Bundessozialgericht, Urteil vom 07.09.2017, Az. B 10 ÜG 3/16 R

10. Senat | REWIS RS 2017, 5632

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Überlanges Gerichtsverfahren - unangemessene Verfahrensdauer - gleichzeitig neben dem Hauptsacheverfahren geführtes Prozesskostenhilfeverfahren - Annex zum Hauptsacheverfahren - kein eigenständiger Entschädigungsanspruch - Verzögerungsrüge - unverzügliche Erhebung erst nach Eintritt einer rügepflichtigen Situation - keine Begrenzung der Entschädigung auf bestimmten Zeitraum vor Erhebung der Rüge - Wahrung der Rechtseinheitlichkeit - finanzgerichtliches und sozialgerichtliches Verfahren - unterschiedlicher rechtlicher Rahmen bei der Bestimmung der unangemessenen Verfahrensdauer - strukturelle Überlastung der Justiz - keine generelle Erhöhung der Entschädigungspauschale - Erforderlichkeit eines schwerwiegenden Grundrechtsverstoßes


Leitsatz

1. Ein gleichzeitig neben einem Hauptsacheverfahren geführtes Prozesskostenhilfeverfahren führt als dessen Annex nicht zu einem eigenständigen Entschädigungsanspruch.

2. Der Entschädigungsanspruch wegen überlanger Verfahrensdauer ist nicht auf einen bestimmten Zeitraum (regelmäßig sechs Monate) vor einer verspäteten Verzögerungsrüge begrenzt (Fortsetzung von BSG vom 5.5.2015 - B 10 ÜG 8/14 R = SozR 4-1710 Art 23 Nr 4; Abgrenzung zu BFH vom 6.4.2016 - X K 1/15 = BFHE 253, 205 = BStBl II 2016, 694).

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 12. Juli 2016 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 16 450 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren eine Entschädigung wegen überlanger Dauer ihres vor dem [X.] unter dem [X.] AS 958/08 und vor dem [X.] unter dem [X.] AS 238/11 geführten Klageverfahrens.

2

Die Kläger bezogen als Bedarfsgemeinschaft ab Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem [X.] und waren wegen [X.] einer Erstattungsforderung wegen Überzahlungen in Höhe von insgesamt 12 898,11 Euro ausgesetzt (Änderungs- und Erstattungsbescheide vom 26.6.2006; Widerspruchsbescheide vom [X.]). Am 27.2.2008 erhoben die Kläger beim [X.] Klage gegen die Erstattungsforderung, die nach [X.] im Übrigen erfolglos blieb (Urteil vom 1.2.2011). Am 14.3.2011 legten die Kläger Berufung ein und beantragten die Gewährung von [X.]. Am [X.] erfolgte die Berufungsbegründung mit Übersendung der [X.], die zuletzt am 13.1.2012 vervollständigt wurden. [X.] und Berufung waren sodann ebenfalls ohne Erfolg (Beschluss vom [X.]; Urteil vom 7.11.2014). Am 27.3.2015 gelangte das unterschriebene Berufungsurteil zur Geschäftsstelle und am 30.3.2015 zur Versendung. Die gegen die Nichtzulassung der Revision durch das L[X.] gerichtete Beschwerde vor dem B[X.] blieb erfolglos (Beschluss vom 11.8.2015 - B 14 [X.]/15 B).

3

Am 24.9.2015 haben die Kläger Klage auf Entschädigung iHv jeweils 4600 Euro für erlittene immaterielle Nachteile erhoben, nachdem sie zuvor am [X.] die Verzögerung auch hinsichtlich des [X.]-Antrags gerügt hatten. Sie haben geltend gemacht, das Ausgangsverfahren vor dem [X.] und dem L[X.] sei überlang gewesen. [X.] habe vor dem L[X.] eine Verzögerung von mindestens 17 Monaten vorgelegen bei einer zusätzlichen Verzögerung durch die [X.] des Urteils. Auch habe das L[X.] erst nach mehr als 24 Monaten über die [X.]-Anträge entschieden, obwohl hier lediglich eine Bedenk- und Bearbeitungsfrist von sechs Monaten gerechtfertigt sei, sodass eine Verzögerung von 18 Monaten verbleibe. Das [X.]-Verfahren sei gesondert zu bewerten und zu entschädigen. Insgesamt habe das Ausgangsverfahren einen durchschnittlichen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeitsgrad und wegen des sehr hohen Rückforderungsbetrages eine besondere Bedeutung gehabt.

4

Das Entschädigungsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von jeweils 2300 Euro verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Im zugrundeliegenden Ausgangsverfahren habe die gerichtliche Inaktivität in der ersten Instanz 20 Monate und in der zweiten Instanz 27 Monate, insgesamt also 47 Monate betragen. Entgegen der Auffassung der Kläger sei das zweitinstanzliche Nebenverfahren über die [X.] nicht zusätzlich zu berücksichtigen. Bei einem [X.]-Antrag während eines laufenden Hauptsacheverfahrens könne zwar dessen Bearbeitung das Hauptsacheverfahren verzögern. Solche Verzögerungen habe es vorliegend aber nicht gegeben, sodass es keinen Grund für eine auf eine Doppelentschädigung hinauslaufende zusätzliche Berücksichtigung der Dauer des [X.]-Verfahrens gebe. Abzüglich der jeder Instanz zuzubilligenden Vorbereitungs- und Bedenkzeit von 12 Monaten ergebe sich eine entschädigungspflichtige Überlänge des Ausgangsverfahrens von insgesamt 23 Monaten in beiden Tatsacheninstanzen. Für diese sei den Klägern jeweils die Pauschalentschädigung zuzusprechen. Insbesondere gehe der Senat trotz vorhandener Anhaltspunkte für eine strukturelle Überlastung der Justiz des beklagten [X.] davon aus, dass eine Erhöhung des [X.] für die Verzögerungen im zweitinstanzlichen Ausgangsverfahren noch nicht gerechtfertigt sei (Urteil vom 12.7.2016).

