Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 06.04.2011, Az. 7 AZR 524/09

7. Senat | REWIS RS 2011, 7904

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Altersdiskriminierende Vereinbarung der Dauer eines befristeten Arbeitsvertrags


Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 12. Februar 2009 - 7 Sa 1132/08 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in erster Linie darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 30. Juni 2008 geendet hat. Hilfsweise macht der Kläger den Abschluss eines neuen befristeten Arbeitsvertrags geltend. Für den Fall des Obsiegens begehrt er seine Weiterbeschäftigung. Hilfsweise verlangt er Entschädigung wegen Altersdiskriminierung.

2

Der am 25. Januar 1968 geborene Kläger promovierte im Jahr 2003. Aufgrund eines zwischen ihm und dem [X.] am 31. Mai 2005 geschlossenen und vom 1. Juni 2005 bis zum 31. Mai 2007 befristeten Arbeitsvertrags war er bei der beklagten [X.] als wissenschaftlicher Angestellter auf einer Stelle zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses beschäftigt. Neben der Erfüllung der ihm übertragenen Lehraufgaben arbeitete er an seiner Habilitation. Die Beklagte nimmt keine sog. Hausberufungen vor, dh. sie beruft keine „im eigenen Hause“ habilitierten Wissenschaftler auf eine Professorenstelle. Vor dem 31. Mai 2007 beantragte das [X.] eine Verlängerung des Arbeitsvertrags mit dem Kläger um zwei Jahre. Die Beklagte lehnte dies unter Hinweis auf einen Beschluss des Rektorats vom 21. November 2005 ab. Dieser Beschluss sieht vor, dass die Einstellung von wissenschaftlichem Personal auf befristet zu besetzenden [X.]n in aller Regel nur zulässig ist, wenn das Beschäftigungsverhältnis vor dem vollendeten 40. Lebensjahr - ausnahmsweise spätestens ein halbes Jahr danach - endet. Am 14. Mai 2007 schlossen die Parteien einen Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag vom 31. Mai 2005, wonach der Kläger „befristet bis zum 30.06.2008 im Rahmen einer Befristung gem. §§ 1 ff. [X.] weiterbeschäftigt“ wurde. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] wäre der Arbeitsvertrag mit dem Kläger, der am 25. Januar 2008 sein 40. Lebensjahr vollendete, ohne den [X.] mit einem über den 30. Juni 2008 hinausgehenden Endtermin - jedenfalls mit einer Dauer bis zum 31. Mai 2009 - vereinbart worden.

3

Unter dem 28. Januar/1. Februar 2008 beantragte das [X.] erneut eine Verlängerung des Arbeitsvertrags um zwei Jahre. Das Rektorat der beklagten [X.] lehnte den Verlängerungsantrag mit Schreiben vom 15. Februar 2008 ab und führte ua. aus:

        

„Einer Weiterbeschäftigung auf einer [X.] steht der [X.] vom 21.11.2005 entgegen, der grundsätzlich eine Beschäftigung eines Mitarbeiters über das vollendete 40. Lebensjahr hinaus ablehnt. Über Ausnahmen entscheidet das Rektorat, stellvertretend der Kanzler. Die abschließend vereinbarten Ausnahmetatbestände sind:

        

1.    

die Beschäftigung in einem Exzellenzbereich,

        

2.    

geringfügige (< 6 Monate) Überschreitung des 40. Lebensjahres,

        

3.    

Kindererziehungszeiten in Höhe der Überschreitung des 40. Lebensjahres.

        

Andere Konstellationen werden in Absprache mit dem Kanzler nicht mehr vorgelegt. Leider scheiden die Punkte 1 - 3 im vorliegenden Fall aus.“

4

Mit seiner am 28. Mai 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Befristung des Arbeitsvertrags vom 14. Mai 2007 benachteilige ihn ungerechtfertigt wegen seines Alters. Sie sei daher nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Im Hinblick auf die diskriminierende Ablehnung der Vertragsverlängerung mit Schreiben vom 15. Februar 2008 sei die Beklagte jedenfalls verpflichtet, ihm einen bis zum 30. Juni 2010 befristeten Vertrag anzubieten. Bestehe diese Verpflichtung nicht, habe die Beklagte eine Entschädigung wegen der Diskriminierung zu zahlen.

