Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.12.2014, Az. 2 B 55/14

2. Senat | REWIS RS 2014, 45

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Gegenstand

Hinwendung zum Lehrerberuf


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 1. April 2014 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 18 767,52 € festgesetzt.

Gründe

1

Die allein auf Verfahrensfehler gestützte [X.]eschwerde der Klägerin (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist unbegründet.

2

1. Die 1963 geborene Klägerin, die als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis im [X.] Schuldienst beschäftigt ist, beansprucht ihre Einstellung in das [X.]eamtenverhältnis auf Probe. Nach dem Erwerb der [X.]erechtigung zum Führen der [X.]erufsbezeichnung "Staatlich anerkannte Erzieherin" im Jahr 1984 war die Klägerin in verschiedenen Einrichtungen tätig. Von Oktober 1995 bis 12. Juli 1996 arbeitete sie als Erzieherin in einem Kindergarten. Die drei ersten Kinder der Klägerin wurden im September 1996, im April 1998 und am 17. Oktober 2000 geboren. Im [X.] an die Geburt des ersten Kindes nahm die Klägerin bis zum 16. Oktober 2003 Elternzeit in Anspruch. Anschließend war sie bis zum [X.]eginn einer erneuten Mutterschutzfrist am 2. Juli 2004 wiederum in Vollzeit als Erzieherin tätig. Nach der Geburt ihres vierten Kindes im August 2004 nahm die Klägerin erneut Elternzeit in Anspruch. Von Oktober 2006 bis Juli 2009 absolvierte sie ein Lehramtsstudium. Im [X.] an den Vorbereitungsdienst bestand die Klägerin die Zweite Staatsprüfung im Februar 2011. Mit Wirkung vom 14. Februar 2011 wurde sie als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis in den [X.] Schuldienst eingestellt.

3

Den Antrag der Klägerin auf Einstellung in das [X.]eamtenverhältnis auf Probe lehnte die [X.]eklagte mit der [X.]egründung ab, die Klägerin habe die in [X.] geltende Höchstaltersgrenze überschritten. Die auf Neubescheidung gerichtete Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Zur [X.]egründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

4

Auf die Erhöhung der Höchstaltersgrenze bis zur Vollendung des 49. Lebensjahres könne sich die Klägerin nicht berufen. Sie habe nicht wegen der tatsächlichen [X.]etreuung eines Kindes unter 18 Jahren von einer [X.]ewerbung um Einstellung in einen Vorbereitungsdienst vor Vollendung des 40. Lebensjahres abgesehen. Die [X.] könnten zwar auch vor dem Entschluss eines [X.]ewerbers liegen, die [X.] einzuschlagen. [X.]ei der Klägerin habe aber nicht der Umstand der [X.]etreuung ihrer Kinder, sondern der späte Entschluss, den Lehrerberuf zu ergreifen, zur Überschreitung der Höchstaltersgrenze geführt. Einen bereits vor der Geburt ihres ersten Kindes bestehenden ernstlichen Entschluss zum Studium habe die Klägerin nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Die Klägerin sei nach der [X.] im Oktober 2003 in ihrem erlernten [X.]eruf als Erzieherin in Vollzeit zurückgekehrt, der mit dem Lehrerberuf nicht in Zusammenhang stehe. Dies belege, dass sich die Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch nicht von ihrem erlernten [X.]eruf ab- und sich dem Lehrerberuf zugewendet hatte. Dementsprechend sei die behauptete ernstliche Hinwendung zum Lehrerberuf bereits Ende des Jahres 1995 nicht glaubhaft.

5

2. Zu Unrecht macht die [X.]eschwerde geltend, das Oberverwaltungsgericht habe gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen und durch den Verzicht auf eine weitere Aufklärung zugleich die Pflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO verletzt.

6

Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es ist verpflichtet, seiner Überzeugungsbildung den im Verfahren festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde zu legen. Das Gericht darf nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen oder [X.]eweisergebnisse nicht in die rechtliche Würdigung einbezieht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts, auch wenn die darauf basierende rechtliche Würdigung als solche nicht zu beanstanden ist (Urteil vom 2. Februar 1984 - [X.]VerwG 6 [X.] 134.81 - [X.]VerwGE 68, 338 <339 f.> = [X.] 310 § 108 VwGO Nr. 145 S. 36 f.; [X.]eschluss vom 20. Dezember 2013 - [X.]VerwG 2 [X.] 35.13 - NVwZ-RR 2014, 314 Rn. 19 m.w.[X.]). Verzichtet das Gericht auf die fallbezogene Aufklärung ist zugleich ein Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO gegeben ([X.]eschluss vom 1. Dezember 1995 - [X.]VerwG 8 [X.] 150.95 - NWV[X.]l 1996, 125 f.). Dies kann dem Oberverwaltungsgericht nicht vorgehalten werden.

7

Entgegen dem Vorbringen der [X.]eschwerde hat das Oberverwaltungsgericht in [X.]ezug auf die von ihm als entscheidungserheblich angesehene Frage, ob die Klägerin bereits vor der Geburt ihres ersten Kindes den Entschluss zum Studium gefasst hatte, keine typisierende [X.]eweiswürdigung vorgenommen, die die Umstände des Einzelfalls und den konkreten Lebenssachverhalt entgegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO unberücksichtigt lässt.