5

Mit ihrer Revision rügen die Kläger einen Verstoß gegen § 198 [X.] und begehren nunmehr die Zahlung von jeweils weiteren 3290 Euro. Das L[X.] habe rechtsfehlerhaft eine gesonderte Entschädigung wegen der überlangen Dauer des zweitinstanzlichen Nebenverfahrens über [X.] und die Voraussetzungen für eine Erhöhung der gesetzlichen Entschädigungspauschale verneint. Deswegen sei eine weitere Entschädigung für das [X.]-Verfahren iHv 2600 Euro je Kläger (20 Monate x 130 Euro) und für das Hauptsacheverfahren iHv 690 Euro je Kläger (20 Monate x 30 Euro) zuzusprechen.

6

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sächsischen [X.]sozialgerichts vom 12. Juli 2016 abzuändern und den beklagten [X.] zu verurteilen, wegen der unangemessenen Dauer der Verfahren vor dem [X.] AS 958/08 und dem Sächsischen [X.]sozialgericht L 3 AS 238/11 den Klägern zu 1.) bis 5.) als Entschädigung jeweils weitere 3290 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

7

Der beklagte [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Der Beklagte schließt sich den Ausführungen des Entschädigungsgerichts an.

Entscheidungsgründe

9

[X.]ie zulässige Revision der Kläger ist unbegründet (§ 170 Abs 1 [X.] SGG). [X.]as [X.] hat die Revision unbeschränkt zugelassen und die Kläger haben sie wirksam eingelegt (dazu 1.). Zutreffend hat das [X.] das Begehren der Kläger an den §§ 198 ff [X.] gemessen (dazu 2.). [X.]as [X.] ist auch zu Recht von der Zulässigkeit der [X.] ausgegangen (dazu 3.). [X.]ie Kläger haben gegen den Beklagten keinen über den ihnen zuerkannten hinausgehenden Entschädigungsanspruch (dazu 4.).

1. [X.]ie form- und fristgerechte (§ 164 SGG) Revision der Kläger ist gerichtet gegen den die Klage abweisenden Teil der vorinstanzlichen Entscheidung und auf weitere Entschädigung in Geld. Insoweit wenden sie sich hinsichtlich der überlangen [X.]auer des Hauptsacheverfahrens noch gegen die Nichtberücksichtigung des [X.] und verlangen eine Erhöhung der gesetzlichen Entschädigungspauschale durch das [X.]. Hinsichtlich der erstmals mit der Revision geltend gemachten zusätzlichen Erhöhung der Entschädigungspauschale handelt es sich um eine in der Revisionsinstanz zulässige Erweiterung des Klageantrags (§ 168 [X.] SGG, § 99 Abs 3 [X.] SGG). [X.]enn die Kläger erweitern insoweit lediglich ihr Entschädigungsbegehren der Höhe nach, ohne den Klagegrund der Unangemessenheit der Verfahrensdauer zu ändern (vgl hierzu [X.] in [X.]/[X.], SGG, 2014, § 168 Rd[X.] 8, zur Beschränkung [X.] vom 15.12.2015 - [X.] ÜG 1/15 R - [X.] 4-1720 § 198 [X.] Rd[X.] 14). [X.]avon zu trennen ist die Frage nach dem materiell-rechtlichen Bezugsrahmen für die jetzt noch geltend gemachte Entschädigung (vgl [X.] vom [X.] - [X.] ÜG 2/14 R - [X.] 4-1720 § 198 [X.] 5 Rd[X.] 11 mwN).

2. [X.]as Begehren der Kläger ist in prozessualer als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht an den §§ 198 ff [X.] zu messen, obwohl diese Vorschriften erst während des vorliegend als überlang gerügten Verfahrens in [X.] getreten sind (zeitlicher Anwendungsbereich des § 198 [X.]). [X.]ie Vorschriften des [X.] vom 24.11.2011 ([X.] 2302) und damit auch die §§ 198 ff [X.] finden aufgrund der Übergangsregelung des Art 23 [X.] [X.] auch auf Verfahren Anwendung, die bei Inkrafttreten des [X.] am 3.12.2011 (vgl Art 24 [X.] [X.]) bereits anhängig waren. [X.]as ist hier der Fall. [X.]as als überlang gerügte Verfahren war von Februar 2008 bis zu seiner Beendigung im August 2015 anhängig.

3. [X.]ie auf § 198 [X.] gestützte [X.] ist zulässig.

a) [X.]as [X.] war für die Entscheidung funktional und örtlich zuständig. In den der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesenen Angelegenheiten (vgl § 51 SGG) ist gemäß § 201 Abs 1 [X.] [X.] iVm § 202 [X.] SGG für Klagen auf Entschädigung nach § 198 [X.] gegen ein Land das für dieses Land örtlich zuständige [X.] zuständig.

b) [X.]as beklagte Land ist im Verfahren wirksam durch den Präsidenten des [X.] des [X.] vertreten worden. [X.]enn der [X.] wird in Verfahren wegen überlanger Gerichtsverfahren gemäß § 7 Abs 3 der Verordnung der [X.] ua über die Vertretung des [X.] in gerichtlichen Verfahren (Vertretungsverordnung - [X.]) vom 10.4.2013 ([X.]), zuletzt geändert durch [X.] ([X.]), durch das [X.] vertreten.

c) [X.]ie [X.] ist als allgemeine Leistungsklage statthaft (§ 54 Abs 5 SGG; vgl BSG Urteil vom 5.5.2015 - [X.] ÜG 8/14 R - [X.] 4-1710 Art 23 [X.] 4 Rd[X.] 16 mwN). [X.]ie Klage ist am 25.9.2015 unter Einhaltung der Klagefrist des § 198 Abs 5 [X.] [X.] (iVm Art 23 [X.] [X.]) innerhalb von sechs Monaten nach Erledigung des Verfahrens erhoben worden. [X.]ie [X.] ist andererseits auch nicht verfrüht erhoben worden, da sie mehr als sechs Monate nach Erhebung der [X.] vom [X.] eingelegt worden ist (§ 198 Abs 5 [X.] [X.]). [X.]iese Voraussetzung gilt auch für Verfahren, die bei Inkrafttreten des [X.] am 3.12.2011 bereits anhängig waren (Art 23 [X.] [X.]; vgl BSG, [X.]O, Rd[X.] 17).

