Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.06.2015, Az. 2 B 54/14

2. Senat | REWIS RS 2015, 9389

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Gegenstand

Hinwendung zum Lehrerberuf


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 1. April 2014 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 24 814,08 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache sowie auf Verfahrensfehler gestützte [X.]eschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) ist unbegründet.

2

1. Die 1963 geborene Klägerin absolvierte nach dem Abitur eine Ausbildung zur Medizinisch-Technischen Assistentin. In diesem [X.]eruf war sie bis 1994 tätig. Im April 1994 wurde ihre Tochter geboren. [X.]is April 1997 nahm die Klägerin Elternzeit in Anspruch und war anschließend bis Mai 1998 ohne [X.]ezüge beurlaubt. Auch nach der Geburt ihres [X.] im Mai 1998 nahm die Klägerin Elternzeit in Anspruch, die im Mai 2001 endete. Von Oktober 2002 bis Januar 2007 absolvierte die Klägerin ein Lehramtsstudium. Im [X.] an den Vorbereitungsdienst legte sie die Zweite Staatsprüfung im September 2008 ab. Seit November 2008 ist die Klägerin im [X.] Schuldienst als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis tätig.

3

Den Antrag der Klägerin vom September 2009 auf Einstellung in das [X.]eamtenverhältnis auf Probe lehnte der [X.]eklagte mit der [X.]egründung ab, die Klägerin habe die in [X.] geltende Höchstaltersgrenze überschritten. Das Verwaltungsgericht hat den [X.]eklagten verpflichtet, die Klägerin zum nächstmöglichen Zeitpunkt in das [X.]eamtenverhältnis auf Probe einzustellen. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil geändert und die Klage sowohl hinsichtlich des [X.] als auch in [X.]ezug auf die Hilfsanträge abgewiesen. Zur [X.]egründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

4

Der Hauptantrag, den [X.]eklagten zu verpflichten, die Klägerin zum nächstmöglichen Zeitpunkt in das [X.]eamtenverhältnis auf Probe einzustellen, sei bereits mangels Spruchreife unbegründet. Der Dienstherr habe die gesundheitliche Eignung der Klägerin zunächst in eigener Verantwortung zu ermitteln. Auch die Hilfsanträge auf Verpflichtung des [X.]eklagten zur Neubescheidung des [X.] sowie auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des ablehnenden [X.]escheids seien unbegründet. Die Klägerin habe die laufbahnrechtliche Höchstaltersgrenze überschritten. Auf die Erhöhung der Höchstaltersgrenze bis zur Vollendung des 49. Lebensjahres könne sich die Klägerin nicht berufen. Sie habe nicht wegen der tatsächlichen [X.]etreuung eines Kindes unter 18 Jahren von einer [X.]ewerbung um Einstellung in einen Vorbereitungsdienst vor Vollendung des 40. Lebensjahres abgesehen. [X.] könnten auch vor dem Entschluss eines [X.]ewerbers liegen, die [X.] einzuschlagen. [X.]ei der Klägerin habe aber nicht der Umstand der [X.]etreuung ihrer Kinder, sondern der späte Entschluss, den Lehrerberuf zu ergreifen, zur Überschreitung der Höchstaltersgrenze geführt. Gegen die Glaubhaftigkeit des Vorbringens der Klägerin, seit April 1994 den Lehrerberuf ernsthaft angestrebt zu haben, spreche der objektive Umstand, dass sie ihren Arbeitsvertrag als Medizinisch-Technische Assistentin mit einer Einrichtung in [X.] nach ihrem Wegzug aus [X.] Ende des Jahres 1993 nicht beendet habe. Darüber hinaus sei die Kausalität zwischen der Kinderbetreuung und der späten [X.]ewerbung der Klägerin um Einstellung in den Vorbereitungsdienst auch deshalb ausgeschlossen, weil für die Klägerin im Oktober 1997 keine realistische Möglichkeit zur Aufnahme des Studiums bestanden habe. Denn selbst wenn sie im Oktober 1997 für die [X.]etreuung ihres ersten Kindes einen Vormittagsbetreuungsplatz erhalten hätte, wäre ihr der [X.]eginn des Studiums wegen ihrer erneuten Schwangerschaft nicht möglich gewesen.

