Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.02.2011, Az. XI R 35/09

11. Senat | REWIS RS 2011, 9645

STEUERRECHT STEUERN INSOLVENZRECHT INSOLVENZ

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Gegenstand

Vorsteuerberichtigungsanspruch des FA als Masseverbindlichkeit


Leitsatz

Ein Vorsteuerberichtigungsanspruch des FA nach § 15a UStG, der dadurch entsteht, dass der Insolvenzverwalter ein Wirtschaftsgut abweichend von den für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnissen verwendet, gehört zu den Masseverbindlichkeiten und kann durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob [X.] nach § 15a des Umsatzsteuergesetzes (UStG), die auf den Zeitraum nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens entfallen, als Insolvenzverbindlichkeiten oder als Masseverbindlichkeiten zu behandeln sind.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Diese hatte im Jahr 1998 eine Einkaufspassage in [X.] errichtet und die einzelnen Ladenlokale an verschiedene Mieter vermietet. Aus den [X.]erstellungskosten hatte sie die ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in [X.]öhe der Quote der im Erstjahr 1998 erfolgten steuerpflichtigen Vermietung von 79 % als Vorsteuer abgezogen.

3

Am 30. April 2002 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GbR eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

4

Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte die GbR die Mietverträge in der Weise geändert, dass sich die Quote der steuerpflichtigen Vermietungsumsätze verminderte. Sie betrug im Streitjahr 2002 (ab Insolvenzeröffnung) 75,36 %, im Streitjahr 2003 75,65 % und im Streitjahr 2004  75,30 %. Dies hatte (unstreitig) zur Folge, dass [X.] nach § 15a UStG für das [X.] in [X.]öhe von ... €, für das [X.] in [X.]öhe von ... € und für das [X.] in [X.]öhe von ... € entstanden.

5

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) behandelte diese [X.] entgegen der Ansicht des [X.] nicht als Insolvenzforderungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden seien, sondern als Masseverbindlichkeiten i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung ([X.]) und setzte sie in den gegenüber dem Kläger erlassenen Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre fest.

6

Das Finanzgericht ([X.]) wies die nach erfolglosen Einsprüchen erhobene Klage im Streitpunkt als unbegründet ab. Es war der Auffassung, dass [X.] nach § 15a Abs. 1 UStG, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen, Masseverbindlichkeiten darstellen. Der Steueranspruch sei durch die Verwaltung der Insolvenzmasse begründet worden, denn er sei durch die teilweise steuerfreie Vermietung des zur Insolvenzmasse gehörenden Einkaufszentrums entstanden.

7

Das Urteil ist u.a. in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2010, 276 veröffentlicht.

8

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung von §§ 38, 55 [X.] und von § 15a UStG [X.]. § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung ([X.]). Er trägt zur Begründung im Wesentlichen vor:

9

Für die Abgrenzung der Insolvenzforderungen (§ 38 [X.]) von den Masseforderungen (§ 55 [X.]) komme es darauf an, ob die Forderungen zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits "begründet" waren oder ob sie erst nach Eröffnung des Verfahrens durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse "begründet" wurden. Eine Steuerforderung sei in diesem Sinne begründet, sobald ihr Rechtsgrund gelegt sei; dafür komme es --entgegen der Auffassung des [X.]-- auf die steuerrechtliche Entstehung der Forderung im Sinne des Tatbestandsprinzips (§ 38 [X.]) und deren Fälligkeit nicht an. Dementsprechend habe der [X.]. Senat des [X.] (BF[X.]) im Urteil vom 17. April 2007 [X.] R 27/06 (BF[X.]E 217, 8, [X.], 589) ausdrücklich betont, dass es sich bei dem aus der Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG resultierenden Anspruch der Finanzbehörde nicht um eine Masseforderung handeln könne. Er sei bereits vor Insolvenzeröffnung begründet und könne daher nur als Insolvenzforderung angesehen werden. Denn für die Ermittlung des Zeitpunkts der insolvenzrechtlichen Begründung des Anspruchs müsse der zugrunde liegende zivilrechtliche Sachverhalt --hier die Veränderung der Mietverhältnisse durch die GbR-- einbezogen werden.

