Bundessozialgericht, Urteil vom 27.06.2012, Az. B 6 KA 33/11 R

6. Senat | REWIS RS 2012, 5225

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Gegenstand

Vertrags(zahn)ärztliche Versorgung - Gesamtvergütung - Anspruch einer Krankenkasse auf teilweise Erstattung nur bei Nichtigkeit der zugrunde liegenden Vergütungsregelung - Voraussetzung eines qualifizierten Rechtsverstoßes - offensichtliche Missachtung eines eindeutigen strikt-verbindlichen Verbots - kein Rechtsverstoß bei verschiedenen Auslegungen der Rechtsgrundlage der Vergütungsvereinbarung


Leitsatz

1. Der Anspruch einer Krankenkasse auf teilweise Erstattung der gezahlten Gesamtvergütung kann nur bei Nichtigkeit der zugrunde liegenden Vergütungsregelung bestehen. Dies setzt einen qualifizierten Rechtsverstoß voraus, dh die offensichtliche Missachtung eines eindeutigen strikt-verbindlichen Verbots (stRspr des Senats).

2. Ein qualifizierter Rechtsverstoß ist nicht gegeben, wenn verschiedene Auslegungen der Rechtsgrundlage der Vergütungsvereinbarung in Betracht kommen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 15. Dezember 2010 geändert; die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 14. Februar 2007 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.

Die Revision der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen

Tatbestand

1

Die klagende Betriebskrankenkasse ([X.]) mit Sitz in [X.] begehrt von der beklagten [X.] ([X.]) [X.] eine Erstattungszahlung wegen überzahlter Gesamtvergütung im [X.].

2

Die [X.]lägerin zahlte im [X.] für zahnärztliche Honorare Gesamtvergütungsbeträge in Höhe von ca 15,6 [X.] Euro an die beklagte [X.] [X.], berechnet nach der Honorarvereinbarung, die diese am 21.11.2002 mit dem beigeladenen [X.]-Landesverband [X.] abgeschlossen hatte. Mit Schreiben vom [X.] machte die [X.]lägerin gegenüber der Beklagten geltend, sie habe ca 2,6 [X.] Euro zu viel bezahlt: Das Gesetz zur Einführung des [X.] bei Honorarvereinbarungen für Ärzte und Zahnärzte (WOrtPrG vom 11.12.2001, [X.] 3526) sei in der für sie geltenden Honorarvereinbarung hinsichtlich des Jahres 2003 nicht korrekt umgesetzt worden. In dieser Vereinbarung sei ein zu hoher Durchschnittsbeitrag zugrunde gelegt worden; er sei auf der Grundlage der Beträge, die rechnerisch je Mitglied der Bayerischen [X.]n für die zahnärztliche Versorgung aufgewandt worden sind, und nicht - wie im WOrtPrG angelegt - bundesweit ermittelt worden. Sie habe danach 2,6 [X.] Euro zu viel gezahlt und Anspruch auf deren Rückerstattung.

3

Die Beklagte lehnte den geforderten Budgetausgleich ab. Die von der [X.]lägerin eingeschaltete [X.] ([X.] Staatministerium für Arbeit, Sozialordnung, Familie und Frauen) sah keinen Anlass zum Einschreiten, weil kein klarer Rechtsverstoß vorliege; die Selbstverwaltung habe mit dem Inhalt der Vereinbarung den ihr eingeräumten Bewertungsspielraum nicht erkennbar überschritten. Das [X.] führte aus, dass bei der Umsetzung des WOrtPrG in [X.] zwar Rechtsverstöße erfolgt seien, es aber in [X.] keine Befugnis zu Maßnahmen habe, sodass die [X.]lägerin den Rechtsweg beschreiten müsse.

4

Das [X.] hat die von der [X.]lägerin erhobene Zahlungsklage abgewiesen (Urteil vom [X.]): Die zwischen der Beklagten und dem Beigeladenen abgeschlossene Vereinbarung sei auch für die [X.]lägerin verbindlich; Nichtigkeitsgründe seien nicht ersichtlich. Die Vereinbarung sei im Gegenteil rechtmäßig. Darin sei der Pro-[X.]opf-Betrag, der in früheren Jahren für die bayerischen [X.]n gegolten habe, fortgeschrieben worden.

