Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2016, Az. XII ZB 275/15

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 2682

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:091116BXII[X.]275.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 275/15

vom

9. November 2016

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO §§ 319, 517
Zum Lauf der Berufungsfrist im Fall der Urteilsberichtigung.
[X.], Beschluss vom 9. November 2016 -
XII [X.] 275/15 -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 9.
November 2016 durch den
Vorsitzenden Richter Dose, [X.]
Klinkhammer, [X.] und
Guhling und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 8.
Zivilsenats des [X.] vom 7.
Mai 2015 wird auf Kosten der [X.] verworfen.
Streitwert: 76.898

Gründe:
I.
Die Klägerin mietete Gewerberäume von der [X.]. Sie
begehrt
die Rückzahlung überzahlter Mieten. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] hat
die Beklagte den [X.] aner-kannt. Das [X.] hat ein Anerkenntnisurteil
erlassen, dessen Ziffer 1 des
Ziffer 2 des Tenors sind der [X.] die Kosten des Rechtsstreits auferlegt
worden. Das Anerkenntnisurteil ist dem Prozessbevollmächtigten der [X.] am 17. Dezember 2014 zugestellt worden. Die Klägerin hat
die Berichtigung des [X.]
beantragt, woraufhin das [X.] mit Beschluss vom 19. Januar 2015 wegen einer offensichtlichen Unrichtigkeit den Tenor in Ziffer 1 dahingehend berichtigt hat, dass er nunmehr lautetwird Prozessbevollmächtigten der [X.] am 22. Januar 2015 zugestellt worden. 1
-
3
-
Die Klägerin hat gegen das Anerkenntnisurteil (vorsorglich) Berufung eingelegt, welche sie nach Rechtskraft des [X.] für erledigt erklärt hat.

Die Beklagte hat ihrerseits mit am 20. Februar 2015 bei
dem
Oberlan-desgericht
eingegangenem
Schriftsatz gegen das Urteil des [X.]s in der Fassung des [X.] vom 19. Januar 2015 Berufung einge-legt. Das [X.]
hat die Berufung verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde
der [X.].

II.
Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs.
2 ZPO nicht vorliegen.
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Siche-rung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des [X.]. Der angefochtene Beschluss verletzt die Beklagte nicht in ihrem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechts-schutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Dieses Verfahrensgrundrecht verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. Senatsbe-schlüsse
vom 12. Oktober 2011

XII [X.] 127/11

FamRZ
2011, 1929 Rn.
8 und
vom 27. Juli 2016

XII [X.] 53/16

FamRZ
2016, 1681
Rn.
3).

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3
4
-
4
-
2. Dass das [X.] die Berufung gemäß § 522 Abs.
1 Satz
2 ZPO verworfen hat, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 517 ZPO eingelegt worden sei, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Das
[X.] hat zutreffend erkannt, dass
die Berichtigung ei-nes Urteils gemäß § 319 ZPO wegen offenbarer Unrichtigkeit grundsätzlich kei-nen Einfluss auf Beginn
und Lauf der Rechtsmittelfrist hat.
Gegen das [X.] findet nur das gegen das ursprüngliche Urteil zulässige Rechtsmittel statt,
und die Frist zu seiner Einlegung läuft (schon) von der Zustellung der un-berichtigten Urteilsfassung an ([X.]Z 89, 184, 186 = NJW 1984, 1041 mwN). Den Parteien wird zugemutet, im Rahmen ihrer Entscheidung über die [X.] eines Rechtsmittels eine
offenbare Unrichtigkeit des Urteils
zu berücksich-tigen, schon bevor dieses gemäß §
319 ZPO berichtigt wird. Nur [X.] beginnt eine neue Rechtsmittelfrist mit der Bekanntmachung des [X.] zu laufen, nämlich dann, wenn das Urteil insgesamt nicht klar genug war, um die Grundlage für die Entscheidung über die Einlegung ei-nes Rechtsmittels
sowie für die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu [X.]. Das ist etwa der Fall, wenn erst die berichtigte Entscheidung die Beschwer erkennen lässt oder ergibt, dass die Entscheidung überhaupt einem Rechtsmit-tel zugänglich ist (Senatsurteil vom 5. Mai 1993

[X.]/92

FamRZ 1993, 1424, 1425
mwN).
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
Die Berufungsfrist [X.] folglich mit
der Zustellung des [X.] am 17.
Dezember 2014 und endete mit dem 19. Januar 2015. Die Berufung vom 20.
Februar 2015 ist nicht fristgemäß eingelegt worden.
a) Soweit die Rechtsbeschwerde meint, das nicht berichtigte Anerkennt-nisurteil habe keine Beschwer der [X.] und insbesondere nicht erkennen lassen, dass dem [X.] bei der Bezeichnung der Parteirollen ein Fehler unterlaufen sei, trifft dies nicht zu.
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6
7
-
5
-
aa) Das Anerkenntnisurteil wies eine Verwechslung der Parteibezeich-nungen auf, welche als Schreibfehler im Sinne des § 319 Abs. 1 ZPO zu qualifi-zieren ist
(vgl. [X.] Urteil vom 21. Dezember 2010

