BT-Drucksache 18/13546

Export von Überwachungstechnik und Schutz der Menschenrechte

Vom 5. September 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13546
18. Wahlperiode 05.09.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Omid Nouripour, Agnieszka Brugger, Dr. Konstantin von Notz,
Tom Koenigs, Dr. Frithjof Schmidt, Dr. Franziska Brantner, Annalena Baerbock,
Marieluise Beck (Bremen), Uwe Kekeritz, Dr. Tobias Lindner,
Cem Özdemir, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Jürgen Trittin,
Doris Wagner, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Katja Keul, Renate Künast,
Monika Lazar, Irene Mihalic und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Export von Überwachungstechnik und Schutz der Menschenrechte

Überwachungstechnologie, Zensursoftware und andere Programme zur Kon-
trolle der elektronischen Kommunikation gehören für autoritäre Regime zu den
wichtigsten Werkzeugen, um Oppositionelle und Journalistinnen und Journalis-
ten zu kontrollieren. So sind mittlerweile zahlreiche Fälle dokumentiert, in de-
nen sich Regimekritikerinnen und Regimekritiker und Journalistinnen und Jour-
nalisten in autoritären Staaten durch die Behinderung, Manipulation oder Über-
wachung von Telekommunikation sowie die Nachvollziehbarkeit ihres Mobili-
tätsverhaltens häufig erheblichen Repressionen und Menschenrechtsverletzun-
gen ausgesetzt sahen. Sehr oft wurde dabei eine Technologie europäischer Fir-
men genutzt, darunter auch Unternehmen aus Deutschland (www.csmonitor.
com/World/Middle-East/2017/0720/How-Western-spyware-is-being-used-to-
shut-down-Arab-rights-activists). Deutsche und europäische Firmen untermi-
nieren damit aus Sicht der Fragesteller die Bekenntnisse europäischer Politike-
rinnen und Politiker und zur Förderung von Menschenrechten und Demokratie.
Dies bedeutet einen erheblichen Schaden für das europäische Ansehen.
Der damalige Bundesminister für Wirtschaft und Energie Sigmar Gabriel kün-
digte im Jahr 2014 an, den Export von Überwachungstechnologie deutlich einzu-
schränken. Dennoch gibt es weiterhin Berichte über den weit verbreiteten Einsatz
europäischer Überwachungstechnologie in autoritären Staaten (www.zeit.de/
digital/datenschutz/2017-02/ueberwachung-technik-exporte-europa-kontrolle-
versagt). Die Bundesregierung räumt darüber hinaus ein, den Export von Tech-
nologie zur Bekämpfung von Terrorismus nach Ägypten genehmigt zu haben
(vgl. Schriftliche Frage 30 des Abgeordneten Omid Nouripour auf Bundestags-
drucksache 18/13076), obwohl die Terrorismusdefinition der ägyptischen Regie-
rung deutlich von der der Bundesregierung abweicht.
Um eine einheitliche europäische Regelung für den Export von Überwachungs-
software auch unter veränderten technischen und politischen Gesichtspunkten zu
erreichen, verhandelt die Europäische Union (EU) derzeit über eine Neufassung
der EU-Dual-Use-Verordnung, in denen nach dem Entwurf der Europäischen
Kommission zentrale Fortschritte zum Schutz der Menschenrechte erzielt werden
könnten. Es bedarf effektiver, verbindlicher und einheitlicher Regeln, um dieses
Reformvorhaben effektiv werden zu lassen.

Drucksache 18/13546 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwiefern sieht die Bundesregierung den Einsatz europäischer Überwa-
chungstechnologie, besonders in autoritären Staaten, als schädlich für das
Ansehen Europas an?

2. Wie hoch waren die Ausfuhren genehmigungspflichtiger Dual-Use-Güter
aus der Kategorie 5 der EU-Dual-Use-Verordnung in die folgenden Län-
der in den Jahren 2014 bis 2016, welcher Anteil davon gehört in die in
der Antwort zu Frage 1 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN, Bundestagsdrucksache 18/2374 genannten Unterkategorien:
Ägypten, Algerien, Aserbaidschan, Äthiopien, Bahrain, Iran, Jordanien, Ka-
tar, Kenia, Kuba, Kuwait, Marokko, Nigeria, Ruanda, Saudi-Arabien, Tad-
schikistan, Türkei, Turkmenistan, Uganda, Vereinigte Arabische Emirate
(bitte nach Jahren aufschlüsseln), und wie stellt die Bundesregierung jeweils
sicher, dass diese Technologien nicht zur Verletzung von Menschenrechten
eingesetzt werden?

3. Inwiefern kann die Bundesregierung ausschließen, dass von deutschen Un-
ternehmen in den Jahren 2014 bis 2016 Überwachungstechnologie in die in
der Frage 2 genannten Länder exportiert worden ist, die nicht von o. g. Ka-
tegorien erfasst ist, z. B. die in den aktuellen Diskussionen zur Neufassung
der EU-Dual-Use-Verordnung genannten und im Annex konkretisierten Ka-
tegorien „Ausrüstung zum Abhören von mobiler Telekommunikation“, „In-
trusion-Software“, „Überwachungszentren“, „Systeme zur rechtmäßigen
Überwachung und Vorratsdatenspeicherung“ oder „digitale Forensik“?

