Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.05.2014, Az. IX R 48/13

9. Senat | REWIS RS 2014, 5876

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Gegenstand

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 6. Mai 2014 IX R 39/13 - Ermittlung des Gewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften nach der BVerfG-Entscheidung "Rückwirkung im Steuerrecht I")


Leitsatz

1. NV: Wird eine Immobilie nach Ablauf der ursprünglichen Spekulationsfrist von zwei Jahren und vor Ablauf der neuen Spekulationsfrist von zehn Jahren veräußert, sind die Sonderabschreibungen und AfA-Beträge, die in der Zeit bis zur Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 zum 1. April 1999 in Anspruch genommen worden sind, dem nicht steuerbaren Zeitraum zuzuordnen.

2. NV: Die in Ziff. II.1 des BMF-Schreibens vom 20. Dezember 2010 (BStBl I 2011, 14) vorgesehene Vereinfachungsregel, wonach bei der Ermittlung des Gewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG der Umfang des steuerbaren Wertzuwachses entsprechend dem Verhältnis der Besitzzeit nach dem 31. März 1999 im Vergleich zur Gesamtbesitzzeit linear (monatsweise) zu ermitteln ist, entspricht insoweit nicht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, als dadurch Wertsteigerungen, die im Fall einer Veräußerung vor dem 1. April 1999 nicht steuerverhaftet waren, nachträglich in die Besteuerung einbezogen werden (BVerfG-Beschluss vom 7. Juli 2010 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76).

3. NV: Die nicht mit Verfahrensrügen angegriffene Annahme des FG, aufgrund der Wertentwicklung der Immobilie im gesamten Haltezeitraum habe der Verkehrswert des streitigen Grundstücks zum 31. März 1999 unter den Anschaffungskosten gelegen und sei danach bis zur Veräußerung weiter gesunken, so dass im Zeitraum nach dem 31. März 1999 kein steuerverhafteter Veräußerungsgewinn anfalle, ist möglich und in sich schlüssig und verstößt auch nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze oder gesetzliche Auslegungsregeln, so dass der BFH an diese zu den tatsächlichen Feststellungen gehörende Gesamtwürdigung des FG gebunden ist.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten über die Höhe eines Gewinns bzw. Verlusts aus der Veräußerung eines Grundstücks im Hinblick auf die vom [X.] ([X.]) teilweise für verfassungswidrig erklärte Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre.

2

Die Kläger und [X.] (Kläger) sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2006 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erwarb mit Vertrag vom 28. Juni 1996 ein Grundstück mitsamt einem noch zu errichtenden Einfamilienhaus für 285.000 DM (145.718 €). Die Anschaffungskosten einschließlich Nebenkosten beliefen sich auf 150.754 €. Der Kläger vermietete anschließend das Grundstück mitsamt fertiggestelltem Gebäude. Am 9. August 2005 übertrug der Kläger das Grundstück unentgeltlich an die Klägerin. Am 30. März 2006 veräußerte die Klägerin das Grundstück für 91.000 €.

3

Die Kläger nahmen hinsichtlich der [X.] in Höhe von 138.120 € in den Jahren 1996 bis 1998 eine Sonderabschreibung nach § 4 des Fördergebietsgesetzes in Höhe von 68.530 € vor (67.999 € in 1996, 210 € in 1997 und 321 € in 1998). Daneben wurden Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 2 % pro Jahr vorgenommen (227 € in 1996, 2.737 € in 1997, 2.763 € jeweils von 1998 bis 2005 und 1.152 € in 2006). Insgesamt beliefen sich die Sonderabschreibungen und AfA auf 94.750 €.

4

In der Einkommensteuererklärung für 2006 erklärten die Kläger einen Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks in Höhe von 31.829 € und äußerten zugleich verfassungsrechtliche Zweifel an der Verlängerung der Spekulationsfrist auf zehn Jahre durch das [X.] vom 24. März 1999 --[X.] 1999/2000/2002-- ([X.], 402).

