Bundessozialgericht, Beschluss vom 17.02.2016, Az. B 6 KA 38/15 B

6. Senat | REWIS RS 2016, 16094

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Gegenstand

Vertragsärztliche Versorgung - Kassenärztliche Vereinigung - Honorarvereinbarung mit zuständigem Landesverband der Betriebskrankenkassen - Berücksichtigung von Wohnsitzausländern - Bindung der jeweiligen BKK an Vereinbarung - Honorarstreitigkeit - keine notwendige Beiladung der Krankenkassenverbände


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 1. April 2015 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 71 062 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Im Streit steht die Frage, ob [X.] bei der Berechnung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung ([X.]) zu berücksichtigen sind.

2

Die Klägerin - eine [X.] ([X.]) - begehrt von der beklagten Krankenkasse ([X.]) die Zahlung höherer Gesamtvergütungen für die Quartale I/2009 bis IV/2012 unter Einbeziehung der Anzahl derjenigen Versicherten der Beklagten, die ihren Wohnsitz im Ausland hatten ("[X.]"). Das [X.] hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, mit der in den jeweiligen Honorarvereinbarungen vereinbarten Verwendung der Satzart "ARZTRG87c4" bzw "[X.]" liege eine ausreichende Verständigung über die Art und Höhe der Gesamtvergütung für [X.] vor (Urteil des [X.] vom [X.]). Auf die Berufung der Beklagten hat das L[X.] das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil des L[X.] vom 1.4.2015). Zur Begründung hat das L[X.] ausgeführt, nach § 2 Abs 3 der "Vereinbarung zur Umsetzung des Gesetzes zur Einführung des [X.]" (Anlage 14 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte - [X.]) hätten sich die Partner der [X.] im Bereich der [X.], in deren Bezirk die [X.] ihren Sitz hat, über Art und Höhe der Gesamtvergütung zu verständigen, sofern ein Mitglied der [X.], die Verträge nach § 83 Abs 1 Satz 1 [X.]B V geschlossen hat, seinen Wohnsitz im Ausland hat. Eine derartige Verständigung sei nicht zustande gekommen. Zwar könne eine solche Verständigung auch darin liegen, dass sich die Beteiligten auf ein bestimmtes Vorgehen bei der Berechnung der [X.] einigten: So könne die Vereinbarung einer bestimmten Satzart genügen, wenn damit [X.] eindeutig (mit)einbezogen würden. Dies sei aber hier nicht der Fall. Die nach Anlage 3 der Honorarvereinbarung 2010 für den Leistungsbedarf maßgebliche Satzart "ARZTRG87c4" und die für die Übermittlung der [X.] vorgesehene Satzart "[X.]", die in den Anlagen 2 und 3 zum Beschluss des Bewertungsausschusses aus seiner 154. Sitzung beschrieben seien, seien insoweit gerade nicht eindeutig.

3

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ([X.] gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]G), Rechtsprechungsabweichungen ([X.] gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]G) sowie Verfahrensmängel ([X.] gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]G) geltend.

4

II. Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Soweit sie nicht bereits unzulässig ist, ist sie jedenfalls unbegründet.

5

1. Soweit die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, ist ihre Beschwerde unzulässig, denn ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G abzuleitenden Darlegungsanforderungen. Für die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss danach in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnet (vgl [X.] 91, 93, 107 = [X.] 3-5870 § 10 [X.] f; B[X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]1 S 37 f) und ausgeführt werden, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich (klärungsfähig) sowie klärungsbedürftig ist. Es muss ersichtlich sein, dass sich die Antwort nicht ohne Weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt. Bei einer [X.] ist es Aufgabe des Prozessbevollmächtigten, die einschlägige Rechtsprechung aufzuführen und sich damit zu befassen; eine Beschwerdebegründung, die es dem Gericht überlässt, die relevanten Entscheidungen zusammenzusuchen, wird den Darlegungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G nicht gerecht. Auch lediglich kursorische Hinweise ohne Durchdringung des Prozessstoffs reichen nicht aus (vgl [X.] , DVBl 1995, 35). Dem wird die Beschwerde der Klägerin nicht gerecht.

