Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.06.2018, Az. 4 BN 43/17

4. Senat | REWIS RS 2018, 8315

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Gegenstand

Erfolglose Nichtzulassungsbeschwerde; Bindungswirkung einer Entscheidung bei Rechtsnachfolge


Gründe

1

Die Antragsteller wenden sich gegen einen [X.]ebauungsplan für ein Sondergebiet "Gastronomie".

2

[X.]ei Erhebung des Normenkontrollantrags war der Antragsteller zu 2 Eigentümer des überplanten Grundstücks. Für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bezeichnet als "[X.]. 6 GbR" und bestehend aus den Gesellschaftern der Antragstellerin zu 1, war im Grundbuch eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Während des [X.] erstand [X.], einer der Gesellschafter der Antragstellerin zu 1, das Grundstück in einer Zwangsversteigerung. Seit dem [X.] weist das Grundbuch den neuen Eigentümer aus, die Auflassungsvormerkung ist gelöscht. Das Oberverwaltungsgericht hat die Anträge beider Antragsteller für zulässig gehalten und den [X.]ebauungsplan für unwirksam erklärt.

3

Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 VwGO gestützte [X.]eschwerde bleibt ohne Erfolg.

4

[X.] Die [X.]eschwerde rügt als Verfahrensfehler nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, die Vorinstanz habe fehlerhaft die Lage des überplanten Grundstücks in einem Landschaftsschutzgebiet angenommen. Das Grundstück sei indes mit Inkrafttreten der Verordnung des [X.] zur [X.] und Neuabgrenzung des Landschaftsschutzgebiets "[X.], [X.] und [X.]" vom 17. Dezember 2012 (SächsGV[X.]l. 2013, 76) nicht mehr Teil des Landschaftsschutzgebiets. Das angegriffene Urteil verstoße damit gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO und als Überraschungsentscheidung gegen das Gebot aus § 108 Abs. 2 VwGO und Art. 103 Abs. 1 GG, rechtliches Gehör zu gewähren.

5

Die Verfahrensrüge bleibt erfolglos. Die angegriffene Entscheidung kann auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel nicht beruhen im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Das Oberverwaltungsgericht hat den [X.]ebauungsplan für unwirksam erklärt, weil der am 21. Dezember 2011 beschlossene und im [X.] vom 1. März 2012 bekannt gemachte [X.]ebauungsplan von dem zwischen dem 2. Mai und dem 10. Juni 2011 öffentlich ausgelegten Planentwurf abweiche und es daher einer erneuten Auslegung des [X.] nach § 4a Abs. 3 [X.]auG[X.] bedurft habe ([X.] Rn. 60). Der nach der öffentlichen Auslegung in die textlichen Festsetzungen aufgenommene Satz zur Vorlage eines Parkplatzkonzeptes sei keine bloße Klarstellung. Eine erneute Auslegung hätte auch noch zur Vervollständigung des [X.] beitragen können ([X.] Rn. 64). Die Erwähnung der Lage im [X.] hat nach der insoweit maßgeblichen materiellen Rechtsauffassung des [X.] ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 23. Januar 1996 - 11 [X.] 150.95 - [X.] 424.5 [X.] Nr. 1) insoweit keine tragende [X.]edeutung ([X.] Rn. 64 am Ende: "umso mehr"). Hiervon unabhängig zieht die [X.]eschwerde nicht substantiiert in Zweifel, dass das Plangebiet in dem nach Auffassung der Vorinstanz für § 4a Abs. 3 [X.]auG[X.] maßgeblichen Zeitraum zwischen der öffentlichen Auslegung und dem [X.]eschluss des [X.]ebauungsplans innerhalb des Landschaftsschutzgebiets lag. Der Verweis der [X.]eschwerde auf ein [X.]augenehmigungsverfahren aus dem [X.] genügt insoweit nicht den Anforderungen an die [X.]ezeichnung eines Verfahrensfehlers.

6

Das Oberverwaltungsgericht hat den [X.]ebauungsplan - selbständig tragend - wegen einer Verletzung des Gebots der Konfliktbewältigung für unwirksam erklärt ([X.] Rn. 67). Jedenfalls der Vorwurf einer Überraschungsentscheidung ist insoweit unbegründet, weil die Vorinstanz auf die Lage des Grundstücks im Landschaftsschutzgebiet und das Gebot der Konfliktbewältigung bereits in einem vorangehenden Normenkontrollurteil hingewiesen hatte ([X.], Urteil vom 11. Juli 2013 - 1 C 11/12 - SächsV[X.]l. 2014, 173 = juris Rn. 2, 84). Im Übrigen braucht der beschließende Senat dem Vorwurf eines Verfahrensfehlers nicht nachzugehen. Denn wenn ein Urteil in je selbständiger Weise mehrfach begründet ist, kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder der [X.]egründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht und gegeben ist (stRspr, [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 15 und vom 20. Dezember 2016 - 3 [X.] 38.16 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 66 Rn. 3).

7

I[X.] Auch die [X.] der [X.]eschwerde gegen die [X.]ehandlung des Antrags der Antragstellerin zu 1 führen nicht zur Zulassung der Revision.

8

1. Die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO legt die [X.]eschwerde nicht dar.

9

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der [X.]eschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des [X.]undesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91>).

Die [X.]eschwerde möchte sinngemäß klären lassen,

unter welchen Voraussetzungen zwei Gesellschaften bürgerlichen Rechts identisch sein können, obwohl ihr Name und ihr Firmensitz voneinander abweichen.

