Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.12.2023, Az. XI R 5/20

11. Senat | REWIS RS 2023, 9875

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Gegenstand

Vorsteuerberichtigung bei der Organgesellschaft aufgrund einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung durch den Organträger; Ausgleichsansprüche im Organkreis aufgrund einer "in anderer Weise" begründeten Masseverbindlichkeit


Leitsatz

1. Der Vorsteuerabzug ist auch dann bei der Organgesellschaft nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen, wenn der Leistende ein (bereits vereinnahmtes) Entgelt an den Organträger zurückzahlt, der die Zahlung erfolgreich angefochten hat (Anschluss an das BFH-Urteil vom 24.08.2023 - V R 29/21).

2. Dieser Vorsteuerberichtigungsanspruch ist keine Masseverbindlichkeit der Organgesellschaft im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, der durch eine Handlung des Insolvenzverwalters der Organgesellschaft begründet worden wäre (Anschluss an das BFH-Urteil vom 24.08.2023 - V R 29/21).

3. Eine in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründete Masseverbindlichkeit der Organgesellschaft i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO kann vorliegen, falls der Insolvenzmasse der Organgesellschaft aufgrund der erfolgreichen Anfechtung des Organträgers ein Ausgleichsanspruch gegen den Organträger (oder dessen Insolvenzmasse) zusteht.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 29.05.2019 - 8 K 1108/17 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen der [X.] ([X.]). Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] wurde am ….2011 eröffnet.

2

Die Anteile an [X.] hatte im Jahr 2010 die [X.] ([X.]) für 1 € erworben.

3

[X.] war nach den Feststellungen des Finanzgerichts ([X.]) seit Februar 2010 umsatzsteuerrechtliche Organträgerin und [X.] Organgesellschaft. Während des Bestehens der Organschaft meldete [X.] die Umsatzsteuer für den [X.] an, nahm den Vorsteuerabzug für den [X.] vor und vereinnahmte entstandene [X.]. Da [X.] seit Mai 2010 in [X.] war, finanzierte [X.] außerdem seit Juli 2010 Material-, Personal- und sonstige Kosten der [X.] in Höhe von … €.

4

Über das Vermögen der [X.] wurde ebenfalls am ….2011 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter der [X.] ([X.]) hat daraufhin sämtliche Zahlungen der [X.] an Lieferanten der [X.] erfolgreich gemäß § 134 der Insolvenzordnung ([X.]) angefochten, weil [X.] im Zeitpunkt der Bewirkung der Leistung insolvenzreif gewesen sei.

5

[X.]eit dem ….2011 wird (die Insolvenzmasse der) [X.] unter einer neuen [X.]teuernummer unter anderem wegen Umsatzsteuer geführt. Ihr gegenüber ergingen Umsatzsteuerbescheide für die [X.] und 2014 ([X.]treitjahre).

6

Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt --[X.]--) setzte aufgrund der erfolgreichen Insolvenzanfechtungen gegenüber dem ehemaligen Insolvenzverwalter über das Vermögen der [X.] mit auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung ([X.]) gestützten [X.] wegen Umsatzsteuer 2013 und 2014 die Umsatzsteuer höher fest. Die Bescheide führten zu Nachzahlungen, die die Insolvenzmasse der [X.] leisten soll.