4. [X.]ie zulässige Klage ist über den vom Entschädigungsgericht entschiedenen Anspruch der Kläger hinaus unbegründet. Zwar haben die Kläger den richtigen Beklagten verklagt (dazu a) und ist der Anspruch auf Entschädigung für die [X.] vor Erhebung der [X.] nicht ausgeschlossen (dazu b), darüber hinaus steht ihnen jedoch kein weitergehender (höherer) Entschädigungsanspruch unter Berücksichtigung einer Überlänge des vor dem [X.] durchgeführten [X.] (dazu c) oder aufgrund einer Unbilligkeit der vom [X.] festgesetzten Entschädigungspauschale zu (dazu d).

a) [X.]er beklagte [X.] ist für die [X.] nach § 200 [X.] [X.] passiv legitimiert, weil er danach für Nachteile haftet, die aufgrund von Verzögerungen bei seinen Gerichten entstehen; derartige Nachteile machen die Kläger anlässlich ihres Ausgangsverfahrens geltend.

b) [X.]ie am [X.] erhobene [X.] war rechtzeitig (dazu [X.]) und hat einen vor der [X.] entstandenen Entschädigungsanspruch nicht präkludiert (dazu bb).

[X.]) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nach § 198 Abs 3 [X.] [X.] nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die [X.]auer des Verfahrens gerügt hat (zur Eigenschaft der [X.] als materiell-rechtliche Voraussetzung s [X.] vom 12.2.2015 - [X.] ÜG 11/13 R - [X.], 102 = [X.] 4-1720 § 198 [X.] 9, Rd[X.] 19 mwN). [X.]ie [X.] kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen [X.] abgeschlossen wird (§ 198 Abs 3 [X.] Halbs 1 [X.]). Für anhängige Verfahren, die im [X.]punkt des Inkrafttretens des [X.] am 3.12.2011 schon verzögert waren und sich die Verzögerung in einer schon abgeschlossenen Instanz ereignet hat, bedarf es keiner [X.] (Art 23 [X.] [X.]). Ist das Verfahren in einer Instanz noch nicht abgeschlossen, muss die [X.] unverzüglich nach Inkrafttreten erhoben werden (Art 23 [X.] [X.]), spätestens 3 Monate nach Inkrafttreten des [X.] (BSG, [X.]O; [X.] vom [X.] - [X.] ÜG 2/14 R - [X.] 4-1720 § 198 [X.] 5 Rd[X.]6 ff). In diesem Fall wahrt die [X.] einen Anspruch auf Entschädigung auch für den vorausgehenden [X.]raum (Art 23 [X.] [X.]).

Für die hier allein noch maßgebliche zweite Instanz war zu diesem [X.]punkt, wie das [X.] zu Recht angenommen hat, noch keine rügepflichtige Situation eingetreten, sodass eine Entschädigung nicht für [X.]en bis zum tatsächlichen [X.]zeitpunkt ausgeschlossen ist (vgl zur Präklusion bei verspätet erhobener [X.] [X.] vom 15.12.2015 - [X.] ÜG 1/15 R - [X.] 4-1720 § 198 [X.] Rd[X.] 17; [X.] vom 5.5.2015 - [X.] ÜG 8/14 R - [X.] 4-1710 Art 23 [X.] 4 Rd[X.]3 ff). Hierzu hat das [X.] mit Urteil vom 29.2.2016 (5 C 31/15 [X.] - Juris = NJW 2016, 3464, Rd[X.] 31) unter anderem ausgeführt, dass die Obliegenheit des Art 23 [X.] [X.] nur Verzögerungen in anhängigen Verfahren betrifft, die im [X.]punkt des Inkrafttretens bei dem mit der Sache befassten Gericht bereits eingetreten sind. [X.]as ergebe sich aus der systematischen Unterscheidung zwischen Verzögerungen in einer bereits abgeschlossenen Instanz (Art 23 [X.] [X.]) und schon verzögerten Verfahren (Art 23 [X.] [X.]) sowie dem mit der [X.] verfolgten Zweck einer präventiven Warnung an das befasste Gericht und vor allem aus der Gesetzesbegründung. [X.]em schließt sich der erkennende [X.] an. Eine unverzügliche Erhebung der [X.] nach Art 23 [X.] [X.] ist nur dann erforderlich, wenn bei dem mit der Sache befassten Gericht eine rügepflichtige Situation eingetreten ist. Kommt es nach Abschluss einer Instanz bei der befassten Instanz zu einer weiteren Verzögerung, bleibt es bei der allgemeinen Regelung des § 198 Abs 3 [X.] (BT-[X.]rucks 17/3802 [X.]; [X.], [X.]O, mwN). Eine rügepflichtige Situation iS von § 198 Abs 3 [X.] [X.] war nach den unangegriffenen Feststellungen des [X.] (§ 163 SGG) im zweitinstanzlichen Ausgangsverfahren am 3.12.2011 noch nicht eingetreten. In nicht zu beanstandender Weise hat das [X.] zudem ausgeführt, dass bei der gebotenen ex ante Betrachtung zu diesem [X.]punkt eine unangemessene Verfahrensdauer für die zweite Instanz noch nicht absehbar war, weil das [X.] nach der Berufungsbegründung der Kläger vom [X.] noch mit der vom [X.] angeforderten Berufungserwiderung rechnen durfte. [X.]emgegenüber bestand zum [X.]punkt der schriftlichen [X.] vom [X.] nach den vom [X.] festgestellten [X.]en der Inaktivität des zweitinstanzlichen Ausgangsverfahrens Anlass zur Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener [X.] abgeschlossen wird. [X.]ie formgerecht und wirksam erhobene [X.] erfasst damit auch den zuvor verstrichenen [X.]raum des Ausgangsverfahrens und bezieht diesen in die Prüfung der Angemessenheit mit ein (vgl [X.] vom 5.5.2015 - [X.] ÜG 8/14 R - [X.] 4-1710 Art 23 [X.] 4 Rd[X.]4; [X.], [X.]O, Rd[X.] 33 mwN). [X.]ies gilt auch dann, wenn die [X.] in der Zwischenzeit nach dem 3.12.2011 schon früher hätte erhoben werden können.