6

Soweit die Klägerin die Rechtsfrage aufwirft,

        

ob "eine einzelne Krankenkasse berechtigt ist, eigenmächtig von den für sie verpflichtend durch den die Krankenkasse in den Vertragsverhandlungen vertretenden zuständigen Landesverband geschlossenen Honorarvereinbarungen nach § 87a Abs 3 Satz 1 [X.]B V - hinsichtlich der getroffenen Einigung zur Berücksichtigung der Wohnsitzausländer - abzuweichen",

legt sie bereits nicht ausreichend dar, wieso diese Frage klärungsbedürftig ist. Es steht nach der Rechtsprechung des Senats außer Zweifel, dass eine [X.] an die von ihrem Landesverband geschlossenen Vereinbarungen gebunden ist, sofern diese nicht ausnahmsweise nichtig sind (vgl B[X.]E 95, 141 Rd[X.]0 = [X.] 4-2500 § 83 [X.] Rd[X.]8; B[X.] [X.] 4-2500 § 83 [X.] Rd[X.]8; B[X.] [X.] 4-2500 § 83 [X.] Rd[X.]3; B[X.] [X.] 4-2500 § 85 [X.] Rd[X.]8). Warum "hinsichtlich der getroffenen Einigung zur Berücksichtigung der Wohnsitzausländer" etwas anderes gelten könnte bzw solches der Klärung bedürfte, legt die Klägerin weder dar noch ist dies erkennbar.

7

Soweit die Klägerin die Rechtsfrage aufwirft,

        

"wo die richterliche Kontrolle bei zwischen einer KÄV und den [X.] nach § 87a Abs 3 [X.]B V geschlossenen Honorarvereinbarungen als Teil der Gesamtverträge endet und wann ein Eingriff des Gerichts in den Grundsatz der Gestaltungsfreiheit vorliegt, wenn das Gericht die zwischen den Vertragspartnern der Gesamtverträge getroffene Einigung zur Berücksichtigung der Wohnsitzausländer durch Verständigung auf eine bestimmte Satzart abändert",

ist diese in ihrer Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Zudem geht die Frage am Streitgegenstand vorbei, weil sie eine Einigung der Gesamtvertragspartner über die Berücksichtigung der Wohnsitzausländer unterstellt, obwohl gerade die Frage, ob dies der Fall ist, den Schwerpunkt des Rechtsstreits gebildet hat, und die Frage vom L[X.] negativ beantwortet wurde.

8

Eine Zulässigkeit der Beschwerde ergibt sich insoweit auch nicht unter Einbeziehung der weiteren Ausführungen der Klägerin. Wenn sie - ergänzend - ausführt, zu klären sei die Frage, wer eine solche Einigung über die Berücksichtigung von [X.]n bei der Berechnung der [X.] herbeiführen könne, geht auch dies am [X.] des Rechtsstreits vorbei, weil überhaupt nicht strittig ist, dass diese Klärung durch die regionalen Vertragspartner herbeizuführen ist (§ 2 Abs 3 der Anlage 14 zum [X.]). Es wäre daher Sache der Klägerin gewesen, mit der Beklagten eine solche Verständigung herbeizuführen bzw im Falle einer Nichteinigung das Schiedsamt nach § 89 [X.]B V anzurufen, soweit die in § 2 Abs 3 der Anlage 14 zum [X.] schiedsamtsfähig ist, was hier nicht weiter geklärt werden kann.

9

2. Soweit die Klägerin Rechtsprechungsabweichungen geltend macht, ist ihre Beschwerde ebenfalls unzulässig. [X.] für eine [X.] ist, dass Rechtssätze aus dem L[X.]-Urteil und aus einer höchstrichterlichen Entscheidung einander gegenübergestellt werden und dargelegt wird, dass sie nicht miteinander vereinbar sind und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht. Dabei ist der jeweils aktuelle Stand der bundesgerichtlichen Rechtsprechung im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde maßgebend (vgl dazu zB B[X.] [X.] 1500 § 160 [X.]; B[X.] Beschluss vom [X.] [X.] 47/07 B - jeweils mwN).

Die Klägerin stellt bereits keine (divergierenden) Rechtssätze des B[X.] und des L[X.] gegenüber. Angesichts dessen bleibt unklar, worin die Klägerin eine Abweichung des Berufungsgerichts von der Rechtsprechung des B[X.] zu erblicken meint. Dass die beklagte [X.] an die von der Klägerin mit den Landesverbänden der [X.]n geschlossenen Gesamtvergütungsvereinbarung gebunden ist, hat das L[X.] nicht in Frage gestellt. Dazu hatte es auch gar keine Veranlassung, weil im Fokus des Rechtsstreits die Frage stand, ob es überhaupt eine Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrten Zahlungen gibt. Dies hat das L[X.] verneint, sodass sich die Frage einer Bindung an eine - nicht getroffene - Vereinbarung von vornherein nicht gestellt hat. Fehl geht daher auch ihr Hinweis auf die den Partnern der Gesamtvergütungsvereinbarung vom B[X.] eingeräumten Gestaltungsfreiheit. Diese würde nur dann relevant, wenn die Vertragspartner überhaupt eine Regelung getroffen hätten; dies war aber - aus der Sicht des L[X.] - gerade nicht der Fall.

