BT-Drucksache 17/9563

Diskriminierungsschutz für chronisch erkrankte Menschen ins Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz aufnehmen

Vom 8. Mai 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9563
17. Wahlperiode 08. 05. 2012

Antrag
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Ilja Seifert, Jan Korte, Diana Golze,
Agnes Alpers, Matthias W. Birkwald, Dr. Martina Bunge, Heidrun Dittrich, Klaus
Ernst, Nicole Gohlke, Dr. Rosemarie Hein, Dr. Lukrezia Jochimsen, Katja Kipping,
Jutta Krellmann, Cornelia Möhring, Petra Pau, Jens Petermann, Yvonne Ploetz,
Kathrin Senger-Schäfer, Raju Sharma, Dr. Petra Sitte, Kathrin Vogler,
Halina Wawzyniak, Harald Weinberg, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und
der Fraktion DIE LINKE.

Diskriminierungsschutz für chronisch erkrankte Menschen ins Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz aufnehmen

Der Bundestag wolle beschließen:

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist dergestalt zu ändern, dass
eine chronische Erkrankung (zum Beispiel eine HIV-Infektion, Diabetes, Mul-
tiple Sklerose oder Krebs) als Diskriminierungsmerkmal festgehalten wird, da-
mit chronisch erkrankte Menschen ebenso wie Menschen mit Behinderungen
durch das AGG geschützt sind.

Berlin, den 8. Mai 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Mehr als fünf Jahre nach dem Inkrafttreten des AGG ist zu resümieren, dass das
AGG hilft, Diskriminierungen zu verringern, es aber noch erhebliche Lücken
aufweist. Eine Lücke ist das Fehlen eines Diskriminierungsschutzes für chro-
nisch erkrankte Menschen. Anders als in vielen anderen Ländern Europas und
entgegen einer ausdrücklichen Empfehlung der Internationalen Arbeitsorganisa-
tion (ILO) sind chronische Krankheiten in Deutschland nicht ausdrücklich be-
nannter Bestandteil des gesetzlichen Diskriminierungsschutzes. England weist
in den Bestimmungen zum Antidiskriminierungsgesetz HIV, Multiple Sklerose
und Krebs als chronische Erkrankungen aus, die zu einem Diskriminierungs-

schutz führen (www.legislation.gov. uk/ukpga/2010/15/schedule/1). Die Gesetze
in Belgien, Finnland, Frankreich, Lettland, Slowenien, Tschechien und Ungarn
schützen vor Diskriminierungen wegen des Gesundheitszustands. Und in den
Niederlanden und Rumänien sind chronische Krankheiten als eigenes Diskrimi-
nierungsmerkmal genannt (vgl. www.non-discrimination.net).

Drucksache 17/9563 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention, die seit dem 26. März 2009 in
Deutschland in Kraft ist, sind Menschen mit chronischen Erkrankungen Perso-
nen, für die diese UN-Behindertenrechtskonvention gilt. Mit einer entsprechen-
den Änderung im AGG erfolgt also auch eine Klarstellung, die in der Umset-
zung bzw. Anwendung von Gesetzen, Verordnungen, der gesellschaftlichen
Praxis bis hin zur Rechtsprechung äußerst hilfreich wäre.

Wie wichtig die Aufnahme des Diskriminierungsmerkmals Chronische Erkran-
kung ist, zeigt der Fall eines HIV-infizierten Chemielaboranten, dem gekündigt
wurde, als der Arbeitgeber von der Infektion erfahren hatte. Die Kündigung
wurde sowohl vom Berliner Arbeitsgericht wie auch vom Berliner Landesar-
beitsgericht (13. Januar 2012 – 6SA 2159/11) bestätigt. Und dies, obwohl eine
Kündigung aufgrund einer HIV-Infektion sachlich nicht mit einem Übertra-
gungsrisiko zu begründen ist; dies bestätigte auch die Bundesregierung in ihrer
Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. (Bundestagsdruck-
sache 17/7283, S. 5).

Auch die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders,
und der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Men-
schen, Hubert Hüppe, forderten am 30. November 2011 in einer gemeinsamen
Pressemitteilung eine gesetzliche Klarstellung im AGG als „wichtiges Signal
für viele Menschen, die davon betroffen sind.“

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