, aus welchen Gründen er hierauf nicht schon (im Nachgang zu der im Klageverfahren vorgelegten [X.]escheinigung eines psychologischen Psychotherapeuten vom Dezember 2016) im [X.]erufungsverfahren oder aus Anlass der Anhörung nach § 130a VwGO hingewiesen hat.

bb) Auch auf die in der Stellungnahme zur Anhörungsmitteilung vom Kläger erstmals in das Verfahren eingeführten, auszugsweise zitierten [X.]erichte der [X.] und von [X.] hätte sich das Oberverwaltungsgericht nicht zu einem neuerlichen Hinweis, zu weiteren Ermittlungen oder Durchführung einer mündlichen Verhandlung veranlasst sehen müssen. Das [X.]erufungsgericht hat hierzu in seiner Entscheidung ausgeführt, aus welchen Gründen sie die allgemeinen Schlussfolgerungen nicht entkräften und keine stichhaltigen Angaben zum Nachweis einer dem Kläger gleichwohl mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden extremen Notlage enthalten. Diesen Erwägungen tritt die [X.]eschwerde nicht hinreichend entgegen.

Die erstmals im [X.]eschwerdeverfahren unter Zitierung von Erkenntnisquellen, die nicht Gegenstand des [X.]erufungsverfahrens waren, geäußerte Rechtsauffassung, die vom [X.]erufungsgericht herangezogenen Erkenntnisquellen seien durch die [X.] überholt, begründet die Erforderlichkeit einer zweiten Anhörungsmitteilung ebenfalls nicht. Das [X.]erufungsgericht hatte mit der Einführung eines entsprechenden Erkenntnismittels zu erkennen gegeben, dass es sich - ohne Änderung der Gesamtbewertung - auch mit der aktuellen Lage im Zusammenhang mit COVID-19 befassen werde; hierzu verhält sich die Stellungnahme zu der Anhörungsmitteilung indes nicht.

Soweit die [X.]eschwerdebegründung tatsächliches Vorbringen nebst auszugsweise zitierten Erkenntnisquellen (oft ohne klare Trennung) enthält, von dem jeweils nicht vorgetragen wird, dass es bereits Gegenstand des [X.]erufungsverfahrens war, legt der Kläger die Erforderlichkeit einer erneuten Anhörungsmitteilung nicht dar. Dass er zu entsprechendem Sachvortrag unter Hinweis auf die von ihm herangezogenen Erkenntnisquellen (bzw. deren Vorlage) im [X.]erufungsverfahren nicht in der Lage gewesen wäre, ist nicht erkennbar oder vorgetragen. Überdies hat der Kläger aber auch innerhalb der [X.]eschwerdebegründungfrist nicht ausdrücklich vorgetragen, dass er - wie mit nachträglichem Schriftsatz vom 28. Februar 2021 angegeben - die nunmehr neu vorgebrachten Auskünfte im Falle des [X.] einer erneuten Anhörungsmitteilung (die die Gründe für die beabsichtigte Ablehnung der [X.]eweisanträge nicht hätte enthalten müssen) schon im [X.]erufungsverfahren vorgelegt hätte.

2. Die [X.]eschwerde zeigt auch keine Verletzung der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) auf.

a) [X.] der Verletzung der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht erfordert die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunktes des Vordergerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in [X.]etracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem [X.]eschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem [X.] auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, durch einen unbedingten [X.]eweisantrag oder jedenfalls eine sonstige [X.]eweisanregung hingewirkt worden ist und die Ablehnung der [X.]eweiserhebung im Prozessrecht keine Stütze findet, oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 9. Dezember 2019 - 1 [X.] 74.19 - juris Rn. 8).

b) Diese [X.] sind nicht erfüllt. Aus dem [X.]eschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass die Ablehnung der in der Vorinstanz auf die Anhörungsmitteilung hin gestellten [X.]eweisanträge des [X.] im Prozessrecht keine Stütze findet (s.o. unter 1.). Der Kläger legt auch nicht dar, warum sich dem Oberverwaltungsgericht im Zusammenhang mit seiner Annahme, die Lebensbedingungen, die den Kläger in [X.]ulgarien erwarteten, kämen nicht einer unmenschlichen oder erniedrigenden [X.]ehandlung im Sinne von Art. 4 [X.] in der Auslegung des [X.] gleich, eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen sollen.

Insbesondere ist mit dem Hinweis auf die individuellen Fähigkeiten und Einschränkungen des [X.] nicht dargelegt, dass sich dem [X.]erufungsgericht eine weitergehende Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen. Warum sich aus dem Fehlen [X.] Sprachkenntnisse und eines [X.]erufsabschlusses gerade im landwirtschaftlichen [X.]ereich eine nur sehr eingeschränkte Vermittelbarkeit des [X.] ergeben sollte, ist nicht ansatzweise dargetan. Auf die in der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachte psychische Erkrankung des [X.] hatte sich dieser im [X.]erufungsverfahren nicht berufen.

II[X.] Der Senat sieht von einer weiteren [X.]egründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

IV. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § [X.] [X.] nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Meta

1 B 4/21

22.03.2021

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 28. Oktober 2020, Az: 7 A 10784/18.OVG, Beschluss

Art 4 EUGrdRCh, Art 3 MRK, § 130a VwGO, § 86 Abs 1 VwGO, § 86 Abs 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.03.2021, Az. 1 B 4/21 (REWIS RS 2021, 7650)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 7650

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