Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.12.2022, Az. VI ZR 284/19

6. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 7697

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Gegenstand

Geburtsschadensfall: Ansprüche auf Gesamtschuldnerausgleich; Beweislastumkehr wegen groben Behandlungsfehlers


Leitsatz

Die Grundsätze der Beweislastumkehr wegen eines groben Behandlungsfehlers sind auch im Rechtsstreit zwischen Mitbehandlern des Patienten über den selbständigen Ausgleichsanspruch des Gesamtschuldners nach § 426 Abs. 1 BGB anwendbar (Klarstellung zu BGH, Urteil vom 6. Oktober 2009 - VI ZR 24/09, NJW-RR 2010, 831).

Tenor

Die Revision der Beklagten und die [X.] der Klägerin und des [X.] gegen das Urteil des [X.] des [X.] vom 11. Juni 2019 in der Fassung des [X.] vom 23. Juli 2019 werden zurückgewiesen.

Von den Gerichtskosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin 31,2 %, die Beklagte zu 1 9,6 %, die Beklagte zu 2 21 % und der [X.] 38,2 %. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Revisionsverfahren trägt die Beklagte zu 2 40 %, die Klägerin trägt 60 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2, der [X.] trägt 80 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1, die Beklagte zu 1 trägt 20 % der außergerichtlichen Kosten des [X.].

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien, auf der [X.] ein [X.] (Klägerin) und als [X.]r der bei ihm versicherte Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, auf der [X.]seite ein weiterer [X.] (Beklagte zu 1 und Drittwiderklägerin) und die bei ihm versicherte beklagte Hebamme (Beklagte zu 2), streiten im Zusammenhang mit einem Geburtsschaden um Ansprüche auf Gesamtschuldnerausgleich.

2

In einem Vorprozess hat das [X.] im Jahre 2015 den drittwiderbeklagten Arzt und die beklagte Hebamme rechtskräftig als Gesamtschuldner verurteilt, wegen einer Reihe von Fehlern bei der Geburt der [X.] am 14. Juni 1997 Schadensersatz aus nach § 116 [X.] übergegangenem Recht an deren gesetzliche Krankenkasse und Pflegekasse zu leisten. Aufgrund des Urteils zahlte die Beklagte zu 1 als [X.] der beklagten Hebamme im November 2015 278.412,51 € an die beiden Kassen. Die Klägerin hatte als [X.] des drittwiderbeklagten Arztes bereits bis zum 31. Dezember 2005 Ansprüche der [X.] in Höhe von 640.000 € vergleichsweise abgefunden und dafür einschließlich der Kosten des Bevollmächtigten der [X.] aufgewendet. Beide [X.] erbringen laufend weitere Leistungen.

3

Die Mutter der [X.] wurde während ihrer Schwangerschaft vom drittwiderbeklagten Arzt betreut, der Belegarzt im [X.] war. Nach dem errechneten Geburtstermin vom 2. Juni 1997 wurde sie am 14. Juni 1997 nach Einsetzen der Wehentätigkeit um 2.35 Uhr im Krankenhaus stationär aufgenommen. Die Beklagte zu 2 war die für sie zuständige Beleghebamme, die zunächst allein ihre Betreuung übernahm. Um 5 Uhr kam es zur Aufnahme in den Kreißsaal und zum Anlegen eines [X.]. Um 5.15 Uhr trat der Blasensprung ein. Nachdem um 5.42 Uhr ein Herztonabfall beim Kind und ein suspektes [X.] festzustellen waren, gab die Beklagte zu 2 ein wehenhemmendes Mittel und verständigte um 5.48 Uhr den [X.] telefonisch. Dieser traf um 6.10 Uhr ein, untersuchte die Mutter und ordnete eine Oxytocininfusion ([X.]) an. Sodann verließ er den Kreißsaal in der Absicht, nach 15 bis 20 Minuten wiederzukommen, um den Geburtsfortschritt festzustellen. Er ließ sich von einer Nachtschwester ein Patientenzimmer zuweisen, wo er sich ins Bett legte und schlief. Der beklagten Hebamme teilte er nicht mit, wo er sich aufhielt, eine Verbindung per [X.] bestand in [X.] nicht. Erst um 7 Uhr erschien er wieder im Kreißsaal. Zuvor war es um 6.16 Uhr nach Anlegen des [X.]es erstmals wieder zu einem Herztonabfall (Bradykardie) gekommen, auch bei den folgenden Wehen war ein Herztonabfall festzustellen. Um 6.30 Uhr betätigte die Hebamme den Klingelruf, der [X.] erschien jedoch nicht. Um 6.32 Uhr war das [X.]-Muster hoch pathologisch. Die beklagte Hebamme beendete die [X.] jedoch nicht und gab auch keinen [X.]. Um 7 Uhr erschien der drittwiderbeklagte Arzt wieder im Kreißsaal, ließ den [X.] abhängen und leitete eine Wehenhemmung ein. Er untersuchte die Patientin. Die Herztöne des Kindes verbesserten sich bis 7.23 Uhr. Um 7.15 Uhr traf der drittwiderbeklagte Arzt die Entscheidung für eine Notsectio. Von 7.23 Uhr bis 7.40 Uhr ist das Einsetzen eines sinusoidalen Herzfrequenzmusters festgestellt worden. Um 7.53 Uhr wurde die [X.] durch Sectio geboren und der drittwiderbeklagte Arzt übernahm die Erstversorgung des Kindes (Beatmung). Den Neugeborenenarzt der einige Kilometer entfernten Klinik verständigte der [X.] entweder um 8.08 Uhr oder um 8.13 Uhr, dieser traf um 8.43 Uhr ein und stellte bei der [X.] einen nicht messbar niedrigen Blutzuckerspiegel fest. Es wurde umgehend mit einer Glukosedauerinfusion begonnen, dennoch entwickelte die [X.] eine Hypoglykämie. Sie ist infolge der Sauerstoffunterversorgung bei der Geburt und der anschließenden Hypoglykämie schwerstbehindert.

