Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2014, Az. V ZB 192/13

V. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 164

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.] 192/13
vom

18. Dezember 2014

in der Zurückschiebungshaftsache

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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am
18. Dezember 2014
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
[X.], die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
und die
Richter Dr.
Czub,
Dr.
Kazele
und Dr. Göbel

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde wird festgestellt, dass der Beschluss der 29. Zivilkammer des [X.] vom 29.
November 2013 und
der Beschluss des [X.] vom 18. November
2013 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Land Hessen
auf-erlegt.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 5.000

Gründe:
I.
Der Betroffene, ein eritreischer Staatsangehöriger, reiste am 15.
Januar
2012 in die [X.] ein
und stellte am 9. [X.] 2012 einen Asylantrag. Nach der Zustimmung der [X.] Behörden zur Rückübernahme
des
Betroffenen lehnte das [X.] und 1
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Flüchtlinge mit Bescheid vom 7. September 2012 den Asylantrag des Betroffe-nen als unzulässig ab und ordnete dessen
Abschiebung nach [X.] an.
Nach
dem Scheitern zweier Rücküberstellungsversuche
hat das Amtsge-richt auf Antrag der beteiligten Behörde am 18. November
2013 Haft zur Siche-rung der Abschiebung bis einschließlich 22. Dezember 2013
angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht mit [X.] vom 22. November
2013 zurückgewiesen. Im
Dezember
2013 hat der Senat die Vollziehung der [X.] einstweilen ausgesetzt. Der Betroffe-ne will mit der Rechtsbeschwerde die Feststellung erreichen, dass die Anord-nung der Haft und deren Aufrechterhaltung durch das Beschwerdegericht seine
Rechte verletzt haben.
II.
Das Beschwerdegericht meint, die Voraussetzungen für die Anordnung der [X.] lägen vor, insbesondere sei der Haftantrag zulässig. Auch entspreche die Unterbringung des Betroffenen in einer speziellen
Abteilung in-nerhalb der [X.] den Vorgaben des § 62a [X.].
III.
Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG statthafte und auch im Übrigen (§ 71 FamFG) zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Die Anordnung der Haft durch das Amtsgericht und deren Aufrechter-haltung durch das Beschwerdegericht haben den Betroffenen in seinen Rech-ten verletzt, weil es an einem zulässigem Haftantrag fehlte und dieser Mangel während des Verfahrens nicht behoben wurde.
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a) Das Vorliegen eines zulässigen [X.] ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforde-rungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417
Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des [X.] knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte an-sprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte [X.] nicht angeordnet werden (st. Rspr., Senat, Beschlüsse vom 9. Oktober 2014 -
V [X.], juris Rn. 6,
vom 16. Juli 2014 -
V [X.], [X.] 2014, 384 Rn. 15,
vom 10.
Mai
2012 -
V
[X.] 246/11, [X.] 2012, 328 Rn.
10,
vom 6.
Dezember
2012 -
V [X.], juris Rn. 4
und vom 31. Januar 2013
-
V [X.], [X.] 2013, 130 Rn. 15, jeweils mwN).

Diesen Anforderungen genügt der Haftantrag der beteiligten Behörde nicht, weil er keine ausreichenden Angaben zu der notwendigen Haftdauer ent-hält. Die Begründung erschöpft sich in diesem Punkt auf den Hinweis, dass das Rückübernahmeverfahren mit [X.] erneut einzuleiten sei, wofür mindestens vier Wochen veranschlagt werden müssten. Zudem müsse eine Sicherungsbe-gleitung organisiert werden. Daher sei die beantragte Haft von sechs Wochen erforderlich und angemessen. Diesen Ausführungen lässt sich nicht entneh-men, welche Schritte die beteiligte Behörde für die Durchführung der Zurück-schiebung für notwendig hielt. Offen bleibt insbesondere, ob es sich hierbei nur um technische Einzelheiten, wie die Abstimmung des Überstellungszeitpunkts mit den [X.] Behörden, die Buchung des Flugs und die Einsatzplanung für eine Begleitung handelt und aus welchen Gründen für diese Vorgänge ein Zeitraum von mehreren Wochen auszusetzen ist.
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b)
Mängel in der Antragsbegründung wegen fehlender Angabe zu der er-forderlichen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 FamFG) führen zur [X.] der auf Grund eines solchen Antrages erlassenen Haftanordnung (Senat, Beschluss vom 16.
Juli 2014 -
V [X.], [X.] 2014, 384 Rn.
18
ff.). Sie können allerdings in dem gerichtlichen Verfahren mit Wirkung für die Zukunft geheilt werden. Die Behebung des Mangels kann dadurch erfolgen, dass die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegung ergänzt, dadurch die Lücken des [X.] schließt und der Betroffene dazu Stellung nehmen kann. Der Mangel kann aber auch dadurch behoben werden, dass das Gericht das Vorliegen der an sich seitens der Behörde nach § 417 Abs. 2 FamFG vorzutragenden Tatsachen aufgrund eigener Ermittlungen von Amts wegen (§ 26 FamFG) in dem Beschluss feststellt
(Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014 -
V [X.], aaO, Rn. 21 ff.).
Eine solche Heilung des Mangels
ist hier jedoch nicht eingetreten. Das Beschwerdegericht hat zwar die Feststellungen
getroffen, dass die Überstellung für den 12. Dezember 2013 organisiert ist und auch ein Laissez-Passer für den Betroffenen vorliegt. Das führt indessen noch nicht zu einer Heilung des unzu-lässigen [X.]. Vielmehr muss der Betroffene im [X.] an die ge-richtliche Ermittlung von Tatsachen, die die Lücken des [X.] schließen, gemäß § 420 Abs. 1 FamFG angehört werden, woran es vorliegend fehlt. Die Anhörung des Betroffenen in [X.] nach § 420 Abs. 1 FamFG dient der Verwirklichung der in Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Rechte eines Betroffenen. Danach darf die Freiheit einer Person nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes und unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Verfahrensfehler bei der Durchführung der Anhö-rung zu den Grundlagen der Haftanordnung verletzen den Betroffenen deshalb nicht nur in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG, sondern auch in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 104 8
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Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. Senat,
Beschlüsse
vom 17. Oktober 2013 -
V [X.], [X.] 2014, 52 Rn. 10
und
vom 15.
September 2011 -
V [X.], [X.] 2011, 318 Rn. 8; vgl. auch [X.], Beschluss vom 29. Januar 2014
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XII [X.] 330/13, [X.] 2014, 130 Rn. 25).
2. Ferner hat die Haftanordnung des Amtsgerichts den Betroffenen auch
deshalb in seinen Rechten verletzt, weil abzusehen war, dass die Haft in der [X.]
und damit unter Verletzung der im Lichte von Art. 16 Abs.
1 Satz 1 der Richtlinie 2008/115/[X.] auszulegenden Vorschrift des § 62a Abs. 1 [X.] vollzogen werden würde (Senat, [X.] vom 17. September
2014 -
V [X.] 56/14, juris Rn. 4 f.).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen
(§ 74 Abs. 7 FamFG).
[X.]
Schmidt-Räntsch
Czub

Kazele
Göbel
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 18.11.2013 -
934 [X.] B -

LG [X.], Entscheidung vom 29.11.2013 -
2-29 T 319/13 -

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Meta

V ZB 192/13

18.12.2014

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2014, Az. V ZB 192/13 (REWIS RS 2014, 164)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 164

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V ZB 127/13

V ZB 80/13

V ZB 118/12

V ZB 20/12

V ZB 172/12

V ZB 136/11

XII ZB 330/13

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