BT-Drucksache 18/2741

Gesetzliche Deckelung und Veröffentlichung der Zinssätze für Dispo- und Überziehungskredite

Vom 7. Oktober 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2741
18. Wahlperiode 07.10.2014
Antrag
der Abgeordneten Caren Lay, Klaus Ernst, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens,
Karin Binder, Matthias W. Birkwald, Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Roland
Claus, Susanna Karawanskij, Kerstin Kassner, Jutta Krellmann, Sabine Leidig,
Ralph Lenkert, Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Thomas Nord,
Richard Pitterle, Michael Schlecht, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Axel Troost,
Dr. Sahra Wagenknecht, Hubertus Zdebel und der Fraktion DIE LINKE.

Gesetzliche Deckelung und Veröffentlichung der Zinssätze für Dispo- und
Überziehungskredite

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Selbstverpflichtungen und Mahnungen zur fairen Zinsanpassung haben bisher wenig
gebracht. Der gesunkene Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) setzt sich
nicht in gesunkenen Dispozinsen fort. Nur ein Sechstel der Banken hat ihren Dispo-
zins seit letztem Jahr um wenigstens ein Prozent gesenkt. Der Durchschnittszins ver-
bleibt bei über zehn Prozent. Jeder Prozentpunkt mehr bereichert die Banken um 380
Mio. Euro (Finanztest 10/2014). Kreditinstitute reichen die billigen Kredite, die sie
von der Europäischen Zentralbank bekommen, nicht an die Verbraucherinnen und
Verbraucher weiter. Sie haben den Rekordabstand zum Vergleichszins dauerhaft
festgeschrieben.

Während die deutschen Kreditinstitute jährlich Milliarden an ihnen verdienen, be-
lasten sie unverhältnismäßig oft Arbeitslose, Alleinerziehende, Familien mit Kin-
dern, Niedrigverdienerinnen und -verdiener sowie Selbständige (Studie zu Dispo-
zinsen/Ratenkrediten des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH
(ZEW) und des Instituts für Finanzdienstleistungen (iff), Juli 2012).

Warnhinweise und Beratungspflichten werden das Zinsniveau nicht senken. Zur
Korrektur von Marktversagen taugen diese Maßnahmen nichts. Aber auch bei der
Bekämpfung der Verbraucherverschuldung sind sie ineffektiv. Ist das persönliche
Finanzbudget des Kunden bzw. der Kundin ausgeschöpft, nutzt die Warnung nichts.
Außerdem stehen einer unabhängigen Beratung die wirtschaftlichen Interessen der
Banken entgegen. Ohne Rückzahlung des Dispokredits kann die Verbraucherin bzw.
der Verbraucher außerdem die Bank nicht wechseln. Darüber hinaus mangelt es an
einer aufsichtsbehördlichen Überwachung, da die Bundesanstalt für Finanzdienst-
leistungsaufsicht (BaFin) diese Aufgabe in Wirklichkeit nicht flächendeckend um-
setzen kann.

Drucksache 18/2741 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf

vorzulegen, mit dem

1. der Zinssatz für eingeräumte Dispositionskredite wie auch der Zinssatz für ge-
duldete Überziehungskredite auf maximal 5 Prozentpunkte über dem Leitzins-
satz der Europäischen Zentralbank (EZB) gedeckelt wird,

2. die Banken verpflichtet werden, die aktuellen Zinssätze im Internet und deutlich
sichtbar in den Filialen zu veröffentlichen,

3. eine Kündigungsfrist des Dispo- und Überziehungskredits von mindestens vier
Wochen vorgeschrieben wird.

Berlin, den 7. Oktober 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Die Ministerinnen, Minister, Senatorinnen und Senatoren der Verbraucherschutzresorts der Länder haben auf
ihrer 10. Verbraucherschutzministerkonferenz am 16. Mai 2014 mehrheitlich unter TOP 41 die Bundesregie-
rung aufgefordert, eine gesetzliche Deckelung der Zinsen für Dispositions- und Überziehungskredite auf Basis
eines marktabhängig schwankenden Referenzzinses festzulegen. Dem Beschluss ging eine Initiative der SPD-
LINKE-Landesregierung Brandenburgs voraus, die sich auch im Bundesrat für einen Beschluss zur Begren-
zung des Zinssatzes eingesetzt hat.

