Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.01.2014, Az. 5 B 44/13

5. Senat | REWIS RS 2014, 8247

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Gegenstand

Benachteiligung eines schwerbehinderten Stellenbewerbers; Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs [X.] vom 19. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5 648,06 € festgesetzt.

Gründe

1

1. Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

Grundsätzliche [X.]edeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende [X.]edeutung bestehen soll (vgl. [X.]eschluss vom 19. August 1997 - [X.]VerwG 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Die [X.]egründungspflicht verlangt, dass sich die [X.]eschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher [X.]edeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt. Soweit sich die Vorinstanz mit der Frage beschäftigt hat, gehört zu der erforderlichen Durchdringung des [X.] die Erörterung sämtlicher Gesichtspunkte, die im Einzelfall für die Zulassung der Revision rechtlich [X.]edeutung haben (vgl. [X.]eschluss vom 22. August 2013 - [X.]VerwG 5 [X.] 33.13 - juris Rn. 2 m.w.N.). Ist die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher [X.]edeutung in der Rechtsprechung eines anderen obersten [X.]undesgerichts geklärt, gebietet die [X.]egründungspflicht des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, dass sich die [X.]eschwerde mit dieser (bekannten) Rechtsprechung substantiiert auseinandersetzt. Daran gemessen kommt die Zulassung der Revision nicht in [X.]etracht.

3

a) Die von der [X.]eschwerde als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage,

"ob sich der Arbeitgeber bei der [X.]ewerbung eines [X.]ehinderten nach dem Grad der [X.]ehinderung erkundigen muss oder nicht, wenn der [X.]ewerber die [X.]ehinderung zuvor offenbart hatte" (vgl. [X.]eschwerdebegründung S. 3),

4

verhilft der [X.]eschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg, weil sich der Kläger nicht mit der zum Zeitpunkt der [X.]eschwerdeeinlegung bekannten Rechtsprechung des [X.]undesarbeitsgerichts zu der als rechtsgrundsätzlich angesehenen Frage auseinandersetzt. Das [X.]undesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 13. Oktober 2011 (- 8 [X.] - EzA § 15 AGG Nr. 16) entschieden, dass ein Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, sich nach einer Schwerbehinderteneigenschaft zu erkundigen, wenn ein [X.]ewerber - wie im vorliegenden Fall - im [X.]ewerbungsschreiben zwar seine [X.]ehinderung offenbart, aber seine Schwerbehinderteneigenschaft nicht anzeigt. Demzufolge kann der Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch (vgl. § 82 Satz 2 SG[X.] IX) eine Indizwirkung im Sinne des § 22 AGG nicht mit der [X.]egründung beigemessen werden, der Arbeitgeber habe es versäumt, den [X.]ewerber nach dem Grad der [X.]ehinderung zu fragen. Die Pflicht des Arbeitgebers, den betreffenden [X.]ewerber zu fragen, ob er im Sinne des Gesetzes schwerbehindert sei, sei von einem etwa bestehenden Recht des Arbeitgebers, sich nach einer Schwerbehinderteneigenschaft zu erkundigen, zu unterscheiden. Eine [X.] bestehe schon deshalb nicht, weil der Arbeitgeber nicht berechtigt sei, sich tätigkeitsneutral nach dem [X.]estehen einer Schwerbehinderteneigenschaft zu erkundigen, wenn er hiermit keine positive Fördermaßnahme verbinden wolle. Mit einer Frage zur Schwerbehinderteneigenschaft könne der Arbeitgeber Indiztatsachen schaffen, die ihn bei einer Entscheidung gegen den schwerbehinderten [X.]ewerber in einem späteren möglichen Prozess in die Darlegungslast nach § 22 AGG bringen könnten. Eine Pflicht zur Erkundigung zielte auf ein verbotenes Differenzierungsmerkmal nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SG[X.] IX i.V.m. § 1 AGG und stellte eine unmittelbare oder mittelbare [X.]enachteiligung dar (Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.[X.] Rn. 43).

5

Die [X.]eschwerdebegründung erwähnt das Urteil des [X.]undesarbeitsgerichts vom 13. Oktober 2011 (a.a.[X.]) nicht. Auch in der Sache setzt sie sich nicht substantiiert mit den Erwägungen in jener Entscheidung auseinander.