5

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) folgte der Berechnung der Kläger. Unter Berücksichtigung der zum 31. Dezember 2005 festgestellten verbleibenden Verlustvorträge ergaben sich jedoch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften von 0 €. Insoweit stellte das [X.] den verbleibenden Verlustvortrag des [X.] zum 31. Dezember 2006 mit 27.892 € und der Klägerin mit 27.432 € fest. Das anschließende Einspruchsverfahren ruhte zunächst im Hinblick auf die beim [X.] anhängigen Verfahren zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Verlängerung der Spekulationsfrist. Nach der Entscheidung des [X.] vom 7. Juli 2010  2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, [X.]E 127, 1, [X.], 76 wurde die Einspruchsbearbeitung wieder aufgenommen. Nunmehr vertrat das [X.] die Auffassung, dass auf der Grundlage des Schreibens des [X.] ([X.]) vom 20. Dezember 2010, [X.], 14, unter [X.] der Umfang des steuerbaren [X.] entsprechend dem Verhältnis der [X.] nach dem 31. März 1999 im Verhältnis zur Gesamtbesitzzeit linear aufzuteilen sei. Daher berechnete es den Veräußerungsgewinn der Kläger wie folgt:

6

[X.]raum

Wertzuwachs

        

Gesamtbesitzzeit = 117 Monate

31.829 €

        

[X.]raum vor dem 31. März 1999 = 33 Monate

8.978 €

steuerfrei

1. April 1999 bis 30. März 2006 = 84 Monate

22.851 €

steuerpflichtig

7

Das [X.] erließ entsprechend geänderte Verlustfeststellungsbescheide und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

8

Das Finanzgericht ([X.]) gab der dagegen erhobenen Klage statt. Der in der [X.] von der Anschaffung des Grundstücks bis Verkündung des [X.] 1999/2000/2002 am 31. März 1999 entstandene Wertzuwachs sei steuerfrei zu stellen. Nach der Entscheidung des [X.] in [X.]E 127, 1, [X.], 76 sei maßgeblich, ob der Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen enthalte, die bis zum 31. März 1999 entstanden und steuerfrei hätten realisiert werden können. Wäre das Grundstück bis zum 31. März 1999 veräußert worden, hätten die bis dahin in Anspruch genommenen AfA und die Sonderabschreibung den Veräußerungsgewinn zwar erhöht, dieser wäre aber nach Ablauf der zweijährigen Spekulationsfrist steuerfrei gewesen. Die Kläger hätten daher darauf vertrauen dürfen, die Wertzuwächse steuerfrei vereinnahmen zu dürfen und insoweit eine konkret verfestigte schutzwürdige [X.] erlangt. Da der tatsächliche Wert des Grundstücks zum 31. März 1999 nicht feststehe, sei der Gewinn in einen bis zum 31. März 1999 entstandenen steuerfreien Wertzuwachs und in einen auf den [X.]raum danach entfallenden steuerbaren Wertzuwachs aufzuteilen. Dabei seien die Abschreibungsbeträge den [X.]räumen zuzuordnen, in denen sie tatsächlich gewährt worden seien und sich steuerlich ausgewirkt hätten. Demzufolge ergebe sich hier für die [X.] nach dem 31. März 1999 kein Veräußerungsgewinn. Die Höhe des bis zum 31. März 1999 infolge der Sonderabschreibung entstandenen [X.] stehe fest und sei einer Schätzung nicht zugänglich. Das [X.] habe auch eine Wertsteigerung nach dem 31. März 1999 nicht nachgewiesen. Da es sich insoweit um eine steuerbegründende Tatsache handele, obliege dem [X.] die [X.]. Da entsprechend den Angaben der Kläger und den von ihnen vorgelegten Unterlagen bis zur Veräußerung des Grundstücks fortlaufend ein Wertverfall zu verzeichnen gewesen und ein deutlicher Veräußerungsverlust erzielt worden sei, beruhe die Annahme eines Veräußerungsgewinns durch das [X.] ausschließlich auf der zeitanteiligen Aufteilung der in Anspruch genommenen Sonderabschreibung. Ordne man die Sonderabschreibung dem [X.]raum vor dem 31. März 1999 zu, ergebe sich in diesem [X.]raum ein nicht steuerbarer Wertzuwachs und für den [X.]raum ab dem 1. April 1999 kein steuerbarer Veräußerungsgewinn.