5

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten durch die Befristung im Änderungsvertrag vom 14. Mai 2007 nicht zum 30. Juni 2008 aufgelöst wird, sondern unverändert fortbesteht;

        

hilfsweise hierzu

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihm ein Angebot auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags für den Zeitraum vom 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2010 als vollbeschäftigter wissenschaftlicher Angestellter der [X.] E 13 TVÜ-L zu unterbreiten;

        

3.    

für den Fall des Obsiegens mit den Anträgen zu 1. oder 2., die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen als vollbeschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiter der [X.] E 13 TVÜ-L weiterzubeschäftigen;

        

äußerst hilfsweise

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung in angemessener Höhe zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Befristung sei wirksam. Die im [X.] vom 21. November 2005 festgelegte unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern aufgrund deren Alters sei durch legitime Ziele gerechtfertigt, erforderlich und angemessen. [X.] man zugunsten des [X.] eine unzulässige Altersdiskriminierung, folge hieraus nicht die Unwirksamkeit der [X.]. Der Kläger stünde sonst besser als ohne die Benachteiligung, denn der letzte Arbeitsvertrag wäre auch ohne den [X.] nur befristet bis zum 31. Mai 2009 abgeschlossen worden.

7

Das Arbeitsgericht hat dem [X.] und dem Weiterbeschäftigungsantrag stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte weiterhin das Ziel der Klageabweisung. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der [X.] ist unbegründet. Zu Recht hat das [X.] der Befristungskontrollklage entsprochen. Über die weiteren Anträge hatte der [X.] nicht zu befinden.

9

A. Der zulässige Klageantrag zu 1. ist begründet.

I. Bei ihm handelt es sich ausschließlich um eine Befristungskontrollklage nach § 17 Satz 1 [X.]. Dem Antragswortlaut „... sondern unverändert fortbesteht“ kommt keine eigenständige Bedeutung im Sinne einer allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zu. Dies ergibt die Auslegung des Klageantrags unter Hinzuziehung der Klagebegründung. Dort wird ausschließlich begründet, warum das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der vereinbarten Befristung im Änderungsvertrag vom 14. Mai 2007 zum 30. Juni 2008 geendet haben soll. Andere Beendigungstatbestände sind zwischen den Parteien nicht im Streit.

II. Der Klageantrag zu 1. ist begründet. Zu Recht hat das [X.] angenommen, dass die Befristung im Änderungsvertrag vom 14. Mai 2007 gegen § 7 Abs. 1 AGG verstößt und deshalb nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam ist.

1. Die Befristung gilt nicht bereits nach § 17 Satz 2 [X.] iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Die Klage ist am 28. Mai 2008 und damit noch vor dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrags beim Arbeitsgericht eingegangen. Die materiell-rechtliche Klagefrist des § 17 Satz 1 [X.] wird nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s auch durch die Erhebung einer Klage vor dem Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit gewahrt (vgl. etwa [X.] 23. Juni 2010 - 7 [X.] - Rn. 12 mwN, EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 8).

2. Die Dauer der vereinbarten Befristung benachteiligt den Kläger wegen seines Alters iSv. § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Die Befristung des Arbeitsvertrags ist deshalb nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam.

a) [X.] (AGG) findet auf den Streitfall Anwendung. Die Vereinbarung einer Befristung des Arbeitsverhältnisses ist eine Entlassungsbedingung nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG. Solche Bedingungen sind neben Kündigungen - unbeschadet der Sonderregelung des § 2 Abs. 4 AGG - auch alle anderen Beendigungstatbestände. Sie beziehen sich sowohl auf das „Ob“ als auch auf das „Wie“ der Beendigung und umfassen damit auch die Frage, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis aufgrund einer vereinbarten Befristung endet (vgl. zB [X.] in: [X.]/[X.]/[X.] AGG 3. Aufl. § 2 Rn. 9).

b) Nach § 7 Abs. 2 AGG sind Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, unwirksam. Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe - hierzu gehört auch das Alter - benachteiligt werden. Der Kläger wurde durch die Vereinbarung der Befristung im [X.] wegen seines Alters benachteiligt. Die unterschiedliche Behandlung war nicht zulässig.

aa) Der Kläger wurde durch die im [X.] vereinbarte [X.] wegen seines Alters unmittelbar benachteiligt.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde (vgl. [X.] 8. Dezember 2010 - 7 ABR 98/09 - Rn. 62 mwN).