5

Das L[X.] hat auf die Berufung der [X.]lägerin unter Änderung des Urteils des [X.] festgestellt, dass die Vergütungsvereinbarung hinsichtlich der Regelung für das [X.] nichtig ist; es hat die (weitergehende) Zahlungsklage der [X.]lägerin aber abgewiesen (Urteil vom 15.12.2010). Ein Zahlungsanspruch stehe der [X.]lägerin nicht zu; vielmehr müssten zunächst die Vertragspartner eine Neuregelung treffen, der vorzugreifen [X.] und Glauben widerspräche. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vereinbarung ergebe sich daraus, dass die Vertragspartner bei der Anwendung des Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 WOrtPrG nicht einen Durchschnittswert, der nur auf der Grundlage der Bayerischen [X.]-Mitglieder errechnet werde, hätten zugrunde legen dürfen. Darin liege ein sog qualifizierter Rechtsverstoß, der zur Teilnichtigkeit führe.

6

[X.]lägerin und Beklagte haben Revision eingelegt. Die Beklagte erstrebt die Wiederherstellung des [X.]-Urteils; die [X.]lägerin begehrt über den Feststellungsausspruch hinaus die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung.

7

Die Beklagte - deren Ausführungen sich der Beigeladene anschließt - macht geltend, das L[X.] hätte der Berufung der [X.]lägerin nicht - auch nicht teilweise - stattgeben dürfen. Wegen der Bindungswirkung, die gemäß der B[X.]-Rechtsprechung der von ihr mit dem [X.] geschlossenen Honorarvereinbarung zukomme, müsse die [X.]lägerin eine Gesamtvergütung in der vereinbarten Höhe entrichten. Die verbindliche Wirkung der Honorarvereinbarung entfalle nur bei (Teil-)Nichtigkeit, wofür ein sog qualifizierter Rechtsverstoß vorliegen müsste. Ein derartiger Rechtsverstoß sei nur gegeben bei offensichtlicher Missachtung solcher gesetzlichen Vorschriften, die ein eindeutiges, aus sich heraus verständliches gesetzliches Verbot enthielten und für alle Vertragspartner strikt-verbindlich seien. Art 2 § 1 Abs 1 WOrtPrG sei aber eine reine Rechenvorschrift, deren etwaige Missachtung keinen qualifizierten Rechtsverstoß begründe. Zudem gelte Art 2 aaO hier nicht; die Vorschrift sei nämlich nur auf Gesamtvergütungsvereinbarungen anwendbar, denen [X.]opfpauschalen zugrunde lägen, hingegen nicht auf Vereinbarungen, die an Einzelleistungen ausgerichtet seien, auch wenn dabei eine Gesamtvergütungsobergrenze gelte, wie es in der vertragszahnärztlichen Versorgung verbreitet sei. Im Übrigen hätten die Vertragspartner bei Regelungen der Selbstverwaltung regelmäßig einen Gestaltungsspielraum. Hierauf gestützt habe das B[X.] Abweichungen von Art 2 § 1 Abs 1 WOrtPrG im Sinne eines "[X.]" und eines Überschreitens der Veränderungsrate als unschädlich erachtet. Weiterhin habe es darauf hingewiesen, dass mit den Regelungen des WOrtPrG keine Absenkungen des [X.] beabsichtigt gewesen seien; deshalb dürfe eine Vereinbarung das Vergütungsniveau der Vorjahre fortschreiben und um dieses Ziels willen über die Vorgaben des Art 2 § 1 Abs 1 WOrtPrG hinausgehende, zusätzliche oder modifizierende Regelungen treffen. Dadurch entstehende Abweichungen vom Prinzip der Vorjahresanknüpfung und vom Grundsatz der [X.], von dem schon das Gesetz zahlreiche Ausnahmen vorsehe, ergäben keinen qualifizierten Rechtsverstoß. Ein solcher komme dementsprechend auch nicht im Zusammenhang mit Regelungen des WOrtPrG in Betracht.