4

Das [X.] hat die Klage des [X.]s des Arztes auf Zahlung von 325.605,95 € (dies entspricht der Hälfte der von ihm aufgebrachten Summe von 651.211,91 €) und auf Feststellung der Pflicht zur Freistellung von weiteren Ansprüchen zu 50 % abgewiesen und der Drittwiderklage des beklagten [X.]s der Hebamme gegen den Arzt auf Zahlung von 278.412,51 € (dies entspricht der von der [X.] zu 1 im Schadensfall bereits geleisteten Summe) und auf Feststellung der Pflicht zur Freistellung von weiteren Ansprüchen aus dem Geburtsschaden stattgegeben. Im Innenverhältnis der beiden Schädiger, also des [X.] und der [X.] zu 2, trage der [X.] den Schaden allein, weil er die Schädigung überwiegend verursacht habe und die Beklagte zu 2 als Hebamme ihm gegenüber weisungsgebunden gewesen sei. Aus diesem Grunde sei auch die Drittwiderklage begründet.

5

Auf die Berufung der Klägerin und des drittwiderbeklagten Arztes hat das [X.] den [X.] verurteilt, an die Drittwiderklägerin 92.487,63 € (80 % von 278.412,51 € abzüglich 20 % von 651.211,91 €) nebst Zinsen zu bezahlen. Darüber hinaus hat es festgestellt, dass die beklagte Hebamme verpflichtet ist, die Klägerin in Höhe von 20 % der durch diese zur Erfüllung der Ansprüche aus dem [X.] entstandenen oder noch entstehenden Ansprüche freizustellen, und dass der [X.] verpflichtet ist, der [X.] zu 1 80 % jeden weiteren Schadens zu ersetzen, der ihr durch die Inanspruchnahme ihrer Versicherungsnehmerin, der [X.] zu 2, durch die Geschädigte des [X.]es noch entstehen wird bzw. die Beklagte zu 1 insoweit freizustellen. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen sowie die Klage und die Drittwiderklage abgewiesen.

6

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die [X.] ihren Klageabweisungsantrag weiter, die Beklagte zu 1 zusätzlich ihre Drittwiderklageansprüche. Mit ihrer Anschlussrevision verfolgen die Klägerin und der [X.] ihr Berufungsbegehren weiter, das auf eine hälftige Teilung der Schadensersatzleistungen abzielt.

Entscheidungsgründe

A.

7

Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe aus nach § 86 Abs. 1 [X.] übergegangenem Recht des drittwiderbeklagten Arztes einen Anspruch gegen die Beklagte zu 2 auf einen Gesamtschuldnerinnenausgleich von 20 % der von ihr erbrachten Schadensersatzleistungen gemäß § 426 Abs. 1 BGB. Entgegen stehe jedoch ein Anspruch der [X.] zu 1 aus übergegangenem Recht der [X.] zu 2 auf einen Gesamtschuldnerinnenausgleich zu 80 % der von ihr erbrachten Schadensersatzleistungen. Aufgrund der Hilfsaufrechnungserklärung der [X.] seien die bezifferten Beträge zu saldieren. Ein Direktanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 bestehe auch hinsichtlich des gestellten Feststellungsantrags nicht.

8

Der Gesamtschuldnerinnenausgleich zwischen der [X.] zu 2 und dem [X.] sei mit der Quote von 80 % zu 20 % zum Nachteil des [X.] durchzuführen. Bei Schadensersatzansprüchen seien, soweit die Gesamtschuldner keine Vereinbarung über die Ausgleichsansprüche getroffen hätten, diese nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessen, insbesondere anhand der individuellen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge der Beteiligten nach den zu § 254 BGB entwickelten Grundsätzen. Bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge seien folgende Behandlungsfehler des [X.] zu berücksichtigen:

9

- [X.] habe, nachdem er von der [X.] zu 2 in den Kreißsaal gerufen worden sei, bei seinem Erscheinen um 6.10 Uhr den Geburtsverlauf falsch eingeschätzt, das pathologische [X.] verkannt und deshalb fehlerhaft eine [X.] angeordnet. Es habe sich nämlich nicht um einen protrahierten Geburtsverlauf, sondern um einen normalen Verlauf für Erstgebärende gehandelt. Auf dem [X.] seien ab 5.55 Uhr [X.] verzeichnet, ohne dass zugleich eine Wehentätigkeit aufgezeichnet worden sei. Daher habe nicht zuverlässig bestimmt werden können, ob das Kind noch ausreichend versorgt worden sei. Bei einer unzureichenden kindlichen Versorgung sei aber eine [X.] untersagt. Der [X.] bewerte dies als einfachen Behandlungsfehler. Er sei für das weitere Geschehen ursächlich, da es ohne den [X.] nicht zu dem pathologischen [X.], insbesondere ab 6.32 Uhr gekommen wäre.

- [X.] habe seine Erreichbarkeit in der [X.] von 6.10 Uhr bis 7.00 Uhr nicht sichergestellt. Da er sich in einem Patientenzimmer zur Ruhe gelegt habe, habe er über die [X.] nicht erreicht werden können, als sich zwischen 6.20 Uhr und 6.30 Uhr aufgrund des [X.] die Notwendigkeit ergeben habe, entweder einen Kaiserschnitt durchzuführen oder eine Mikroblutanalyse vorzunehmen. Er habe auch der [X.] zu 2 nicht mitgeteilt, wo er sich hingelegt habe. Das [X.] habe mit Recht die beiden Fehler zusammen als groben Behandlungsfehler bewertet. Die Abwesenheit und Unerreichbarkeit des [X.] in dem kritischen [X.]raum insbesondere ab 6.32 Uhr sei für die Schädigung des Kindes auch ursächlich gewesen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H. (Gutachten eingeholt im Erstprozess zwischen den Kassen und den Geburtshelfern) sei die schwere Schädigung durch das Geburtsereignis verursacht worden. Im Übrigen sei insoweit auch im Rahmen des Gesamtschuldnerinnenausgleichs die Beweislastumkehr bei einem groben Behandlungsfehler zu berücksichtigen.