(2) Das ist hier der Fall. Der Kläger erfuhr gegenüber einer hypothetischen Vergleichsperson in vergleichbarer Situation eine ungünstigere Behandlung, weil sein Arbeitsvertrag lediglich bis zum 30. Juni 2008 befristet wurde. Mit einer hypothetischen Vergleichsperson wäre ein Vertrag mit längerer [X.] abgeschlossen worden. Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit für den [X.] gemäß § 559 Abs. 2 ZPO bindenden Feststellungen des [X.]s wäre die Änderungsvereinbarung vom 14. Mai 2007, mit der das befristete Arbeitsverhältnis verlängert worden ist, ohne den [X.] vom 21. November 2005 von vornherein mit einem anderen, nach dem 30. Juni 2008 liegenden [X.] geschlossen worden. Einem jüngeren, im Übrigen aber vergleichbaren Beschäftigten wäre ein Vertrag mit längerer Vertragslaufzeit angeboten worden.

bb) Wie das [X.] zutreffend erkannt hat, war die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters nicht nach § 10 AGG zulässig.

(1) § 10 Satz 1 AGG lässt - unbeschadet des § 8 AGG - eine unterschiedliche Behandlung wegen Alters zu, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Nach § 10 Satz 2 AGG müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein. Die Rechtfertigungsgründe werden in § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG zunächst in Form einer Generalklausel umschrieben. § 10 Satz 3 AGG zählt sodann sechs Anwendungsfälle auf. Diese stellen, wie das Wort „insbesondere“ deutlich macht, keinen abschließenden Katalog, sondern die Generalklausel konkretisierende Beispiele dar (vgl. [X.] 25. Februar 2010 - 6 [X.] - Rn. 35 mwN, [X.] § 3 Nr. 3 = EzA AGG § 10 Nr. 3; 22. Januar 2009 - 8 [X.] - Rn.  40 mwN, [X.]E 129, 181 ). Bei Anwendung der Generalklausel des § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG müssen die nationalen Gerichte sicherstellen, dass der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters nicht ausgehöhlt wird. Deshalb genügen allgemeine Behauptungen, dass eine bestimmte Maßnahme geeignet sei, der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung zu dienen, nicht zur Darlegung eines legitimen Ziels iSd. § 10 AGG. Vielmehr müssen zumindest aus dem allgemeinen Kontext der betreffenden Maßnahme abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter ihr stehenden Ziels ermöglichen, um die Rechtmäßigkeit, die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Als rechtmäßig sind jedenfalls Ziele anzusehen, die als sozialpolitische Ziele im allgemeinen Interesse stehen (vgl. [X.] 25. Februar 2010 - 6 [X.] - Rn. 39 mwN, aaO). Insgesamt erfordert die Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters nach § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG - ebenso wie nach der nahezu wortgleichen Regelung in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/[X.] vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/[X.]) - der Sache nach, „dass sich die zugrunde liegende Maßnahme auf ein legitimes Ziel stützt und einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhält“ (Schlussanträge der Generalanwältin [X.] vom 6. Mai 2010 in der Rechtssache - [X.]/08 - [[X.]] Rn. 47, dort auch unter Rn. 41 bis 46 zur Bedeutung und Einordnung der Worte „objektiv und angemessen“ sowie „angemessen und erforderlich“; vgl. dazu auch [X.] 5. März 2009 - [X.]/07 - [Age Concern England] Rn. 65, Slg. 2009, I-1569).

(2) Hier kann zugunsten der [X.] angenommen werden, dass diese mit der wegen des Alters des [X.] gewählten [X.] legitime Ziele verfolgte. Das hierzu gewählte Mittel, das Arbeitsverhältnis des [X.] kürzer zu befristen als das vergleichbarer jüngerer Arbeitnehmer, war zur Erreichung der Ziele aber weder erforderlich noch angemessen.