Die Rechtsprechung des V. Senats des BF[X.] (Urteile vom 9. April 1987 [X.], BF[X.]E 149, 323, [X.] 1987, 527, und vom 6. Juni 1991 [X.]/87, BF[X.]E 165, 113, [X.] 1991, 817; Beschluss vom 29. November 1993 [X.]/93, BF[X.]/NV 1995, 351), auf die das [X.] sein gegenteiliges Ergebnis gestützt habe, überzeuge nicht. Sie stehe im Übrigen einer Einordnung der Ansprüche des [X.] aus § 15a UStG als Insolvenzforderungen bei dem hier gegebenen Sachverhalt nicht entgegen, weil die Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift bereits durch die Veränderung in den Mietverhältnissen vor Insolvenzeröffnung ausgelöst worden sei.

Der Kläger beantragt, die Umsatzsteuerbescheide für 2002 und 2003 vom 18. Januar 2006, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 2007 und der [X.] vom 13. März 2007, sowie die Umsatzsteuerfestsetzung für 2004 vom 19. Dezember 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 2007, geändert durch [X.] vom 20. März 2007 und 4. September 2009, unter Aufhebung des [X.]-Urteils dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 2002 um ... €, für 2003 um ... € und für 2004 um ... € niedriger festgesetzt wird.

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Es tritt dem Vorbringen des [X.] entgegen und weist darauf hin, dass im Streitfall die für die Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG maßgeblichen Vorgänge, nämlich die monatliche Überlassung der vermieteten Räume gegen monatliche Mietzahlung, sämtlich nach Insolvenzeröffnung erfolgt seien.

Entscheidungsgründe

[X.] Die Revision des [X.] ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass es sich bei den streitigen Vorsteuerberichtigungsbeträgen um Masseverbindlichkeiten handelt.

1. Die Insolvenzmasse dient gemäß § 38 [X.] zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur [X.] der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger). Die Insolvenzgläubiger können gemäß § 87 [X.] ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen Verwaltungsakt fest (§ 251 Abs. 3 [X.]).

Anderes gilt für Steuerforderungen, die als Masseverbindlichkeiten [X.] von § 55 [X.] aus der Insolvenzmasse vorweg zu berichtigen sind (§ 53 [X.]). Masseverbindlichkeiten sind u.a. die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.]). Sie können durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden und sind von ihm nach § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 [X.] aus der Insolvenzmasse zu bezahlen (vgl. [X.]-Urteile vom 29. August 2007 IX R 4/07, [X.], 435, [X.], 145; vom 30. April 2009 [X.], [X.], 130, [X.], 138, unter [X.]).

2. Ob es sich bei einem [X.] des [X.] um eine Insolvenzforderung (§ 38 [X.]) oder um eine Masseverbindlichkeit (§ 55 [X.]) handelt, bestimmt sich nach dem [X.]punkt, zu dem der den [X.] begründende Tatbestand vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist; unerheblich ist dagegen der [X.]punkt der Steuerentstehung. Kommt es umsatzsteuerrechtlich zur vollständigen Tatbestandsverwirklichung bereits vor Verfahrenseröffnung, handelt es sich um eine Insolvenzforderung; erfolgt die vollständige Tatbestandsverwirklichung dagegen erst nach Verfahrenseröffnung, liegt unter den Voraussetzungen des § 55 [X.] eine Masseverbindlichkeit vor (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 130, [X.], 138, unter [X.], m.w.N.).

a) § 15a Abs. 1 UStG hatte in den Streitjahren 2002 bis 2004 folgenden Wortlaut: "Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut innerhalb von fünf Jahren ab dem [X.]punkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen. Bei Grundstücken [...] tritt an die Stelle des [X.]raums von fünf Jahren ein solcher von zehn Jahren."

b) Nach der zur Konkursordnung (KO) und zum UStG 1973/1980 ergangenen Rechtsprechung des [X.] [X.] gehört der [X.] des [X.] nach § 15a UStG 1973/1980, der durch die Verwertung des zur Konkursmasse gehörenden Vermögens des Gemeinschuldners durch den Konkursverwalter ausgelöst wird oder der dadurch entsteht, dass ein absonderungsberechtigter Grundschuldgläubiger ein zur Konkursmasse gehörendes Grundstück [X.] lässt, zu den "Ausgaben für die Verwaltung oder Verwertung der Masse" und ist deshalb den [X.] [X.] des § 58 Nr. 2 KO zuzurechnen (vgl. Urteile in [X.]E 149, 323, [X.] 1987, 527; in [X.]E 165, 113, [X.] 1991, 817).