- Dass der [X.] um 7.15 Uhr die Indikation für eine Notsectio gestellt habe, sei richtig gewesen. Fehlerhaft sei jedoch, dass bis zu deren Durchführung um 7.53 Uhr nach den Feststellungen des [X.]s 43 Minuten, bei zutreffender Berechnung 38 Minuten, vergangen seien. Damit liege die [X.] (E-E-[X.]) deutlich über dem Standard von 20 Minuten, so dass das [X.] insoweit trotz des Rechenfehlers im Ergebnis zu Recht einen einfachen Behandlungsfehler des [X.] angenommen habe. Die Kausalität dieses Behandlungsfehlers für die Schädigung des Kindes stehe allerdings nicht fest. Zwar habe von 7.23 Uhr bis 7.40 Uhr ein schwer pathologisches sinusoidales Herzfrequenzmuster eingesetzt. Bei Einhaltung der E-E-[X.] von 20 Minuten wäre die Geburt aber nicht vor 7.23 Uhr, sondern gegen 7.35 Uhr beendet gewesen.

- Ein weiterer grober Behandlungsfehler des [X.] liege in der um fast eine Stunde verspäteten Verständigung des Babynotarztes. Er habe diesen erst um 8.08 Uhr (15 Minuten nach der Geburt) statt zugleich mit der Indikationsstellung für die Sectio angefordert. Das [X.] habe diesen Fehler mit Recht als groben Behandlungsfehler eingeschätzt. Zwar habe der neonatologische Sachverständige Prof. Dr. H. diesen Fehler nur als vermutlich kausal für eine Vertiefung des Schadens angesehen, insoweit komme der [X.] zu 2 jedoch die Beweislastumkehr bei einem groben Behandlungsfehler zu Gute.

Gegen die genannten Behandlungsfehler des drittwiderbeklagten Arztes sei ein grober Behandlungsfehler der beklagten Hebamme abzuwägen. Es könne ihr nicht vorgeworfen werden, dass sie um 6.10 Uhr den [X.] angestellt habe, da sie insoweit auf Weisungen des drittwiderbeklagten Arztes gehandelt habe. Sie habe aber in der Folgezeit die erneute [X.]-Pathologie erkannt und gleichwohl den [X.] nicht abgestellt. Sie hätte beim Versuch, den [X.] zu verständigen, hartnäckiger sein müssen und neben der erfolglosen Betätigung der Alarmglocke auch eine Krankenschwester mit der Suche betrauen müssen. Vor allem aber habe sie es pflichtwidrig unterlassen, bei Nichterreichbarkeit des Arztes selbst zeitnah, spätestens um 6.35 Uhr, die wehenfördernde Infusion abzustellen und stattdessen ein Mittel zur Hemmung der Wehentätigkeit (Tokolyse) zu verabreichen. Das [X.] habe den Behandlungsfehler in Einklang mit dem Sachverständigen als grob bewertet. Auch dieser Behandlungsfehler sei kausal für die Schädigung des Kindes, insoweit komme dem drittwiderbeklagten Arzt die Beweislastumkehr bei einem groben Behandlungsfehler zu Gute.

Bei der Abwägung habe das [X.] berücksichtigt, dass der drittwiderbeklagte Arzt die Notfallsituation durch sein fehlerhaftes Handeln gerade erst herbeigeführt habe, die zu meistern die beklagte Hebamme nicht in der Lage gewesen sei. Diese Erwägungen träfen im Ausgangspunkt zu. Der Arzt habe die Notsituation geschaffen, in der die beklagte Hebamme dann ebenfalls fehlerhaft auf die erneute, schwerwiegende [X.]-Verschlechterung reagiert habe. Der Schwerpunkt des fehlerhaften [X.] liege daher bereits in dieser Phase auf dem Handeln des Arztes. Bei der nach § 426 Abs. 1 BGB i.V.m. § 254 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Abwägung überwögen die Verursachungsanteile des Arztes deutlich, dem drei kausale Behandlungsfehler - davon zwei grobe - vorzuwerfen seien. Entgegen der Auffassung des [X.]s trete der Verursachungsbeitrag der beklagten Hebamme jedoch nicht völlig zurück, die - in Abwesenheit des für sie unerreichbaren [X.] - selbst gehalten und befugt gewesen sei, den [X.] abzustellen und eine Tokolyse einzuleiten. Dies erst recht, da sie die Pathologie des [X.] tatsächlich erkannt habe. In dieser Situation hätte sie sich nicht mehr an die zuvor gegebene Weisung des [X.] gebunden fühlen dürfen. Der [X.] bewerte den Verursachungsbeitrag der [X.] zu 2 mit 20 %.

B.

Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

[X.] Revision der [X.]

Die Revision ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Klägerin aus übergegangenem Recht des [X.] gemäß § 86 Abs. 1 [X.] gegenüber der [X.] zu 2 ein Anspruch auf Innenausgleich gemäß § 426 Abs. 1 BGB zusteht (vgl. zum Übergang des Ausgleichsanspruchs des Versicherungsnehmers [X.]surteile vom 8. November 2016 - [X.], [X.], 170 Rn. 8; vom 16. Februar 1971 - [X.], NJW 1971, 752, juris Rn. 29), und festgestellt, dass der Innenausgleich zwischen der [X.] zu 2 und dem [X.] im Verhältnis 20 % zu 80 % zu erfolgen hat.

1. Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Beklagte zu 2 und der [X.] gegenüber der S. bzw. deren Kranken- und Pflegekasse als Gesamtschuldner zum Schadensersatz verpflichtet sind (§§ 421, 840 BGB).

a) Die Feststellung des [X.] zwischen den [X.] aus einem Vorprozess zwischen dem Geschädigten und den [X.] erwächst zwar nicht in materielle Rechtskraft zwischen den Letztgenannten. Werden also - wie hier im Vorprozess - zwei einfache [X.] als Gesamtschuldner rechtskräftig zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt, so steht ihre Haftung zwar im Verhältnis zum Gläubiger, nicht aber zwischen den [X.] selbst fest. Jedem der im Vorprozess rechtskräftig als Gesamtschuldner verurteilten [X.] bleibt im nachfolgenden Rechtsstreit um den Innenausgleich damit die Möglichkeit, die im Vorprozess bejahte Verbindlichkeit dem Gläubiger gegenüber und damit auch das Bestehen eines [X.] überhaupt in Frage zu stellen (vgl. nur [X.]surteil vom 20. November 2018 - [X.], NJW 2019, 1751 Rn. 12). Derjenige Schädiger, welcher dem Geschädigten Schadensersatz leistet oder von dessen Forderungen in der Höhe des seine interne Ausgleichspflicht überschreitenden Teils Freistellung begehrt (vgl. [X.], Urteil vom 7. November 1985 - [X.], NJW 1986, 978, juris Rn. 14) und deshalb den Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 1 BGB gegenüber dem weiteren Schädiger geltend macht, muss deshalb in einem auf dieses Ziel gerichteten Prozess das Vorliegen eines [X.] gemäß § 421 Satz 1 BGB darlegen und ggf. beweisen. Beim Regress zwischen mehreren Behandlern eines Patienten muss der Ausgleich Fordernde darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass nicht nur er selbst, sondern auch der [X.] gegenüber dem geschädigten Patienten zum Schadensersatz verpflichtet ist, dass also der Patient einen Schadensersatzanspruch gegen diesen [X.] hat. Dazu bedarf es im Grundsatz auch des Nachweises, dass das Fehlverhalten des im [X.] [X.] kausal für die Schädigung des Patienten war (vgl. [X.]surteil vom 5. Oktober 1993 - [X.], NJW 1994, 797, juris Rn. 18; vgl. anschaulich bei [X.]/[X.], [X.] 2014, 90). Für die Darlegung und den Nachweis des haftungsbegründenden Fehlverhaltens der (Mit)Behandler gegenüber dem Patienten gelten dann die anerkannten und gesetzlich bestimmten Regeln der Darlegungs- und Beweislast nach den Grundsätzen auch des Arzthaftungsrechts, also beispielsweise die Beweislastregel des § 630h Abs. 5 BGB, da in diesem ersten Schritt die Frage der Haftung der Behandler gegenüber dem Patienten, die Entstehung der Gesamtschuld im Außenverhältnis, geklärt werden muss. Erst dann sind etwaige Ausgleichsansprüche zu bestimmen.

b) Dies hat das Berufungsgericht nicht verkannt und ist auf der Grundlage der Sachverständigengutachten des [X.] und der dortigen Anhörung des Sachverständigen Prof. [X.] ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Beklagte zu 2 als Gesamtschuldnerin gemäß § 840 Abs. 1, § 421 Satz 1, § 823 Abs. 1 BGB neben dem [X.] für die Schädigung der S. bei deren Geburt haftet. Es hat unter Heranziehung der Grundsätze zur Umkehr der Beweislast und der grundsätzlichen Haftungsmöglichkeit auch der Hebamme nach Übernahme der Geburtsleitung durch den Arzt zu Recht angenommen, dass die Beklagte zu 2 dem Grunde nach gemäß § 823 Abs. 1 BGB der S. wegen eines groben Behandlungsfehlers zum Schadensersatz verpflichtet ist. Zwar dürfte sie nach dem Erscheinen des [X.] im Kreißsaal um 6.10 Uhr, dessen Untersuchung der Kindesmutter und Anordnung der [X.] und damit nach einer Übernahme der Geburtsleitung durch den Arzt auch Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfin des [X.] geworden und danach seinen Weisungen unterworfen gewesen sein. Dies führte hier jedoch nicht zu einer Haftungsbefreiung.

Es gehört grundsätzlich zu den Aufgaben einer Hebamme, eine Geburt ohne besondere Komplikationen selbständig zu betreuen (vgl. [X.], Urteil vom 24. Mai 2016 - 8 U 159/14, juris Rn. 47 f.; § 1 Abs. 2 Nr. 5, 6, § 2 [[X.]] [X.] in der damals geltenden Fassung vom 19. Mai 1988, GVBl. [X.] bzw. nunmehr § 2 Abs. 3 Nr. 6, 7 Bay[X.] vom 28. Mai 2013, GVBl. [X.], idF vom 10. Mai 2022, GVBl. S. 182). Das gilt zwar nur so lange, bis ein Arzt die Behandlung übernommen hat; von diesem [X.]punkt an ist sie seine Gehilfin, für die er vertraglich nach § 278 BGB und deliktisch nach § 831 BGB einstehen muss (vgl. [X.]surteil vom 14. Februar 1995 - [X.], [X.]Z 129, 6, juris Rn. 18). Auch wenn regelmäßig gelten mag, dass die Hebamme ab der Übernahme der Behandlung durch den Arzt insoweit von einer eigenen Verantwortung grundsätzlich befreit ist (vgl. [X.]surteil vom 7. Dezember 2004 - [X.], [X.]Z 161, 255, juris Rn. 20), kann doch in besonderen Situationen ihre Eigenverantwortung und damit auch eigene deliktische Haftung wieder aufleben, wenn sie beispielsweise ein vollkommen regelwidriges und unverständliches Vorgehen des ärztlichen Geburtshelfers erkennt und nicht wenigstens remonstriert (vgl. [X.], Urteil vom 24. Mai 2016 - 8 U 159/14, [X.] 2016, 568, juris Rn. 48; [X.], Urteil vom 26. April 2007 - 8 U 37/05,19, juris Rn. 61) oder sie wegen eines Ausfalls oder Ausbleibens des ärztlichen Geburtshelfers als [X.] mit geburtshilflicher Ausbildung eine Schädigung des Fetus oder der Kindsmutter verhindern kann. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 7 [X.] (in der damals geltenden Fassung vom 19. Mai 1988, GVBl. [X.], nunmehr § 2 Abs. 3 Nr. 8 Bay[X.]) gehört zu den Tätigkeiten in eigener Verantwortung auch das Ergreifen der notwendigen Maßnahmen bei Abwesenheit des Arztes. Dann ist wie bei der eigenverantwortlichen Geburtsleitung ihr geburtshilfliches Handeln an dem allgemein anerkannten fachlichen Standard für Hebammen und Entbindungspfleger zu messen (vgl. nur [X.]/[X.] [2021] BGB § 630a Rn. 168). Nach § 276 BGB schuldet die Hebamme der Patientin vertraglich wie deliktisch die im Verkehr erforderliche Sorgfalt. Sie muss diejenigen Maßnahmen ergreifen, die von einer gewissenhaften und aufmerksamen Hebamme aus berufsfachlicher Sicht ihres Fachbereichs vorausgesetzt und erwartet werden (vgl. zum medizinischen Standard grundsätzlich [X.]surteile vom 29. November 1994 - [X.], NJW 1995, 776, juris Rn. 14; vom 24. Februar 2015 - [X.], NJW 2015, 1601 Rn. 7).

