BT-Drucksache 18/2476

Auswirkungen des Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und Kanada (CETA)

Vom 2. September 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2476
18. Wahlperiode 02.09.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katharina Dröge, Bärbel Höhn, Kerstin Andreae,
Harald Ebner, Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, Dieter Janecek, Katja Keul,
Oliver Krischer, Christian Kühn (Tübingen), Renate Künast, Monika Lazar,
Nicole Maisch, Peter Meiwald, Irene Mihalic, Beate Müller-Gemmeke, Özcan Mutlu,
Dr. Konstantin von Notz, Lisa Paus, Brigitte Pothmer, Corinna Rüffer,
Dr. Gerhard Schick, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Hans-Christian Ströbele,
Dr. Julia Verlinden und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Auswirkungen des Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union
und Kanada (CETA)

Am 8. August 2014 wurde dem Deutschen Bundestag der Vertragstext für ein
Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada (Comprehensive
Economic and Trade Agreement – CETA) übermittelt. Mit den Verhandlungen
gehen wachsende Befürchtungen in den Parlamenten und der Zivilgesellschaft
einher, dass in aller Stille wichtige Umwelt-, Verbraucher-, Sozial- und Daten-
schutzstandards abgesenkt werden sollen. Zudem drohen die Einführung von In-
vestor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren und damit die Gefahr, dass künftig durch
Klagen von Unternehmen nationale Rechtssysteme unterlaufen werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie bewertet die Bundesregierung das vorliegende Verhandlungsergebnis

(CETA consolidated text sowie EU-Dok. 132/2014 – 139/2014, Stand vom
5. August 2014)?

2. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der weitere Zeitplan für den Ab-
schluss des Abkommens auf EU-Ebene und ggf. für die Ratifikation in den
Mitgliedstaaten der Europäischen Union?

3. Wann wird in welchen Gremien auf europäischer Ebene der Vertragstext dis-
kutiert und abgestimmt?

4. Zu welchem Zeitpunkt werden nach Kenntnis der Bundesregierung welche
Teile des Abkommens in Kraft treten?

5. Wird die Bundesregierung einem vorläufigen Inkrafttreten des Abkommens
zustimmen, bevor die Ratifikation durch die Mitgliedstaaten der Europä-
ischen Union erfolgt ist?
Wenn ja, welche Konsequenzen würden sich für das Abkommen im Falle
einer Nichtratifikation durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europä-
ischen Union ergeben?
Würde der Vertrag dann ganz oder teilweise ausgesetzt, und wenn nein, wa-
rum nicht?

Drucksache 18/2476 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
6. Wird die Bundesregierung dem Abkommen in der jetzigen Form im Euro-
päischen Rat zustimmen?

7. Sollten Änderungsbedarfe aus der Einschätzung der Bundesregierung bzw.
der Bundesländer des CETA-Textes erwachsen, wie würde ein entsprechen-
der Nachverhandlungsprozess prozedural erwirkt, und wie würde er ablau-
fen?

8. Welche Artikel und Vertragstexte müssten aus Sicht der Bundesregierung
geändert bzw. nachverhandelt werden?

9. Welche mitgliedstaatlichen Kompetenzen sind nach Auffassung der Bun-
desregierung von welchen Teilen des jetzigen Entwurfstextes des Abkom-
mens berührt, und ergäbe sich hieraus nach Auffassung der Bundesregierung
ein Zustimmungserfordernis durch den Deutschen Bundestag und Bundes-
rat, wenn es hier nicht mehr zu wesentlichen Änderungen kommt?

10. Wann wird bzw. wurde der CETA-Vertragstext zur Prüfung der Zustim-
mungsbedürftigkeit durch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union an
den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) geleitet?

11. Plant die Bundesregierung gegebenenfalls, selbst ein Gutachten des EuGH
nach Artikel 218 (11) AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europä-
ischen Union) zur Überprüfung der vom CETA berührten Kompetenzen der
Mitgliedstaaten der Europäischen Union einzuholen?