5

2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche [X.]edeutung, die ihr die [X.]eschwerde beimisst.

6

Grundsätzliche [X.]edeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom [X.]eschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des [X.] erheblich sein wird (stRspr, [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91 f.>).

7

Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob

"§ 16 Abs. 1 Satz 3 [X.] im Falle des Entschlusses, ein Lehramtsstudium zu beginnen und die [X.] einzuschlagen, so auszulegen ist, das dann, wenn dieser Entschluss anlässlich oder kurz nach der Geburt eines Kindes gefasst worden ist, Anknüpfungspunkt für den hypothetischen Kausalverlauf nicht der Zeitpunkt der Entschlussfassung selbst ist, sondern erst derjenige Zeitpunkt, zu dem erstmals die Realisierung dieses Entschlusses ins Auge gefasst war und auch möglich erschien, bspw. weil für die zu betreuenden Kinder im Grundsatz eine Fremdbetreuung im Kindergarten in [X.]etracht gekommen wäre",

vermag die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache nicht zu rechtfertigen. Denn das Oberverwaltungsgericht hat die entscheidungserhebliche Annahme, die [X.]etreuung oder Pflege eines Kindes unter 18 Jahren sei für die verspätete [X.]ewerbung der Klägerin um Einstellung in den Vorbereitungsdienst nicht kausal gewesen, auf zwei selbstständig tragende Gründe gestützt. Das Oberverwaltungsgericht hat in [X.]ezug auf die erforderliche Kausalität in erster Linie festgestellt, die Klägerin habe im Jahr 1994 nicht den ernsthaften Entschluss zum Lehramtsstudium gefasst. Daran habe sich bis zum tatsächlichen [X.]eginn des Studiums im Oktober 2002 nichts geändert. Die weiteren Ausführungen des [X.] zum maßgeblichen Anknüpfungszeitpunkt für den hypothetischen Kausalverlauf, d.h. zur Einschätzung der Klägerin, ihre Studienaufnahme sei im Hinblick auf die Kinderbetreuung erst im Oktober 2002 zu realisieren gewesen, tragen die Annahme des [X.]erufungsgerichts zur fehlenden Kausalität selbstständig.

8

Ist eine [X.]erufungsentscheidung - wie hier - auf mehrere Gründe gestützt, kann nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] die Revision nur zugelassen werden, wenn gegenüber jeder der [X.]egründungen ein durchgreifender Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 15. Juni 1990 - 1 [X.] - [X.] 11 Art. 116 GG Nr. 20 S. 11, vom 20. August 1993 - 9 [X.] 512.93 - [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 320 S. 51 und vom 9. Dezember 1994 - 11 PKH 28.94 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4). Daran fehlt es hier, weil im Hinblick auf die Feststellung des [X.]erufungsgerichts, die Klägerin habe einen bereits im Jahr 1994 gefassten Entschluss zum Lehramtsstudium und dessen durchgehendes Fortbestehen bis zur Studienaufnahme im Oktober 2002 nicht glaubhaft gemacht, kein Zulassungsgrund besteht.

9

3. Das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht leidet nicht an den in der [X.]eschwerdebegründung geltend gemachten Verfahrensmängeln.

a) Einen Verfahrensmangel sieht die [X.]eschwerde zunächst darin begründet, dass das Oberverwaltungsgericht das Vorbringen der Klägerin, sie habe sich bereits Anfang 1994 für das Lehramtsstudium entschieden, im Hinblick darauf als nicht glaubhaft bewertet habe, dass sie ihr ruhendes Arbeitsverhältnis mit einer medizinischen Einrichtung in [X.] auch nach dem Ende der dreijährigen Elternzeit nach der Geburt ihres ersten Kindes aufrechterhalten habe. Dies stelle einen Verstoß gegen die Denkgesetze und damit zugleich eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO dar. Dies kann dem [X.]erufungsgericht nicht vorgeworfen werden.