9

Mit seiner Revision bringt das [X.] vor, das [X.] gehe fehlerhaft davon aus, dass Abschreibungen und AfA Wertzuwächse im Sinne der Rechtsprechung des [X.] darstellten. Unter Wertzuwachs sei eine Steigerung des Werts zu verstehen. Die AfA sei aber das genaue Gegenteil, nämlich eine Wertminderung von Anlagevermögen. Dies folge auch aus § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG, der nur die Anschaffungskosten mindere, nicht aber den Wert des Wirtschaftsguts erhöhe. Nach Auffassung des [X.] sowie auch nach Ansicht des vorlegenden Senats des [X.] ([X.]) im Beschluss vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02 ([X.]E 204, 228, [X.], 284) sei eine typisierende Aufteilung des Veräußerungsgewinns in einen steuerbaren und nicht steuerbaren Teil nach dem Verhältnis der [X.] ausdrücklich zulässig. Zudem schreibe § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG einen generellen Ansatz von Abschreibungen und damit auch der Sonderabschreibung vor. Dies schließe eine konkrete Zuordnung von Sonderabschreibungen zu einem bestimmten [X.]raum aus. Die Sonderabschreibung wolle dem Eigentümer angesichts des Zustands der Wohnungen im Beitrittsgebiet einen Anreiz geben, Neubauten und Modernisierungsmaßnahmen im Fördergebiet unverzüglich vorzunehmen. Das Vorziehen steuerlicher Abschreibungsmöglichkeiten habe allein den Charakter einer Steuerstundung, die zu einem Ausgleich in späteren [X.]räumen und damit nicht zu einem endgültigen Steuervorteil führen solle. Durch die Zuordnung der Sonderabschreibungen zu einem konkreten [X.]raum verbleibe bei den Klägern jedoch ein Steuervorteil, der vom Gesetzgeber in dieser Form nicht beabsichtigt gewesen sei.

Das [X.] beantragt,
das Urteil des [X.] Düsseldorf vom 25. April 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und na[X.]h § 126 Abs. 2 der Finanzgeri[X.]htsordnung ([X.]O) zurü[X.]kzuweisen.

Die vom [X.] vorgenommene Ermittlung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsges[X.]häften und die daraus folgende Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags na[X.]h § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG i.V.m. § 23 Abs. 3 Satz 9  2. Halbsatz EStG ist ni[X.]ht zu beanstanden. Das [X.] hat im Hinbli[X.]k auf die Ents[X.]heidung des [X.] in [X.]E 127, 1 zutreffend bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsges[X.]häften eine Aufteilung zwis[X.]hen dem steuerbaren und dem ni[X.]ht steuerbaren Veräußerungsgewinn vorgenommen (1.). Dabei hat es zutreffend in tatsä[X.]hli[X.]her Hinsi[X.]ht angenommen, dass na[X.]h dem 31. März 1999 keine steuerverhaftete Wertsteigerung entstanden war (2.). Weiter hat es zutreffend in Abwei[X.]hung der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung die von den Klägern vorgenommene Sonderabs[X.]hreibung dem Zeitraum bis zum 31. März 1999 und insoweit dem ni[X.]ht steuerbaren Zeitraum zugeordnet (3.).

1. Das [X.] hat im Hinbli[X.]k auf die Ents[X.]heidung des [X.] in [X.]E 127, 1, [X.], 76 zutreffend bei den der Verlustfeststellung zugrundeliegenden Einkünften aus privaten Veräußerungsges[X.]häften eine Aufteilung zwis[X.]hen dem steuerbaren und dem ni[X.]ht steuerbaren Veräußerungsgewinn vorgenommen.