12. Bis wann rechnet die Bundesregierung mit einer Einschätzung durch den
EuGH und sieht sie für den Fall, dass das Gutachten des EuGH zu einem
von der Auffassung der Bundesregierung abweichenden Ergebnis kommt,
danach noch eine rechtliche Möglichkeit (z. B. Nichtigkeitsklage gegen den
Ratsbeschluss zur Ratifikation des Abkommens nach Artikel 263 AEUV)
oder politischen Spielraum, auf ihrer Rechtsauffassung (gemischtes Ab-
kommen) zu bestehen und diese durchzusetzen?

Regulatorische Kooperation
13. Wie bewertet die Bundesregierung die Bestimmungen im CETA, dass im

Rahmen der regulatorischen Kooperation bei künftigen Regulierungsvor-
haben die kanadische Regierung bereits in der Planungsphase bzw. so früh
wie möglich eingebunden werden soll und insbesondere nicht öffentliche
Informationen geteilt werden sollen (vgl. S. 402 ff. CETA-Vertragstext),
und welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung durch diese Ver-
einbarungen für die bisherige Praxis der Regulierung in der Europäischen
Union?

14. Wie bewertet die Bundesregierung die Bestimmungen im CETA, dass im
Rahmen der regulatorischen Kooperation bei künftigen Regulierungsvor-
haben im Bereich gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher
Maßnahmen die kanadische Regierung so früh wie möglich eingebunden
werden soll, um Kommentare und Änderungsvorschläge einbringen zu kön-
nen, und welche Auswirkungen bzw. Veränderungen erwartet die Bundes-
regierung durch diese Vereinbarungen für die bisherige Praxis der Regulie-
rung in der Europäischen Union?

15. Welche neuen, konkreten Verpflichtungen erwachsen für die einzelnen Mit-
gliedstaaten der Europäischen Union bzw. für Deutschland durch die Be-
stimmungen zur regulatorischen Kooperation im CETA im Rahmen natio-
naler Regulierungsaktivitäten?

16. Inwieweit würde nach Kenntnis der Bundesregierung die im Vertragstext
vorgesehene Pflicht zur frühzeitigen gegenseitigen Information über neue
Regulierungsvorhaben oder geplante Änderungen an bestehenden Regulie-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2476
rungen z. B. im Biotechnologiebereich (S. 449) bedeuten, dass die kanadi-
sche Seite über Regulierungsvorhaben noch vor den Parlamenten der Mit-
gliedstaaten der Europäischen Union oder dem Europäischen Parlament in-
formiert wird?

17. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass das Ziel der regula-
torischen Kooperation bei gentechnisch veränderten Organismen (GVO)
mit Kanada nicht die Sicherung eines hohen Schutzniveaus für Verbraucher
und Umwelt sein soll, sondern die Minimierung von Handelshemmnissen
(„to minimize adverse trade impacts of regulatory practices“)?

18. Inwiefern wäre eine neue Umweltgesetzgebung durch das „Right to regu-
late“ vor Investorenklagen geschützt?
Unter welchen Umständen könnten Investoren trotz dieses Rechtes bei
neuen Umweltgesetzen auf Schadensersatz klagen?

19. Inwiefern sieht die Bundesregierung das „Right to regulate“ beziehungs-
weise die Möglichkeit verbindlicher Standardsetzung geschwächt durch die
Formulierung, es sollten „voluntary schemes relating tot he sustainable pro-
duction of goods and services“ (S. 378) vorangebracht werden?

20. Inwiefern umfasst das Right to regulate auch die nationale Gesetzgebung
zum Schutz von Verbrauchern und zum Schutz von Tieren?

