BT-Drucksache 18/13380

Zukunft der humanitären und zivilen Seenotrettung im Mittelmeer

Vom 21. August 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/13380
18. Wahlperiode 21.08.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Luise Amtsberg, Omid Nouripour, Dr. Franziska Brantner,
Dr. Frithjof Schmidt, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen),
Agnieszka Brugger, Uwe Kekeritz, Tom Koenigs, Dr. Tobias Lindner,
Cem Özdemir, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Jürgen Trittin,
Doris Wagner, Volker Beck (Köln), Katja Keul, Monika Lazar,
Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zukunft der humanitären und zivilen Seenotrettung im Mittelmeer

Mitte August dieses Jahres haben erste humanitäre Organisationen damit begon-
nen, ihre Seenotrettungsaktionen für Bootsflüchtlinge im Mittelmeer einzustel-
len, nachdem die Regierung Libyens angekündigt hatte, eine über ihre Territori-
algewässer hinausreichende Such- und Rettungszone (Search and Rescue Zone)
einzurichten, innerhalb derer sie beansprucht, die Seenotrettung allein durch die
libysche Küstenwache durchzuführen und zu kontrollieren und eine durch die
libysche Seite nicht autorisierte Seenotrettung (insbesondere durch humanitäre
Organisationen) zu verhindern bzw. zu unterbinden.
Seit Oktober letzten Jahres wurden die Schiffe humanitärer Seenotrettungsorga-
nisationen durch die libysche Küstenwache nicht nur durch riskante Manöver auf
Hoher See gefährdet, sondern auch beschossen.
Aber anstatt sich an die Seite der Seenotrettungsorganisationen und ihres huma-
nitären Auftrags zu stellen, hatte Italien in den letzten Wochen damit begonnen –
in Umsetzung eines Beschlusses der EU-Innenminister – mit den Seenotrettungs-
organisationen über einen ihren Aktionsradius stark einschränkenden „Verhal-
tenskodex“ zu verhandeln. Nach Aussagen des italienischen Innenminister Marco
Minniti können Nichtregierungsorganisationen, die diesen Kodex nicht unter-
schreiben, „nur noch sehr bedingt weiter arbeiten“ (vgl. „Se le Ong vogliono ope-
rare dovranno firmare il codice“, La Stampa vom 3. August 2017).
Tatsächlich kamen nun die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundesta-
ges jüngst in zwei Gutachten über diesen Verhaltenskodex zu der Feststellung,
dass weder die EU noch ein Mitgliedstaat rechtsverbindliche Maßnahmen erlas-
sen dürfe, die die Koordinierung der Seenotrettung von Menschen „blockieren
oder ins Leere“ laufen lassen würde (WD 2 – 3000 – 068/17 und WD 2 – 3000 –
067/17).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Teilt die Bundesregierung die Ansicht des EU-Migrationskommissars

Dimitris Avramopoulos, dass man den privaten Seenotrettungsorganisatio-
nen für ihren selbstlosen Einsatz im Mittelmeer „sehr dankbar“ sein müsse
(Süddeutsche Zeitung vom 24. Juli 2017), und wenn nein, warum nicht?

Drucksache 18/13380 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Inwiefern setzt sich die Bundesregierung gegenüber der italienischen Regie-
rung dafür ein, dass die Hilfsorganisationen, auch solche, die den Kodex
nicht unterschrieben haben, weiter Rettungsarbeit im Mittelmeer leisten kön-
nen?

3. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Wissenschaftlichen Dienste
des Deutschen Bundestages, dass der vorgeschlagene Verhaltenskodex Itali-
ens für private Seenotretter im Mittelmeer mit völkerrechtlichen Vorgaben
kollidieren würde (WD 2 – 3000 – 068/17 und WD 2 – 3000 – 067/17)?
a) Wenn ja, wird sie sich auch gegenüber der italienischen Regierung bzw.

innerhalb der Europäischen Union für einen völkerrechtskonformen Vor-
schlag einsetzen?

b) Wenn nein, warum nicht (bitte begründen)?
4. Inwiefern war nach Kenntnis der Bundesregierung der Verhaltenskodex der

italienischen Regierung für Nichtregierungsorganisationen Gegenstand von
Beratungen innerhalb der Europäischen Union, und inwiefern dient er nach
Einschätzung der Bundesregierung zur Verbesserung der Lage von Men-
schen in Seenot im Mittelmeer?
a) Welches Recht soll nach Kenntnis der Bundesregierung für den Einsatz

der Sicherheitskräfte im Rahmen dieses Kodex gelten: das Recht des Ent-
sendestaates der Sicherheitskräfte oder das des Flaggenstaates des jewei-
ligen Schiffes?

b) Sieht die Bundesregierung die Vorschrift des Kodex, dass Flüchtlinge nur
noch stark eingeschränkt von kleineren auf größere Boote übergeben wer-
den dürfen, im Einklang mit dem Seenotrecht?

5. Wann und durch wen wurde die Bundesregierung bzw. wurde die EU über
die Einrichtung der über die Territorialgewässer Libyens hinausreichenden
Such- und Rettungszone unterrichtet?

6. Welche libyschen Kräfte dürften nach Kenntnis der Bundesregierung in die-
ser Zone aktiv sein, und welche Tätigkeiten würden sie dort ausführen?

7. Steht die Einrichtung einer solchen – über die Territorialgewässer Libyens
hinausreichende – Such- und Rettungszone nach Einschätzung der Bundes-
regierung im Einklang mit dem Völkerrecht?
a) Wenn ja, bitte ausführen?
b) Wenn nein, wird sich die Bundesregierung zusammen mit den anderen

Mitgliedstaaten der EU dafür einsetzen, dass Libyen sich bei Such- und
Seenotrettungsmaßnahmen an die Regeln des Völkerrechts hält?

8. Wie gedenkt die Bundesregierung, gegenüber der libyschen Regierung die
Sicherheit der auch unter deutscher Flagge fahrenden Seenotrettungsschiffe
bzw. der darauf befindlichen Menschen sicherzustellen, angesichts des Um-
stands, dass die libysche Küstenwache angekündigt hat, nunmehr auch in-
nerhalb dieser über ihre eigenen Territorialgewässer hinausreichende Such-
und Rettungszone gewaltsam (und das heißt ggf. auch unter Schusswaffen-
gebrauch) gegen solche Seenotrettungsaktionen vorzugehen, die durch die
libysche Seite nicht autorisiert wurden?

9. Inwiefern wurde seitens der libyschen Regierung eine Zusicherung hinsicht-
lich des Schutzes von Einsatzschiffen der EU, die innerhalb dieser von Li-
byen beanspruchten Such- und Rettungszone aktiv sind, abgegeben?

Berlin, den 18. August 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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