a) Na[X.]h § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zählen zu den Einkünften aus privaten Veräußerungsges[X.]häften au[X.]h Einkünfte aus Veräußerungsges[X.]häften bei Grundstü[X.]ken, bei denen der Zeitraum zwis[X.]hen Ans[X.]haffung und Veräußerung ni[X.]ht mehr als zehn Jahre beträgt. Zwis[X.]hen den Beteiligten ist unstreitig, dass hinsi[X.]htli[X.]h des streitigen Grundstü[X.]ks ein steuerpfli[X.]htiges Veräußerungsges[X.]häft i.S. der §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG vorliegt. Denn der Kläger hat das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstü[X.]k im Juni 1996 erworben und die Klägerin hat es mit Vertrag vom 30. März 2006 innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist wieder veräußert.

b) Gewinn oder Verlust aus privaten Veräußerungsges[X.]häften ist na[X.]h § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG der Unters[X.]hied zwis[X.]hen dem Veräußerungspreis einerseits und den Ans[X.]haffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits. Die Ans[X.]haffungs- oder Herstellungskosten mindern si[X.]h um Absetzungen für Abnutzung, erhöhte Absetzungen und Sonderabs[X.]hreibungen, soweit sie bei der Ermittlung der Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 6 EStG abgezogen worden sind (§ 23 Abs. 3 Satz 4 EStG). Na[X.]h § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG in der bis zum 31. Dezember 1998 gültigen Fassung waren Veräußerungsges[X.]häfte bei Grundstü[X.]ken nur dann steuerbar, wenn der Zeitraum zwis[X.]hen Ans[X.]haffung und Veräußerung ni[X.]ht mehr als zwei Jahre betrug. Dur[X.]h das [X.] wurde § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dahingehend geändert, dass nunmehr eine zehnjährige Frist gilt. Die Neuregelung ist auf alle Veräußerungsges[X.]häfte anwendbar, bei denen der obligatoris[X.]he Vertrag na[X.]h dem 31. Dezember 1998 re[X.]htswirksam abges[X.]hlossen wurde (§ 52 Abs. 39 Satz 1 EStG i.d.F. des [X.]).

[X.]) Na[X.]h der Ents[X.]heidung des [X.] in [X.]E 127, 1, [X.], 76 ist die rü[X.]kwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre wegen des Verstoßes gegen die verfassungsre[X.]htli[X.]hen Grundsätze des Vertrauenss[X.]hutzes insoweit verfassungswidrig und daher ni[X.]htig, soweit in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerli[X.]h erfasst werden, die bis zur Verkündung des [X.] am 31. März 1999 entstanden waren und na[X.]h der zuvor geltenden Re[X.]htslage steuerfrei realisiert worden sind oder steuerfrei hätten realisiert werden können, weil die alte Spekulationsfrist bereits abgelaufen war. Insoweit war bereits eine konkret verfestigte [X.] entstanden, die dur[X.]h die rü[X.]kwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist na[X.]hträgli[X.]h entwertet wird. Aufgrund dieser Ents[X.]heidung ist --was zwis[X.]hen den Beteiligten im Ausgangsverfahren unstreitig ist-- eine Aufteilung des Veräußerungsgewinns aus der Veräußerung des Grundstü[X.]ks in einen Anteil für den bis zur Verkündung des [X.] (31. März 1999) entstandenen ni[X.]ht steuerbaren Wertzuwa[X.]hs und in einen Anteil für den na[X.]h Verkündung dieses Gesetzes entstandenen steuerbaren Wertzuwa[X.]hs vorzunehmen.

2. Das [X.] hat in revisionsre[X.]htli[X.]h ni[X.]ht zu beanstandender Weise in tatsä[X.]hli[X.]her Hinsi[X.]ht angenommen, dass na[X.]h dem 31. März 1999 keine steuerverhaftete Wertsteigerung entstanden war.