Die [X.] wenden sich mit ihrer Revision nicht dagegen, dass das Berufungsgericht unter Heranziehung der Sachverständigengutachten aus dem Vorprozess es als pflichtwidrig und grob behandlungsfehlerhaft gewertet hat, dass die Beklagte zu 2 bei Nichterreichbarkeit des Arztes die wehenfördernde Infusion nicht abgestellt und kein Mittel zur Hemmung der Wehentätigkeit verabreicht hat, obwohl sie die erneute Pathologie des [X.] erkannt hatte. Rechtsfehler des Berufungsgerichts sind insoweit auch nicht ersichtlich.

c) Soweit die Revision rügt, dass das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Behandlungsfehler (und in der Folge der Verursachungsbeiträge) des [X.] nicht dem beweisbewehrten Vortrag der [X.] zu 2 nachgegangen sei, dass der maßgebliche Schaden des Kindes durch die vom [X.] verursachte Überschreitung der [X.] bei einer Notsectio um 18 Minuten verursacht worden sei, hat der [X.] - wie im Termin erläutert - die Verfahrensrügen geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).

2. Nach § 426 Abs. 1 BGB sind Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Eine andere Bestimmung in diesem Sinne kann sich aus einer (auch stillschweigenden) Vereinbarung der Beteiligten, aus sonstigen zwischen ihnen bestehenden Rechtsbeziehungen, aus besonderen gesetzlichen Regelungen oder aus der Natur der Sache und den Grundsätzen von Treu und Glauben ergeben (vgl. [X.], Urteil vom 18. November 2014 - [X.], [X.]Z 203, 193, juris Rn. 33 mwN). Im Streitfall sind mangels Feststellung einer vertraglichen Vereinbarung über die Ausgleichspflicht die Ausgleichsansprüche anhand der Umstände des Einzelfalls zu bemessen, insbesondere anhand der individuellen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge der Beteiligten. Bei einer Haftung auf Schadensersatz bestimmt sich das Innenverhältnis der Gesamtschuldner dann entsprechend dem Rechtsgedanken des § 254 Abs. 1 BGB regelmäßig danach, inwieweit die einzelnen Gesamtschuldner zur Verursachung der für die Haftung maßgeblichen Umstände beigetragen haben und in welchem Maß sie ein Verschulden trifft ([X.], Urteile vom 18. November 2014 - [X.], [X.]Z 203, 193, juris Rn. 40 f. mwN; vom 10. Juli 2014 - [X.], NJW 2014, 2730 Rn. 21). Allerdings gehört die Abwägung der Verantwortlichkeiten nach § 254 BGB in den dem [X.] nur begrenzt zugänglichen Bereich der tatrichterlichen Würdigung (st. Rspr., vgl. nur [X.]surteil vom 3. Mai 2005 - [X.], NJW-RR 2005, 1183, juris Rn. 17). Die Abwägung setzt den Nachweis des jeweils einzustellenden [X.] voraus. Die vom Berufungsgericht hier vorgenommene Feststellung und Abwägung der jeweiligen Verursachungsbeiträge ist nicht zu beanstanden. Seine Wertung, der Gesamtschuldnerinnenausgleich zwischen der [X.] zu 2 und dem [X.] sei mit einer Quote von 80 % zu 20 % zum Nachteil des [X.] durchzuführen, lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

a) Für die Beurteilung der Ausgleichsansprüche stellt sich für den Anspruch auf Innenausgleich gemäß § 426 Abs. 1 BGB die vom Berufungsgericht zu Recht aufgeworfene Frage, ob die für die Arzthaftung im Verhältnis zum Patienten anerkannte und nunmehr auch in § 630h Abs. 5 BGB geregelte Umkehr der Beweislast bei groben Behandlungsfehlern bei dem Gesamtschuldnerinnenausgleich unter den [X.] Platz greift.

aa) Die Frage der Anwendung der Grundsätze der Umkehr der Beweislast bei groben Behandlungsfehlern beim Innenausgleich der Gesamtschuldner wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Von einer Umkehr der Beweislast bei der Verfolgung des Innenausgleichsanspruchs zwischen dem behandelnden niedergelassenen Orthopäden und der Klinik, in die die Patientin von diesem überwiesen und in der sie weiterbehandelt worden war, ist das [X.] ausgegangen ([X.], [X.] 2005, 70, juris Rn. 26). Für eine Umkehr der Beweislast beim Innenausgleich gemäß § 426 Abs. 1 BGB zwischen dem Unfallschädiger und der Klinik, in die das Unfallopfer nach dem Unfall eingeliefert worden ist, hat sich das [X.] ausgesprochen ([X.], Urteil vom 18. April 2006 - 1 [X.], juris Rn. 53 ff.). Demgegenüber hat das [X.] dies für den Ausgleich zwischen dem Täter einer vorsätzlichen Körperverletzung und dem das Opfer anschließend behandelnden Arzt abgelehnt (vgl. [X.], [X.], 294). Der [X.] hat die Frage bisher offengelassen ([X.]surteil vom 6. Oktober 2009 - [X.], NJW-RR 2010, 831 Rn. 13).