bb) [X.]em steht das Urteil des [X.] vom 6.4.2016 nicht entgegen ([X.] - [X.]E 253, 205 = BStBl II 2016, 694). In dieser Entscheidung hat der [X.] ausgeführt, dass der Entschädigungsanspruch wegen überlanger Verfahrensdauer durch eine verspätet erhobene [X.] im Regelfall auf einen [X.]raum von sechs Monaten vor Erhebung der [X.] begrenzt werde. Unter Abgrenzung von der Rechtsprechung des [X.] (Urteil vom 10.4.2014 - [X.] - NJW 2014, 1967, Rd[X.] 31) und des BSG (Urteil vom 5.5.2015 - [X.] ÜG 8/14 R - [X.] 4-1710 Art 23 [X.] 4 Rd[X.]4), die keinen Endtermin für eine [X.] annähmen, sei zur Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit der Rechtsprechung im Bereich der [X.]n der nur schwer fassbare [X.]raum eines unzulässigen "[X.]ulde und [X.]" durch eine Vermutungsregel zu typisieren ([X.], [X.]O, Rd[X.] 43 bis 46). [X.]emgegenüber sieht der erkennende [X.] - wie auch der [X.] ([X.]O) und das [X.] ([X.]O) - nach wie vor keine rechtliche Grundlage für die Annahme eines Endtermins, zu dem eine [X.] im Anwendungsbereich des § 198 Abs 3 [X.] [X.] spätestens einzulegen ist (s insbesondere zur Entstehungsgeschichte von § 198 Abs 3 [X.] und [X.] [X.]: [X.] Urteil vom 29.2.2016 - 5 C 31/15 [X.] - Juris = NJW 2016, 3463, Rd[X.] 33 mwN) mit der Folge der Präklusion eines vorherigen [X.].

[X.]er [X.] sieht sich nicht veranlasst, das [X.] gemäß §§ 1, 2 Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des [X.] einzuleiten. Zwar hat der [X.] verbindlich die Entscheidung des gemeinsamen [X.]s einzuholen, wenn ein oberster Gerichtshof in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs oder des gemeinsamen [X.]s abweichen will (§ 2 Abs 1 [X.]). [X.]ie Rechtsfrage muss sich aber auf der Grundlage von Vorschriften stellen, die in ihrem Regelungsgehalt gänzlich übereinstimmen und nach denselben Grundsätzen auszulegen sind. [X.]arüber hinaus muss die Rechtsfrage sowohl für den erkennenden [X.] in der anhängigen Sache als auch für den divergierenden [X.] in der bereits entschiedenen Sache entscheidungserheblich sein (vgl [X.] vom 15.12.2015 - [X.] ÜG 1/15 R - [X.] 4-1720 § 198 [X.] Rd[X.] 16 mwN). [X.]ie aufgeworfene Frage nach dem richtigen [X.]punkt einer [X.] iS des § 198 Abs 3 [X.] [X.] und den möglichen Auswirkungen für den Fall ihrer Verspätung ist zwar in beiden Verfahren im Ansatz deckungsgleich. [X.]ies trifft aber keineswegs auf deren rechtlichen Rahmen der unangemessenen Verfahrensdauer zu, der in der Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ganz unterschiedlich bestimmt wird. Während im sozialgerichtlichen Verfahren in der Regel eine 12monatige Vorbereitungs- und Bedenkzeit für die jeweilige Instanz unabhängig von ihrer Lage noch nicht zu einer unangemessenen Verfahrensdauer führt (vgl zB [X.] vom 5.5.2015 - [X.] ÜG 8/14 R - [X.] 4-1710 Art 23 [X.] 4 Rd[X.] 36 mwN), gilt im finanzgerichtlichen Verfahren die Vermutung, dass die [X.]auer des Verfahrens angemessen ist, wenn das Gericht gut zwei Jahre nach dem Eingang der Klage mit Maßnahmen beginnt, die das Verfahren einer Entscheidung zuführen sollen, und die damit begonnene Phase des [X.] nicht durch nennenswerte [X.]räume unterbrochen wird, in denen das Gericht die Akte unbearbeitet lässt (vgl zB [X.], [X.]O, Rd[X.]4). [X.]ie hieran anknüpfende partielle Präklusion des [X.] bei verzögerter [X.] mag deshalb die dargestellte Vermutungsregel im finanzgerichtlichen Verfahren konsequent ergänzen. Im sozialgerichtlichen Verfahren würde sie hingegen angesichts der dem [X.] überlassenen Positionierung seiner Vorbereitungs- und Bedenkzeiten die Entstehung des [X.] von nicht hinnehmbaren Zufälligkeiten abhängig machen.