7

Den Einspruch der Klägerin, mit der diese geltend machte, dass die von der Masse der [X.] erlangten Vorteile aus den Insolvenzanfechtungen nicht gegen die Masse der [X.] geltend gemacht werden könnten und die Organschaft mit der vorläufigen Insolvenzverwaltung über das Vermögen der [X.] beendet gewesen sei, wies das [X.] nach Ergehen der Urteile des [X.] ([X.]) vom 15.12.2016 - V R 26/16 ([X.]E 256, 571, B[X.]tBl II 2017, 735) und vom 29.03.2017 - XI R 5/16 ([X.]E 257, 465, B[X.]tBl II 2017, 738) als unbegründet zurück. Mit der Einspruchsentscheidung stellte das [X.] richtig, dass mit den angefochtenen [X.] der Vorsteuerabzug verringert worden sei. Die Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 [X.]atz 2 des Umsatzsteuergesetzes (U[X.]tG) sei gegenüber der Insolvenzmasse der [X.] festzusetzen, weil die Forderungen der Lieferanten gegenüber [X.] wieder aufgelebt seien. Der Berichtigungsbetrag sei eine Masseverbindlichkeit. Dass die Zahlungen in die Insolvenzmasse der [X.] erfolgt seien, habe auf das umsatzsteuerrechtliche Ergebnis keinen Einfluss.

8

Das [X.] hat mit Beschluss vom 05.12.2018 den Insolvenzverwalter über das Vermögen der [X.] antragsgemäß nach § 174 Abs. 5 [X.]atz 2 [X.] beigeladen.

9

Das [X.] hat der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 1862 veröffentlichten Urteil stattgegeben. Es hat die Auffassung vertreten, die angefochtenen Änderungsbescheide seien aufzuheben, weil die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalterin der [X.] weder durch eigene Handlungen Zahlungsvorgänge angefochten habe noch die streitigen Beträge zur Masse habe ziehen können. Eine Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 [X.]atz 2 U[X.]tG hätte nur dann vorgenommen werden dürfen, wenn Masseverbindlichkeiten der [X.] entstanden wären. Nur der als Masseverbindlichkeit anzusetzende [X.]eil des [X.] dürfe durch [X.]teuerbescheid gegen den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Das [X.] habe im vorliegenden Verfahren nicht darüber zu entscheiden, ob der Beigeladene durch [X.]teuerbescheid in Anspruch zu nehmen sei, wofür spreche, dass sowohl der zunächst in Anspruch genommene Vorsteuerabzug als auch die Notwendigkeit der Berichtigung ausschließlich auf das Handeln der [X.] und des Beigeladenen als Insolvenzverwalter der [X.] zurückzuführen seien. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb die Verantwortung zur Berichtigung auf die Klägerin übergehen solle, obwohl der Beigeladene die Zahlungen angefochten habe.

Mit der Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 U[X.]tG i.V.m. § 17 Abs. 1 [X.]atz 2 U[X.]tG, § 55 Abs. 1 [X.]).

Es macht in Bezug auf § 17 U[X.]tG geltend, das [X.] habe zu Unrecht angenommen, dass die aus der Insolvenzanfechtung resultierende Berichtigung allenfalls gegenüber dem Beigeladenen vorzunehmen sei. Zwar habe zunächst [X.] den Vorsteuerabzug aus den [X.] geltend gemacht. [X.]pätestens im … 2011 habe jedoch die Organschaft geendet. Die Pflicht zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs treffe daher die Klägerin, da mit dem Ende der Organschaft die Leistungsbezüge wieder [X.] zuzurechnen seien. Eventuelle interne Ausgleichsansprüche zwischen [X.] und [X.] beträfen nicht das Rechtsverhältnis der [X.] beziehungsweise der Klägerin zum [X.]. Dass der Beigeladene einen Ausgleich ablehne, führe nicht dazu, dass [X.] als wirtschaftlich Begünstigte im [X.]inne des § 17 Abs. 1 [X.]atz 4 U[X.]tG anzusehen sei.

