BT-Drucksache 18/8062

Vergütung und Arbeitsbedingungen von Lehrkräften in Integrationskursen

Vom 8. April 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8062
18. Wahlperiode 08.04.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Luise Amtsberg, Corinna Rüffer,
Brigitte Pothmer, Markus Kurth, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Volker Beck (Köln), Ekin Deligöz, Dr. Thomas Gambke, Anja Hajduk,
Britta Haßelmann, Katja Keul, Sven-Christian Kindler, Monika Lazar,
Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Vergütung und Arbeitsbedingungen von Lehrkräften in Integrationskursen

Seit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes im Jahr 2005 haben die meisten
Menschen, die nach Deutschland kommen, einen Anspruch auf einen Integrati-
onskurs. Dieser setzt sich aus Sprachkursen und einem Orientierungskurs zusam-
men. Durchgeführt werden die Kurse von Lehrkräften mit Hochschulabschluss
und Zusatzausbildung, die zudem eine Zulassung des Bundesamts für Migration
und Flüchtlinge (BAMF) benötigen. Diese Lehrkräfte sind in der Regel selbst-
ständig und müssen von ihrem Honorar den Arbeitnehmer- sowie Arbeitgeberan-
teil der Sozialabgaben zahlen, denn sie sind renten-, kranken- und pflegeversi-
cherungspflichtig. Viele Lehrkräfte klagen über eine schlechte und unzu-
reichende Vergütung und fehlende soziale Absicherung. Sie haben keinen An-
spruch auf Honorarfortzahlung im Krankheitsfall, ebenso wenig auf Urlaubsgeld
und Honorare an Feiertagen. Zudem haben sie keine Ansprüche, wenn Kurse
nicht zustande kommen.
Die wirtschaftliche und soziale Situation der Integrationslehrkräfte ist seit vielen
Jahren prekär. Darauf hat die fragestellende Fraktion seit Jahren regelmäßig hin-
gewiesen (vgl. Bundestagsdrucksachen 17/7004, 17/7639 und 17/11577). Auch
die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN „Zehn Jahre Integrationskurse in Deutschland“ (Bundes-
tagsdrucksache 18/5606) zeigt, dass sich an der aus Sicht der Fragesteller unzu-
mutbaren Situation dieser Lehrkräfte nichts verändert hat. Das bestätigen auch
die Proteste der Integrationslehrkräfte in zahlreichen Bundesländern (Reutlinger
Nachrichten vom 28. Oktober 2015). Gleichzeitig stehen nicht ausreichend viele
Lehrkräfte für die große Zahl an notwendigen Integrationskursen zur Verfügung
und es wurden die Anforderungen für Integrationslehrkräfte vom BAMF bei Neu-
einstellungen abgesenkt. Das wirft erneut Fragen auf.

Wir fragen die Bundesregierung:

Fragen zum Jahr 2015
1. Wie viele Integrationskurse wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im

Jahr 2015 durch vom BAMF zugelassene Lehrkräfte durchgeführt, und wie
viele Teilnehmenden wurden in diesen Integrationskursen von den zugelas-
senen Lehrkräften insgesamt unterrichtet?

Drucksache 18/8062 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

2. Wie viele zugelassene Lehrkräfte haben nach Kenntnis der Bundesregierung
die Integrationskurse im Jahr 2015 durchgeführt,
a) wie viele Lehrkräfte waren davon sozialversicherungspflichtig angestellt

(bitte prozentual und differenziert nach Geschlecht angeben),
b) wie viele Lehrkräfte waren Selbstständige, die über Honorare entlohnt

wurden (bitte prozentual und differenziert nach Geschlecht angeben) und
c) falls der Bundesregierung erneut wie in ihrer Antwort auf Bundestags-

drucksache 18/5606 keine Erkenntnisse über die Anzahl an Integrations-
lehrkräften vorliegen, wie kann dann die Bundesregierung eine voraus-
schauende und belastbare Bedarfsplanung an notwendigen Lehrkräften
für die steigende Zahl an Integrationskursen ermitteln?