c) [X.]ie Kläger haben keinen Anspruch auf eine Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer des Ausgangsverfahrens unter zusätzlicher Berücksichtigung des zweitinstanzlichen [X.]. [X.]ie Feststellung einer Überlänge des Ausgangsverfahrens von 23 Monaten durch das Entschädigungsgericht zur unangemessenen [X.]auer des Gerichtsverfahrens vor dem SG [X.]resden und dem Sächsischen [X.] hält einer revisionsrichterlichen Überprüfung stand. [X.]ie Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und [X.]ritter (§ 198 Abs 1 [X.] [X.]). Als Rechtsfolge sieht § 198 Abs 1 [X.] [X.] eine angemessene Entschädigung für die Beteiligten eines vorangegangenen überlangen Gerichtsverfahrens vor. Nach § 198 Abs 2 [X.] [X.] beträgt die Entschädigung für erlittene immaterielle Nachteile für jedes Jahr der Verzögerung eines Gerichtsverfahrens 1200 Euro, wobei der Monat die maßgebende [X.]einheit auch für die Bemessung einer Entschädigungszahlung ist (vgl [X.] vom 12.2.2015 - [X.] ÜG 1/13 R - [X.], 91 = [X.] 4-1720 § 198 [X.] 7, Rd[X.]3 mwN). [X.]anach steht den Klägern kein höherer Entschädigungsanspruch als die jeweils zuerkannten 2300 Euro wegen der unangemessenen Verfahrensdauer des Ausgangsverfahrens zu.

[X.]) Ausgangspunkt und erster Schritt der Angemessenheitsprüfung bildet die in § 198 Abs 6 [X.] 1 [X.] definierte Gesamtdauer des Gerichtsverfahrens von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss. Kleinste im Geltungsbereich des [X.] relevante [X.]einheit ist hierbei der Kalendermonat. [X.]as Ausgangsverfahren begann am 27.2.2008, endete durch Versendung des zweitinstanzlichen Urteils am 30.3.2015 und erreichte damit eine Gesamtdauer von 85 Monaten. In einem zweiten Schritt ist der Ablauf des Verfahrens an den von § 198 Abs 1 [X.] [X.] genannten Kriterien zu messen. [X.]iese hat der [X.] vollständig in seine Überprüfung miteinzubeziehen, obwohl der Beklagte gegen die Entscheidung des [X.] kein Rechtsmittel eingelegt hat, sodass seine Verurteilung in Rechtskraft erwachsen ist (§ 141 Abs 1 SGG). [X.]ie Kläger wenden sich jedoch mit ihrer [X.] der Nichtberücksichtigung einer Überlänge des vor dem [X.] im Ausgangsverfahren durchgeführten [X.] und dessen Entschädigung sowie einer Unbilligkeit der zugesprochenen Höhe der Entschädigung auch gegen die Feststellung der Überlänge des Ausgangsverfahrens, sodass sich die Revision nicht nur der Höhe nach sondern auch dem Grunde nach gegen die Feststellung der Überlänge des Ausgangsverfahrens im Umfang von 23 Monaten durch das Entschädigungsgericht richtet (s oben II.1.).

Bei der Feststellung der Tatsachen, die zur Ausfüllung der von § 198 Abs 1 [X.] [X.] genannten unbestimmten Rechtsbegriffe erforderlich sind, kommt dem Entschädigungsgericht ein erheblicher tatrichterlicher Beurteilungsspielraum zu. [X.]as Revisionsgericht kann lediglich überprüfen, ob das Entschädigungsgericht den Bedeutungsgehalt der unbestimmten Rechtsbegriffe aus § 198 Abs 1 [X.] [X.] und damit den rechtlichen Rahmen zutreffend erkannt und ihn ausfüllend alle erforderlichen Tatsachen festgestellt und angemessen berücksichtigt hat, ohne [X.]enkgesetze bzw allgemeine Erfahrungssätze zu verletzen (vgl [X.] Urteil vom 5.12.2013 - [X.]/13 - [X.]Z 199, 190 Rd[X.] 47 mwN) oder gegen seine Amtsermittlungspflicht zu verstoßen. Maßgeblich ist, wie das Ausgangsgericht die Lage aus seiner [X.] einschätzen durfte (vgl [X.] vom 12.2.2015 - [X.] ÜG 11/13 R - [X.],102 = [X.] 4-1720 § 198 [X.] 9, Rd[X.]5 mwN). Auf dieser Grundlage ergibt erst die wertende Gesamtbetrachtung und Abwägung aller Einzelfallumstände in einem dritten Schritt, ob die Verfahrensdauer die äußerste Grenze des Angemessenen deutlich überschritten und deshalb das Recht auf Rechtsschutz in angemessener [X.] verletzt hat. [X.]abei geht der [X.] davon aus, dass vorbehaltlich besonderer Gesichtspunkte des Einzelfalls die Verfahrensdauer jeweils insgesamt noch als angemessen anzusehen ist, wenn eine Gesamtverfahrensdauer, die 12 Monate je Instanz übersteigt, auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung des Gerichts beruht (vgl BSG, [X.]O, Rd[X.]6 und 33 mwN).