Zu § 55 Abs. 1 [X.] trägt das [X.] vor, das [X.] habe zu Unrecht angenommen, dass Masseverbindlichkeiten nur angenommen werden könnten, wenn die Klägerin die Insolvenzanfechtung vorgenommen oder die Insolvenzmasse der [X.] eine Zahlung erhalten hätte. Die Auffassung des [X.] widerspreche dem Urteil des [X.] (BVerwG) vom 16.12.2009 - 8 [X.] 9.09 (Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2010, 2152) sowie den [X.]-Urteilen vom 18.05.2010 - X R 60/08 ([X.]E 229, 62, B[X.]tBl II 2011, 429) und vom 03.08.2016 - X R 25/14 ([X.]/NV 2017, 317). Es reiche aus, dass die entstandene Abgabenforderung die Insolvenzmasse betreffe und nach Insolvenzeröffnung begründet worden sei, um anzunehmen, dass sie "in anderer Weise" begründet worden sei. Ob dadurch Erträge zur Insolvenzmasse fließen, sei insoweit unerheblich. Die Lieferantenforderungen, die wiederaufgelebt seien, richteten sich gegen die Masse der [X.]. Dies führe spiegelbildlich zur Berichtigung bei [X.]. Außerdem habe der frühere Insolvenzverwalter der [X.] eine vorrangige Deckungsanfechtung gegenüber den Lieferanten unterlassen. Gegenüber anderen Anfechtungsgegnern habe er auf [X.] verzichtet und dafür Zahlungen zugunsten der Insolvenzmasse der [X.] erhalten, so dass er davon Kenntnis gehabt habe. Die Forderung des [X.] könne außerdem nicht als insolvenzfreies Vermögen (§ 35 Abs. 1, § 36 [X.]) angesehen werden, da die Klägerin als Kapitalgesellschaft über ein solches nicht verfüge.

Das [X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Vorentscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit an das [X.] zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

[X.]ie verteidigt die angefochtene Vorentscheidung.

Zu § 17 U[X.]tG bringt sie vor, Adressat einer Vorsteuerberichtigung sei bei einem vom Organträger geltend gemachten Vorsteuerabzug der Organträger. Forderungen gegenüber der [X.] seien spätestens mit Insolvenzeröffnung uneinbringlich geworden. Der Anspruch des [X.] könne sich nach § 37 Abs. 2 [X.] nur gegen den Beigeladenen richten, da die Zahlung der [X.] an die Lieferanten [X.] erfolgt sei. Der Hinweis des [X.] darauf, dass sich die wiederaufgelebten Lieferantenforderungen gegen [X.] richten, lasse außer Betracht, dass dafür der interne Ausgleichsanspruch der [X.] weggefallen sei (Passiv-Passiv-[X.]ausch).

In Bezug auf § 55 [X.] bringt die Klägerin vor, es fehle ein Bezug zur Insolvenzmasse. [X.]oweit das [X.] ein Unterlassen des früheren Insolvenzverwalters der [X.] geltend mache, sei dieses nur schädlich, soweit eine Amtspflicht zum [X.]ätigwerden bestanden habe. Dies sei hier zu verneinen, da Zahlungen der [X.] angefochten worden seien. Insolvenzanfechtungen des Insolvenzverwalters der [X.] seien daher nicht erfolgversprechend gewesen.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er macht geltend, die Organschaft habe bereits am ….2011 (dem [X.]ag der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens) geendet. [X.]elbst unter Berücksichtigung der Revisionserwiderung treffe die Auffassung des [X.] zu. Im Zeitpunkt der Anfechtung habe die Organschaft nicht mehr bestanden. Dass [X.] die angefochtenen Zahlungen geleistet habe, sei für die [X.] der Klägerin nicht relevant. Die Rechtsfolge, dass die Forderungen gegen die [X.] wieder aufleben, ergebe sich aus den §§ 134, 144 [X.]. Die Forderungen der Lieferanten gegen [X.] seien zur [X.]abelle der [X.] anzumelden. Für die Vorsteuerberichtigung könne nichts anderes gelten. Es treffe zwar zu, dass der Insolvenzverwalter der [X.] die Zahlungen nicht habe anfechten können. Allerdings stelle die Anfechtung nur die [X.]ituation vor Insolvenzanfechtung (nämlich das Bestehen von Verbindlichkeiten gegenüber [X.] und Rückfluss der Vermögenswerte an [X.]) wieder her. Es liege auch kein Passiv-Passiv-[X.]ausch vor. Der Ausgleichssaldo sei auf das Ende der Organschaft zu berechnen und habe sich durch die erfolgreichen Anfechtungen verändert. Der Beigeladene folge der Auffassung des [X.].