Investitionsschutz und Investor-Staaten-Schiedsgerichtsverfahren
21. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es der von der Europäischen

Kommission zur öffentlichen Diskussion und Abstimmung gestellte Text im
Rahmen des Konsultationsverfahrens zum Investitionsschutzkapitel im
Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) größtenteils und weitest-
gehend wortgleich dem Kapitel 10 Section 4 (Investment Protection) und
Section 6 (Investor-State Dispute Settlement) entsprechen?

22. Sieht die Bundesregierung darin eine Entwertung des Konsultationsver-
fahrens im Rahmen vom TTIP, wenn vor Auswertung des Konsultations-
verfahrens der wortgleiche Text im CETA Bestandteil des aus der Sicht der
Europäischen Kommission ausverhandelten Abkommens ist?
Wenn nein, warum nicht?

23. Könnten nach Einschätzung der Bundesregierung US-amerikanischen In-
vestoren mit Tochterunternehmen, die in Kanada substantielle geschäftliche
Aktivitäten („substantial business activities“) entfalten auf Grundlage des
Kapitels 10 des Vertragstextes – sollte dieser so Inkrafttreten – gegen euro-
päische Staaten und die Europäische Union Schiedsgerichtsverfahren ein-
leiten?

24. Sprechen aus Sicht der Bundesregierung neben dem von Mitgliedern der
Bundesregierung wiederholt vorgebrachten Argument, dass die Rechtssys-
teme beider Vertragsparteien hinreichend Rechtssicherheit für Investoren
bieten, auch spezielle inhaltliche Punkte der in Kapitel 10 Section 4 (Invest-
ment Protection) und Section 6 (Investor-State Dispute Settlement) formu-
lierten Bestimmungen gegen die Aufnahme von Bestimmungen zum Inves-
titionsschutz und Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren im CETA?

25. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass
a) der Investitionsbegriff zu weit gefasst ist?

Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, wie sollte der Investitionsbegriff aus Sicht der Bundesregierung
gefasst werden?

Drucksache 18/2476 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
b) die Einschränkung des Investorbegriffs auf Investoren, die substantielle
geschäftliche Aktivitäten („substantial business activities“) entfalten,
noch immer zu große Interpretationsmöglichkeiten und damit Rechtsun-
sicherheiten bietet?
Wenn nein, warum nicht?

c) die Einschränkung des Investorbegriffs auf Investoren, die substantielle
geschäftliche Aktivitäten („substantial business activities“) entfalten,
nicht ausschließt, dass kanadische Tochterunternehmen US-amerikani-
scher Firmen sich bei Klagen gegen EU-Staaten auf dem CETA berufen
können?

d) die allgemeine völkerrechtliche Regel, wonach ein internationales Ge-
richt erst nach Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs („exhaustion
of local remedies“) angerufen werden kann, durch das CETA ausgehebelt
und dadurch kanadischen Firmen Sonderrechte gegenüber inländischen
Firmen gewährt werden?
Wenn nein, warum nicht?

e) die Bestimmungen zu Investor-State Dispute Settlement die Einrichtung
einer Berufungsinstanz nicht zwingend vorsieht?
Wenn ja, sieht die Bundesregierung darin ein Problem?
Wenn nein, warum nicht?

f) durch Artikel X.7. (Most-Favoured-Nation Treatment) zwar der „Im-
port“ von prozeduralen Rechtsstandards ausgeschlossen ist aber substan-
zielle Standards weiterhin aus anderen Abkommen oder deren Umset-
zung „importiert“ werden können und falls ja, wie bewertet die Bundes-
regierung dies?
Wenn nein, warum nicht?
Wäre nach Ansicht der Bundesregierung beispielswiese der Import von
Standards aus der Energiecharta nach Artikel X.7. möglich, auf deren
Grundlage Vattenfall gegen Deutschland derzeit klagt?

g) der Verweis auf die „legitimen Erwartungen (legitimate expectation) in
Artikel X.9 die Konkretisierung des am meisten als Klagegrund genutzte
Grundsatz der „fairen und gleichen Behandlung“ schwächt bzw. konter-
kariert?
Wenn nein, warum nicht?