Zur Begründung hat der [X.] u.a. dargelegt, der [X.] nach § 15a UStG 1973 setze voraus, dass sich die [X.] gegenüber der erstmaligen --für den Vorsteuerabzug [X.] Verwendung ändern. Erst wenn diese Änderung eintrete, sei der Tatbestand der Vorsteuerberichtigung erfüllt; im [X.]punkt des Wechsels der Verwendungsart sei der nach den Verhältnissen des Kalenderjahrs der erstmaligen Verwendung des Leistungsbezugs materiell-rechtlich abschließend gewährte Vorsteuerabzug zu berichtigen. Gegenstand der Berichtigung nach § 15a UStG 1973 seien zwar die Vorsteuerbeträge, die für den Bezug eines Wirtschaftsgutes für das Unternehmen angefallen und abgezogen worden seien; § 15a UStG 1973 diene insoweit --im [X.] der Korrektur des vom Unternehmer vorgenommenen Vorsteuerabzugs bei Wirtschaftsgütern, die langfristig im Unternehmen verwendet werden sollen. Rechtlich sei diese Vorschrift im Verhältnis zu § 15 Abs. 1 UStG 1973 jedoch selbständig ausgestaltet (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 149, 323, [X.] 1987, 527, unter [X.]b).

Ergänzend hat der [X.] u.a. ausgeführt, § 15a UStG 1980 begründe einen eigenen Steuertatbestand, der die Steuer lediglich in der in dieser Vorschrift bestimmten Höhe entstehen lasse und den Vorsteuerabzug nicht schlechthin rückgängig mache (vgl. Urteil in [X.]E 165, 113, [X.] 1991, 817).

c) Für den Streitfall und die in den Streitjahren geltende Fassung des § 15a UStG kann nichts anderes gelten.

aa) Der Tatbestand der Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG ist entgegen der Ansicht des [X.] hier nicht bereits durch die Veränderung in den Mietverhältnissen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten, sondern erst durch die von den für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnissen (steuerpflichtige Vermietung in Höhe von 79 %) abweichende tatsächliche Verwendung der Ladenlokale (in den Streitjahren steuerpflichtige Vermietung in Höhe von 75,36 %, 75,65 % und 75,30 %).

Stellt sich bei einem tatsächlich verwendeten Wirtschaftsgut --hier die [X.] die Frage einer Änderung der [X.] [X.] des § 15a UStG, kommt es darauf an, ob und ggf. in welchem Umfang eine von der ursprünglichen (ggf. beabsichtigten) Verwendung abweichende tatsächliche Verwendung vorliegt (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 25. April 2002 [X.]/00, [X.]E 200, 434, [X.] 2003, 435, unter [X.]; [X.]-Beschluss vom 10. November 2003 [X.], [X.]/NV 2004, 381).

bb) Deshalb folgt der Senat auch nicht der Auffassung des [X.], die dargelegte Rechtsprechung des [X.] betone zu sehr die tatbestandliche Ausgestaltung des § 15a UStG (als eigenständiger Steueranspruch) und lasse [X.] von § 15a UStG außer Betracht.