8

Im Übrigen habe die [X.]lägerin einen Rechtsverstoß überhaupt erst fast elf Monate nach Ablauf des [X.] geltend gemacht, und die Rechtswidrigkeit werde auch nur von zwei der 151 betroffenen [X.]rankenkassen ([X.]) behauptet; das stehe der Annahme eines qualifizierten Rechtsverstoßes ebenso entgegen wie die Stellungnahme der [X.]. Schließlich sei das Begehren der [X.]lägerin nicht gegen den richtigen Beklagten gerichtet. Richtigerweise hätte sie sich gegen den Beigeladenen wenden müssen, der mit Wirkung für sie die Honorarvereinbarung abgeschlossen habe.

9

Die Beklagte und der Beigeladene beantragen,
das Urteil des [X.] vom 15.12.2010 zu ändern und die Berufung der [X.]lägerin gegen das Urteil des [X.] vom [X.] insgesamt zurückzuweisen,
sowie die Revision der [X.]lägerin zurückzuweisen.

Die [X.]lägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 15.12.2010 insoweit, als es ihren Hauptantrag auf Leistung abgewiesen hat, und das Urteil des [X.] vom [X.] in vollem Umfang aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr - der [X.]lägerin - 2 626 827,11 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
sowie die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Die [X.]lägerin macht geltend, das L[X.] hätte nicht nur ihrem Feststellungsantrag, sondern weitergehend ihrer Zahlungsklage stattgeben müssen. Dieses Begehren sei ihr nicht durch die Bindungswirkung der Honorarvereinbarung vom 21.11.2002 verwehrt, denn diese sei entgegen der Ansicht der Beklagten teilweise nichtig. Das B[X.] erkenne - für den Fall der Nichtigkeit - direkte Ansprüche einzelner [X.] gegen die [X.] ([X.]) bzw [X.] an, die in Überzahlungsfällen wie hier ihre Rechtsgrundlage in § 61 [X.]B X iVm § 812 BGB fänden. Die Nichtigkeit der Honorarvereinbarung hinsichtlich des Jahres 2003 folge daraus, dass ein zu hoher Durchschnittsbeitrag - auf der Grundlage nur der Beträge, die rechnerisch je Mitglied der Bayerischen [X.]n für die zahnärztliche Versorgung aufgewandt worden sind, und nicht, wie im WOrtPrG angelegt, bundesweit ermittelt - zugrunde gelegt worden sei. In dieser Weise die Regelungen des WOrtPrG umzusetzen, sei rechtswidrig. Ein Gestaltungsspielraum bestehe nicht; es handele sich um zwingende Regelungen. Hierfür spreche auch die Entstehungsgeschichte des [X.] [X.] sei eine Umsetzung des [X.] ohne zusätzliche Leistungsausgaben für die [X.] und mit nur regionaler Umverteilung gewesen. Dies impliziere, dass es Gewinner und Verlierer gebe, dass nämlich einer [X.](Z)ÄV neue [X.] zuwüchsen und anderen [X.](Z)[X.] bisherige Anteile entzogen würden. Wegen des Ziels der Vermeidung zusätzlicher Ausgaben sei eine Erhöhung der Gesamtvergütung um 20,8 % untragbar. Die Beklagte habe indessen mehrfach betont, dass eine korrekte Umsetzung der Übergangsvorschrift bei ihr zu [X.] in beträchtlicher Höhe geführt haben würde; deshalb habe sie, wie auch zahlreiche andere [X.](Z)[X.], fragwürdige Honorarvereinbarungen abgeschlossen. Die Aufdeckung solcher Fälle sei nur in wenigen Fällen gelungen. Die Aufsichtsbehörden griffen, wie sie habe erfahren müssen, nicht ein - möglicherweise auf Grund ihrer Einbindung in die Interessen der vor Ort tätigen Ärzte, Zahnärzte, [X.] und [X.] -. Deshalb müssten die Gerichte Rechtsschutz gewähren. Vor diesem Hintergrund sei die vom L[X.] getroffene bloße Feststellung nicht ausreichend. Das L[X.] hätte weitergehend der von ihr - der [X.]lägerin - erhobenen Zahlungsklage stattgeben müssen. Der Verweis des L[X.] darauf, die Vertragspartner müssten zunächst eine neue Regelung vereinbaren, und deshalb müsse sich das Gericht auf einen Feststellungsausspruch beschränken, überzeuge nicht. Für eine Neuregelung bestehe angesichts der zwingenden Vorgaben des WOrtPrG kein Spielraum.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hat Erfolg; diejenige der [X.]lägerin ist zurückzuweisen. Das [X.] hätte den Leistungs- und auch den hilfsweise gestellten Feststellungsantrag der [X.]lägerin abweisen und die Berufung der [X.]lägerin gegen das [X.] zurückweisen müssen. Die [X.] sind grundsätzlich an die [X.] gebunden, die die für den Ort der Leistungserbringung zuständigen [X.] vereinbaren (unten 3. a); Ausnahmen können nur in Betracht kommen, soweit ein Vertrag nichtig ist (unten 3. b). Dies ist hier nicht der Fall (unten 4.).