(a) Die Beklagte verfolgt mit der bei ihr geltenden Regelung, wissenschaftliche Nachwuchskräfte auf den [X.] bis höchstens zur Erreichung eines Lebensalters von 40 ½ Jahren zu beschäftigen, verschiedene Ziele. Zum einen soll die Regelung dazu dienen, das Erstberufungsalter von Professoren herabzusetzen und damit im Interesse der Allgemeinheit sicherzustellen, dass aus Steuermitteln qualifizierte Nachwuchswissenschaftler möglichst lange der selbstständigen Forschung zur Verfügung stehen. Zum anderen soll der laufende Zustrom junger Wissenschaftler und neuer Ideen gewährleistet werden. Und schließlich soll sie verhindern, dass Inhaber von [X.] erst in einem Lebensalter, in dem eine berufliche Neuorientierung nicht mehr oder nur noch schwer möglich ist, realisieren, ihre angestrebte Habilitation und das Ziel einer Hochschulprofessur nicht erreichen zu können. Dabei ist - entgegen der, im Ergebnis allerdings offengelassenen Fragestellung des [X.]s - nicht entscheidend, ob der Beschluss des Rektorats vom 21. November 2005 wegen eines unzulässigen Eingriffs in das Recht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG unwirksam ist. Nähme man dies an, folgte allein daraus nicht, dass die mit einer Altersgrenze begründete Befristung des Arbeitsvertrags des [X.] eine ungerechtfertigte Benachteiligung wäre. Maßgeblich ist allein, ob die zur Begründung der - an das Lebensalter anknüpfenden - [X.] vorgebrachten Ziele iSd. § 10 Satz 1 AGG legitim und die Mittel zur Erreichung dieser Ziele iSd. § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sind.

(b) Die von der [X.] verfolgten Ziele unterfallen keinem der in § 10 Satz 3 AGG genannten Beispielsfälle. Sie mögen zwar iSv. § 10 Satz 1 AGG legitim sein. Das gewählte Mittel ist aber weder erforderlich noch angemessen.

(aa) Keines der Ziele unterfällt einem der in § 10 Satz 3 AGG aufgeführten Beispielsfälle. Insbesondere sind die Voraussetzungen des § 10 Satz 3 Nr. 3 Alt. 2 AGG nicht gegeben. Nach § 10 Satz 3 Nr. 3 Alt. 2 AGG ist die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand möglich. Die Vorschrift zielt auf ältere Beschäftigte, deren Rentenalter bereits absehbar ist und bei denen einer aufwendigen Einarbeitung am Arbeitsplatz eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Mindestdauer einer produktiven Arbeitsleistung gegenüberstehen soll (BT-Drucks. 16/1780 S. 36). Im vorliegenden Fall geht es der [X.] nicht darum, Beschäftigte nur bis zu einem bestimmten Alter auf den [X.] einzustellen, um auf diesen Stellen eine Mindestbeschäftigungszeit bis zum Eintritt in den Ruhestand zu erreichen.

(bb) Zugunsten der [X.] kann angenommen werden, dass die von ihr mit der Ungleichbehandlung verfolgten Ziele legitim sind. Das gewählte Mittel ist aber nicht verhältnismäßig.

([X.]) Die von der [X.] verfolgten Ziele mögen legitim iSd. § 10 Satz 1 AGG sein. So hat das [X.] die Vorgabe einer die Mobilität des wissenschaftlichen Personals sichernden Regelaltersgrenze für die Erstberufung, die beim Abschluss des [X.] nicht überschritten sein sollte, als probates Mittel zur Verfolgung hochschulpolitischer Reformziele anerkannt (vgl. [X.] 27. Juli 2004 - 2 [X.] [X.] der Gründe, [X.]E 111, 226). Auch stellen die Schaffung einer hochwertigen Lehre und die optimale Verteilung von [X.] auf die Generationen legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/[X.] dar ([X.] 18. November 2010 - [X.]/09 und [X.]/09 - [[X.]] Rn. 68, [X.] 2011, 29). Schließlich mag auch das Ziel, im objektiven Interesse der Nachwuchswissenschaftler Sackgassen in ihrer Erwerbsbiographie zu vermeiden, iSv. § 10 Satz 1 AGG legitim sein.