Im Laufe des Revisionsverfahrens hat das [X.] aufgrund einer [X.] am 19.03.2020 einen Änderungsbescheid wegen Umsatzsteuer 2014 erlassen, der nach Mitteilung des [X.] den [X.]treitgegenstand nicht berührt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 [X.]atz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Das [X.] hat zwar zu Recht angenommen, dass das Entstehen von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.] voraussetzt, dass Verbindlichkeiten durch Handlungen des Insolvenzverwalters der Klägerin oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Das [X.] hat aber nicht geprüft, ob die zweite Alternative des § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.] dadurch verwirklicht worden ist, dass die Klägerin als Organgesellschaft gegen den Beigeladenen einen Anspruch im Rahmen des zivilrechtlichen Gesamtschuldnerausgleichs erworben hat, der bei der Insolvenzmasse der [X.] eine Masseverbindlichkeit ist, weil er durch Handlungen des Beigeladenen entstanden ist. Dazu sind vom [X.] weitere Feststellungen zu treffen.

1. Die vom [X.] offen gelassene Frage, ob im [X.]treitfall die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß § 17 U[X.]tG vorliegen, ist, was das [X.] bei seiner Entscheidungsfindung noch nicht berücksichtigen konnte, nach der Rechtsprechung des [X.] zu bejahen.

a) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im [X.]inne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 U[X.]tG geändert, hat nach § 17 Abs. 1 [X.]atz 1 U[X.]tG der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten [X.]teuerbetrag und nach § 17 Abs. 1 [X.]atz 2 U[X.]tG der Unternehmer, an den der Umsatz ausgeführt wurde, den Vorsteuerabzug zu berichtigen. Dies gilt nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 [X.]atz 1 U[X.]tG sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist. Erst wenn das Entgelt nachträglich vereinnahmt wird, sind [X.]teuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 [X.]atz 2 U[X.]tG).

b) Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs beruht unionsrechtlich nicht auf Art. 90, sondern auf Art. 185 der Richtlinie 2006/112/[X.] über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --Mw[X.]t[X.]ystRL-- (vgl. [X.]-Urteile vom 15.12.2016 - V R 26/16, [X.]E 256, 571, [X.], 735, Rz 12; vom 29.03.2017 - XI R 5/16, [X.]E 257, 465, [X.], 738, Rz 18; [X.]-Beschluss vom 13.11.2018 - V B 60/18, [X.]/NV 2019, 134, Rz 4). [X.]oweit es um den Vorsteuerabzug geht, ist dieser zu berichtigen, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des [X.] berücksichtigt werden, geändert haben (Art. 185 Abs. 1 Mw[X.]t[X.]ystRL). In Fällen, in denen keine oder eine nicht vollständige Zahlung geleistet wird, können die Mitgliedstaaten eine Berichtigung verlangen (Art. 185 Abs. 2 Unterabs. 2 Mw[X.]t[X.]ystRL). Davon hat die [X.] durch § 17 Abs. 2 Nr. 1 U[X.]tG Gebrauch gemacht.