1. Die [X.]lägerin hat ihr Begehren auf [X.]ahlung von ca [X.] zu Recht gegen die Beklagte gerichtet. Eine [X.]ahlungsklage ist richtigerweise stets gegen denjenigen zu richten, der die [X.]ahlung leisten soll. Die [X.]lägerin will Teile der Gesamtvergütung, die sie an die Beklagte entrichtete, zurückerstattet erhalten. Für diesen Anspruch ist die Beklagte als [X.]ahlungsempfängerin passiv legitimiert.

Ob die [X.]lägerin die von ihr angenommene (Teil-)Nichtigkeit des [X.] für 2003 auch zum Gegenstand einer Feststellungsklage gegen den vertragschließenden beigeladenen Landesverband machen könnte, bedarf keiner Entscheidung. Eine Verpflichtung zu einer vorrangigen Inanspruchnahme des Verbandes besteht jedenfalls nicht, und als Beigeladener ist er an die Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Entscheidung gebunden (§ 141 Abs 1 [X.] iVm § 69 [X.] 3 SGG).

2. Für das Begehren der [X.]lägerin kommt als Anspruchsgrundlage der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Betracht: Ist eine Leistung gewährt worden, stellt sich aber die ihr zugrunde liegende Rechtsvorschrift (hier: der Gesamtvertrag) als nichtig heraus, so kann das, was auf ihrer Grundlage geleistet worden ist, aus dem Gesichtspunkt ungerechtfertigter Bereicherung des Empfängers von diesem zurückgefordert oder Wertersatz beansprucht werden (zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch - in Anlehnung an § 812 Abs 1, § 818 Abs 2 BGB - vgl im vorliegenden [X.]usammenhang [X.], 141 Rd[X.] 22 = [X.]-2500 § 83 [X.] 2 Rd[X.] 30).

Ein solcher Fall des Wegfalls des [X.] für eine Leistung mit der Folge eines Erstattungsanspruchs liegt hier indessen nicht vor.

3. [X.], die von einem [X.]-Landesverband abgeschlossen werden, binden grundsätzlich die beteiligten [X.] (unten a). Ausnahmen kommen nur insoweit in Betracht, als ein Vertrag ganz oder teilweise nichtig ist (unten b).

a) Vereinbarungen über die vertrags(zahn)ärztlichen Gesamtvergütungen zwischen Landesverbänden der [X.] und [X.]([X.])[X.] binden grundsätzlich alle [X.], für die ihr Verband handelt. Das waren unter Geltung des sog [X.]assensitzprinzips die Mitgliedskassen (vgl BSG vom 28.9.2005 - [X.], 141 Rd[X.]0 ff = [X.]-2500 § 83 [X.] 2 Rd[X.]8 ff) und sind nach der Umstellung des Vergütungssystems alle [X.] einer [X.]assenart, deren Versicherte von Mitgliedern der vertragschließenden [X.]([X.])[X.] behandelt werden (BSG vom 17.10.2007 - [X.]-2500 § 83 [X.] 4 Rd[X.] 2, 18, 29; BSG vom 5.11.2008 - [X.]-2500 § 83 [X.] 5 Rd[X.]2 f).