(bbb) Das von der [X.] gewählte Mittel - die Reduzierung der an sich nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG möglichen [X.] - ist zur Erreichung der Ziele weder erforderlich noch angemessen (verhältnismäßig im engeren Sinn). Zur Senkung des Erstberufungsalters von Professoren der [X.] erscheint die Altersgrenze für befristete Verträge mit Habilitanden ohnehin ungeeignet, nimmt doch die Beklagte keine sog. Hausberufungen vor. Ferner ist sie aber auch deshalb unverhältnismäßig, weil die Habilitation nicht notwendig der Vorbereitung einer universitären Laufbahn dient. Nicht jeder Habilitand wird nach erfolgreicher Habilitation Professor. Nichts anderes gilt für das Interesse der Forschung und Lehre an der kontinuierlichen Fluktuation der Nachwuchswissenschaftler. Es wäre unverhältnismäßig, die Höchstdauer der [X.] nach dem WissZeitVG im Hinblick auf das Lebensalter noch weiter zu reduzieren. Im Übrigen hängt - wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat - das Ausmaß der Fluktuation im wissenschaftlichen Bereich der Universitäten und staatlichen Hochschulen nicht davon ab, wie alt die Bewerber zum Zeitpunkt der Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses sind, sondern davon, wie lange sie auf den von ihnen besetzten Stellen verweilen. Dass sich die Verweildauer der Wissenschaftler auf den ohnehin nur befristet zu besetzenden Stellen in Abhängigkeit vom Lebensalter verkürzt oder verlängert, ist nicht ersichtlich. Auch zur Vermeidung beruflicher Sackgassen ist die an das Lebensalter anknüpfende Reduzierung der [X.] jedenfalls unangemessen, nimmt sie doch auch den Habilitanden, die keine universitäre Laufbahn im Auge haben, die Möglichkeit, sich im Rahmen eines nach dem WissZeitVG befristeten Arbeitsverhältnisses zu habilitieren.

3. Das [X.] hat frei von [X.] angenommen, dass die unzulässige Benachteiligung des [X.] bei der [X.] gemäß § 7 Abs. 2 AGG zur Unwirksamkeit der [X.] „an sich“ führt. Das Arbeitsverhältnis des [X.] hat deshalb nicht etwa zu einem späteren Zeitpunkt, sondern - jedenfalls aufgrund der [X.] - überhaupt nicht geendet.

a) § 139 BGB ist auf das Verhältnis zwischen der [X.] und der Vereinbarung der Befristung nicht anwendbar. § 139 BGB setzt die Teilbarkeit des Rechtsgeschäfts voraus. Der unwirksame Teil des Rechtsgeschäfts muss von dem wirksamen in dem Sinn trennbar sein, dass das Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil hätte vorgenommen werden können ([X.]/[X.]. § 139 Rn. 10). Dies ist hier nicht der Fall. Die Befristungsvereinbarung ist nur Teil eines Rechtsgeschäfts, nämlich des Arbeitsvertrags. Sie ist als einheitliche Klausel auch nicht teilbar. Es gibt keine Befristung ohne bestimmte Dauer (vgl. [bei der unwirksamen Länge der Ausschlussklausel] [X.] 28. September 2005 - 5 [X.] - zu [X.], [X.]E 116, 66).

b) Weder im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung noch der Umdeutung nach § 140 BGB oder der Anwendung der Grundsätze zur „Anpassung nach oben“ bei diskriminierender Vorenthaltung von Leistungen kann eine andere - längere - [X.] angenommen werden.

aa) Durch die Unwirksamkeit der gesamten Befristungsvereinbarung entsteht keine [X.], die durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen ist. Die Beklagte hat deutlich zum Ausdruck gebracht, vor dem Hintergrund des [X.]es zur Altersgrenze gerade die gewählte [X.] zu wünschen. Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet aus, wenn eine der Vertragsparteien einen abschließenden Willen zum Ausdruck gebracht hat (vgl. [X.]/[X.] BGB § 157 Rn. 3 mwN).

bb) Der unwirksam bis zum 30. Juni 2008 befristete Vertrag kann nicht nach § 140 BGB in einen bis zu einem anderen [X.] befristeten Vertrag umgedeutet werden. § 140 BGB erfordert das Vorliegen eines nichtigen Rechtsgeschäfts, das den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts entspricht. Die nichtige Befristungsvereinbarung ist kein Rechtsgeschäft, sondern Teil eines solchen, nämlich des - gerade nicht nichtigen - Arbeitsvertrags.