h) Ad-hoc-Schiedsverfahren einen immanenten Interessenskonflikt für die
Schiedsjuristen beinhalten, da das Einkommen der Anwälte mit der Häu-
figkeit von angerufenen Schiedsverfahren steigt und damit grundsätzlich
abzulehnen sind?
Wenn nein, warum nicht?

i) die Bestimmungen zu Investor-State Dispute Settlement für inländische
Investoren wettbewerbsverzerrende Wirkungen dahingehend entfalten,
dass diese an die ordentlichen innerstaatlichen Gerichte verwiesen sind,
während ausländische Investoren umgehend von der Schiedsgerichtsbar-
keit Gebrauch machen können?
Wenn nein, warum nicht?

26. Wäre nach Auffassung der Bundesregierung die Einrichtung einer Beru-
fungsinstanz für Schiedsverfahren nach diesem Abkommen ohne eine Än-
derung des Abkommens möglich oder beinhaltet Artikel X.42. Absatz 1
Buchstabe c lediglich einen Prüfauftrag?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2476
27. Geht nach Auffassung der Bundesregierung eine präjudizierende Wirkung
von der Aufnahme eines Investitionsschutzkapitels im CETA auf das TTIP
aus, und wenn nein, warum nicht?

28. Bedeutet die Aussage der Bundesregierung, dass im Falle des bereits ausge-
handelten Freihandelsabkommens CETA die Bundesregierung zwischen
dem europäischen Gesamtinteresse an so einem Abkommen und den eige-
nen Vorbehalten gegen Investitionsschutzklauseln abwägen muss, dass im
Falle des noch nicht ausgehandelten Freihandelsabkommen mit den USA
(TTIP) die Situation eine andere ist und die Bundesregierung TTIP nicht zu-
stimmen wird, wenn eine Investitionsschutzklausel enthalten ist?
a) Wenn nein, warum nicht?
b) Wenn ja, wie wird die Bundesregierung ihre Position gegenüber der ver-

handlungsführenden Kommission deutlich machen?
c) Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit vor Abschluss der Verhand-

lungen über TTIP eine Abstimmung über das Investitionsschutzkapitel in
TTIP im Europäischen Rat herbeizuführen?

Landwirtschaft/Lebensmittel/Verbraucherschutz
29. Welche Chancen und Risiken bietet das CETA-Abkommen in der vorliegen-

den Fassung nach Einschätzung der Bundesregierung für die deutsche
Land- und Lebensmittelwirtschaft?

30. Welcher zusätzliche Druck auf die Erzeugerpreise könnte nach Einschät-
zung der Bundesregierung von der Einräumung zusätzlicher Einfuhrkontin-
gente gegenüber Kanada ausgehen, mit welchen Konsequenzen für die Er-
zeuger und die Bemühungen um tiergerechtere Haltungsbedingungen?

31. In welchen Aspekten geht die geplante Kooperation zu Biotechnologie über
den bisherigen Dialog hinaus?

32. In welcher Weise wird sich die EU-Zulassungspraxis für GVO nach Auffas-
sung der Bundesregierung durch die Vereinbarung mit Kanada verändern,
die eine Unterstützung für „efficient science-based approval processes for
products of biotechnology“ vorsieht, insbesondere vor dem Hintergrund
eines vom EU-Zulassungsverfahren stark abweichenden, auf der Risiko-
einschätzung der Antragsteller basierenden Zulassungsprozesses für GVO
in Kanada?

33. Falls nach Einschätzung der Bundesregierung keine wesentlichen Änderun-
gen der EU-Zulassungspraxis zu erwarten sind, welche konkreten Auswir-
kungen sind aus Sicht der Bundesregierung von der zitierten Passage im
Vertragstext zu erwarten?