[X.]ie auf dieser Grundlage vom Entschädigungsgericht durchgeführte Angemessenheitsprüfung bei wertender Gesamtbetrachtung und Abwägung aller Einzelfallumstände ist nicht zu beanstanden. [X.]ies betrifft insbesondere die Bewertung des Ausgangsverfahrens als leicht überdurchschnittlich schwierig aufgrund einer gewissen Komplexität und die Bewertung als eher unterdurchschnittlich bedeutend, da es letztlich lediglich um eine Erstattung überzahlter Grundsicherungsleistungen ging und die Kläger kein besonderes Interesse an einer raschen gerichtlichen Entscheidung hatten. [X.]as Entschädigungsgericht hat zutreffend auch eine dem Verhalten der Kläger zurechenbare Verlängerung des Ausgangsverfahrens festgestellt und eine Rechtfertigung von Verzögerungen bei strukturellen Mängeln, wie eine Überlastung der Gerichte oder anderen in den Verantwortungsbereich des St[X.]tes fallenden Umstände, nicht in Betracht gezogen (vgl hierzu [X.] vom [X.] - [X.] ÜG 12/13 R - [X.] 4-1720 § 198 [X.] 4 Rd[X.] 47). Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Entschädigungsgericht ([X.]) für das erstinstanzliche Verfahren eine Inaktivität von 20 Monaten und für das zweitinstanzliche Verfahren von 27 Monaten, insgesamt also von 47 Monaten, angenommen. Unter Zubilligung einer Vorbereitungs- und Bedenkzeit von 12 Monaten je Instanz hat es sodann eine entschädigungspflichtige Überlänge des Ausgangsverfahrens von insgesamt 23 Monaten in beiden Tatsacheninstanzen berechnet. [X.]iese Abwägung begegnet keinen rechtlichen Bedenken und wird auch von der Revision nicht angegriffen.

bb) Entgegen der Auffassung der Kläger hat das [X.] auch zu Recht das zweitinstanzliche [X.] bei der Berechnung der Überlänge des Ausgangsverfahrens unberücksichtigt gelassen.

Zur Bewertung eines isolierten [X.] hat der [X.] bereits mit Urteil vom 10.7.2014 ([X.] ÜG 8/13 R - [X.] 4-1720 § 198 [X.]) entschieden, dass Verfahren zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe in den Anwendungsbereich des § 198 [X.] fallen und ua neben dem Klageverfahren zur Hauptsache erfasst werden (vgl BSG, [X.]O, Rd[X.] 16 ff, 22). Hierzu hat auch der [X.] mit Urteil vom 5.12.2013 ([X.]/13 - [X.]Z 199, 190, Rd[X.]3) ausgeführt, dass § 198 Abs 6 [X.] 1 [X.] ausdrücklich das Verfahren zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe zu gerichtlichen Verfahren zählt (vgl zuletzt auch [X.]sbeschluss vom 18.5.2017 - [X.] ÜG 2/17 BH -; Beschluss vom 25.10.2016 - [X.] ÜG 23/16 B - Juris Rd[X.] 6). [X.]enn aus dem Prinzip der Rechtsschutzgleichheit (Art 3 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG) folge das Gebot, die Situation von [X.] und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. [X.]aher sei auch beim Verfahren zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe eine angemessene schnelle richterliche Entscheidung geboten. Komme dieses zu spät, könne das den Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzen ([X.], [X.]O, unter Hinweis auf BT-[X.]rucks 17/3802 [X.]3). Von einem isolierten [X.] gehen indes auch die Kläger nicht aus. [X.]enn danach wäre ihre am 24.9.2015 eingereichte [X.] bereits zu spät erhoben, nämlich über ein Jahr nach dem ablehnenden [X.]-Beschluss des [X.] vom 26.2.2014 (s zur Klagefrist oben II.3.c).

Ein [X.], welches - wie hier - gleichzeitig neben einem rechtshängigen Hauptsacheverfahren geführt wird, führt hingegen nicht zu einem weiteren - eigenständigen - Entschädigungsanspruch. Ob Verzögerungen im Verfahren um die Bewilligung von [X.] während der [X.]auer eines gleichzeitig rechtshängig gewordenen Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen sind, ist im Rahmen des § 198 Abs 1 [X.] [X.] im Rahmen der Einzelfallumstände zu bewerten, wenn ein Gericht wegen eines [X.] die Hauptsache nicht so zügig bearbeitet wie dies ggfs erforderlich wäre (vgl bereits: [X.] vom 25.10.2016 - [X.] ÜG 23/16 B - Juris Rd[X.] 6 mwN). § 198 [X.] geht von einem an der Hauptsache orientierten Verfahrensbegriff aus, sodass nicht jeder einzelne Antrag oder jedes Gesuch im Zusammenhang mit dem verfolgten [X.] ein entschädigungspflichtiges Verfahren darstellt (vgl [X.] vom 10.7.2014 - [X.] ÜG 8/13 R - [X.] 4-1720 § 198 [X.] Rd[X.] 15 mwN).

In diesem Sinne enthält die Regelung in § 198 Abs 6 [X.] 1 [X.] eine Legaldefinition des Gerichtsverfahrens im entschädigungsrechtlichen Sinn (vgl zB [X.] Urteile vom 13.3.2014 - [X.] 91/13 - Juris = NJW 2014, 1118, Rd[X.]3 und vom 21.5.2014 - [X.] 355/13 - Juris = NJW 2014, 2443, Rd[X.] 11). [X.]anach gilt der gesamte [X.]raum von der Einleitung eines Verfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss als ein Verfahren (BT-[X.]rucks 17/3802 [X.]2), "einschließlich" eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- und Verfahrenskostenhilfe (s hierzu bereits: [X.] vom 10.7.2014 - [X.] ÜG 8/13 R - [X.] 4-1720 § 198 [X.] Rd[X.]2). [X.]iese Legaldefinition umfasst damit nicht nur das isolierte [X.] als mögliches Gerichtsverfahren iS von § 198 Abs 1 [X.] [X.], sondern erklärt gleichzeitig das [X.] zum Bestandteil (Annex) des Hauptsacheverfahrens, wenn wegen der Hauptsache Entschädigung begehrt wird (§ 198 Abs 1 [X.] [X.]). [X.]ies belegen nicht nur die oben dargestellte Wortlautanalyse und Binnensystematik, sondern auch der Sinn und Zweck der Regelung wie er in der Entstehungsgeschichte zum Ausdruck kommt. [X.]enn erkennbar sollte die Überlänge der als "selbstständig" zu bewertenden Verfahren entschädigungspflichtig sein, nicht hingegen die Verzögerung paralleler Gesuche im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens eine Mehrfachentschädigung auslösen (vgl BT-[X.]rucks 17/3802, [X.]3). [X.]as mit der Hauptsache verbundene [X.] stellt sich aus diesem Grund lediglich als Annex zum Hauptsacheverfahren dar (vgl umfassend zur Auslegung des Begriffs Gerichtsverfahren in § 198 Abs 6 [X.] 1 [X.]: [X.] vom 10.7.2014 - [X.] ÜG 8/13 R - [X.] 4-1720 § 198 [X.] Rd[X.] 16 ff).