Denn es geht bei der hier vorgenommenen Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG nicht "um die Korrektur der Besteuerung eines von dem Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossenen Rechtsgeschäfts". Vielmehr hat das [X.] die Vorsteuerbeträge, die für den Bezug von Wirtschaftsgütern für das Unternehmen vor Eintritt der Insolvenz angefallen und abgezogen worden sind, in den Streitjahren nach § 15a UStG teilweise zurückgefordert, weil der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Wirtschaftsgüter (durch Vermietung) abweichend von den ursprünglichen Verhältnissen tatsächlich verwendet hat.

cc) Diese Vermietung in den Streitjahren war eine Verwaltung oder Verwertung der Insolvenzmasse [X.] des § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.]. Denn nach § 108 Abs. 1 [X.] bestehen Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume "mit Wirkung für die Insolvenzmasse" fort; dies gilt auch für Miet- und Pachtverhältnisse, die der Schuldner als Vermieter oder Verpächter eingegangen war. Damit ist die Vermietung der Insolvenzmasse zuzurechnen.

Erst mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres steht fest, ob und in welchem Umfang sich durch die Vermietung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse geändert haben (§ 15a Abs. 1 UStG). Die der Masse zuzurechnende Vermietung ist ausschlaggebend dafür, ob eine Verpflichtung zur Berichtigung nach § 15a UStG besteht. Dann aber kann die aus § 15a Abs. 1 UStG resultierende Verbindlichkeit kein anderes Schicksal haben als die sonstigen Verpflichtungen im Zusammenhang mit den Mietverträgen.

d) Der Senat vermag den vom Kläger behaupteten Widerspruch zu dem [X.]-Urteil vom 13. November 1986 [X.] ([X.]E 148, 346, [X.] 1987, 226) nicht zu erkennen, wonach der Anspruch des [X.] auf Rückforderung abgezogener Vorsteuerbeträge nach § 17 Abs. 2 Satz 1 UStG 1973 eine Konkursforderung ist.

Denn der [X.] hat in diesem Urteil maßgeblich darauf abgestellt, dass der [X.] nach § 17 Abs. 2 Satz 1 UStG 1973 zwar erst im [X.]punkt der Uneinbringlichkeit der Entgelte begründet sei, dass aber eine Berichtigungspflicht des Unternehmers (mit der Folge eines entsprechenden Anspruchs des [X.]) bereits dann eintrete, wenn der Umfang der tatsächlichen Vereinnahmung noch nicht endgültig feststehe. Diese Voraussetzung sei (schon) mit Konkurseröffnung gegeben; in diesem Augenblick sei der Rechtsgrund für die Entstehung des [X.]s gelegt gewesen (vgl. unter [X.]2 der Gründe). Im vorliegenden Fall war dagegen --wie [X.] im [X.]punkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Anspruch des [X.] auf Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG noch nicht verwirklicht.

e) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger ferner auf den [X.]-Beschluss vom 6. Oktober 2005 [X.] B 309/04 ([X.]/NV 2006, 369).

aa) Nach diesem Beschluss kommt es hinsichtlich der Frage, ob ein steuerrechtlicher Anspruch zur Insolvenzmasse gehört oder ob die Forderung des Gläubigers eine Insolvenzforderung ist, nicht darauf an, ob der Anspruch zum [X.]punkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im steuerrechtlichen Sinne entstanden war, sondern darauf, ob in diesem [X.]punkt nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch bereits gelegt war (ebenso Hefermehl in MünchKomm[X.], 2. Aufl., § 55 Rz 71).

Diese Voraussetzung sieht der erkennende Senat bei einem auf einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG beruhenden Erstattungsanspruch aus den dargelegten Gründen erst dann als erfüllt an, wenn die nach dieser Vorschrift erforderliche Änderung der Verhältnisse tatsächlich eingetreten ist (vgl. auch [X.] in [X.], Insolvenzordnung, 4. Aufl., § 55 Rz 21).

bb) Ob der erkennende Senat der in diesem Beschluss des [X.]. Senats in [X.]/NV 2006, 369 vertretenen Auffassung folgen kann, ein Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch, der aus einer Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG resultiert, sei insolvenzrechtlich bereits im [X.]punkt der Besteuerung des für die Lieferung oder sonstigen Leistung vereinbarten Entgelts begründet worden (vgl. auch [X.]-Urteile vom 9. April 2002 [X.] R 108/00, [X.]E 198, 294, [X.] 2002, 562; vom 27. Oktober 2009 [X.] R 4/08, [X.]E 227, 318, [X.], 257; siehe dagegen [X.]-Beschluss vom 13. Juli 2006 [X.]/06, [X.]E 214, 467, [X.] 2007, 415, unter [X.]), bedarf im Streitfall, der § 15a UStG betrifft, keiner Entscheidung.

f) Schließlich verweist der Kläger ohne Erfolg auf das [X.]-Urteil in [X.]E 217, 8, [X.] 2009, 589.

