BT-Drucksache 18/12185

Zivile Opfer durch die Operation "Inherent Resolve" und weiterer Einsätze der Bündnispartner außerhalb des Mandatsgebietes

Vom 26. April 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12185
18. Wahlperiode 26.04.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katja Keul, Omid Nouripour, Dr. Franziska Brantner,
Agnieszka Brugger, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen),
Uwe Kekeritz, Tom Koenigs, Dr. Tobias Lindner, Cem Özdemir,
Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Jürgen Trittin,
Doris Wagner, Luise Amtsberg, Britta Haßelmann, Irene Mihalic,
Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zivile Opfer durch die Operation „Inherent Resolve“ und weiterer Einsätze der
Bündnispartner außerhalb des Mandatsgebietes

Seit November 2015 beteiligt sich die Bundeswehr an dem Luftkrieg über Syrien
im Rahmen der gemeinsamen Operation „Inherent Resolve“ (OIR).
Auf der Grundlage des Bundestagsbeschlusses von November 2015 fliegen seit
Januar 2016 deutsche Tornados über Syrien und den Irak im Rahmen der „Ope-
ration Inherent Resolve“ (OIR).
Im Dezember 2016 änderte die US-Regierung die Einsatzregeln für die Autori-
sierung von Luftangriffen der Koalition (Human Rights Watch, March 28, 2017
Iraq: Airstrike Vetting Changes Raise Concerns, https://www.hrw.org/news/2017/
03/28/iraq-airstrike-vetting-changes-raise-concerns).
Ob und inwieweit nach der Amtsübernahme durch Präsident Donald Trump die
Einsatzregeln der Koalition auch für den Einsatz in Syrien verändert wurden, ist
unklar (vgl. SPIEGEL ONLINE vom 24. März 2017: „Trumps todbringende Of-
fensive“, www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-donald-trumps-todbringende-
offensive-a-1140016.html). Seit März 2017 ist auf jeden Fall die Zahl der zivilen
Opfer bei US-Luftangriffen im Norden Syriens deutlich gestiegen.
So sind am 9. März 2017 bei Luftangriffen der Koalition auf das syrische Dorf Al
Matab mindestens 14 Zivilisten ums Leben gekommen (vgl. FOCUS ONLINE,
www.focus.de/politik/ausland/islamischer-staat/isis-terror-im-news-ticker-usa-
unterstuetzen-rakka-offensive-mit-artilleriegeschuetzen_id_6760891.html). Am
16. März 2017 gab es bei Luftangriffen auf eine Moschee in Al-Dschinnah min-
destens 42 zivile Tote (vgl. stern.de vom 16. März 2017, www.stern.de/politik/
ausland/syrien-mindestens-42-tote-bei-luftangriff-auf-moschee-bei-aleppo-7371
976.html) und am 21. März 2017 wurde eine Schule in Al-Mansura getroffen, in
die sich viele Familien geflüchtet hatten, so dass es dort zu 30 zivilen Toten kam,
darunter auch viele Frauen und Kinder (vgl. tageschau.de vom 22. März 2017,
https://www.tagesschau.de/ausland/syrien-angriff-schule-107.html). Am 8. April
2017 gab es bei einem weiteren Luftangriff der Koalition auf ein Dorf am Stadt-
rand der IS-Hochburg Al-Rakka 15 weitere tote Zivilisten, darunter vier Kinder
(vgl. SPIEGEL ONLINE vom 8. April 2017, www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-
mindestens-15-zivilisten-sterben-bei-luftangriffen-a-1142527.html).

Drucksache 18/12185 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Die Zahlen beruhen jeweils auf der als zuverlässig geltenden Syrischen Beobach-
tungsstelle für Menschenrechte in London, auf die sich auch die Mitglieder der
Koalition regelmäßig berufen, wenn es darum geht, die zivilen Opfer der russi-
schen Luftschläge zu dokumentieren.
Die Bundesregierung hat sich in der Fragestunde am 22. März 2017 und bei wei-
teren Schriftlichen Fragen darauf zurückgezogen, nichts über die Opferzahlen zu
wissen und keinerlei Mitverantwortung dafür zu tragen, da man nur die Bilder für
die Zielaufklärung liefere und nicht an der Zielauswahl beteiligt sei (vgl. Auszug
aus dem Plenarprotokoll 18/224 des Deutschen Bundestages am Mittwoch, den
22. März 2017 (S. 22466 bis 22469).
Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe betonte jedoch, dass die Bundesregierung in
jedem Fall die Informationen bei den Bündnispartnern erfragen werde.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie konnte es nach Kenntnis der Bundesregierung zu den 14 zivilen Toten

bei der Bombardierung des Dorfes Al Matab am 9. März 2017 kommen, wel-
che Schritte hat die Bundesregierung inzwischen eingeleitet, um die entspre-
chenden Informationen seitens der Bündnispartner zu erhalten, und mit wel-
chem Ergebnis?

2. Wie konnte es nach Kenntnis der Bundesregierung zu den 42 zivilen Toten
bei der Bombardierung der Moschee in Al-Dschinnah am 16. März 2017
kommen, welche Schritte hat die Bundesregierung inzwischen eingeleitet,
um die entsprechenden Informationen seitens der Bündnispartner zu erhal-
ten, und mit welchem Ergebnis?