Die [X.]lägerin stellt auf dieser rechtlichen Grundlage ihre prinzipielle Bindung an den zwischen der Beklagten und dem Beigeladenen für 2003 geschlossenen Gesamtvergütungsvertrag nicht in Frage. Sie ist aber der Auffassung, diese Vereinbarung sei nichtig und deshalb entfalle die Bindung. Dies trifft indessen nicht zu.

b) Wie der Senat weiter ausgeführt hat, können mit Blick auf die Funktionsfähigkeit des Gesamtvergütungssystems Ausnahmen von der Bindung der einzelnen [X.] an die Vertragsabschlüsse der [X.] nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommen. Der erkennende Senat hat dies dementsprechend nur für den Fall der Nichtigkeit oder [X.] erwogen (zusammenfassend BSG [X.]-2500 § 83 [X.] 5 Rd[X.]3 mwN). Er hat dies weiterhin dahin eingegrenzt, dass ein qualifizierter Gesetzesverstoß in dem Sinne gegeben sein muss, dass eine offensichtliche Missachtung eines eindeutigen, aus sich heraus verständlichen gesetzlichen und für alle Vertragspartner strikt-verbindlichen Verbots vorliegt (so besonders deutlich [X.] [X.] [X.]A 56/11 B - Rd[X.] 6 f iS einer [X.]usammenfassung der bisherigen Rechtsprechung: [X.], 141 Rd[X.]6 f = [X.]-2500 § 83 [X.] 2 Rd[X.] 24 f; BSG [X.]-2500 § 83 [X.] 4 Rd[X.]9; BSG [X.]-2500 § 83 [X.] 5 Rd[X.]4 f) .

4. Eine derartige [X.]onstellation, in der eine (Teil-)Nichtigkeit in Betracht kommen könnte, ist vorliegend nicht gegeben, sodass weiterhin dahinstehen kann, ob insoweit eine Ausnahme von der grundsätzlichen Bindung der Einzel-[X.] an die von ihren Landesverbänden abgeschlossenen Verträge begründet wäre. Der hier zu beurteilende Vertrag ist nicht nichtig; nicht einmal kann eindeutig - entgegen der Auffassung des [X.] - seine Rechtswidrigkeit festgestellt werden:

Ob der Gesamtvertrag, den der beigeladene B[X.][X.]-Landesverband und die beklagte [X.][X.]ÄV für 2003 miteinander vereinbarten, mit Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] WOrtPrG übereinstimmt, hängt davon ab, worauf der in dieser Bestimmung enthaltene Passus "[X.]ahl der Mitglieder der [X.]rankenkasse" zu beziehen ist. In Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 WOrtPrG ist bestimmt:

        

Der [X.] für die für das [X.] erstmalig nach dem [X.] gemäß § 83 Abs 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zu vereinbarenden Gesamtvergütungen ergibt sich jeweils durch Multiplikation folgender Faktoren:

        

1.    

des Betrags, der sich bei einer Teilung der für das [X.] geltenden Gesamtvergütung durch die [X.]ahl der Mitglieder der [X.]rankenkasse ergibt,

        

2.    

der [X.]ahl der Mitglieder der [X.]rankenkasse mit Wohnort im Bezirk der vertragschließenden [X.]assenärztlichen Vereinigung.

a) Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] WOrtPrG ist für den Gesamtvertrag zwischen der Beklagten und dem beigeladenen [X.]-Landesverband maßgebend. Die hiergegen von der Beklagten vorgebrachten Argumente greifen nicht durch.