6

Dass der Verwaltungsgerichtshof die [X.]erufung zugelassen hat, weil der Frage, ob sich der Arbeitgeber im Hinblick auf § 1 AGG bei der [X.]ewerbung eines [X.]ehinderten nach dem Grad der [X.]ehinderung erkundigen müsse, grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zukomme, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Zulassung der [X.]erufung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung zwingt nicht zur Zulassung der Revision. Dies ergibt sich ohne weiteres schon daraus, dass auch nach der [X.]erufungszulassung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung mit der [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegenüber dem [X.]undesverwaltungsgericht die grundsätzliche [X.]edeutung in dem aufgezeigten Sinne darzulegen ist und die Prüfung des [X.]undesverwaltungsgerichts sich auf diese Darlegung beschränkt (vgl. [X.]eschluss vom 21. April 1999 - [X.]VerwG 1 [X.] 26.99 - [X.] 418.5 Fleischbeschau Nr. 18).

7

b) Die weitere für grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage,

"ob die Ordnungsfunktion des [X.]ewerbungsverfahrens höher zu bewerten ist als die Schutzfunktion des [X.]ewerbers aufgrund seiner Schwerbehinderung, wenn er diese im [X.]ewerbungsverfahren verspätet offenbart" (vgl. [X.]eschwerdebegründung S. 11),

8

rechtfertigt die Zulassung der Revision schon mangels Erfüllung der [X.] gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht.

9

Die aufgeworfene Frage bezieht sich auf die vom Verwaltungsgerichtshof seinem Urteil zugrunde gelegten Grundsätze zur [X.]erücksichtigung einer nach Ablauf der [X.]ewerbungsfrist angezeigten Schwerbehinderung. Der Verwaltungsgerichtshof hat insoweit ausgeführt, die Ausschreibung und das Setzen einer [X.]ewerbungsfrist im öffentlichen Dienst seien kein Selbstzweck. Als Hilfsmittel der Personalgewinnung strukturierten sie das Stellenbesetzungsverfahren und sollten zu einer möglichst raschen [X.]esetzung der ausgeschriebenen Stellen beitragen. [X.]ewerbungsfristen seien daher keine Ausschlussfristen, die den Verfall von Ansprüchen bewirkten. Ihnen komme vielmehr eine Ordnungsfunktion zu. Der [X.]ewerberkreis solle zum Stichtag abschließend feststehen, damit der öffentliche Arbeitgeber unter [X.]eachtung der [X.]eteiligungsrechte der Arbeitnehmervertretung und in Wahrung des Prinzips der [X.]estenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG seine Auswahl treffen könne. Der öffentliche Arbeitgeber sei deshalb berechtigt, nachträgliche [X.]ewerbungen zurückzuweisen, wenn das [X.]ewerbungsverfahren schon weit fortgeschritten oder die Auswahlentscheidung (intern) getroffen sei. Nach der Rechtsprechung des [X.]undesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 18. November 2008 - 9 [X.] - juris Rn. 30 f.) seien diese Grundsätze auch auf die nachträgliche Offenlegung einer (Schwer-) [X.]ehinderung anzuwenden. Ob ein seine Schwerbehinderung verspätet offenbarender [X.]ewerber in ein noch laufendes Stellenbesetzungsverfahren einzubeziehen sei, richte sich deshalb nach den Umständen des Einzelfalls.

Mit diesen Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs setzt sich die [X.]eschwerde nicht im Einzelnen und substantiiert auseinander. Sie beschränkt sich vielmehr darauf festzustellen, dass die aufgeworfene Frage nicht geklärt und eine über diesen Fall hinausgreifende, im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsfortbildung klärungsfähige und klärungsbedürftige konkretisierte Rechtsfrage sei. Damit lässt sich die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache nicht darlegen.

2. Von einer weiteren [X.]egründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

3. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

4. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

5 B 44/13

30.01.2014

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 19. Februar 2013, Az: 4 S 3411/11, Urteil

§ 1 AGG, § 22 AGG, § 7 AGG, § 132 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 133 Abs 3 S 3 VwGO, § 81 Abs 2 S 1 SGB 9

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.01.2014, Az. 5 B 44/13 (REWIS RS 2014, 8247)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8247

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

15 ZB 13.2384

Zitiert

8 AZR 608/10

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