3. Welchen Anforderungen müssen die Lehrkräfte in Integrationskursen ge-
recht werden,
a) wie hoch war die maximale Zahl der Teilnehmenden bei Integrationskur-

sen,
b) wie hoch war die Zahl der Teilnehmenden durchschnittlich in den Inte-

grationskursen,
c) wie viele unterschiedliche Sprachen waren in den Integrationskursen ins-

gesamt vertreten, und
d) wie viele unterschiedliche Sprachen waren durchschnittlich pro Integrati-

onskurs vertreten?
4. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2015 der durch-

schnittliche Stundenlohn bzw. das monatliche Bruttogehalt von Integrations-
lehrkräften, die sozialversicherungspflichtig angestellt waren, und wie hoch
war der durchschnittliche monatliche Nettoverdienst (bitte differenziert nach
Geschlecht angeben)?

5. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung das durchschnittliche Ho-
norar von selbstständigen Integrationslehrkräften pro Stunde im Jahr 2015
(bitte differenziert nach Geschlecht angeben)?
a) Wie viel Zeit verwenden Integrationslehrkräfte durchschnittlich für die

Vor- und Nachbereitung, und wird diese Zeit separat vergütet oder ist die
Vor- und Nachbereitung im Stundensatz inbegriffen?

b) Werden den Integrationslehrkräften die Auslagen für Bücher und Arbeits-
material ersetzt oder sind diese Kosten im Stundenhonorar enthalten?

c) Erhalten die Integrationslehrkräfte finanzielle Unterstützung für notwen-
dige Fortbildungen?

d) Wie viele Stunden haben die Integrationslehrkräfte durchschnittlich im
Monat gearbeitet, und über welches Monatseinkommen haben sie durch-
schnittlich verfügt?

e) Wie viel Euro bzw. wie viel Prozent ihres Stundenlohns haben die Lehr-
kräfte von ihrem Einkommen mindestens für ihre Kranken-, Pflege- und
Rentenversicherung aufgebracht?

f) Wie hoch war das durchschnittliche Netto-Monatseinkommen von selbst-
ständigen Integrationslehrkräften?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8062
 

6. Wie viele Integrationslehrkräfte mussten im Jahr 2015 nach Kenntnis der
Bundesregierung aufstockendes Arbeitslosengeld II beantragen,
a) wie viele davon waren sozialversicherungspflichtig angestellt bzw. als

Honorarkräfte tätig,
b) wie hoch war die Summe des ergänzenden Arbeitslosengelds II für Inte-

grationsfachkräfte insgesamt, und
c) falls der Bundesregierung hierzu erneut wie in ihrer Antwort auf Bundes-

tagsdrucksache 18/5606 keine Erkenntnisse vorliegen, wie bildet sich
dann die Bundesregierung ein Urteil darüber, ob selbstständige Integrati-
onslehrkräfte angemessen vergütet werden?

7. Wie viele Kontrollen der Vergütungen von Lehrkräften hat das BAMF nach
Kenntnis der Bundesregierung bei Trägern von Integrationskursen im Jahr 2015
durchgeführt?
a) In wie vielen Fällen wurde eine Unterschreitung der Vergütungsunter-

grenze festgestellt?
b) Wie viele Honorarkräfte bzw. sozialversicherungspflichtig beschäftigte

Lehrkräfte waren davon betroffen?
c) In wie vielen Fällen wurde die Zulassung von Kursträgern aufgrund einer

Unterschreitung der Vergütungsuntergrenze auf ein Jahr befristet, nicht
verlängert oder widerrufen?

8. In wie vielen Fällen hat die Deutsche Rentenversicherung nach Kenntnis der
Bundesregierung Statusfeststellungsverfahren im Jahr 2015 durchgeführt,
um zu klären, ob bei Integrationslehrkräften eine abhängige Beschäftigung
vorliegt,
a) zu welchen Ergebnissen haben diese Statusfeststellungsverfahren geführt,

und
b) falls der Bundesregierung hierzu erneut wie in ihrer Antwort auf Bundes-

tagsdrucksache 18/5606 keine Erkenntnisse vorliegen, wie kann sie sich
dann ein umfassendes Bild über die Situation der Integrationslehrkräfte
machen?

