BT-Drucksache 18/3835

Ja zur Meinungsfreiheit, nein zur Folter - Menschenrechte in Saudi-Arabien schützen, Raif Badawi freilassen

Vom 28. Januar 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3835
18. Wahlperiode 28.01.2015
Antrag
der Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt, Tom Koenigs, Agnieszka Brugger
Tabea Rößner, Renate Künast, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen),
Dr. Franziska Brantner, Kai Gehring, Uwe Kekeritz, Dr. Tobias Lindner, Omid
Nouripour, Cem Özdemir, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof
Schmidt, Jürgen Trittin, Doris Wagner, Luise Amtsberg, Thomas Gambke, Britta
Haßelmann, Dieter Janecek, Katja Keul, Sven-Christian Kindler, Dr. Konstantin
von Notz, Brigitte Pothmer, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Hans-Christian
Ströbele, Dr. Julia Verlinden und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ja zur Meinungsfreiheit, nein zur Folter – Menschenrechte in Saudi-Arabien
schützen, Raif Badawi freilassen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. In Saudi-Arabien hat es unter der Herrschaft von König Abdullah bin Abdul
Asis Al-Saud nur mäßige Modernisierungsfortschritte gegeben. Die Menschen-
rechtslage in Saudi-Arabien ist nach wie vor erschreckend: neben der Prügel-
strafe gibt es die Todesstrafe mit teilweise mittelalterlichen Vollzugsmethoden
wie Enthauptungen. Hunderte sitzen in den Todeszellen, viele von ihnen (79 im
Jahre 2012) werden jedes Jahr hingerichtet, darunter auch Minderjährige. Mei-
nungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit sind stark eingeschränkt. In der
„Rangliste der Pressefreiheit“, die jährlich von „Reporter ohne Grenzen“, ver-
öffentlicht wird, befindet sich Saudi-Arabien mit Platz 164 (von 180) auf einem
der letzten Plätze. In kaum einem anderen Land sind Menschen, die nicht der
wahabitischen Auslegung des Islam folgen, Atheistinnen und Atheisten oder
Vertreterinnen und Vertreter religiöser Minderheiten derart massiven Ein-
schränkungen und Repressalien ausgesetzt wie in Saudi-Arabien. Oppositio-
nelle und Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger werden verfolgt und
inhaftiert, Gerichtsverfahren verlaufen unfair. Die Folterer kommen straflos da-
von. Menschenrechtsverletzungen, insbesondere an Frauen, Homosexuellen
sind an der Tagesordnung, auch an ausländischen Arbeitsmigrantinnen und Ar-
beitsmigranten, die ein Drittel der saudischen Bevölkerung stellen.

2. Angesichts dieser Situation ist es umso wichtiger, dass es Menschen gibt, die es
unter diesen repressiven Bedingungen wagen, ihre Meinung frei zu äußern.
Ihnen gebührt unser Respekt und Schutz. Im Juni 2012 wurde der Blogger und
Internetaktivist Raif Badawi verhaftet. Wegen „Beleidigung des Islam“ wurde
er im November 2014 zu einer zehnjährigen Gefängnisstrafe, einer Geldstrafe
und zu 1000 Stock- und Peitschenhieben verurteilt. Nachdem die erste Einheit
von 50 Peitschenhieben am 9. Januar 2015 öffentlich vollstreckt wurde, ist die

Drucksache 18/3835 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

weitere Vollstreckung aufgrund der noch nicht verheilten Wunden zumindest
momentan ausgesetzt.

Badawis Anwalt, der 35-jährige Menschenrechtsverteidiger Waleed Abu al-
Khair, wurde 2014 zu 15 Jahren Haft, einer hohen Geldstrafe und einem 15-
jährigen Reiseverbot verurteilt. Wie Badawi befindet er sich derzeit in Haft.

Mutige Menschenrechtsverteidiger wie Raif Badawi und sein Anwalt Waleed
Abu al-Khair benötigen unsere Solidarität, unsere Unterstützung und unseren
Schutz. Die Prügelstrafe und Hinrichtungen müssen sofort ausgesetzt und gene-
rell abgeschafft werden. Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger, die
nichts anderes getan haben, als mit friedlichen Mitteln ihre Meinung zu äußern,
müssen freigelassen werden.