4. Inwiefern kann die Bundesregierung ausschließen, dass die in der Antwort
auf die Schriftliche Frage 30 des Abgeordneten Omid Nouripour auf Bundes-
tagsdrucksache 18/13076 genannte Technologie angesichts des Terrorismus-
begriffs der ägyptischen Regierung (vgl. www.hrw.org/news/2017/04/24/
germany/egypt-agreement-risks-complicity-abuses) nicht zur Verletzung von
Menschenrechten führt?

5. Inwiefern überprüft die Bundesregierung bei Exportanträgen von Informati-
onstechnologie, die zur Terrorismusbekämpfung eingesetzt werden soll, ob
der Empfängerstaat eine Terrorismusdefinition anwendet, die die Verletzung
von Menschenrechten ausschließt?

6. Inwiefern hält die Bundesregierung, wie in der Antwort zu Frage 28e auf die
Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bundestags-
drucksache 18/2374 angegeben, das Europäische Kontrollregime für Aus-
fuhren angesichts des Exports von Überwachungstechnologie verschiedener
europäischer Firmen an die ägyptische Regierung nach wie vor für „be-
währt“?

7. Inwiefern hat sich die Bundesregierung, wie in der Antwort zu Frage 1e auf
die Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bundes-
tagsdrucksache 18/2374, angekündigt, seit dem Jahr 2014 für Listung neuer
Technologien im Rahmen internationaler Absprachen und Übereinkommen
eingesetzt, und welche konkreten Ergebnisse hat sie dabei erzielt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/13546
8. Wie viele Lieferungen von Überwachungstechnologie und Zensursoftware
an Drittstaaten wurden im Zuge der vom Bundesminister Sigmar Gabriel an-
gekündigten strengeren Kontrolle über den Export von Überwachungstech-
nologie und Zensursoftware durch den Zoll seit September 2014 und auf-
grund welcher rechtlichen Grundlage verhindert (bitte Exportgut und Emp-
fängerland konkret angeben)?
a) Hat die Bundesregierung den betroffenen Firmen einen Vertragsverlust-

ausgleich zugesagt, und wenn ja, in welchem Umfang?
b) Wie schätzt die Bundesregierung angesichts der Tatbestandsvorausset-

zung von § 6 des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) die Einlegung von
Rechtsmitteln gegen ein solches Verbot durch Exporteure ein, die von ei-
nem darauf gestützten Ausfuhrverbot für Überwachungstechnologie be-
troffen sind?

9. Für welche der in der Untersuchung des kanadischen CitizenLab genannten
Nicht-EU-Länder (https://citizenlab.ca/2015/10/mapping-finfishers-continuing-
proliferation/) lag der Bundesregierung ein Ausfuhrantrag für die Software
FinFisher vor?
a) Wenn nicht für alle Exportanträge gestellt wurden, wie erklärt sich die

Bundesregierung diesen Umstand angesichts der Tatsache, dass die Her-
stellerfirma ihren Sitz in Deutschland hat (www.finfisher.com/FinFisher/
index.html)?

b) Falls es keine Exportanträge gab, sieht die Bundesregierung eine Geset-
zeslücke, und welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung, um
solche Exporte stärker zu kontrollieren?

c) Inwiefern geht die Bundesregierung davon aus, dass es sich bei dieser
Software um Überwachungssoftware im Sinne der in der Antwort zu
Frage 1 auf die Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bun-
destagsdrucksache 18/2374, genannten Kategorien handelt?

d) Inwiefern hat die Bundesregierung Maßnahmen getroffen, um den Ver-
kauf der Software FinFisher an Staaten zu unterbinden, die bekannterma-
ßen die Menschenrechte missachten?

10. Wie bewertet die Bundesregierung den Kommissionsentwurf (2016/0295
(COD)) für die Neufassung der Dual-Use-Verordnung sowie die vom MdEP
Prof. Dr. Klaus Buchner, zuständiger Rapporteur im Europäischen Parla-
ment, eingebrachten Änderungsvorschläge (PE602.808v01-00), gerade hin-
sichtlich den Vorschlägen für präzisere Definitionen von Überwachungs-
technologie, umfassenderen Kontrollen (u. a. Catch All) sowie einer EU-au-
tonomen Liste, mit der die EU international bei der Kontrolle von Überwa-
chungstechnologie vorangehen würde und neue Standards zum Schutz der
Menschenrechte etablieren würde?

11. Inwiefern befürwortet die Bundesregierung Ideen und Bemühungen auf na-
tionaler und europäischer Ebene, die EU-Dual-Use-Verordnung im Zuge der
Reform aufzuteilen, sodass beispielsweise für erst vor einigen Jahren dem
Regime hinzugefügte Überwachungstechnologie andere Kontrollregime ein-
geführt werden könnten als für „klassische“ Dual-Use-Güter?

Berlin, den 5. September 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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