Fragen zur aktuellen Situation
9. Wie hoch ist der aktuelle Kostenerstattungssatz im Jahr 2016, den Kursträger

nach Kenntnis der Bundesregierung vom BAMF pro Teilnehmerin bzw.
Teilnehmer erhalten?
a) Wie hoch ist der Anteil für Sachkosten?
b) Welche Sachkosten werden damit in welcher Höhe abgedeckt?
c) Beinhaltet der Kostenerstattungssatz weiterhin nicht spezifizierbare An-

teile für Sachkosten, wie in der Antwort der Bundesregierung zu Frage 39
auf Bundestagsdrucksache 18/5606 ausgeführt?
Wenn ja, auf welcher Grundlage wird der Kostenerstattungssatz dann be-
rechnet, und wie wird sichergestellt, dass die Sachkosten tatsächlich kos-
tendeckend sind, damit eine zu geringe Kostenerstattung nicht zu Lasten
der Honorare und somit der Lehrkräfte geht?

Drucksache 18/8062 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

10. Welchen Honorarsatz für selbstständige Lehrkräfte beinhaltet der Kostener-
stattungssatz im Jahr 2016, den Kursträger nach Kenntnis der Bundesregie-
rung vom BAMF pro Integrationskurs erhalten?
a) Um wie viel Euro wurde die Mindestvergütung im Jahr 2016 erhöht?
b) Welche Berechnungsgrundlage liegt dem Stundensatz zugrunde?
c) Um wie viel Euro wird sich dadurch das durchschnittliche Netto-Monats-

einkommen der selbstständigen Integrationslehrkräfte erhöhen?
d) Wie wird derzeit sichergestellt, dass die selbstständigen Lehrkräfte tat-

sächlich den festgesetzten Stundensatz erhalten vor dem Hintergrund,
dass zusätzliche Mittel in der Vergangenheit oft nicht von den Trägern für
eine Verbesserung der Lehrkräftevergütung verwendet wurden („Zehnter
Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland“
auf Bundestagsdrucksache 18/3015, S. 45), und

e) plant die Bundesregierung schwerwiegendere Konsequenzen für Kursträ-
ger, wenn sie die Vergütungsgrenze unterschreiten?

11. Hält die Bundesregierung die Höhe der Honorare und die soziale Absiche-
rung für selbstständige Integrationslehrkräfte, die über einen akademischen
Abschluss und Zusatzausbildung verfügen und eine entscheidende Rolle für
eine gelungene Integration einnehmen, für angemessen?
a) Wenn ja, in welcher Form sieht die Bundesregierung das Versprechen aus

dem Koalitionsvertrag, eine angemessene Honorierung der Lehrkräfte
einzuführen, als erfüllt an?

b) Wird die Bundesregierung dem von Baden-Württemberg veranlassten Be-
schluss der 11. Integrationsministerkonferenz 2016 vom 16./17. März 2016
nachkommen, mit dem der Bund erneut aufgefordert wird, den Kostener-
stattungssatz für die Durchführung von Integrationskursen deutlich zu er-
höhen, um die Kursträger dadurch in die Lage zu versetzen, den Lehrkräf-
ten ein angemessenes Honorar zu zahlen?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, welchen Honorarsatz sieht die Bundesregierung als angemessen
an?

c) Sieht es die Bundesregierung als wünschenswert an, dass die bisher
selbstständigen Lehrkräfte zukünftig sozialversicherungspflichtig ange-
stellt werden?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, wird sie die nach der Integrationskursverordnung vorgesehenen
Möglichkeiten bei der Zulassung der Kursträger dafür nutzen?