a) Na[X.]h der Ents[X.]heidung in [X.]E 127, 1, [X.], 76 ist für die Ermittlung des steuerpfli[X.]htigen Veräußerungsgewinns ni[X.]ht auf die ursprüngli[X.]hen Ans[X.]haffungs- oder Herstellungskosten abzustellen, sondern auf die Wertverhältnisse im Zeitpunkt der Verkündung des [X.] am 31. März 1999 (vgl. Niedersä[X.]hsis[X.]hes [X.], Urteil vom 21. August 2013  9 K 252/11, Ents[X.]heidungen der Finanzgeri[X.]hte --E[X.]-- 2013, 1840, unter 1.b [X.]). Insoweit ist auf den Marktpreis, also den Verkehrswert zu diesem Zeitpunkt abzustellen (und ni[X.]ht auf die fortgeführten Ans[X.]haffungs- oder Herstellungskosten). Aufgrund der S[X.]hwierigkeit und Streitanfälligkeit, den zutreffenden Wert auf diesen Zeitpunkt zu ermitteln, kann dieser im Wege der S[X.]hätzung ermittelt werden ([X.]-Bes[X.]hluss in [X.]E 127, 1, [X.], 76, unter [X.] (3)).

b) Das [X.] ist hier in revisionsre[X.]htli[X.]h ni[X.]ht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Verkehrswert des streitigen Grundstü[X.]ks zum 31. März 1999 unter den Ans[X.]haffungskosten lag und dana[X.]h bis zur Veräußerung in 2006 weiter gesunken ist. Maßgebend für die [X.] weiter mit Verfahrensrügen angegriffene-- Annahme des [X.] war die Wertentwi[X.]klung des Objekts von 1996 bis 2006, die insgesamt zu einem Verlust in Höhe von 62.920 € führte und die si[X.]h na[X.]h dem Vortrag der Kläger au[X.]h mit der allgemeinen Preisentwi[X.]klung für verglei[X.]hbare Objekte im Fördergebiet de[X.]kte. Auf dieser tatsä[X.]hli[X.]hen Grundlage ist das [X.] zu der Annahme gelangt, aufgrund der Preisentwi[X.]klung der Immobilie sei im relevanten Zeitraum na[X.]h dem 31. März 1999 kein (steuerverhafteter) Veräußerungsgewinn entstanden. Diese tatsä[X.]hli[X.]he Würdigung des [X.] ist mögli[X.]h und in si[X.]h s[X.]hlüssig, sie verstößt au[X.]h ni[X.]ht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze oder gesetzli[X.]he Auslegungsregeln. Der [X.] ist daher an diese zu den tatsä[X.]hli[X.]hen Feststellungen gehörende und ni[X.]ht weiter mit Verfahrensrügen angegriffene Gesamtwürdigung des [X.] gebunden (vgl. § 118 Abs. 2 [X.]O).

3. Das [X.] hat au[X.]h zutreffend die vorgenommene Sonderabs[X.]hreibung dem Zeitraum konkret zugeordnet, in dem sie steuerli[X.]h berü[X.]ksi[X.]htigt worden ist und damit dem Zeitraum der ni[X.]ht steuerverstri[X.]kten Wertsteigerung zugere[X.]hnet. Denn na[X.]h der Ents[X.]heidung des [X.] sind Wertsteigerungen steuerli[X.]h ni[X.]ht zu erfassen, die bis zur Verkündung des [X.] am 31. März 1999 entstanden sind oder na[X.]h der zuvor geltenden Re[X.]htslage bis zur Verkündung des Gesetzes steuerfrei realisiert worden sind oder steuerfrei hätten realisiert werden können. Denn die Verlängerung der Spekulationsfrist führte zu einer une[X.]hten Rü[X.]kwirkung (a), der im Ausgangsfall das s[X.]hutzwürdige Vertrauen der Kläger auf die steuerli[X.]h wirksame Vornahme einer Sonderabs[X.]hreibung entgegenstand (b). Für die Annahme eines s[X.]hutzwürdigen Vertrauens spielt es au[X.]h keine Rolle, ob die Wertsteigerungen aufgrund einer Erhöhung des Verkehrswerts oder aufgrund von Sonderabs[X.]hreibungen entstanden sind ([X.]). Der von der Finanzverwaltung im BMF-S[X.]hreiben in [X.], 14 vertretenen Auffassung einer zeitanteiligen Aufteilung ist daher ni[X.]ht zu folgen (d).