34. Inwieweit gibt es aus Sicht der Bundesregierung einen Konflikt zwischen
der zitierten Passage und dem in den EU-Verträgen verankerten Vorsorge-
prinzip?

35. Inwieweit wäre es nach einem Abschluss des CETA-Abkommens in der
jetzt vorliegenden Form aus Sicht der Bundesregierung noch möglich, die
Risikobewertung in den EU-Zulassungsverfahren für GVO um sozio-öko-
nomische oder ethische Auswirkungen durch GVO zu ergänzen, wie es z. B.
der Rat der EU-Umweltminister (2008) oder das Europäische Parlament
(2011) gefordert haben?

36. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung in diesem Zusam-
menhang aus den Ergebnissen eines aktuellen Gutachtens des Wissenschaft-
lichen Dienstes des Deutschen Bundestages (Hannes Rathke: „EU-Kenn-
zeichnungspflicht für Lebensmittel aus mit GVO gefütterten Tieren“), wo-

Drucksache 18/2476 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
nach ein Abschluss des CETA-Abkommens die von der Bundesregierung
laut Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD (S. 124) angestrebte
Kennzeichnungspflicht für tierische Lebensmittel, die mit GVO-Futter-
mitteln erzeugt wurden, massiv erschweren bzw. die Erfolgsaussichten für
Investitionsschutzklagen gegen eine erweiterte Kennzeichnung erhöhen
würde bzw. Klagen durch multinationale Konzerne zu befürchten wären?

37. Wie bewertet die Bundesregierung die Gefahr einer schleichenden Verun-
reinigung von Lebens- und Futtermitteln sowie Saatgut mit GVO durch die
in dem Abkommen getroffene Vereinbarung, gemeinsam an einer interna-
tionalen Regelung für den Umgang mit den Spurenverunreinigungen („low
level presence“) durch GVO mit Kanada zu arbeiten?
Inwieweit leistet diese Vereinbarung einer Ablösung der strikten EU-Null-
toleranz gegenüber Verunreinigungen mit den in der Europäischen Union
(EU) nicht zugelassenen GVO in Lebensmitteln und Saatgut durch eine
„technische Lösung“ (Einführung von Schwellenwerten) Vorschub?

38. Inwieweit wäre aus Sicht der Bundesregierung eine Zustimmung Deutsch-
lands zum vorliegenden Vertragstext im Europäischen Rat bzw. im Rat der
Europäischen Union mit der im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und
SPD verankerten „Anerkennung der Vorbehalte eines Großteils der Bevöl-
kerung“ gegen die Agrogentechnik vereinbar?

39. Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass im Kapitel zu Sani-
tären und Phytosanitären Maßnahmen (SPS) in Artikel 7 als Maßstab für
eine Äquivalenz von in der EU bzw. in Kanada etablierten Regulierungen
das „Schutzniveau“ („level of protection“), aber nicht die Regulierungsphi-
losophie (z. B. Prozess- vs. Produktqualität) vereinbart wird?

40. Inwieweit werden nach Kenntnis der Bundesregierung Beschlüsse des Joint
Management Committee (JMC) zur Änderung der SPS-Vereinbarungen im
Rahmen der vorgesehenen „Bestätigung“ durch die Vertragsparteien inhalt-
lich verändert werden bzw. inwiefern ist aus Sicht der Bundesregierung eine
angemessene demokratische Vorbereitung oder Kontrolle von Entscheidun-
gen des JMC gewährleistet?

41. Über welche Informationen verfügt die Bundesregierung zu den geplanten
Inhalten des Anhangs B zum SPS-Kapitel (S. 125 des Vertragsentwurfs), die
laut Vertragstext „zu einem späteren Zeitpunkt“ paraphiert werden sollen
(„to be established at a later stage“)?