Daraus, dass die von der Beklagten vereinbarten Gesamtvergütungen - wie sie geltend macht - nicht nach [X.]opfpauschalen berechnet werden, sondern an Einzelleistungshonoraren orientiert sind und nur ergänzend auch eine Gesamtvergütungsobergrenze enthalten, folgt nicht die Unanwendbarkeit des Art 2 § 1 WOrtPrG. Mit einer derartigen Ausnahme von der Übergangsbestimmung zum WOrtPrG würden weite Bereiche der vertragszahnärztlichen Versorgung von dem WOrtPrG ausgenommen; denn solche Gesamtvergütungsvereinbarungen waren und sind im vertragszahnärztlichen Bereich verbreitet. [X.] lautet die Überschrift des Gesetzes "Gesetz zur Einführung des [X.] bei Honorarvereinbarungen für Ärzte und [X.]ahnärzte". Dies spricht dafür, dass der Gesetzgeber den zahnärztlichen Bereich gleichermaßen erfassen wollte.

Für eine Herausnahme der Bereiche mit Gesamtvergütungen in Orientierung an Einzelleistungsvergütungen kann auch nicht § 85 Abs 2 [X.] angeführt werden, nach dem die Gesamtvergütungen wahlweise nach Einzelleistungen, nach [X.]opfpauschalen oder nach Fallpauschalen oder nach einer anderen Berechnungsart oder nach einem Mischsystem berechnet werden (vgl § 85 Abs 2 Satz 2 [X.]). Mit dieser Gestaltungsfreiheit ist den Vertragspartnern nicht das Recht eingeräumt worden, die Anwendbarkeit der Regelung des Art 2 § 1 Abs 1 WOrtPrG auszuschließen. Darin läge dann zugleich eine Disposition über die Reichweite der befreienden Wirkung der [X.]ahlung der von den [X.]-Verbänden vereinbarten Gesamtvergütungen. Damit stünde die durchgängige Geltung der Regelung des § 85 Abs 1 [X.] über die befreiende Wirkung der [X.]ahlung der Gesamtvergütungen in Frage. Eine so weitreichende Einräumung von [X.] kann dem Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] WOrtPrG nicht entnommen werden; mit dem WOrtPrG sollte lediglich die Umsetzung des [X.] in den [X.] 2002/2003 konkretisiert werden.

Die Regelung des Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] WOrtPrG kann ferner nicht als bloße [X.] qualifiziert werden, deren Nichtbeachtung deshalb unerheblich sei. Die Regelung steht im [X.]ontext mit der Grundregel des § 85 Abs 1 [X.]. Schon dies schließt die Annahme ihrer Unverbindlichkeit aus.

b) Der Wortlaut des Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] WOrtPrG spricht weder eindeutig für die [X.]ulässigkeit noch eindeutig gegen die [X.]ulässigkeit einer gesamtvertraglichen Regelung, wie die Beklagte und der beigeladene [X.]-Landesverband sie für 2003 vereinbart haben, die das [X.] der bayerischen B[X.] auf alle B[X.] - auch auf diejenigen mit Sitz außerhalb [X.] - erstreckt. Der Wortlaut des Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] WOrtPrG stellt nur auf "die [X.]ahl der Mitglieder der [X.]rankenkasse" ab. Mit der Regelung in Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] WOrtPrG könnten möglicherweise die Mitglieder dieser [X.][X.] im Basisjahr 2001 mit Wohnsitz im Bezirk der vertragschließenden [X.]([X.])[X.] - wie in [X.] 2 der Vorschrift - gemeint sein, oder der Passus könnte auf diejenigen Mitglieder der [X.][X.] ausgerichtet sein, die am Sitz der [X.][X.] versichert sind - so scheint die [X.]lägerin die [X.] errechnet zu haben -, oder es ist ein bundesweiter Durchschnittsbeitrag zu ermitteln. Welche dieser Auslegungen zutreffend ist, ist aus dem Wortlaut allein nicht zu beantworten, sodass weitere Gesichtspunkte wie die Entstehungsgeschichte, die Systematik des Gesetzes, die [X.]ielsetzung des Gesetzgebers und die Praktikabilität der Umsetzung des WOrtPrG einzubeziehen sind.

Eine systematische Auslegung kann an dem Unterschied zwischen der [X.] des Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 WOrtPrG im Vergleich zu dessen [X.] 2 ansetzen. In dieser [X.] 2 wird ausdrücklich auf die [X.][X.]-Mitglieder "mit Wohnort im Bezirk der vertragschließenden [X.]assen(zahn)ärztlichen Vereinigung" abgestellt. Dies kann möglicherweise einen Rückschluss auf [X.] in dem Sinne nahelegen, dass es in [X.] nicht auf diesen Bezirk ankommen soll, sondern auf den bundesweiten Mitgliederbestand.