cc) Eine Aufrechterhaltung der vereinbarten Befristung mit verlängerter [X.] kommt auch nicht etwa vor dem Hintergrund der Rechtsprechung zum Anspruch benachteiligter Arbeitnehmer auf „Anpassung nach oben“ in Betracht. Ist eine - gesetzliche oder tarifliche - Regelung unwirksam, weil sie unter Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG einem Arbeitnehmer eine Leistung vorenthält oder kürzt, kann dieser einen Anspruch auf die Leistung haben (vgl. [X.] 18. Dezember 2008 - 6 [X.] - Rn. 35 f., [X.]E 129, 93; 24. September 2003 - 10 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 108, 17). Dies ist auf eine den Arbeitnehmer benachteiligende [X.] nicht übertragbar. Sie stellt keine einseitig gewährte Leistung des Arbeitgebers dar, sondern ist als Vereinbarung eine einheitliche belastende Regelung, die nicht in einen belastenden und einen begünstigenden Teil aufgespalten werden kann. Im Übrigen begegnete es erheblichen Bedenken, den ungerechtfertigt benachteiligten Arbeitnehmer mit der Unsicherheit zu belasten, welche Dauer seines Arbeitsvertrags die „richtige“ ist. Dies gilt insbesondere wegen der von ihm nach § 17 Satz 1 [X.] einzuhaltenden Klagefrist.

c) Zutreffend geht das [X.] schließlich davon aus, dass der Annahme eines unbefristeten Fortbestands des Arbeitsverhältnisses bei diskriminierender [X.] § 15 Abs. 6 AGG nicht entgegensteht. § 15 Abs. 6 AGG schließt seinem Wortlaut nach einen gegen den Arbeitgeber gerichteten Anspruch auf Abschluss eines Arbeitsverhältnisses oder auf Gewährung des beruflichen Aufstiegs aus. Der in dieser Regelung zum Ausdruck kommende Schutz der Privatautonomie gebietet nicht die entsprechende Anwendung des § 15 Abs. 6 AGG auf eine nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksame [X.]. Es fehlt an der erforderlichen Vergleichbarkeit der Interessenlage. § 15 Abs. 6 AGG trägt der grundrechtlich geschützten Auswahlfreiheit des Arbeitgebers Rechnung (vgl. zB [X.]/[X.] AGG § 15 Rn. 113). Es ist [X.] ein Unterschied, ob ein Arbeitgeber verpflichtet ist, einen von ihm abgelehnten Arbeitnehmer einzustellen oder auf einer anderen ([X.] zu beschäftigen, oder ob er verpflichtet ist, einen Arbeitnehmer, den er aus eigener Willensentscheidung auf einer bestimmten Position eingestellt hat, weiterzubeschäftigen.

d) Auch die Argumentation der [X.], der Kläger stünde bei der Annahme eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses letztlich aufgrund der Diskriminierung besser, als er ohne sie gestanden hätte, vermag die Annahme eines zu einem späteren - nicht diskriminierenden - Zeitpunkt befristeten Arbeitsvertrags nicht zu rechtfertigen. § 7 Abs. 2 AGG begründet keinen Schadensersatzanspruch des benachteiligten Arbeitnehmers, sondern normiert als Rechtsfolge und Sanktion der diskriminierenden Vereinbarung deren Unwirksamkeit.

B. Die Klageanträge zu 2. und 4. sind dem [X.] als echte, nur für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. gestellte [X.] nicht zur Entscheidung angefallen. Auch über den zu 3. gestellten Weiterbeschäftigungsantrag war nicht zu befinden. Er ist inhaltlich auf die Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag gerichtet. Die Entscheidung des [X.]s über den Feststellungsantrag wird mit der Verkündung rechtskräftig.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Linsenmaier    

        

    Gallner    

        

    Schmidt    

        

        

        

    Für den durch Ablauf der Amtszeit
an der Unterschrift gehinderten
Richter Güner.
Linsenmaier    

        

    M. Zwisler    

                 

Meta

7 AZR 524/09

06.04.2011

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Bonn, 1. September 2008, Az: 1 Ca 1281/08, Urteil

§ 139 BGB, § 140 BGB, § 1 AGG, § 3 Abs 1 S 1 AGG, § 7 Abs 2 AGG, § 10 AGG, § 7 Abs 1 AGG, § 17 S 1 TzBfG, § 15 Abs 6 AGG, § 15 Abs 2 AGG, § 2 AGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 06.04.2011, Az. 7 AZR 524/09 (REWIS RS 2011, 7904)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7904

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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