8

Zunächst hat das Oberverwaltungsgericht zu Gunsten der Klägerin die Rechtsauffassung der [X.]eklagten zurückgewiesen, ein Laufbahnbewerber könne seiner Darlegungs- und [X.]eweisobliegenheit im Hinblick auf die erforderliche Kausalität im Falle einer vor Studienbeginn erfolgten Kinderbetreuung generell nur dann genügen, wenn sich der vom [X.]ewerber behauptete Entschluss zum Studium etwa durch Kündigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses oder [X.]ewerbung an Universitäten nach außen hin erkennbar manifestiert habe. Entsprechend der Rechtsauffassung der Klägerin hat das [X.]erufungsgericht vielmehr angenommen, dass grundsätzlich auch ein intern gebliebener Entschluss oder auch eine familieninterne Absprache für die Annahme eines ernstlichen Entschlusses zum Studium ausreichen kann.

9

Auf dieser Grundlage hat das Oberverwaltungsgericht im Hinblick auf die ernstliche Hinwendung der Klägerin zum Lehrerberuf bereits Ende 1995 und damit vor der Geburt ihres ersten Kindes den konkreten Umstand bewertet, dass die Klägerin im Zeitraum vom Ende der Elternzeit nach der Geburt ihres dritten Kindes bis zum [X.]eginn der Mutterschutzfrist vor der Geburt ihres vierten Kindes (17. Oktober 2003 bis zum 1. Juli 2004) in ihren erlernten [X.]eruf zurückgekehrt und in Vollzeit als Erzieherin tätig war. Dabei hat es zum einen die beiden vor der Aufnahme der Vollzeitbeschäftigung erlittenen Fehlgeburten berücksichtigt. Zum anderen hat es die Aussage der in der [X.]erufungsverhandlung als Partei vernommenen Klägerin gewürdigt. Aus diesen Ausführungen der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht den Schluss gezogen, die Klägerin habe sich Mitte Oktober 2003 noch nicht hinreichend von ihrem erlernten und nicht mit der Tätigkeit eines Lehrers im Zusammenhang stehenden [X.]eruf als Erzieherin abgewendet. Mangels einer Abwendung vom erlernten [X.]eruf noch in den Jahren 2003 und 2004 kann, so die Folgerung des [X.] aus der Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls, nicht von einer tatsächlichen Hinwendung zum [X.]eruf des Lehrers bereits Ende des Jahres 1995 ausgegangen werden.

Ausgehend von der Rechtsansicht des [X.] ist auch der Umstand unerheblich, dass die Klägerin unmittelbar nach Aufnahme ihrer Tätigkeit als Erzieherin wieder schwanger geworden ist und deshalb, so der Vortrag in der [X.]eschwerdebegründung, nicht mit dem Studium beginnen konnte. Denn entscheidend ist bereits der Entschluss zur erneuten Aufnahme einer Tätigkeit im erlernten [X.]eruf der Erzieherin und dessen Umsetzung Mitte Oktober 2003, die die Annahme ausschließen, die Klägerin habe sich bereits Ende 1995 ernstlich dem Lehrerberuf zugewendet.

Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Klägerin, das Oberverwaltungsgericht habe die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 VwGO dadurch verletzt, dass es nicht den Ehemann der Klägerin zu den Umständen der Aufnahme der Vollzeittätigkeit der Klägerin im Oktober 2003 als Zeugen vernommen hat.

Die [X.]eschwerde genügt insoweit bereits nicht den Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Sie legt weder dar, dass die Klägerin die nunmehr vermisste Sachverhaltsaufklärung im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht beantragt hat noch dass sich dem Oberverwaltungsgericht weitere Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. zum [X.]: Urteil vom 5. Juni 2014 - [X.]VerwG 2 [X.] 22.13 - NVwZ 2014, 1319 Rn. 32 m.w.[X.]). Die Verfahrensrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines [X.]eteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren (stRspr; vgl. [X.]eschluss vom 20. Dezember 2011 - [X.]VerwG 7 [X.] 43.11 - [X.] 445.4 § 58 [X.] Nr. 1 Rn. 26).

Unabhängig davon ist auch in der Sache nicht zu erkennen, dass der von der [X.]eschwerde behauptete [X.] vorliegt. Aus dem Vortrag der Klägerin vor dem Oberverwaltungsgericht ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, die die Einvernahme des Ehemannes der Klägerin als Zeugen hätten erforderlich erscheinen lassen. Denn zu den Motiven für die Aufnahme ihrer Vollzeittätigkeit hatte bereits die Klägerin in der [X.]erufungsverhandlung eingehend ausgesagt. Sie hatte mitgeteilt, vor der Entscheidung gestanden zu haben, die berufliche Tätigkeit wieder aufzunehmen oder den Arbeitsvertrag zu kündigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das [X.]eschwerdeverfahren beruht auf §§ 40, 47 und § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG n.F.

Meta

2 B 55/14

22.12.2014

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend OVG Lüneburg, 1. April 2014, Az: 5 LB 110/13, Urteil

§ 16 Abs 1 LbV ND, § 25 BG ND, § 108 Abs 1 S 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.12.2014, Az. 2 B 55/14 (REWIS RS 2014, 45)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 45

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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