42. Auf welche Version des Abkommens (1972, 1978 oder 1991) zum Schutz
von Pflanzenzüchtungen (UPOV-Konvention) bezieht sich nach Kenntnis
der Bundesregierung die Vereinbarung auf Seite 354, wonach sich die Ver-
tragsparteien dazu verpflichten, den Sortenschutz von Pflanzensorten „auf
Basis“ des Internationalen Verbandes zum Schutz von Pflanzenzüchtungen
(UPOV) zu „bewerben und zu verstärken“ („promote and reinforce“)?

43. Wie bewertet die Bundesregierung, dass in dem Abkommen zwar viele der
europäischen Herkunftsindikationen (geographical indications – GIs) ge-
schützt werden, allerdings nur in englischer und französischer Sprache?

44. Werden angesichts eines verstärkten Handels zwischen Kanada und Europa
Regelungen zur Prävention bisher in der EU bzw. Kanada nicht verbreiteter
Tierseuchen getroffen?
Welche Regelungen werden getroffen, und wie bewertet die Bundesregie-
rung diese?

45. Werden angesichts eines durch das Abkommen verstärkten Handels zwi-
schen der EU und Kanada spezielle Regelungen zur Lebensmittelsicherheit
getroffen, und wie bewertet die Bundesregierung diese?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/2476
46. Welche Regelungen werden in dem Abkommen zur Aufdeckung und Prä-
vention von Betrug in der Lebensmittelkette getroffen, und wie bewertet die
Bundesregierung diese, auch vor dem Hintergrund der europäischen Dis-
kussion um Schwachstellen und mögliche weitere Maßnahmen auf europä-
ischer Ebene?

47. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den unterschiedlichen
Ansätzen zu Kennzeichnungs- und Transparenzpflichten, und kann garan-
tiert werden, dass die bestehenden Kennzeichnungs- und Transparenzvor-
schriften in Deutschland und der EU aufrechterhalten bleiben sowie in Zu-
kunft weitergehende Regelungen etabliert werden können?

48. Welche Regelungen werden in dem Abkommen zur Anerkennung und Har-
monisierung von Zulassungsverfahren, z. B. für Lebensmittelzusatzstoffe
oder Pflanzenschutzmittel getroffen, und wie bewertet die Bundesregierung
diese?

49. Wie bewertet die Bundesregierung die Vereinbarung über die mindestens
zehnjährige Datenschutzfrist bei der Zulassung neuer Pflanzenschutzwirk-
stoffe?
Hält sie diese für zu lange angesichts der Forderungen, diese zeitnah für
weitere Forschungsarbeiten, auch für in der Zulassung nicht getestete Aus-
wirkungen zur Verfügung zu stellen?

Umwelt/Energie
50. Inwiefern sieht die Bundesregierung das „Right to regulate“ geschwächt

durch die Formulierung im Kapitel „Trade and Environment“, die Umwelt-
regulierung habe „in a manner consistent with […] this Agreement“ zu er-
folgen?
Ist nach Auffassung der Bundesregierung der CETA-Vertragstext dem
Recht auf Umweltregulierung übergeordnet?

51. Welche Produktstandards muss kanadisches Fleisch nach Inkrafttreten er-
füllen, um in die EU eingeführt werden zu dürfen (bitte spezifizieren)?

52. Inwiefern können sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union in den
Arbeitsgruppen zu sanitären und phytosanitären Maßnahmen auch durch
Wirtschaftsvertreter repräsentieren lassen?

53. Wird es nach Einschätzung der Bundesregierung mit Inkrafttreten des
CETA-Abkommens zu verstärkten Rohstoffimporten aus Kanada in die EU
und nach Deutschland kommen?
Wenn ja, welche Rohstoffe, und in welchem Umfang voraussichtlich?

54. Welche Regelungen werden zum Marktzugang für kanadische Energiekon-
zerne über die bisher geltenden Regelungen hinaus getroffen, und wie be-
wertet die Bundesregierung dies?