bb) In der Literatur sind die Meinungen geteilt. Für eine Umkehr der Beweislast sprechen sich [X.]/[X.] (Arzthaftungsrecht, 7. Aufl., Rn. 271), [X.]/[X.] (juris [X.], 9. Aufl., § 630h Rn. 171), Wagner ([X.], 8. Aufl., § 630h Rn. 116), [X.]/[X.] ([X.] 2014, 90, 91 ff.) und [X.] ([X.]/[X.] [2021] BGB § 630h Rn. 155) aus. Von einer Umkehr der Beweislast zumindest für den Anspruch nach § 426 Abs. 2 BGB geht [X.] aus ([X.]/[X.], [X.], 8. Aufl. Rn. 256). Offen gelassen wird die Frage von [X.] und [X.] ([X.]/[X.], Arzthaftungsrecht, 14. Aufl., Rn. 611), während sie von [X.] ([X.], 600, 605; [X.].: Der grobe Behandlungsfehler in der gerichtlichen Praxis, 2007, [X.] ff.), [X.] ([X.]/[X.]/Steinmeier, Gesamtes Medizinrecht, 3. Aufl., § 630h BGB Rn. 47) und [X.]/[X.], Handbuch des [X.], 5. Aufl., § 109 Rn. 6) mit unterschiedlichen Begründungen abgelehnt wird.

b) Der [X.] schließt sich der erstgenannten Auffassung an, die die Anwendung der Grundsätze der Umkehr der Beweislast bei grobem Behandlungsfehler befürwortet, jedenfalls für den Gesamtschuldnerinnenausgleich zwischen mehreren Behandlern und [X.]n eines Patienten.

aa) Zur Begründung kann allerdings nicht darauf abgestellt werden, dass ein Gleichklang mit dem übergegangenen Anspruch aus § 426 Abs. 2 BGB herzustellen wäre, bei dessen gesetzlichem Übergang als Schadensersatzanspruch des Geschädigten auch die für diesen geltenden Beweislastregeln im Innenverhältnis der Gesamtschuldner zur Anwendung zu bringen wären (so wohl [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., Rn. 256; dies andeutend [X.]/Wagner, 8. Aufl., § 630h Rn. 116; so noch [X.]/[X.], 6. Aufl., 2012, § 426 Rn. 39; an[X.] dann ab der 7. Aufl. 2016, § 426 Rn. 39 [X.]. 221; vgl. 9. Aufl. 2022, § 426 Rn. 43 [X.]. 225; [X.] in [X.]/[X.]/Steinmeier, Gesamtes Medizinrecht, 3. Aufl., § 630h Rn. 46). Nach dem Wortlaut des § 426 Abs. 2 BGB unterliegt der Anspruchsübergang nämlich der weiteren Voraussetzung, dass der gesamtschuldnerisch haftende Schädiger "von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann". Die Forderung des Gläubigers geht nur auf den Gesamtschuldner über, soweit er mehr gezahlt hat, als er aufgrund seiner Beziehungen zu seinen Mitschuldnern zu zahlen verpflichtet wäre. Ohne Ausgleichsforderung aus dem Innenverhältnis findet dieser Übergang nicht statt (vgl. nur [X.]/[X.], Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 82 f. unter Hinweis auf [X.], [X.], 1909, [X.]). Für die Frage, ob und in welchem Umfang ein Anspruch gegen die übrigen Gesamtschuldner besteht, hilft die Beweislastverteilung bezüglich des übergegangenen Anspruchs dem leistenden und Ausgleich suchenden Gesamtschuldner also nicht weiter (vgl. [X.]/Looschel[X.] [2022] BGB, § 426 Rn. 136; so auch [X.]/[X.], [X.] 2014, 90, 92; [X.], Gesamtschulden, 2010, [X.]: "Kann der [X.] seinen eigenen Rückgriffsanspruch aus dem Innenverhältnis oder § 426 Abs. 1 BGB nicht beweisen, hilft ihm auch § 426 Abs. 2 BGB nicht.", vgl. auch [X.] aaO S. 570).

bb) Für die Heranziehung der Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern auch bei der Bestimmung der Verursachungsbeiträge beim Innenausgleich sprechen jedoch andere Erwägungen.

Die Annahme einer Beweislastumkehr nach einem groben Behandlungsfehler im Prozess des Patienten gegen den Arzt oder [X.] ist keine Sanktion für ein beson[X.] schweres Arztverschulden. Sie hat ihren Grund vielmehr darin, dass das Spektrum der für den Misserfolg der ärztlichen Behandlung in Betracht kommenden Ursachen gerade wegen des Gewichts des Behandlungsfehlers und seiner Bedeutung für die Behandlung in besonderem Maße verbreitert und die Aufklärung des [X.] deshalb in besonderer Weise erschwert worden ist, so dass der Arzt dem Patienten den [X.] nach Treu und Glauben nicht zumuten kann (vgl. [X.]surteile vom 27. März 2007 - [X.], [X.]Z 172, 1 Rn. 25; vom 20. September 2011 - [X.], [X.], 1569, juris Rn. 12; vom 19. Juni 2012 - [X.], [X.], 1176 Rn. 13; vom 8. Februar 2022 - [X.], NJW 2022, 1443 Rn. 16; [X.]sbeschluss vom 13. Oktober 2020 - [X.], [X.] 2021, 647 Rn. 16).