c) Zahlt ein Gläubiger des Insolvenzschuldners Beträge, die er vor Insolvenzeröffnung vom Insolvenzschuldner vereinnahmt hat, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens infolge einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung in die Insolvenzmasse zurück, ist der Vorsteuerabzug gemäß § 17 Abs. 1 [X.]atz 2 i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 [X.]atz 2 U[X.]tG zu berichtigen (vgl. [X.]-Urteile vom 15.12.2016 - V R 26/16, [X.]E 256, 571, [X.], 735, Rz 14; vom 29.03.2017 - XI R 5/16, [X.]E 257, 465, [X.], 738, Rz 20; [X.]-Beschluss vom 27.09.2017 - XI R 18/16, [X.]/NV 2018, 244, Rz 23). Dies gilt [X.] das [X.] noch nicht berücksichtigen [X.] auch dann, wenn der leistende Unternehmer ein bereits vereinnahmtes Entgelt, das ein Dritter entrichtet hat, an einen [X.] zurückzahlt, weil dessen Insolvenzverwalter die Zahlung erfolgreich angefochten hat, und zwar auch dann, wenn im [X.]punkt der Rückzahlung über das Vermögen des Leistungsempfängers das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Der [X.]enat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf das zur amtlichen Veröffentlichung bestimmte [X.]-Urteil vom 24.08.2023 - V R 29/21 (Rz 11 ff.), dem er sich anschließt.

d) Der Umstand, dass zwischen [X.] und [X.] ursprünglich eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft bestand, ändert an der zivilrechtlichen [X.]elbständigkeit der Organgesellschaft und dem Umstand, dass sich die (wieder aufgelebten) Zahlungsansprüche der [X.] zivilrechtlich gegen [X.] als Vertragspartnerin und nicht gegen [X.] richten, nichts (vgl. [X.]-Urteil vom 24.05.2023 - XI R 45/20, [X.] [X.]teuerrecht --D[X.]tR-- 2023, 2282, Rz 34 und 47, m.w.N.).

e) Aufgrund des Insolvenzverfahrens der [X.] sind die wieder aufgelebten zivilrechtlichen Zahlungsansprüche der Leistenden gegen [X.] auch uneinbringlich (vgl. [X.]-Urteil vom 24.09.2014 - V R 48/13, [X.]E 247, 460, B[X.]tBl II 2015, 506, Rz 27; [X.]-Beschluss vom 27.09.2017 - XI R 18/16, [X.]/NV 2018, 244, Rz 23).

2. Zu Recht ist das [X.] davon ausgegangen, dass die von einem Insolvenzverwalter eines [X.] vorgenommene Insolvenzanfechtung, die eine Vorsteuerberichtigung beim Leistungsempfänger zur Folge hat, nicht dazu führt, dass im Verfahren des Leistungsempfängers der aus der Vorsteuerberichtigung resultierende [X.]teueranspruch im [X.]inne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.] durch eine Handlung des Insolvenzverwalters begründet worden wäre. Im Hinblick auf die insolvenzrechtliche [X.]rennung der Verfahren über die personenverschiedenen Insolvenzschuldner wäre unerheblich, wenn in beiden Verfahren dieselbe Person als Insolvenzverwalter eingesetzt worden wäre. Der [X.]enat verweist auch insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf das [X.]-Urteil vom 24.08.2023 - V R 29/21 (Rz 19 ff.), dem er sich anschließt.

3. Nicht geprüft hat das [X.] allerdings, ob der streitige [X.]teueranspruch des [X.] gegen die Klägerin eine Masseverbindlichkeit ist, die in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet worden ist, weil [X.] aufgrund der Insolvenzanfechtungen des Beigeladenen möglicherweise ein Ausgleichsanspruch gegen [X.] im Rahmen des internen Gesamtschuldnerausgleichs zwischen ihr und [X.] zustehen könnte. Dieser Anspruch könnte zu der von der Klägerin verwalteten Masse der [X.] gehören (und eine Masseverbindlichkeit der [X.] sein, weil er gegebenenfalls durch die Insolvenzanfechtung als Handlung des Beigeladenen als Insolvenzverwalter der [X.] entstanden ist). Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.

a) Masseverbindlichkeiten sind nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.] auch die Verbindlichkeiten, die in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören.