12. Warum wurde die maximale Zahl der Teilnehmenden in Integrationskursen
nach Kenntnis der Bundesregierung zuletzt von 20 auf 25 erhöht,
a) in welcher Form wurden die Integrationskurse damit entsprechend dem

Koalitionsvertrag „qualitativ weiter verbessert“, und
b) wird die Vergütung der Lehrkräfte wegen den daraus entstehenden höhe-

ren Anforderungen verbessert?
Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/8062
 

13. Wie viele Integrationskurse werden im Jahr 2016 nach Kenntnis der Bundes-
regierung benötigt?
a) Wie viele zusätzliche Integrationskurse sind das prozentual und absolut

im Verhältnis zu 2015?
b) Wie viele Integrationslehrkräfte werden nach Kenntnis der Bundesregie-

rung zusätzlich benötigt, und wie viele fehlen, um diese Integrationskurse
anbieten zu können?

c) Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, dass Lehrkräfte mit besseren
Arbeitsbedingungen von Integrationskursträgern abgeworben werden,
und welches Ausmaß hat dieser Konkurrenzkampf?

d) Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregie-
rung in diesem Zusammenhang aus der Forderung des Deutschen Volks-
hochschul-Verbands e. V. (Pressemitteilung vom 3. November 2015),
dass die Lehrtätigkeit angemessen honoriert und die Festanstellungsquote
deutlich erhöht werden müsse, denn nur so könnten die benötigten Lehr-
kräfte für die steigende Zahl von Integrationskursen dauerhaft gebunden
werden?

e) Hat das BAMF aufgrund der fehlenden Lehrkräfte die Standards abge-
senkt bzw. Sonderregelungen bei der Zulassung von Integrationslehrkräf-
ten eingeführt?
Wenn nein, aus welchem anderen Grund?
Wenn ja, wäre es aus Sicht der Bundesregierung nicht sinnvoller, die Ver-
gütungsbedingungen der Integrationslehrkräfte grundlegend zu verbes-
sern, um die qualifizierten Lehrkräfte im Bereich der staatlichen Integra-
tionspolitik zu halten bzw. um Anreize für neue Lehrkräfte zu schaffen?

14. Welche Standards wurden nach Kenntnis der Bundesregierung abgesenkt,
bzw. welche Sonderregelungen wurden vom BAMF bei der Zulassung von
Integrationslehrkräften eingeführt?
a) Wirken sich die abgesenkten Zulassungsanforderungen auf die Höhe der

Vergütung der Integrationslehrkräfte aus?
Wenn ja, in welcher Form?

b) Wie wird die Qualität der Integrationskurse trotz abgesenkter Anforde-
rungen sichergestellt?

c) Hat sich die Zahl der zugelassenen Integrationslehrkräfte bereits durch die
Absenkung der Standards erfolgreich erhöht, und wenn ja, mit welcher
belastbaren Zahlengrundlage kann das belegt werden?

15. Welche Qualifizierungsmaßnahmen erhalten die Lehrkräfte kostenfrei nach
Kenntnis der Bundesregierung, um den hohen Anforderungen in den Inte-
grationskursen mit Geflüchteten gerecht zu werden?
a) Werden Qualifizierungen für Alphabetisierungskurse angeboten?
b) Werden Qualifizierungen für die Arbeit mit traumatisierten Geflüchteten

angeboten?
c) Werden Qualifizierungen im Bereich inklusiver Didaktik für die Arbeit

mit Geflüchteten mit Behinderung angeboten?
d) Wurden Qualifizierungsmaßnahmen in den letzten Monaten gestrichen?

Wenn ja, welche, und warum?

Drucksache 18/8062 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

e) Wie viele Mittel standen im Bundeshaushalt für die Qualifikation von In-
tegrationslehrkräften in den Jahren 2012 bis 2016 jährlich zur Verfügung,
und welche Summe ist für das Jahr 2017 geplant?

f) Beabsichtigt die Bundesregierung, die Lehrkräfte in den Integrationskur-
sen durch den Einsatz von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern zu un-
terstützen, um insbesondere traumatisierten Geflüchteten gerecht zu wer-
den?
Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 8. April 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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