Die Anwendung dieser Beweislastregel ist nicht auf die Geltendmachung von Ansprüchen des Patienten gegen den Arzt oder [X.] beschränkt (vgl. [X.]surteil vom 10. Mai 2016 - [X.], [X.]Z 210, 197 Rn. 15 zum Tierarzt; vgl. [X.]surteile vom 13. März 1962 - [X.], NJW 1962, 959 f.; vom 10. November 1970 - [X.], NJW 1971, 241, 243; [X.], Urteile vom 11. Mai 2017 - [X.]/16, [X.]Z 215, 44 Rn. 24; vom 23. November 2017 - [X.]/16, [X.]Z 217, 50 Rn. 24 zur groben Verletzung sonstiger Berufs- oder Organisationspflichten). Eine der des geschädigten Patienten vergleichbare Interessenlage liegt auch bei einem [X.] oder dem Patienten verpflichteten [X.] vor. Da der Ausgleich suchende gesamtschuldnerisch mithaftende Schädiger im Ausgleichsprozess den Nachweis führen muss, dass das Fehlverhalten des weiteren Schädigers für die Schädigung des Patienten kausal war, befindet er sich in einer dem Patienten vergleichbaren schwierigen Beweislage (vgl. auch [X.]/[X.], [X.] 2014, 90), die auch daher rührt, dass sich die Tätigkeiten beider Behandler auf den menschlichen Organismus mit seiner Eigengesetzlichkeit und weitgehenden Undurchschaubarkeit beziehen. Auch wenn die Umkehr der Beweislast u.a. damit begründet wird, dass der Behandelnde "näher dran" ist als der Patient und deshalb das Beweisrisiko zu tragen hat, weil der Patient im Regelfall kaum etwas zur Klärung des Sachverhalts beitragen könnte (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten, BT-Drucks. 17/10488 S. 30), zeigt doch der Streitfall, dass sich diese schlechte Beweissituation regelmäßig auch für den [X.] ergeben kann. Soweit darauf abgestellt wird, dass infolge des groben Behandlungsfehlers das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen mit der Folge beson[X.] vergrößert oder verschoben worden ist, dass die Aufklärung des [X.] in besonderer Weise erschwert wird, tritt diese Erschwernis im Regelfall auch für den [X.] oder [X.] ein. Beispielhaft seien Behandler in der Klinik und Nachbehandler in der niedergelassenen Praxis oder Behandler in der Klinik und Konsiliararzt erwähnt.

Ferner würde es zu wi[X.]prechenden und häufig auch unbillig erscheinenden Entscheidungen führen, einem [X.] die Umkehr der Beweislast zu versagen, obwohl sie im Prozess des Patienten gegen ihn Anwendung finden muss. So würde bei mehreren [X.]n, deren Haftung wegen grober Behandlungsfehler lediglich aufgrund der Beweislastumkehr für die Kausalität begründet werden konnte, neben einem [X.], dessen Haftung wegen eines einfachen Behandlungsfehlers ohne Beweislastumkehr bewiesen werden konnte, im Innenverhältnis im Ergebnis regelmäßig nur der [X.] haften, für den die Kausalität seines Behandlungsfehlers ohne Umkehr der Beweislast festgestellt werden konnte (vgl. dazu [X.]/Wagner, 8. Aufl., § 630h Rn. 116).

Bei Anwendung dieses Beweislastregimes zwischen [X.]n, für die im einzelnen Haftungsprozess des Patienten gegen sie auch dieses Beweislastregime zum Tragen käme, erweist sich auch das Argument, der Arzt würde gegenüber anderen [X.] bei Heranziehung dieser Beweiserleichterung schlechter gestellt (vgl. [X.], [X.], 600, 605 f.; [X.] in Laufs/[X.]/[X.], Handbuch des [X.], 5. Aufl., § 109 Rn. 6), nicht als durchgreifend.

Darüber hinaus spricht für eine Anwendung der Beweislastumkehr im Gesamtschuldnerausgleich der [X.] das grundsätzlich erstrebenswerte Ziel der Vermeidung sich wi[X.]prechender Entscheidungen in dem Prozess zwischen dem Patienten und dem Arzt und dem Prozess zwischen den Behandlern (vgl. dazu auch [X.], [X.], 600, 606).

cc) Dem in der [X.]sentscheidung vom 6. Oktober 2009 ([X.], NJW-RR 2010, 831 Rn. 14) aufgezeigten Gesichtspunkt der gleichmäßigen Beweislastrisikoverteilung hinsichtlich der [X.] von Unklarheiten in der Ursachenaufklärung wegen der damit verbundenen Erschwerung der Aufklärung des [X.] wird im Ergebnis besser Rechnung getragen, wenn unter Anwendung der gleichen Beweislastgrundsätze für alle [X.] die jeweiligen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge im Rahmen der Prüfung des § 254 BGB (in entsprechender Anwendung) bewertet werden. Soweit, wie die Revision meint, der vorgenannten Entscheidung vom 6. Oktober 2009 der Rechtssatz zu entnehmen sein sollte, dass ein eigener grober Behandlungsfehler eines [X.]s dessen Berufung auf die Beweislastumkehr im Gesamtschuldnerinnenausgleich gegenüber dem [X.], dem auch ein grober Behandlungsfehler vorzuwerfen ist, ausschließt, wird daran nicht festgehalten.

Auf die Frage, ob sich tatsächlich durch einen groben Behandlungsfehler das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen verbreitert oder verschoben hat, kommt es auch im Rahmen des Gesamtschuldnerinnenausgleichs nicht an, hierbei handelt es nicht um eine Voraussetzung der Beweislastumkehr, sondern um deren inneren Grund (vgl. [X.]surteil vom 27. März 2007 - [X.], NJW 2007, 2767 Rn. 25; zuletzt [X.]surteil vom 8. Februar 2022 - [X.], NJW 2022, 1443 Rn. 16).

I[X.] [X.] der Klägerin und des [X.]

Die [X.] ist zulässig, aber nicht begründet. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung der Verursachungsbeiträge hält den Angriffen der [X.] in Bezug auf den [X.] in dem Sinne stand, dass eine Haftungsquote zu seinen Lasten von 80 % rechtsfehlerfrei angenommen worden ist. Die Abwägung der Verursachungsbeiträge ist - wie bereits ausgeführt - grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das [X.] kann lediglich prüfen, ob sämtliche in Betracht kommenden Umstände berücksichtigt und keine rechtsirrtümlichen Erwägungen angestellt worden sind (vgl. nur [X.], Urteil vom 16. Oktober 2014 - [X.]/12, NJW 2014, 3645 Rn. 28; vom 8. Dezember 2011 - [X.], [X.], 494 Rn. 16; vom 24. Februar 2005 - [X.], [X.], 1016, 1018). Solche Fehler sind hier nicht festzustellen.