Denn dieses Urteil betrifft die Frage, ob ein Erstattungsanspruch [X.] des § 95 Abs. 1 Satz 1 [X.] aufschiebend bedingt (vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens) entstanden ist. Dies hängt nach der Rechtsprechung des [X.]. Senats des [X.] davon ab, ob "der zugrunde liegende zivilrechtliche Sachverhalt, der zu der Entstehung des steuerlichen Anspruchs führt", "bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden" ist (vgl. Urteil in [X.]E 217, 8, [X.] 2009, 589, unter [X.]3. der Gründe). Dagegen geht es im Streitfall um die --davon zu unterscheidende und unabhängig von dem zivilrechtlichen Sachverhalt zu beurteilende-- Frage, ob der Besteuerungstatbestand des § 15a UStG vor oder nach Insolvenzeröffnung verwirklicht worden ist.

Zwar hat der [X.]. Senat des [X.] in diesem Urteil u.a. ausgeführt, wenn "der Steuerpflichtige vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Steuervorteil erhalten" habe "--z.B. ... das Recht zum [X.], aufgrund eines nach Eröffnung des Verfahrens eintretenden Ereignisses er aber ... den ihm seinerzeit gewährten Steuervorteil zurückführen" müsse "(wie z.B. wegen der Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG; anders aber offenbar [X.]-Urteil vom 6. Juni 1991 [X.]/87, [X.]E 165, 113, [X.] 1991, 817)", sei der "diesbezügliche Anspruch der Finanzbehörde ... keine Masseforderung, sondern als vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und mithin als Insolvenzforderung anzusehen" (vgl. unter [X.]3. der Gründe; ebenso Rüsken, [X.]schrift für Wirtschaftsrecht 2007, 2053, 2055 f.).

Dabei handelt es sich aber um ein nicht entscheidungserhebliches obiter dictum (zutreffend Beschluss des [X.] Brandenburg vom 19. Juni 2008  7 V 7032/08, E[X.] 2008, 1586, unter [X.], Rz 23), dem der erkennende Senat aus den dargelegten Gründen nicht folgt und das auch keine Vorlage an den [X.] des [X.] nach § 11 Abs. 2 [X.]O wegen Abweichung gebietet (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 11 Rz 11, m.w.N.).

g) Das hier gefundene Ergebnis steht im Einklang mit der Rechtsprechung des [X.]. Dieser hat zu der vergleichbaren Rechtslage in [X.] ebenfalls die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem [X.] des [X.] um eine Masseverbindlichkeit handelt (z.B. Urteil vom 19. Oktober 1999  98/14/0143).

Der [X.]ische Verwaltungsgerichtshof hat dabei u.a. ausgeführt, dass Grundlage für die Vorsteuerberichtigung nicht der ursprünglich vorgenommene Vorsteuerabzug sei, sondern dass die Pflicht zur Berichtigung der Vorsteuer und die daraus resultierende Forderung des Abgabengläubigers darauf beruhe, dass sich die Verhältnisse, die für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, geändert haben. Er hat in diesem Zusammenhang zustimmend [X.] zitiert, wonach die Ansicht, den [X.] als "bedingten Rückforderungsanspruch des Fiskus" zu qualifizieren, als "gekünstelt" anzusehen sei.

Meta

XI R 35/09

09.02.2011

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 8. Oktober 2009, Az: 5 K 1096/07 U, Urteil

§ 15a UStG 1999, § 17 Abs 2 Nr 1 S 1 UStG 1999, § 38 InsO, § 55 InsO, § 87 InsO, § 108 InsO, § 34 AO, § 251 Abs 3 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.02.2011, Az. XI R 35/09 (REWIS RS 2011, 9645)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9645

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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