a) Im Fall der Kläger führte die Verlängerung der Spekulationsfrist zu einer une[X.]hten Rü[X.]kwirkung (vgl. [X.]-Bes[X.]hluss in [X.]E 127, 1, [X.], 76, unter [X.]). Denn bei Inkrafttreten der Neuregelung war die zweijährige Spekulationsfrist abgelaufen und der aus der Vornahme der Sonderabs[X.]hreibung resultierende Veräußerungsgewinn wäre --z.B. bei einer Veräußerung Ende Dezember 1998-- ni[X.]ht steuerbar gewesen. Diese [X.] --zu der au[X.]h die wirksame Vornahme einer Sonderabs[X.]hreibung gehört-- wird dur[X.]h die rü[X.]kwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist und die damit verbundene Anwendung des § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG na[X.]hträgli[X.]h entwertet (vgl. [X.]-Bes[X.]hluss in [X.]E 127, 1, [X.], 76, unter [X.].b aa).

b) Das Vertrauen der Klägerin ist hier au[X.]h besonders s[X.]hutzwürdig, weil zum einen die Sonderabs[X.]hreibung bereits 1996 bis 1998 in Anspru[X.]h genommen und zum anderen die zweijährige Spekulationsfrist bereits mit Ablauf des 28. Juni 1998 geendet hatte, mithin die Klägerin bereits mit Ablauf des Veranlagungszeitraums 1998 und damit vor Inkrafttreten der Neuregelung den Veräußerungsgewinn ni[X.]ht steuerbar hätte realisieren können. Für diesen Fall erhöhen si[X.]h die Anforderungen an die verfassungsre[X.]htli[X.]he Re[X.]htfertigung. Denn im Fall des Ablaufs der zweijährigen Spekulationsfrist vor Inkrafttreten der Neuregelung und vor Ablauf des Veranlagungszeitraums 1998 läuft der einkommensteuerli[X.]he Zugriff auf die ni[X.]ht steuerbar erworbenen Vermögenszugänge dem Gebot einer folgeri[X.]htigen Ausgestaltung der einkommensteuerli[X.]hen Belastungsents[X.]heidung zuwider (vgl. [X.]-Bes[X.]hluss in [X.]E 127, 1, [X.], 76, unter [X.].b [X.]).

Wie die Besteuerung betriebli[X.]her Gewinne zielt die Besteuerung von privaten Veräußerungsgewinnen na[X.]h § 23 EStG und die damit verbundene Berü[X.]ksi[X.]htigung der in Anspru[X.]h genommenen Sonderabs[X.]hreibungen und AfA auf eine die Liquidität der Steuerpfli[X.]htigen s[X.]honende Erfassung von Wertsteigerungen an einzelnen Vermögensgegenständen erst im Zeitpunkt der Realisierung des Gewinns dur[X.]h Veräußerung. Dies erfolgt ni[X.]ht deshalb, weil erst zu diesem Zeitpunkt der Wertzuwa[X.]hs oder die stille Reserve entsteht, obwohl beide bereits zuvor beim Steuerpfli[X.]htigen vorhanden waren und si[X.]h im Fall der Sonderabs[X.]hreibung au[X.]h steuerli[X.]h zu seinen Gunsten ausgewirkt haben. Vielmehr werden die Besteuerung früherer Vermögenszuwä[X.]hse und damit au[X.]h die Aufholung in Anspru[X.]h genommener Sonderabs[X.]hreibungen und AfA im Zeitpunkt der Veräußerung na[X.]hgeholt. Insoweit folgt na[X.]h Ansi[X.]ht des [X.] die Gewinnermittlung na[X.]h § 23 EStG im Zeitpunkt der Veräußerung der Logik der allgemeinen betriebli[X.]hen Gewinnermittlung bei der Veräußerung der einzelnen Gegenstände (vgl. [X.]-Bes[X.]hluss in [X.]E 127, 1, [X.], 76, unter [X.].b [X.]).