Ein Verstoß gegen Denkgesetze ist nicht bereits bei einer von der inhaltlichen Position eines [X.]eteiligten abweichenden Wertung eines Sachverhalts gegeben, sondern liegt erst dann vor, wenn eine Schlussfolgerung aus Gründen der Logik schlechthin nicht gezogen werden kann ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 26. Februar 2008 - 2 [X.] 122.07 - Z[X.]R 2008, 257 <260>). Der Schluss des [X.], die Aufrechterhaltung des bestehenden Arbeitsverhältnisses stehe der Annahme der beruflichen Neuorientierung und der Hinwendung zum Lehrerberuf entgegen, ist aber nicht aus Gründen der Logik ausgeschlossen. Der Sache nach setzt die Klägerin lediglich der Würdigung der Umstände durch das [X.]erufungsgericht ihre eigene [X.]eweis- und Sachverhaltswürdigung entgegen, indem sie aus den konkreten Umständen für sich günstigere Schlussfolgerungen zieht.

b) Die [X.]eschwerde sieht einen Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO) sowie gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO darin begründet, dass das Oberverwaltungsgericht den Vortrag der Klägerin im Rahmen ihrer Parteivernehmung in der [X.]erufungsverhandlung unberücksichtigt gelassen habe, sie habe sich bereits 1994 nach der Geburt ihres ersten Kindes bei der Universität [X.]remen nach den [X.]edingungen des Lehramtsstudiums erkundigt. Auch diese Verfahrensrüge ist unbegründet.

Der Anspruch eines Prozessbeteiligten auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, seine Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte sind jedoch nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen eines [X.]eteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Art. 103 Abs. 1 GG ist nur dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. ([X.]VerfG, [X.]eschlüsse vom 5. Oktober 1976 - 2 [X.]vR 558/75 - [X.]VerfGE 42, 364 <367 f.> und vom 19. Mai 1992 - 1 [X.]vR 986/91 - [X.]VerfGE 86, 133 <145 f.> und Kammerbeschluss vom 28. August 2014 - 2 [X.]vR 2639/09 - NVwZ 2015, 52 Rn. 47). § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verpflichtet das Gericht, seiner Überzeugungsbildung den im Verfahren festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrundezulegen. Für die innere Überzeugung des Gerichts fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage, wenn es einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen oder [X.]eweisergebnisse nicht in die rechtliche Würdigung einbezieht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen ([X.]VerwG, Urteil vom 2. Februar 1984 - 6 C 134.81 - [X.]VerwGE 68, 338 <339 f.>). Diese Grundsätze hat das [X.]erufungsgericht bei seiner Schlussfolgerung, die Klägerin habe den Lehrerberuf nicht bereits 1994 ernsthaft angestrebt, nicht verletzt.

Das Oberverwaltungsgericht hat in seinem Urteil auf den Inhalt der Aussagen der Klägerin über den Zeitpunkt und die näheren Umstände ihres Entschlusses zur Aufnahme des Lehramtsstudiums sowie zu den Ursachen der Verzögerung des Studienbeginns im Rahmen ihrer Parteivernehmung [X.]ezug genommen ([X.]). Das Vorbringen der Klägerin zu ihren Nachfragen bei der Universität [X.]remen zu den Studienbedingungen hat es in den Entscheidungsgründen ausdrücklich wiedergegeben ([X.]). Daraus folgt, dass das Gericht diese Angaben der Klägerin bei der ihm obliegenden Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalls tatsächlich berücksichtigt hat. Dass das Gericht dem objektiven Umstand der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin mit ihrem früheren Arbeitgeber in [X.] maßgebliches Gewicht beigemessen hat, verletzt weder Art. 103 Abs. 1 GG noch § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Denn diese [X.]estimmungen gewähren dem Prozessbeteiligten keinen Schutz davor, dass das Gericht die Umstände des Falles anders als der [X.]eteiligte würdigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG a.F.

Meta

2 B 54/14

22.06.2015

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend OVG Lüneburg, 1. April 2014, Az: 5 LB 6/14, Urteil

§ 16 Abs 1 LbV ND, § 25 BG ND, § 108 Abs 1 S 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.06.2015, Az. 2 B 54/14 (REWIS RS 2015, 9389)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9389

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