3. Wie konnte es nach Kenntnis der Bundesregierung zu den 30 toten Zivilisten
bei der Bombardierung der Schule in Al-Mansura kommen, welche Schritte
hat die Bundesregierung inzwischen eingeleitet, um die entsprechenden In-
formationen seitens der Bündnispartner zu erhalten, und mit welchem Ergeb-
nis?

4. Hält die Bundesregierung die Aufnahmen dieser Schule durch die Tornados
für mandatskonform, und wenn ja, warum?

5. Wie konnte es nach Kenntnis der Bundesregierung zu den 15 toten Zivilisten
bei der Bombardierung des Dorfes am Stadtrand der IS-Hochburg Al-Rakka
kommen, welche Schritte hat die Bundesregierung inzwischen eingeleitet,
um die entsprechenden Informationen seitens der Bündnispartner zu erhal-
ten, und mit welchem Ergebnis?

6. Was hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Untersuchung der genann-
ten Vorfälle durch das zuständige Hauptquartier Combined Joint Task Force
OIR bislang ergeben, und wann ist mit dem Abschluss dieser Untersuchung
zu rechnen?

7. Inwieweit ist die Bundeswehr in diese Untersuchung eingebunden, und wird
die Bundesregierung vom Bündnispartner vollumfänglich über die Ergeb-
nisse informiert?

8. Findet der Targeting-Prozess der NATO, den Deutschland im April 2016 un-
terzeichnet hat, auch im Rahmen von OIR Anwendung, und wenn nein, wel-
che Richtlinien für das Targeting werden angewendet?

9. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der eingangs genannten Berichte
von Human Rights Watch, dass die USA die eigenen Einsatzregeln für Mili-
täroperationen in Syrien und Jemen geändert hat, ohne die Koalition davon
in Kenntnis zu setzen?

Wenn nicht, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12185

10. Welche Informationen liegen der Bundesregierung dazu vor, ob Aufklä-

rungsdaten der Koalition in die Entscheidung des US-Militärs über Luft-
schläge in Syrien, Irak und Jemen mit einfließen?

11. Ist im Rahmen von OIR sichergestellt, dass Deutschland – ebenso wie bei
einem NATO-Einsatz – umfassenden Einblick über die Zielplanung, die
Zielauswahl bis hin zur Schadensermittlung, dem „battle damage assess-
ment“, erhält?

12. Wenn nein, wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass das an den
Bündnispartner übergebene Fotomaterial ausschließlich mandatskonform
genutzt wird und das humanitäre Völkerrecht eingehalten wird, wobei es auf
das Verhältnis ziviler Opfer zu militärischem Nutzen eine Luftschlages an-
kommt?

13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des verteidigungspolitischen Spre-
chers der SPD, Rainer Arnold, dass die Mitglieder der Koalition auch ge-
meinsam die Verantwortung tragen (Agenturmeldung AFP vom 31. März)?

14. Wie bewertet die Bundesregierung den Einsatz von Uranmunition in Syrien
im Rahmen des gemeinsamen Einsatzes (vgl. hierzu SPIEGEL ONLINE vom
15. Februar 2017: „USA räumen Einsatz von Uranmunition in Syrien ein“,
www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-usa-raeumen-einsatz-von-uranmunition-
ein-a-1134694.html), und inwiefern hat sie sich gegenüber den Bündnispart-
nern gegen den Einsatz solcher Munition ausgesprochen?

15. Wie konnte es nach Kenntnis der Bundesregierung zu den zahlreichen toten
Zivilisten (Zahlen variieren zwischen einigen Dutzend und bis zu 200 Toten)
bei der Bombardierung Neu-Mossuls im Westen Mossuls am 17. März 2017
(vgl. SPIEGEL ONLINE vom 27. März 2017: „Die Tragödie von Mossul“,
www.spiegel.de/politik/ausland/islamischer-staat-is-im-irak-die-tragoedie-
von-mossul-a-1140601.html) kommen, welche Schritte hat die Bundesregie-
rung inzwischen eingeleitet, um die entsprechenden Informationen seitens
der Bündnispartner zu erhalten, und mit welchem Ergebnis?

16. Wussten die Bündnispartner zum Zeitpunkt des Angriffs über die Änderung
der Einsatzregeln für das US-Militär (Beschluss vom Dezember 2016) im
Irak Bescheid?

17. Inwiefern konnte es nach Kenntnis der Bundesregierung zu den ca. 30 toten
Zivilisten bei der Bombardierung des Dorfes Al-Ghayil im Jemen am 29. Ja-
nuar 2017 kommen (vgl. New York Times vom 29. Januar 2017: „U.S. Com-
mando Killed in Yemen in Trump’s First Counterterrorism Operation“,
https://www.nytimes.com/2017/01/29/world/middleeast/american-commando-
killed-in-yemen-in-trumps-first-counterterror-operation.html?_r=0), welche
Schritte hat die Bundesregierung inzwischen eingeleitet, um die entsprechen-
den Informationen seitens der Bündnispartner zu erhalten, und mit welchem
Ergebnis?

Berlin, den 26. April 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Faktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

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