Diesen dur[X.]h Vermögensverglei[X.]h und [X.] geprägten systematis[X.]hen Zusammenhang der einkommensteuerli[X.]hen Gewinnbesteuerung dur[X.]hbri[X.]ht die rü[X.]kwirkende Erfassung von Wertzuwä[X.]hsen und die Rü[X.]kgängigma[X.]hung in Anspru[X.]h genommener Sonderabs[X.]hreibungen in glei[X.]her Weise. Soweit im Rahmen der Ermittlung des Veräußerungsgewinns Abs[X.]hreibungsbeträge einbezogen werden, die si[X.]h vor dem Veranlagungszeitraum 1999 ausgewirkt haben und deren Aufholung bis zum Ende des Jahres 1998 ni[X.]ht steuerbar gewesen wäre, kann von einem "Na[X.]hholen" der Besteuerung daher ni[X.]ht die Rede sein (vgl. [X.]-Bes[X.]hluss in [X.]E 127, 1, [X.], 76, unter [X.].b [X.]). Die Besteuerung erfasst vielmehr in ni[X.]ht folgeri[X.]htiger Weise [X.], die bis dahin ni[X.]ht der Einkommensteuer unterlegen hätten.

Hätten die Kläger na[X.]h Ablauf der alten Spekulationsfrist von zwei Jahren am 29. Juni 1998 das Grundstü[X.]k bis zum 30. März 1999 veräußert, so hätten die bis dahin gewährten Sonderabs[X.]hreibungen und AfA in Höhe von 74.948 € gemäß des damaligen § 23 Abs. 3 Satz 3 EStG die Ans[X.]haffungskosten gemindert, d.h. der entspre[X.]hende Veräußerungsgewinn wäre im Streitfall entspre[X.]hend erhöht --aber ni[X.]ht steuerbar-- gewesen. Da ab 31. März 1999 bis zum Verkauf des Grundstü[X.]kes nur no[X.]h AfA in Höhe von insgesamt 19.802 € gewährt wurden und si[X.]h steuerli[X.]h im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpa[X.]htung ausgewirkt haben, wird deutli[X.]h, dass der na[X.]h der Vors[X.]hrift des § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG ermittelte Veräußerungsgewinn --wie vom [X.] zutreffend angenommen-- allein in den Zeitraum bis 30. März 1999 und damit in den ni[X.]ht steuerbaren Berei[X.]h fällt.

[X.]) Weiter wird vom [X.] in seinen tragenden Ents[X.]heidungsgründen ni[X.]ht unters[X.]hieden, ob die Wertsteigerungen aufgrund einer Erhöhung des Verkehrswerts über die Ans[X.]haffungskosten hinaus oder aufgrund der Vornahme von Sonderabs[X.]hreibungen und AfA sowie des Absinkens des "Bu[X.]hwerts" i.S. des § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG unter die Ans[X.]haffungskosten entstanden sind. Zwar hat die Inanspru[X.]hnahme der Sonderabs[X.]hreibungen keinen Einfluss auf den Wert eines Grundstü[X.]ks. Darauf kommt es aber ni[X.]ht an. Das Vertrauen des Steuerpfli[X.]htigen in die Ni[X.]htsteuerbarkeit der mit Ablauf der (alten) zweijährigen Spekulationsfrist ges[X.]hützten [X.] ist im Fall der Vornahme einer Sonderabs[X.]hreibung ebenso s[X.]hützenswert wie bei tatsä[X.]hli[X.]hen Wertsteigerungen des Grundstü[X.]ks ([X.] Münster, Urteil vom 21. Juni 2013  4 K 1918/11 E, E[X.] 2013, 1499; Niedersä[X.]hsis[X.]hes [X.], Urteil in E[X.] 2013, 1840, unter 1.b [X.] (2); [X.] Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Oktober 2013  8 K 3145/11, juris, unter 1.[X.]; [X.] Berlin-Brandenburg, Bes[X.]hluss vom 5. März 2012  7 V 7191/11, E[X.] 2012, 1462). Das [X.] kann si[X.]h au[X.]h ni[X.]ht darauf berufen, die Sonderabs[X.]hreibung gewähre nur einen vorübergehenden Steuerstundungseffekt, der si[X.]h auf die [X.] gesehen ni[X.]ht auswirken dürfe. Denn au[X.]h unter Geltung der zehnjährigen Frist bei privaten Veräußerungsges[X.]häften kann mangels besonderer Behaltefristen im Fördergebietsgesetz na[X.]h Ablauf der Frist ein Grundstü[X.]k ni[X.]ht steuerbar veräußert und damit der dur[X.]h die Sonderabs[X.]hreibung bewirkte Unters[X.]hiedsbetrag zwis[X.]hen Verkehrswert und Bu[X.]hwert vom Steuerpfli[X.]htigen ohne Steuerbelastung realisiert werden.