3. Die Politik der Bundesregierung gegenüber Saudi-Arabien ist geprägt von Lip-
penbekenntnissen für die Menschenrechte einerseits und enger wirtschaftlicher
Zusammenarbeit andererseits. Deutschland ist neben den USA und China einer
der wichtigsten Lieferanten.

In der Kritik stehen dabei insbesondere die deutschen Rüstungsgeschäfte. Ent-
gegen den eigenen politischen Richtlinien und gegen lautstarke Proteste lieferte
die Bundesregierung in den vergangenen Jahren weiterhin im massiven Umfang
Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien. Bereits im ersten
Halbjahr 2014 betrug der Umfang genehmigter Rüstungsexportgüter 65,9 Mil-
lionen Euro.

Die Bundesregierung hat dabei die menschenrechtlichen Kriterien jedoch völlig
ausgeblendet und betonte lediglich die besondere industrie- und beschäftigungs-
politische Bedeutung dieser Geschäfte. Gerade dieses Argument darf jedoch,
folgt man den Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von
Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, keine Rolle spielen. Darüber hin-
aus werden Geschäfte wie die geplante Lieferung von 146 Patrouillenbooten zu-
sätzlich mit Hermesbürgschaften abgesichert.

Laut Presseberichten hat die Bundesregierung angeblich nun weitere Rüstungs-
geschäfte mit Saudi-Arabien ausgesetzt. Die Bundesregierung muss nun genau
darlegen, ob sie an dieser Stelle wirklich einen Kurswechsel vollzieht, welche
Geschäfte davon betroffen sind und auch bereits in der Vergangenheit erteilte
Genehmigungen neu prüfen und ggf. zurücknehmen.

4. In Saudi-Arabien muss es einen politischen Kurswechsel geben. Auch die deut-
schen Rüstungsgeschäfte mit Saudi-Arabien und die Zusammenarbeit im Si-
cherheitsbereich dürfen nicht wie bisher weiterlaufen. Die Bundesregierung
muss den Wortlaut und die menschenrechtliche Basis der eigenen Rüstungsex-
portrichtlinien ernstnehmen. Menschenrechte müssen ein zentraler Bestandteil
deutscher Außenpolitik sein. Dazu gehört auch, den Austausch der deutschen
und saudischen Zivilgesellschaft durch gezielte Programme (z. B. durch Stipen-
dienprogramme für kritische Journalistinnen und Journalisten) zu fördern und
so Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten vor Ort zu stärken. Und dazu
gehört, Menschenrechtsverletzungen unmissverständlich beim Namen zu nen-
nen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich sowohl multi- wie bilateral nachdrücklich und auf allen politischen Ebenen
für die Freilassung Raif Badawis und seines Anwalts Waleed Abu al-Khair ein-
zusetzen;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3835
2. Prügelstrafen als Folter zu benennen und sich sowohl multi- wie bilateral nach-

drücklich und auf allen politischen Ebenen für die sofortige Aufhebung und ge-
nerelle Abschaffung von Körperstrafen einzusetzen;

3. bei den anstehenden Reisen von Bundesaußenminister Steinmeier und Vize-
kanzler Gabriel die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien und das Vorge-
hen gegen Raif Badawi und seinen Anwalt Waleed Abu al-Khair klar und un-
missverständlich anzusprechen;

4. sich für Meinungs- und Pressefreiheit und das Verbot von Zensur in Saudi-Ara-
bien einzusetzen;

5. den Austausch der deutschen und saudischen Zivilgesellschaft durch gezielte
Programme zu verstärken;

6. die umfangreichen Rüstungsgeschäfte – auch im Bereich der Überwachungs-
technologien – mit Saudi-Arabien umgehend zu stoppen und Exportgenehmi-
gungen aus der Vergangenheit neu zu prüfen und ggf. zu widerrufen und Trans-
parenz darüber herzustellen, ob nun ein Rüstungsexportstopp nach Saudi-Ara-
bien im Bundessicherheitsrat beschlossen wurde und welche Geschäfte davon
umfasst sind;

7. das Sicherheitsabkommen mit Saudi-Arabien aufzukündigen.

Berlin, den 27. Januar 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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