3,7 Mrd. Euro verdiente die deutsche Kreditwirtschaft 2011 mit Dispozinsen (manager magazin online vom
19.08.2013 „Warum Banken um den hohen Dispozins kämpfen“). Trotz anhaltender öffentlicher Debatte um
die marktfernen Zinsen für Dispokredite haben die Banken ihre Dispo- und Überziehungszinsen nur marginal
nach unten korrigiert. Nach Berechnungen von „Finanztest“ betrug 2014 der durchschnittliche Dispozinssatz
in Deutschland 10,65 Prozent (Stiftung Warentest, Finanztest 10/14). Die Kreditinstitute haben den Zins inner-
halb von einem Jahr nur um 0,66 Prozent gesenkt. Darüber hinaus verlangen noch immer viele Banken einen
Strafzins bei Überschreitung des Disporahmens. Dieser liegt zwischen 3 bis 5 Prozent über dem Zins für den
vereinbarten Dispokredit. Der Zinssatz der EZB hingegen, zu dem sich die Banken derzeit frisches Geld leihen
können, beträgt lediglich 0,05 Prozent. Diese Diskrepanz bei den Bruttomargen kann nicht mit notwendigen
Kosten begründet werden (J. Köndgen, Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft (ZBB), 15. Juni 2014, S.
156). Hier liegt Marktversagen vor, das reguliert werden muss. Außerdem sind Preisobergrenzen auch in an-
deren Sparten übliche Regulierungspolitik (z. B. Verzugszinssatz bei Verbrauchergeldschulden, Telefonpreise
oder Gebühren für mobiles Internetsurfen im Ausland (sog. Daten-Roaming)).

Zu 1) Die 5-Prozentpunkte-Grenze über dem Leitzins der EZB ist gerechtfertigt. Zur Orientierung ist der Ver-
zugszinssatz bei Verbrauchergeldschulden, welcher auf fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz gemäß
§ 288 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gesetzlich festgelegt ist, heranzuziehen. Es ist auch wirtschaft-
lich machbar, denn es gibt bereits heute einige Banken, die Dispozinsen von fünf Prozent anbieten (Finanztest
10/2014). Zinssätze von zwei Prozent und weniger sind heute bei anderen Kreditverträgen üblich. Der durch-
schnittliche Zinssatz für Ratenkredite beträgt derzeit fünf Prozent (www.fmh.de), obwohl diese Kreditform
nicht weniger arbeitsintensiv ist als ein Dispokredit (J. Köndgen, Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft
(ZBB), 15. Juni 2014, S. 163 und 166 f.). Ferner liegt das Ausfallrisiko bei Dispokrediten bei unter einem
Prozent, bei Ratenkrediten hingegen bei zwei Prozent. Zwei Milliarden Euro könnten die Verbraucherinnen
und Verbraucher jährlich im Durchschnitt einsparen, wenn der Zins auf fünf Prozent gedeckelt würde (bei
einem Kreditvolumen von 38 Mrd. Euro für Überziehungskredite).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2741
Zu 2) Ein Drittel der Banken veröffentlicht den Dispozins nach wie vor nicht im Internet, trotz Aufforderung
durch die eigenen Bankenverbände. In den Bankfilialen muss die Information über die Diposzinshöhe vielfach
gesucht oder erfragt werden (Stiftung Warentest, Finanztest 10/14). Die Veröffentlichung der Dispozinsen al-
leine ist jedoch nicht ausreichend, um dem Marktversagen entgegenzuwirken. Aus der öffentlichen Anhörung
des Rechts- und Verbraucherausschusses des Bundestages am 24. September 2014 hat sich ergeben, dass die
Höhe des Dispozinssatzes für Kundinnen und Kunden nur ein marginaler Entscheidungsgrund dafür ist, wel-
ches Bankinstitut sie wählen. Keine Kundin oder Kunde geht zu diesem Zeitpunkt davon aus, den Dispokredit
gegebenenfalls längerfristig in Anspruch nehmen zu müssen.

Zu 3) Dispokredite sind jederzeit fristlos kündbar. Also zu oft kündigen Banken den Kredit bei längerer Inan-
spruchnahme von einem Tag auf den anderen, bevorzugt am Monatsende, nach Eingang des letzten Gehaltes
(26. Sitzung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am 24. September 2014, öffentliche Anhörung
zu den Anträgen der Fraktion DIE LINKE. (Bundestagsdrucksache 18/807) und der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN (Bundestagsdrucksache 18/1342). Die Kundinnen und Kunden werden durch die Kündigung
über Nacht in eine existenzielle Notlage getrieben. Für den Lebensbedarf steht kein Geld mehr zur Verfügung,
stattdessen wird der Gläubiger bedient. Durch die Verrechnungsmöglichkeit im Debet ist auch die Schutzwir-
kung des Pfändungsschutzkontos ausgesetzt.

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