Hierfür kann auch die Entstehungsgeschichte der Regelung angeführt werden. Nach der Begründung zum Entwurf des WOrtPrG sollte als "Basis für die Höhe der zu vereinbarenden Gesamtvergütungen … für jede … [X.]rankenkasse … ein bundesweiter Durchschnittsbetrag je Versicherten ermittelt" werden, "der mit der [X.]ahl der Versicherten der [X.]rankenkasse mit Wohnsitz in der jeweiligen [X.] multipliziert wird" (BT-Drucks 14/5960 S 6).

Sinn und [X.]weck der Regelung sind ebenso wenig eindeutig wie der Wortlaut. Die Verlautbarungen zum Sinn und [X.]weck des Gesetzes gehen zum einen dahin, [X.]([X.])[X.]-übergreifend solle ein Ausgleich herbeigeführt werden. Diesem [X.]iel entspräche es nicht, das höhere Niveau in einigen, insbesondere west- bzw süddeutschen [X.]([X.])[X.]-Bereichen fortzuschreiben - indem bei Anwendung des Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] WOrtPrG ein höherer, nur landesweit errechneter Durchschnittswert zugrunde gelegt wird - und nur das geringere Niveau in anderen [X.]([X.])[X.] anzuheben. Damit würden der gesetzlichen [X.]rankenversicherung zusätzliche Ausgaben erwachsen, während nach der Begründung zum Gesetzentwurf "zusätzliche Leistungsausgaben für die gesetzliche [X.]rankenversicherung nicht entstehen" sollten (BT-Drucks 14/5960 [X.], 7 = BT-Drucks 14/6410 [X.]), vielmehr "nur eine andere regionale Verteilung der Gesamtvergütungen" vorgesehen war (BT-Drucks 14/5960 [X.], 7 = BT-Drucks 14/6410 [X.]; ebenso Beschlussempfehlung des [X.], BT-Drucks 14/6566 [X.], und BT, Stenographischer Bericht, 14. Wahlperiode, 167. Sitzung vom 10.5.2001, S 16393 ). Die Regelung sollte "keinen Einfluss auf die Höhe des [X.]" haben (BT-Drucks 14/5960 [X.], 7 = BT-Drucks 14/6410 [X.]).

[X.] kann aus dem Sinn und [X.]weck der Regelung des WOrtPrG auch Anderes abgeleitet werden. Diese Regelung wird auch als Ausfluss des Grundsatzes der [X.] gesehen. Sie konkretisiert, wie der Senat ausgeführt hat, das Prinzip der Vorjahresanknüpfung in Bezug auf die Umstellung des Vergütungssystems vom sog [X.]assensitzprinzip auf das [X.] (vgl BSG [X.]-2500 § 83 [X.] 5 Rd[X.]8 am Ende), und das Prinzip der Vorjahresanknüpfung ist seinerseits eine Ausprägung des Grundsatzes der [X.] (vgl hierzu [X.], 144 = [X.]-2500 § 85 [X.] 41, Rd[X.]4). Ist mithin Art 2 § 1 Abs 1 WOrtPrG Ausfluss des Grundsatzes der [X.], so spricht das dafür, [X.] zu akzeptieren, die darauf ausgerichtet sind, das bisherige [X.] fortzuführen und gravierende Abweichungen zu verhindern (in diesem Sinne auch BT-Drucks 14/5694 [X.]: "… darf nicht zur Folge haben, dass die Mittel für die ambulante ärztliche Vergütung einer Region verringert werden").

Schließlich kann die Praktikabilität der Umsetzung des WOrtPrG dafür sprechen, die Orientierung der [X.] an den früheren [X.]n zu akzeptieren, weil so die Schwierigkeiten bei der Umsetzung am geringsten sind. Insbesondere kann dafür auch angeführt werden, dass so innerhalb des [X.]([X.])[X.]-Bezirks ein zumindest nach [X.]assenarten einheitliches [X.] gewährleistet ist, unabhängig davon, wo die [X.][X.] des behandelten Versicherten ihren Sitz hat.