[X.]/07

NJW 2011, 989 Rn. 6, 9 ff.; BeckOK
ZPO/[X.]
[Stand: 1.
Oktober 2016] § 319 Rn. 20).
Die Verwechslung der Parteirollen
war
auch offenbar. Die
Unrichtigkeit muss sich nicht unmittelbar aus dem Urteil selbst ergeben. Es ist ausreichend, wenn sie für die Parteien des Rechtsstreits durch die Vorgänge bei Erlass und Verkün-dung des Urteils anhand der Prozessakten einschließlich der
Sitzungsprotokolle nachvollziehbar ist
(Senatsbeschluss vom 29. Juni 1994

XII ARZ
19/94

FamRZ
1994, 1520, 1521; [X.]/Musielak 5. Aufl. § 319 Rn.
7).

bb) Danach war die Parteiverwechslung für die Beklagte
unter Hinzuzie-hung der Akte und des Sitzungsprotokolls erkennbar. Denn es gab nur eine ge-gen die Beklagte geltend gemachte Forderung im Sinne des
§ 307 ZPO, die von ihr hat anerkannt werden können. Eine Widerklageforderung, bezüglich derer auch die Klägerin ein Anerkenntnis hätte erklären können, war nicht [X.]. Im Sitzungsprotokoll ist die Erklärung eines Anerkenntnisses durch den
Prozessbevollmächtigten der [X.] vermerkt. Das Urteil ist
zudem als [X.] bezeichnet worden und die Kostenentscheidung sieht

entsprechend einem Anerkenntnis von [X.]seite

die Kostentragung durch die Beklagte vor.
b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass sich die Klägerin
in der mündlichen Verhandlung auf den Antrag im Schriftsatz vom 18. November 2014 bezogen hat, der selbst schon die Parteirollen verwechselte. Denn der Inhalt eines Antrags ist der Auslegung
zugänglich, die vom Revisionsgericht ohne Einschränkungen überprüft oder selbst vorgenommen werden kann. Zur Auslegung sind auch die Ausführungen in der Begründung mit heranzuziehen ([X.] Urteil vom 7. März 2013

VII ZR 223/11

NJW 2013, 1744 Rn.
23; 8
9
10
-
6
-
BeckOK ZPO/[X.]
[Stand:
1.
Oktober 2016] § 253 Rn. 58 mwN). Diese Aus-legung ergibt zweifelsfrei, dass die Klägerin die Parteirollen verwechselte und eine Verurteilung
der [X.] anstrebte.

c) Die
Beklagte hat die Unrichtigkeit auch unzweifelhaft erkannt, da sie sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des [X.] wandte mit dem Argument, sie habe den von der Klägerin erho-benen Anspruch sofort anerkannt, weshalb ihr die Kostenfolge des §
93 ZPO zugutekommen müsse.
d) Wegen der offenbaren und von der [X.] erkannten Unrichtigkeit des [X.] begann die Frist des § 517 ZPO also bereits mit der am 17. Dezember 2014 erfolgten Zustellung zu laufen, so dass die am 20.
Februar 2015 eingegangene Berufung verspätet und damit unzulässig war.
e) Ohne Erfolg macht die Beklagte ferner geltend, ihre
Berufung hätte noch als eine
wirksame Anschlussberufung werden können. Denn selbst wenn man ihre
Berufungsbegründung als Anschlussberufung hätte aus-legen oder umdeuten können, konnte eine
Anschlussberufung mangels
Exis-tenz einer (Haupt-)Berufung nicht mehr wirksam erhoben werden, §
524 Abs.
1 Satz
1 ZPO. Nachdem das [X.] das Rubrum des [X.] rechtskräftig berichtigt hatte, war die Beschwer für die Klägerin nachträglich weggefallen. In einem solchen Fall der prozessualen Überholung durfte sie ihr Rechtsmittel für erledigt erklären
(vgl. [X.]/[X.] 5. Aufl. §
91a Rn. 110 ff.; LG Bochum ZZP 1984, 215
f.).
Dadurch war
eine die Rechtsstellung der [X.] verschlechternde Sachentscheidung über die Hauptberufung ausgeschlossen, so dass eine unterstellte Anschlussberufung analog §
524 Abs.
4 ZPO ihre Wirkung verloren hätte
(vgl. [X.] ZPO 22. Aufl. §
524 11
12
13
-
7
-
Rn.
55; Prütting/Gehrlein/[X.] ZPO 8. Aufl. 2016 § 524 Rn.
25, 29; [X.]/
[X.] ZPO 6. Aufl. § 524 Rn.
17).
Dose

Klinkhammer

Nedden-Boeger

Guhling

Krüger

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 26.11.2014 -
HKO 34/14 -

O[X.], Entscheidung vom 07.05.2015 -
8 U 4/15 -

Meta

XII ZB 275/15

09.11.2016

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2016, Az. XII ZB 275/15 (REWIS RS 2016, 2682)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 2682

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZB 275/15

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