Dabei ist insbesondere zu berü[X.]ksi[X.]htigen, dass das Fördergebietsgesetz in Gestalt der Sonderabs[X.]hreibung dem Steuerpfli[X.]htigen eine Steuervergünstigung anbietet, die er nur in einem bestimmten Zeitraum annehmen kann. Dieses Angebot für eine steuerli[X.]he Disposition s[X.]hafft mit der zeitli[X.]hen Bindung eine Vertrauensgrundlage, auf die der Steuerpfli[X.]htige seine Ents[X.]heidung stützt. Er ents[X.]heidet si[X.]h um des steuerli[X.]hen Vorteils willen für ein bestimmtes Verhalten --z.B. Ans[X.]haffung einer Immobilie im [X.], das er ohne den steuerli[X.]hen Anreiz so ni[X.]ht gewählt hätte. Das Vertrauen auf die steuerwirksame Inanspru[X.]hnahme einer Sonderabs[X.]hreibung gehört damit vom Tag der Inanspru[X.]hnahme an zu einer s[X.]hutzwürdigen Vertrauensgrundlage (vgl. Bes[X.]hlüsse des [X.] vom 3. Dezember 1997  2 BvR 882/97, [X.]E 97, 67, unter [X.]; vom 5. Februar 2002  2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93, [X.]E 105, 17, unter [X.] [X.][X.]; [X.]-Bes[X.]hluss in [X.]E 204, 228, [X.], 284, unter [X.] und 4.b; [X.] Münster in E[X.] 2013, 1499).

d) Der von der Finanzverwaltung im BMF-S[X.]hreiben in [X.], 14, unter [X.] vertretenen Auffassung einer zeitanteiligen linearen Zuordnung entspre[X.]hend dem Verhältnis der [X.] na[X.]h dem 31. März 1999 im Verglei[X.]h zur Gesamtbesitzzeit ist daher insoweit ni[X.]ht zu folgen. Die Auffassung der Finanzverwaltung ist zwar aus Gründen der Verwaltungsvereinfa[X.]hung na[X.]hvollziehbar. Sie widerspri[X.]ht jedo[X.]h der Ents[X.]heidung des [X.], wona[X.]h in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerli[X.]h ni[X.]ht zu erfassen sind, die bis zur Verkündung des [X.] am 31. März 1999 entstanden waren oder na[X.]h der zuvor geltenden Re[X.]htslage bis zur Verkündung des Gesetzes steuerfrei realisiert worden sind oder steuerfrei hätten realisiert werden können. Denn die zeitanteilige Zuordnung der Sonderabs[X.]hreibungen, wie sie vom [X.] entspre[X.]hend der Regelung in [X.]. [X.] des BMF-S[X.]hreibens in [X.], 14 vorgenommen wurde, hat zur Folge, dass in die Ermittlung des Veräußerungsgewinns stille Reserven einbezogen werden, die bis zum 30. März 1999 ni[X.]ht steuerbar hätten realisiert werden können (so au[X.]h Niedersä[X.]hsis[X.]hes [X.] in E[X.] 2013, 1840, unter 1.b [X.]; [X.] Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Oktober 2013  8 K 3145/11, juris, unter 1.[X.]).

4. Die Kostents[X.]heidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

IX R 48/13

06.05.2014

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 25. April 2013, Az: 8 K 3988/11 F, Urteil

§ 23 Abs 1 S 1 EStG 2002, § 23 Abs 3 S 1 EStG 2002, § 23 Abs 3 S 4 EStG 2002, § 52 Abs 39 S 1 EStG 2002, Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG, StEntlG 1999/2000/2002, § 118 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.05.2014, Az. IX R 48/13 (REWIS RS 2014, 5876)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5876

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