55. Wird das CETA-Abkommen aus Sicht der Bundesregierungen direkte oder
indirekte Auswirkungen auf die zukünftige Regulierung von Fracking in
Deutschland oder anderen EU-Ländern haben?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, welche?

56. Werden aus Sicht der Bundesregierung durch die Investitionsschutzrege-
lungen im CETA Klagen gegen das Verbot bzw. die Einschränkung von
Fracking oder auf Kompensationszahlungen in diesem Zusammenhang
wahrscheinlicher?
Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 18/2476 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Dienstleistungen
57. Wie bewertet die Bundesregierung die Liberalisierung von Dienstleistungen

im CETA im Hinblick auf die einzelnen betroffenen Bereiche (bitte jede
Branche einzeln bewerten)?

58. Wie bewertet die Bundesregierung die im CETA getroffenen Regelungen
zur öffentlichen Auftragsvergabe, und in welchem Verhältnis stehen diese
zu den bisherigen Regelungen?

59. Welche Branchen werden nach Auffassung der Bundesregierung besonders
von der Dienstleistungsliberalisierung profitieren, und mit welchen wirt-
schaftlichen Effekten rechnet die Bundesregierung dadurch für deutsche
Unternehmen?

60. Wie bewertet die Bundesregierung die im CETA getroffenen Regelungen zu
Finanzdienstleistungen und stellen diese aus Sicht der Bundesregierung
eine geeignete Grundlage dar, um künftig stärkere Verbraucherschutzstan-
dards in diesem Bereich zu etablieren?

61. Gibt es in dem Abkommen Regelungen, die die künftige Einführung einer
Besteuerung von Finanztransaktionen erschweren könnten, und wenn ja,
welche, und in welchem Maße?

62. Ist in Kapitel 11 „Cross border trade in services“ Artikel X-06, Absatz 1,
Buchstabe c als „Ratchet“-Klausel zu interpretieren, was bedeutet die ge-
nannte Regel, und für welche Fälle gilt sie (bitte Beispiel nennen)?

63. Ist im CETA an anderer Stelle eine „Ratchet“- oder „Stillstands“-Klausel
bzw. Formulierungen, die eine ähnliche Wirkung entfalten, enthalten, und
wenn ja, an welcher Stelle?

64. Wird durch das Abkommen in irgendeiner Weise der Spielraum für künftige
Rekommunalisierungen etwa durch „Standstill“- und „Ratchet-Klauseln“
bzw. ähnliche Regelungen beschnitten, und wenn ja, in welcher Weise, und
für welche Bereiche?

65. Wie beurteilt die Bundesregierung die Anwendung von Negativlisten für
Ausnahmen im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge bzw. öffentlicher
Dienstleistungen im Vergleich zu einem Positivlistenansatz, wie er etwa
auch beim Allgemeinen Übereinkommen über den Handel mit Dienstleis-
tungen (GATS) erfolgte?

66. In welcher Weise, wann, und auf welchen Ebenen hat sich die Bundesregie-
rung für die Verwendung eines Positivlistenansatzes im CETA eingesetzt,
und aus welchen Gründen ist sie gegebenenfalls damit gescheitert?

67. Warum bedarf es der Negativlisten mit Ausnahmeregelungen für den
Marktzugang und die Inländerbehandlung auch für kommunale Dienstleis-
tungen, wenn die Bundesregierung der Auffassung ist, dass die im WTO-
Dienstleistungsübereinkommen GATS übliche Generalausnahme für die
sog. public utilities den Bereich, der in Deutschland unter „Daseinsvor-
sorge“ verstanden wird, auch im CETA abdeckt (Antwort zu Frage 38 auf
die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundes-
tagsdrucksache 18/892)?