Nach diesem Maßstab hat das [X.] nach § 198 Abs 1 [X.] [X.] eine [X.]auer des zweitinstanzlichen [X.] von 35 Monaten und eine gerichtliche Untätigkeit von 24 Monaten festgestellt, jedoch keine zusätzliche Verzögerung für das Hauptsacheverfahren. [X.]ie Feststellungen zur Untätigkeit binden den [X.] (§ 163 SGG), die vom [X.] anschließend durchgeführte Würdigung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. [X.]ie Kläger können für die vom [X.] festgestellte [X.] der Inaktivität des Ausgangsgerichts keine zweifache Entschädigung verlangen, weil das [X.] Teil des Hauptsacheverfahrens ist und dieses nicht zusätzlich verzögert hat.

d) Zu Recht hat das [X.] darüber hinaus auch eine Anhebung der Pauschalsumme nach § 198 Abs 2 [X.] [X.] (1200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung bzw 100 Euro je Monat) gemäß § 198 Abs 2 [X.] [X.] verneint. Gegen diese Würdigung werden von der Revision ebenfalls keine durchgreifenden Angriffe erhoben oder Anhaltspunkte für eine andere Wertung vorgebracht.

Nach § 198 Abs 2 [X.] [X.] kann das Entschädigungsgericht einen höheren oder niedrigeren Betrag als den [X.] von 1200 Euro gemäß [X.] der Vorschrift für jedes Jahr der Verzögerung festsetzen, wenn dieser Betrag nach den Umständen des Einzelfalles unbillig ist. Hinsichtlich dieser vom Entschädigungsgericht festzustellenden und zu würdigenden Umstände des Einzelfalles öffnet [X.] allerdings nur für Ausnahmefälle die Möglichkeit, von der [X.] abzuweichen (vgl Gesetzesentwurf BT-[X.]rucks 17/3802 [X.]0; [X.] vom [X.] - [X.] ÜG 2/14 R - [X.] 4-1720 § 198 [X.] 5 Rd[X.] 53 mwN; [X.] vom 12.2.2015 - [X.] ÜG 1/13 R - [X.], 91 = [X.] 4-1720 § 198 [X.] 7, Rd[X.] 42 und - [X.] ÜG 11/13 R - [X.], 102 = [X.] 4-1720 § 198 [X.] 9, Rd[X.] 37). In seiner letztgenannten Entscheidung hat der [X.] auch bereits umfassend zum Ausnahmefall in diesem Sinne ausgeführt, dass sich mehr als "ausnahmsweise Korrekturen in atypischen Sonderfällen dem Gesetz" nach Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte und Normzweck nicht entnehmen lassen (BSG, [X.]O, Rd[X.] 37 ff). Von der Konzeption der Entschädigungspauschale in § 198 Abs 2 [X.] [X.] als Rechtsfolge einer festgestellten unangemessenen Verfahrensdauer des Ausgangsverfahrens nach § 198 Abs 1 [X.] [X.] darf danach nur bei Vorliegen besonderer Umstände ([X.] Urteil vom 13.3.2014 - [X.] 91/13 - Juris = NJW 2014, 1816, Rd[X.] 50, 51; [X.] Urteil vom 14.11.2013 - [X.] 376/12 - [X.]Z 199, 87, Rd[X.] 46 ff; [X.], [X.], 485, 491) oder in atypischen Sonderfällen abgewichen werden (BSG, [X.]O, Rd[X.] 39 mwN).

[X.]) In diesem Sinne ist bei der Festsetzung des [X.] nach § 198 Abs 2 [X.] und [X.] [X.] ua auch zu berücksichtigen, ob die Verletzung des Anspruchs auf Rechtsschutz in angemessener [X.] auf einer strukturellen Überlastung der Justiz des beklagten [X.] beruht und der daraus resultierende Grundrechtsverstoß deshalb besonders schwer wiegt ([X.] vom 12.2.2015 - [X.] ÜG 1/13 R - [X.], 91 = [X.] 4-1720 § 198 [X.] 7, Rd[X.] 42 unter Bezugnahme auf [X.] Kammerbschluss vom 5.8.2013 - 1 BvR 2965/10 - Juris; [X.] vom 25.10.2016 - [X.] ÜG 24/16 B - Juris Rd[X.] 9). Hierzu hat das Entschädigungsgericht nach Auswertung der Statistik der Sozialgerichtsbarkeit des [X.] zwar einen Fehlbestand im Personalbedarf in den betreffenden Jahren im [X.] festgestellt, sodass mangels Konzept zur Bewältigung der strukturellen Überlastung des Sächsischen [X.] im vorliegenden Fall Anhaltspunkte für eine generelle Vernachlässigung des Anspruchs auf Rechtsschutz in angemessener [X.] vorlägen (s [X.]4 bis 26 des Urteils). [X.]ennoch geht das [X.] in nicht zu beanstandender Weise davon aus, dass deshalb eine Erhöhung der Entschädigungspauschale für die Verzögerungen im zweitinstanzlichen Ausgangsverfahren nicht gerechtfertigt ist. [X.]ie Feststellungen des [X.] zur strukturellen Überlastung des Sächsischen [X.] werden von der Revision nicht angegriffen und binden als tatsächliche Vorfrage den [X.] (§ 163 SGG; vgl BSG Beschluss, [X.]O, Rd[X.] 9, 10).