3. Eine Revisionszulassung kommt auch nicht wegen Verfahrensmängeln in Betracht.

Soweit die Klägerin einen Verfahrensmangel darin sieht, dass das L[X.] eine notwendige Beiladung der Partner der Gesamtvergütungsvereinbarung auf [X.] unterlassen hat, ist ihre Beschwerde jedenfalls unbegründet, weil es einer solchen Beiladung nicht bedurft hat. Nach § 75 Abs 2 1. Alt [X.]G sind Dritte dann, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derartig beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, (notwendig) zum Verfahren beizuladen. Diese Voraussetzungen liegen dann, wenn in einem Rechtsstreit zwischen einer [X.] und einer [X.] über die Höhe der zu zahlenden Gesamtvergütung eine Auslegung des Inhalts der Gesamtvergütungsvereinbarung erforderlich ist, nicht vor.

Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung die Notwendigkeit einer Beiladung der [X.] als Vertragspartner der Honorarverteilung (nach dem bis zum 31.12.2011 geltenden Recht) in vertragsärztlichen Honorarstreitigkeiten verneint (vgl B[X.] [X.] 4-2500 § 75 [X.] Rd[X.]2; B[X.] [X.] 4-2500 § 85 [X.] Rd[X.]4). Allein der Gesichtspunkt, dass es in einem Rechtsstreit auf den Inhalt, die Auslegung oder die Wirksamkeit der (Honorarverteilungs-)Regelung ankommt, führt nicht dazu, dass die Entscheidung gegenüber den an der Normsetzung Beteiligten nur einheitlich ergehen kann und deren Beiladung in jedem Vergütungsrechtsstreit deshalb notwendig wird (B[X.] [X.] 4-2500 § 75 [X.] Rd[X.]2; B[X.] [X.] 4-2500 § 85 [X.] Rd[X.]4 mwN; ebenso B[X.] Urteil vom 29.6.2011 - B 6 [X.] 20/10 R - Rd[X.]1 - Juris = [X.], 413). Für die nach § 85 Abs 3 Satz 1 [X.]B V bzw § 87a Abs 3 Satz 1 [X.]B V zu schließenden Gesamtvergütungsvereinbarungen gilt nichts anderes. Auch insoweit hat der Senat lediglich eine einfache, nicht jedoch eine notwendige Beiladung des zuständigen [X.] (B[X.]E 95, 141 Rd[X.] f = [X.] 4-2500 § 83 [X.] Rd[X.]3 f - zu einem zwischen einer [X.] und einer [X.] geführten Streit über die Höhe der Gesamtvergütung).

Dass dann, wenn inzident die Auslegung einer Gesamtvergütungsvereinbarung im Streit steht, eine einfache Beiladung der Vertragspartner regelmäßig sinnvoll ist, ist vorliegend nicht relevant, denn das Unterlassen einer einfachen Beiladung stellt keinen Verfahrensfehler dar (stRspr des Senats, vgl B[X.]E 95, 141 RdNr 6 = [X.] 4-2500 § 83 [X.] Rd[X.]4; B[X.] [X.] 4-2500 § 85 [X.]9 Rd[X.]8-29; B[X.] [X.] 4-2500 § 85 [X.] Rd[X.]4; B[X.] [X.] 4-2500 § 87 [X.]5 Rd[X.]1; B[X.] [X.] 4-2500 § 121a [X.] Rd[X.]2).

Soweit die Klägerin offenbar auch darin einen Verfahrensmangel sieht, dass das L[X.] ihren Hinweis, dass die Beklagte an die Gesamtvergütungsvereinbarung gebunden sei, weder zu Protokoll genommen noch in seiner Entscheidung berücksichtigt und gewürdigt habe, hat sie keinen Verfahrensmangel bezeichnet. Wie bereits dargelegt, kommt es unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des L[X.] auf die Bindungswirkung der Gesamtvergütungsvereinbarung überhaupt nicht an, weil es danach in Bezug auf eine Berücksichtigung von [X.]n bereits an einer Vereinbarung fehlt, die Bindungswirkung entfalten kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.]G iVm §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Klägerin auch die Kosten des von ihr ohne Erfolg durchgeführten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts entspricht der Festsetzung der Vorinstanz vom 1.4.2015, die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist (§ 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG).

Meta

B 6 KA 38/15 B

17.02.2016

Bundessozialgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Hamburg, 17. Juli 2013, Az: S 27 KA 56/11, Urteil

§ 85 Abs 3 S 1 SGB 5 vom 14.11.2003, § 85 Abs 4 SGB 5 vom 26.03.2007, § 87a Abs 3 S 1 SGB 5 vom 26.03.2007, § 75 Abs 2 Alt 1 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 17.02.2016, Az. B 6 KA 38/15 B (REWIS RS 2016, 16094)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16094

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