Die Möglichkeiten der [X.]onkretisierung des Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 WortPrG hat der Senat in seiner Rechtsprechung schon bisher großzügig gesehen. Er hat sowohl ein "Aufsatteln" auf den [X.] nach Art 2 § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] WOrtPrG als auch ein Überschreiten der Veränderungsrate nach § 71 Abs 2 und 3 [X.] hingenommen (BSG vom 14.12.2011 - [X.] [X.]A 56/11 B - Rd[X.] 6 im [X.] an BSG [X.]-2500 § 83 [X.] 5 Rd[X.] 20, 24). Dies entspricht auch der Rechtsprechung zum Grundsatz der [X.], der - wie ausgeführt - durch das WOrtPrG konkretisiert wird, und zu dem der Senat bereits darauf hingewiesen hat, dass im Gesetz zahlreiche Ausnahmen normiert sind, dem die Rechtsprechung weitere hinzugefügt hat (vgl dazu BSG vom 14.12.2011 aaO Rd[X.] 7 im [X.] an BSG [X.]-2500 § 83 [X.] 5 Rd[X.] 24). Dies setzt die Rechtsprechung fort, die den Vertragspartnern bei Regelungen der Selbstverwaltung regelmäßig einen Gestaltungsspielraum bei der [X.]onkretisierung der gesetzlichen Vorgaben zubilligt (vgl für Gesamtvergütungsvereinbarungen zB [X.], 141 Rd[X.]7 = [X.]-2500 § 83 [X.] 2 Rd[X.] 25 und für [X.] auch BSG vom 27.6.2012 - [X.] [X.]A 28/11 R -, zur Veröffentlichung in [X.] und [X.] vorgesehen).

Diese Vielfalt der Gesichtspunkte zeigt, dass es gewichtige Argumente sowohl für als auch gegen die Rechtmäßigkeit der vorliegend streitigen [X.]regelung gibt. Bei diesem Befund kann jedenfalls eine offensichtliche Missachtung eines eindeutigen, aus sich heraus verständlichen gesetzlichen und für alle Vertragspartner strikt-verbindlichen Verbots (zu dieser Formel vgl oben 3. b mit [X.]) nicht festgestellt werden.

5. Liegt mithin kein qualifizierter Gesetzesverstoß vor, so kann weder die vom [X.] getroffene Feststellung der Nichtigkeit der Gesamtvergütungsvereinbarung aufrechterhalten werden noch kann der [X.]lägerin ein [X.]ahlungsanspruch zuerkannt werden. Damit entfällt auch die Grundlage für das Begehren der [X.]lägerin auf [X.]inszahlungen (zum Anspruch auf Prozesszinsen im Gesamtvergütungsstreit vgl zuletzt BSG vom 27.6.2012 - [X.] [X.]A 65/11 B - Rd[X.] 8 am Ende und 13, jeweils mwN).

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt die [X.]lägerin als unterliegender Teil die [X.]osten des Verfahrens 154 Abs 1, 2 VwGO), einschließlich der [X.]osten des Beigeladenen, weil dieser sich am Verfahren beteiligt und auch einen Sachantrag gestellt hat (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl dazu [X.] 96, 257 = [X.]-1300 § 63 [X.] 3, Rd[X.]6).

Meta

B 6 KA 33/11 R

27.06.2012

Bundessozialgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: KA

vorgehend SG München, 14. Februar 2007, Az: S 38 KA 5367/05, Urteil

§ 71 Abs 2 SGB 5, § 71 Abs 3 SGB 5, § 83 Abs 1 S 1 SGB 5, § 85 Abs 2 SGB 5, § 85 Abs 3 SGB 5, Art 2 § 1 S 1 Nr 1 ArztWohnortG, Art 2 § 1 S 1 Nr 2 ArztWohnortG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 27.06.2012, Az. B 6 KA 33/11 R (REWIS RS 2012, 5225)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5225

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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