Die [X.]eschwerde legt indes die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache nicht dar. Sie bekämpft allein die Auffassung des [X.], es sei nicht nach jeglicher [X.]etrachtungsweise auszuschließen, dass die Antragstellerin zu 1 mit der [X.][X.]aße 6 GbR" identisch sei, zu deren Gunsten eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen war. Im Übrigen könnte die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Identität von Gesellschaften des bürgerlichen Rechts anzunehmen ist, nur im Stile eines Kommentars beantwortet werden. Dies ist nicht Aufgabe eines Revisionsverfahrens (stRspr, [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 11. Februar 2016 - 4 [X.] 1.16 - [X.] 2016, 372 Rn. 2 und vom 21. März 2018 - 4 [X.] 2.18 - juris Rn. 2).

2. Die Revision ist nicht wegen Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.

Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz zu einer Entscheidung des [X.] ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.] aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des [X.] tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO VwGO Nr. 26 S. 14).

Das angegriffene Urteil weicht nicht in diesem Sinn von dem Urteil des [X.] vom 11. Januar 1985 - 7 C 74.82 - ([X.]VerwGE 70, 365 <368>) ab, da dieses nicht - wie das angegriffene Urteil - in Anwendung des § 47 Abs. 2 VwGO ergangen ist. Gleiches gilt für die [X.]eschlüsse des [X.] vom 21. Januar 1993 - 4 [X.] 206.92 - ([X.] 310 § 42 VwGO Nr. 188 S. 39 f.) und vom 9. Januar 2013 - 9 [X.] 20.12 - ([X.] 424.01 § 64 FlurbG Nr. 8).

3. Die [X.]eschwerde macht in der Sache als Verfahrensfehler nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend, das Oberverwaltungsgericht habe für die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht die Möglichkeit genügen lassen dürfen, dass die Antragstellerin zu 1 mit der früheren Inhaberin der Auflassungsvormerkung identisch sei. Auch dies bleibt erfolglos. Für die [X.]eschwerde fehlt insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis.

Das Oberverwaltungsgericht hat auf den Antrag des Antragstellers zu 2 die Unwirksamkeit des [X.]ebauungsplans festgestellt. In Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 1. August 2001 - 4 [X.] 43.01 - [X.] 303 § 265 ZPO Nr. 6 S. 3) hat es das Fortbestehen der Prozessführungsbefugnis nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO angenommen, nachdem der jetzige Eigentümer, [X.], im Wege des Zuschlags nach § 90 Abs. 1 [X.] das Eigentum an dem Grundstück erlangt und den Rechtsstreit nicht nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 266 Abs. 1 Satz 1 ZPO übernommen hat (vgl. [X.]ecker-Eberhard, in: [X.] Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 265 Rn. 51; [X.], in: [X.]/[X.], ZPO, 15. Aufl. 2018, § 265 Rn. 5). Die damit auf den Antrag des Antragstellers zu 2 ergangene Sachentscheidung ist nach § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO allgemein verbindlich. Sie bindet nach § 121 Nr. 1 VwGO die [X.]eteiligten und ihre Rechtsnachfolger ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 25. November 1999 - 4 CN 17.98 - [X.] 406.12 § 17 [X.]auNVO Nr. 8 S. 4) und damit auch den jetzigen Eigentümer, [X.], als Rechtsnachfolger des Antragstellers zu 2.

Die Stattgabe des Normenkontrollantrags im Verhältnis zur Antragstellerin zu 1 beschwert die Antragsgegnerin nicht weitergehend. Unabhängig davon, ob die Antragstellerin zu 1 aus der früheren Auflassungsvormerkung berechtigt war, ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass im Verhältnis zwischen der Antragstellerin zu 1 selbst und der Antragsgegnerin der [X.]indung durch das Normenkontrollurteil nach § 121 Nr. 1 VwGO noch [X.]edeutung zukommen könnte. Denn die Auflassungsvormerkung ist zwischenzeitlich erloschen ([X.] Rn. 52).

Eine weitergehende [X.]eschwer folgt auch nicht aus einer gegenüber einem Rechtsnachfolger nach § 121 Nr. 1 VwGO eintretenden [X.]indung. Rechtsnachfolger eines Vormerkungsberechtigten im Sinne des § 121 Nr. 1 VwGO ist nach Auffassung des [X.] derjenige, der durch Zuschlag nach § 90 Abs. 1 [X.] Eigentümer eines Grundstücks wird. Dies erscheint zweifelhaft, wenn die Auflassungsvormerkung nicht auf einen Rechtsnachfolger übergeht, sondern erlischt, bedarf aber keiner Entscheidung. Denn allenfalls käme eine [X.]indung der Antragsgegnerin gegenüber [X.] nach § 121 Nr. 1 VwGO als Rechtsnachfolger der Antragstellerin zu 1 in [X.]etracht. Darin läge aber keine zusätzliche [X.]eschwer gegenüber der Sachentscheidung im Verhältnis zum Antragsteller zu 2. Das von der [X.]eschwerde verfolgte Ziel einer Abweisung des Antrags der Antragstellerin zu 1 als unzulässig erschöpft sich damit in einem kostenrechtlichen Interesse. Dies genügt in entsprechender Anwendung des § 158 Abs. 1 VwGO nicht (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 23. Juni 2016 - 4 [X.] 19.15 - [X.] 310 § 158 VwGO Nr. 14 Rn. 4).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 BN 43/17

05.06.2018

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 27. Juli 2017, Az: 1 C 5/14, Urteil

§ 47 Abs 2 VwGO, § 47 Abs 5 S 2 Halbs 2 VwGO, § 121 Nr 1 VwGO, § 173 S 1 VwGO, § 265 Abs 2 S 1 ZPO, § 90 Abs 1 ZVG, § 4a Abs 3 BauGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.06.2018, Az. 4 BN 43/17 (REWIS RS 2018, 8315)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 8315

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