1. Soweit die [X.] geltend macht, das Berufungsgericht hätte nicht zu dem Ergebnis kommen dürfen, dass es ohne die Anordnung der [X.] seitens des [X.] nicht zu einem pathologischen [X.] gekommen wäre, weil sich im [X.] bereits um 5.18 Uhr [X.] gezeigt hätten und bereits um 5.42 Uhr eine Bradykardie aufgetreten sei, übersieht sie, dass sich das Berufungsgericht gemäß § 411a ZPO auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. [X.] im Vorprozess stützen konnte, wonach die Wehenmittelgabe bei bereits pathologischem [X.] nicht indiziert und fehlerhaft und hauptverantwortlich für die folgende [X.]-Pathologie gewesen sei. Dies entspricht der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Würdigung des [X.]s, die sich ausdrücklich auf die Ausführungen der Sachverständigen Prof. [X.] und Prof. H. stützt. Abgesehen davon hat das Berufungsgericht mit dem [X.] die Anordnung der [X.] und die anschließende Nichterreichbarkeit zusammen als groben Behandlungsfehler bewertet, für dessen Kausalität die Beweislastumkehr zu berücksichtigen ist.

2. Ohne Erfolg rügt die [X.], dass das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin und des [X.] übergangen habe, wonach der Schaden der S. in erster Linie durch das Unterlassen der Maßnahmen seitens der beklagten Hebamme verursacht worden sei, denn diese Behauptung ist dem als Beleg angeführten Vortrag in den Tatsacheninstanzen schon nicht zu entnehmen. Dort war lediglich ausgeführt worden, die Hebamme sei für ihren Fehler auch im Innenverhältnis verantwortlich, ihre Pflichtverletzung trete nicht zurück, sondern begründe eine Mitverantwortlichkeit, die in der Verteilungsquote zwischen den Gesamtschuldnern zum Ausdruck kommen müsse. Letzteres ist eine rechtliche Würdigung, die nicht einem Sachverständigen obliegt.

3. Auch dass das Berufungsgericht für die Frage der Gewichtung der Verursachungsbeiträge bei der Abwägung entsprechend § 254 BGB keinen medizinischen Sachverständigen hinzugezogen hat, erweist sich im konkreten Streitfall entgegen der Auffassung der [X.] nicht als rechtsfehlerhaft. Grundsätzlich kann zwar die Befassung eines Sachverständigen für die Bemessung der Verursachungsanteile geboten sein, wenn sich der Zusammenhang zwischen den jeweiligen Tatbeiträgen der Gesamtschuldner und dem Gesamtschaden in tatsächlicher Hinsicht bei sachverständiger Befassung mit wissenschaftlichen Hilfsmitteln oder Erfahrungswissen des Sachverständigen bestimmen und beschreiben lässt. An diesen Voraussetzungen fehlt es jedoch in der Konstellation des Streitfalls, in der sich die Kausalität der Behandlungsfehler überwiegend nur deshalb rechtlich begründen lässt, weil es sich um grobe Behandlungsfehler handelt, die zu einer Beweislastumkehr führten, und dem so beweisbelasteten Behandler der Beweis des Gegenteils nicht gelungen ist. Die Annahme einer Beweislastumkehr bei grobem Behandlungsfehler hat ihren Grund gerade darin, dass dieser das Spektrum der für den Misserfolg der ärztlichen Behandlung in Betracht kommenden Ursachen wegen des Gewichts des Behandlungsfehlers und seiner Bedeutung für die Behandlung in besonderem Maße verbreitert und die Aufklärung des [X.] deshalb in besonderer Weise erschwert worden ist, so dass der Arzt dem Patienten den [X.] nach Treu und Glauben nicht zumuten kann (vgl. zuletzt [X.]surteil vom 8. Februar 2022 - [X.], juris Rn. 16 mwN). Beruht die Feststellung der Kausalität auch nur eines Teils der Behandlungsfehler aber nur auf der Annahme einer Beweislastumkehr, wird regelmäßig die wissenschaftlich begründete Bewertung des [X.] hinsichtlich seines Anteils an der Schadensverursachung spekulativ bleiben müssen.

Das [X.], auf dessen Urteil das Berufungsgericht Bezug nimmt, hat auf der Grundlage des geburtshilflichen und des neonatologischen Gutachtens zur Kausalität ausgeführt, dass kein Zweifel bestehe, dass die Schädigung des Kindes durch das Geburtsereignis verursacht worden sei. Als hauptverantwortlich für die folgende [X.]-Pathologie und die Schwere der Sauerstoffunterversorgung sei die Wehenmittelgabe ohne ersichtlichen Grund anzusehen, ohne dass, wie der Sachverständige Prof. [X.] darlegte, eine zuverlässige Angabe zum [X.]punkt der Hirnschädigung getroffen werden könne. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Haupthirnschädigung hauptsächlich erst während der nachgeburtlichen Betreuung aufgetreten sei. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. H. wäre der Schaden sehr wahrscheinlich geringer ausgefallen, wenn durch rechtzeitiges Hinzuziehen eines neonatologisch versierten Kinderarztes die Hypoglykämie verhindert worden wäre. Dies verdeutlicht, dass eine medizinische Bemessung der Verursachungsbeiträge hier spekulativ bleiben müsste. Das Berufungsgericht hat danach rechtsfehlerfrei die Verursachungsbeiträge unter Berücksichtigung der Art und Anzahl der Behandlungsfehler sowie der Veranlassung der Reihung von Behandlungsfehlern durch den [X.], der die Beklagte zu 2 nach Übernahme der Geburtsleitung erst in die prekäre Situation gebracht hat, seine Fehler korrigieren zu müssen, bemessen.

[X.]     

      

von [X.]     

      

[X.]

      

Klein     

      

Böhm     

      

Meta

VI ZR 284/19

06.12.2022

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 11. Juni 2019, Az: 24 U 2049/18

§ 254 Abs 1 BGB, § 426 Abs 1 BGB, § 426 Abs 2 BGB, § 630h Abs 5 BGB, § 823 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.12.2022, Az. VI ZR 284/19 (REWIS RS 2022, 7697)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7697 MDR 2023, 168-169 REWIS RS 2022, 7697 NJW 2023, 956 REWIS RS 2022, 7697

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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