[X.]ie Wertung des Entschädigungsgerichts, dass die festgestellte strukturelle Überlastung des Sächsischen [X.] in den betreffenden Jahren eine Erhöhung der Entschädigung iS von § 198 Abs 2 [X.] und [X.] [X.] nicht rechtfertigt, begegnet keinen Bedenken. Argumente oder Anhaltspunkte, welche die Würdigung des [X.] erschüttern könnten, trägt die Revision nicht vor. [X.]enn das Entschädigungsgericht hat zwar eine strukturelle Überlastung des Sächsischen [X.] im streitigen [X.]raum festgestellt, nicht jedoch einen daraus resultierenden besonders schweren Grundrechtsverstoß. Besonders schwer wiegt eine Grundrechtsverletzung nur dann, wenn sie auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hindeutet unter einer groben Verkennung des durch ein Grundrecht gewährten Schutzes oder bei einem "geradezu leichtfertigen Umgang mit grundrechtlich geschützten Positionen" oder bei einer krassen Verletzung rechtsst[X.]tlicher Grundsätze ([X.] Kammerbeschluss vom 5.8.2013 - 1 BvR 2965/10 - Juris Rd[X.] 15 mwN). Eine derartige "generelle Vernachlässigung" von [X.] liegt nach den Feststellungen des [X.] nicht vor, bloße Anhaltspunkte reichen insoweit nicht aus. Eine (vorübergehende) strukturelle Überlastung der Gerichte allein stellt noch keinen besonderen Umstand dar, der es rechtfertigen würde, die pauschale Entschädigung aus [X.] heraus zu erhöhen. [X.]enn nach § 198 Abs 1 [X.] sind strukturelle Probleme der Gerichte haftungsbegründendes Versagen des St[X.]tes in seiner Funktion als Garant des Justizgewährungsanspruchs und als solche bereits bei der Abwägung der Umstände des Einzelfalls miteinzubeziehen (vgl BT-[X.]rucks 17/3802 [X.]6 zu 5.; [X.], [X.], 485, 488). [X.]ie daraus resultierenden Verzögerungen werden von dem Entschädigungspauschbetrag nach § 198 Abs 2 [X.] [X.] regelmäßig mit umfasst. Hier ist zudem nicht erkennbar, wie vorhandene strukturelle Probleme der Gerichte die Kläger angesichts der mit der unangemessenen [X.]auer der Ausgangsverfahren gleichzeitig hinausgeschobenen Erstattungsverpflichtung besonders hätten belasten können (vgl § 86a Abs 1 [X.], Abs 2 [X.] 4 SGG iVm § 39 Abs 1 [X.] 1 SGB II; hierzu BSG Urteil vom 25.6.2015 - B 14 A[X.]8/14 R - [X.] 119, 170 - [X.] 4-1300 § 63 [X.]3, Rd[X.]2).

bb) Nichts anderes gilt im Ergebnis hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Erhöhung der Entschädigungspauschale für die Verzögerung des Verfahrens auf Gewährung von [X.]. [X.]enn nur wenn die Entschädigung von 1200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung iS von § 198 Abs 2 [X.] [X.] nach den Umständen des Einzelfalls unbillig ist, kann das Entschädigungsgericht - im [X.] - einen höheren oder niedrigeren Betrag nach § 198 Abs 2 [X.] [X.] festsetzen ([X.] vom 12.2.2015 - [X.] ÜG 11/13 R - [X.], 102 = [X.] 4-1720 § 198 [X.] 9, Rd[X.] 38). [X.]as [X.] hat unangegriffen festgestellt, dass hinsichtlich des Hauptsacheverfahrens keine zusätzliche Verzögerung durch das [X.] eingetreten ist. Wieso hiervon ausgehend ein atypischer Sonderfall vorliegen sollte, der eine Anhebung der Entschädigungspauschale für immaterielle Nachteile rechtfertigen könnte, hat die Revision weder dargelegt noch ist diese ersichtlich.

5. [X.]ie Kostenentscheidung folgt aus § 183 S 6 SGG, § 197a Abs 1 [X.] SGG iVm §§ 154 Abs 2, 159 [X.] VwGO, § 100 Abs 1 ZPO. [X.]er [X.] macht von seinem Ermessen, die Kosten den Klägern nach § 159 [X.] VwGO als Gesamtschuldner aufzuerlegen, keinen Gebrauch.

6. [X.]ie Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 [X.] SGG iVm § 47 Abs 1 und 2, § 52 Abs 1 und 3, § 63 Abs 2 [X.] GKG.

Meta

B 10 ÜG 3/16 R

07.09.2017

Bundessozialgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend SG Dresden, 1. Februar 2011, Az: S 29 AS 958/08, Urteil

§ 198 Abs 6 Nr 1 GVG, § 198 Abs 3 S 2 GVG, § 198 Abs 3 S 1 GVG, § 198 Abs 1 S 1 GVG, § 198 Abs 1 S 2 GVG, § 198 Abs 2 S 3 GVG, § 198 Abs 2 S 4 GVG, Art 23 S 2 ÜberlVfRSchG, Art 23 S 1 ÜberlVfRSchG, Art 23 S 3 ÜberlVfRSchG, Art 23 S 4 ÜberlVfRSchG, § 200 S 1 GVG, § 73a SGG, § 114 ZPO, § 1 RsprEinhG, § 2 Abs 1 RsprEinhG, GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 07.09.2017, Az. B 10 ÜG 3/16 R (REWIS RS 2017, 5632)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5632

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X K 1/15

III ZR 335/13

III ZR 73/13

III ZR 91/13

III ZR 355/13

III ZR 376/12

1 BvR 2965/10

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