aa) Den "in anderer Weise" durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse begründeten Verbindlichkeiten sind Abgabenforderungen zuzuordnen, soweit sie die Insolvenzmasse betreffen. Dafür kommt es nicht darauf an, ob der Abgabentatbestand durch ein Verhalten des Insolvenzverwalters oder durch andere [X.]atsachen erfüllt ist; vielmehr genügt, dass die Abgabenforderung selbst einen Bezug zur Insolvenzmasse aufweist und erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurde (vgl. BVerwG-Urteil vom 16.12.2009 - 8 [X.] 9.09, NJW 2010, 2152, Rz 14). Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn eine [X.]teuer für einen Gegenstand anfällt, der zur Insolvenzmasse gehört und von ihr genutzt wird (vgl. [X.]-Urteil vom 29.08.2007 - IX R 4/07, [X.]E 218, 435, B[X.]tBl II 2010, 145, unter [X.]). Eine aktive Maßnahme des Verwalters ist dafür nicht erforderlich (vgl. [X.]-Urteile vom 07.07.2020 - X R 13/19, [X.]E 270, 24, B[X.]tBl II 2021, 174, Rz 38; vom 14.12.2022 - X R 9/20, [X.]E 279, 491, Rz 40).

bb) Der Begriff der "Insolvenzmasse" ist in § 35 Abs. 1 [X.] dahingehend bestimmt, dass das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen erfasst, das dem [X.]chuldner zur [X.] der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (vgl. [X.]-Urteile vom 07.04.2005 - V R 5/04, [X.]E 210, 156, B[X.]tBl II 2005, 848, unter [X.]; vom 13.04.2011 - II R 49/09, [X.]E 234, 97, B[X.]tBl II 2011, 944, Rz 14). Er umfasst das Vermögen des [X.]chuldners im [X.]inne der Aktiva, nicht seine Verbindlichkeiten (vgl. Urteil des [X.] --BGH-- vom 12.01.2017 - IX ZR 87/16, Betriebs-Berater 2017, 528, Rz 21; [X.]-Urteil vom 24.08.2023 - V R 29/21, Rz 25). "Vermögen" einer Person sind deren [X.]achen und geldwerten Rechte und Güter (vgl. [X.]-Urteil vom 13.04.2011 - II R 49/09, [X.]E 234, 97, B[X.]tBl II 2011, 944, Rz 19; s.a. zu Einkünften und Gewinnen [X.]-Urteile vom 10.07.2019 - X R 31/16, [X.]E 265, 300, B[X.]tBl II 2022, 488, Rz 53 ff.; vom 07.07.2020 - X R 13/19, [X.]E 270, 24, B[X.]tBl II 2021, 174, Rz 28 ff.).

b) Ausgehend davon liegt, wovon das [X.] zutreffend implizit ausgegangen ist, keine durch [X.]teuerbescheid gegenüber der Klägerin festzusetzende Masseverbindlichkeit vor, wenn die Masse der [X.] durch die Anfechtung des Insolvenzverwalters der [X.] kein Aktivvermögen erworben hat. Der [X.]enat verweist auch insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf das [X.]-Urteil vom 24.08.2023 - V R 29/21 (Rz 19 ff.).

c) Allerdings hat das [X.] nicht geprüft, ob [X.] durch die Anfechtung Ansprüche gegen [X.] erworben hat, die zur Masse gehören.