68. Entspricht der Rechtsbegriff „public utilities“ definiert unter „Reservations
Applicable throughout the European Union“ (EU-Dok 132/2014) dem der
öffentlichen Daseinsvorsorge, und hat die Bundesregierung Kenntnis von
unterschiedlichen Auslegungsformen dieses Begriffes?
Wenn ja, wie bewertet sie diese Auslegungsformen mit Blick auf die kom-
munale Daseinsvorsorge?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/2476
69. Bezieht sich die Ausnahme für public utilities nur auf staatliche Monopole
und ausschließliche Rechte?

Wenn ja, welche Formen öffentlicher Aufgabenerfüllung werden hiervon
erfasst, welche nicht?

70. Ist die Ausnahme der public utilities in Form ausschließlicher Rechte nur für
Konzessionen oder auch für öffentliche Aufträge, als gängige kommunale
Erbringungsform, z. B. im Abfallbereich, vereinbart?

71. Welche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen
hat die Tatsache, dass die Ausnahme für public utlilities nur bezogen auf den
Marktzugang und nicht auf die Inländerbehandlung ist und etwa soziale
Dienste und der Kulturbereich in der Ausnahmeformulierung der EU nicht
genannt sind?

72. Wie beurteilt die Bundesregierung den Geltungsbereich der Ausnahmen für
public utilities, die im Anhang vereinbart wurden, für weitere Disziplinen
des Abkommens, wie z. B. die innerstaatliche Regulierung, Subventionen
und öffentliche Beschaffung, und welche Auswirkungen kann dies auf die
wirtschaftliche Betätigung von Kommunen haben?

73. Welche Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge oder spezifische Rechts-
formen der kommunalen Daseinsvorsorge sind von den Negativlisten und
weiteren Regelungen des Abkommens nicht erfasst bzw. nicht vor Liberali-
sierungsverpflichtungen geschützt?

74. In welcher Weise bieten die in den Negativlisten formulierten Ausnahmen
und die enge Definition des GATS, nach denen hoheitliche Aufgaben weder
zu kommerziellen Zwecken noch im Wettbewerb mit einem oder mehreren
Anbietern erbracht werden dürfen, hinreichend Schutz auch für die zahl-
reichen Grenzbereiche von öffentlicher und privater Dienstleistungserbrin-
gung mit Wettbewerbssituationen?

75. In welcher Weise und welchen Betätigungsfeldern ist die wirtschaftliche
Betätigung von Kommunen durch die Ausnahme von öffentlichen Beschaf-
fungen von den Marktzugangs- und Nichtdiskriminierungsprinzipien, nicht
jedoch für solche die dem kommerziellen Wiederverkauf erfolgen, ein-
geschränkt?

76. In welcher Weise gilt die Investitionsschutzklausel, mit der es Unternehmen
erlaubt ist, Staaten vor nicht öffentlichen Schiedsgerichten auf entgangene
Gewinne zu verklagen, auch für den Fall, dass kommunale Entscheidungen
Investitionen von privaten Unternehmen behindern oder beeinträchtigen
würden?

77. Hält die Bundesregierung vor dem Hintergrund der laufenden TISA (Trade
in Services Agreement)-Verhandlungen, an denen sowohl Kanada als auch
die EU beteiligt sind, den vorherigen Abschluss einer Dienstleistungsver-
einbarung mit Kanada für zielführend?

78. Ist das CETA im Bereich der Dienstleistungsliberalisierung aus Sicht der
Bundesregierung eine Art „stepping stone“ auf dem Weg zu einer mög-
lichen weitergehenden (sowohl inhaltlich als auch von der Zahl der Ver-
tragspartner) Dienstleistungsvereinbarung im Rahmen vom TISA?

Wie bewertet die Bundesregierung dies?

Drucksache 18/2476 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Urheberrecht
79. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Fragesteller, dass sich

restriktive Durchsetzungsinstrumente im Urheberrecht, die seinerzeit beim
ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) scheiterten, sich nun beim
CETA wiederfinden?
Wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung dies?

Berlin, den 2. September 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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