aa) Im [X.]treitfall lag eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft vor, bei der [X.] als [X.]teuerschuldner und [X.] als haftende Organgesellschaft --obwohl es an der Gleichstufigkeit der [X.]chuld fehlt-- als Gesamtschuldner behandelt werden und ein eventueller Innenausgleich nach bürgerlichem Recht entsprechend § 426 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ([X.]) vorgenommen wird (vgl. [X.] vom 19.01.2012 - IX ZR 2/11, [X.], 221, Rz 27, 28 und 29 und vom 29.01.2013 - II ZR 91/11, D[X.]tR 2013, 478, Rz 10, zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft; vom [X.], [X.], 50, Rz 15 ff., zur gewerbesteuerrechtlichen Organschaft; vom 01.12.2003 - II ZR 202/01, D[X.]tR 2004, 468, Rz 6, zu Umsatzsteuer und Gewerbesteuer bei [X.]). Im Innenverhältnis zwischen [X.] und [X.] ist daran anzuknüpfen, ob und in welchem Umfang die [X.]teuerschuld aus der wirtschaftlichen [X.]ätigkeit der [X.] oder der [X.] herrührt; derjenige Beteiligte am [X.], aus dessen Umsätzen die Umsatzsteuerbeträge herrühren, hat im Innenverhältnis auch die [X.]teuerlast zu tragen (vgl. [X.] vom 29.01.2013 - II ZR 91/11, D[X.]tR 2013, 478, Rz 11, zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft und vom [X.], [X.], 50, Rz 21, zur gewerbesteuerrechtlichen Organschaft; [X.]-Urteil vom 23.09.2009 - VII R 43/08, [X.]E 226, 391, B[X.]tBl II 2010, 215, unter [X.] aa; [X.]-Beschluss vom 20.02.2018 - XI B 129/17, [X.]/NV 2018, 641).

bb) Dies bedeutet im Umkehrschluss auch, dass ein bereits durchgeführter Gesamtschuldnerausgleich möglicherweise erneut durchgeführt oder rückgängig gemacht werden muss, wenn sich die Umstände nachträglich ändern, um zwischen Organgesellschaft und Organträger eine zutreffende interne Lastenverteilung (wieder) herzustellen (vgl. [X.]-Urteil vom 24.05.2023 - XI R 45/20, D[X.]tR 2023, 2282, Rz 36, 47).

cc) Ein eventueller Ausgleichsanspruch der [X.] gegen [X.], der gegebenenfalls zu der von der Klägerin verwalteten Insolvenzmasse der [X.] gehören würde und damit Aktivvermögen im [X.]inne der §§ 35, 55 [X.] wäre, könnte eine Masseverbindlichkeit der [X.] sein, da der Anspruch im [X.]inne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.] durch Handlungen des Beigeladenen als Insolvenzverwalter der [X.] (den Rückzahlungen aufgrund von dessen Insolvenzanfechtungen) begründet worden sein könnte. Erst durch die Rückzahlungen wurde der Anspruch des [X.] im [X.]inne des § 17 Abs. 1 [X.]atz 2 i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 [X.]atz 2 U[X.]tG (siehe oben II.1.) begründet (vgl. [X.]-Urteile vom 29.03.2017 - XI R 5/16, [X.]E 257, 465, [X.], 738, Rz 26; vom 15.12.2016 - V R 26/16, [X.]E 256, 571, [X.], 735, Rz 24 f.). Dies gilt in gleicher Weise für einen sich aus den Rückzahlungen gegebenenfalls ergebenden Ausgleichsanspruch der [X.] gegen [X.].

4. Die [X.]ache ist nicht spruchreif.

Das [X.] hat keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen, ob aufgrund der erfolgreichen Insolvenzanfechtungen des Beigeladenen der von der Klägerin verwalteten Masse der [X.] gegen die Masse der [X.] analog § 426 [X.] Ausgleichsansprüche zustehen. Die notwendigen weiteren tatsächlichen Feststellungen muss das [X.] im zweiten Rechtsgang nachholen.

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

XI R 5/20

06.12.2023

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 29. Mai 2019, Az: 8 K 1108/17, Urteil

§ 17 Abs 1 S 2 UStG 2005, § 17 Abs 2 Nr 1 S 1 UStG 2005, § 35 Abs 1 InsO, § 55 Abs 1 Nr 1 InsO, § 134 Abs 1 InsO, § 144 Abs 1 InsO, § 2 Abs 2 Nr 2 UStG 2005, § 426 BGB, UStG VZ 2013, UStG VZ 2014

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.12.2023, Az. XI R 5/20 (REWIS RS 2023, 9875)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9875

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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II ZR 202/01

II ZR 91/11

IX ZR 2/11

IX ZR 87/16

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