BT-Drucksache 17/9270

Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerschaften im Steuerrecht

Vom 10. April 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9270
17. Wahlperiode 10. 04. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Lisa Paus, Ekin Deligöz, Kai Gehring,
Ingrid Hönlinger, Memet Kilic, Monika Lazar, Tabea Rößner, Claudia Roth
(Augsburg), Dr. Gerhard Schick, Hans-Christian Ströbele, Josef Philip Winkler
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerschaften im Steuerrecht

Eingetragene Lebenspartnerinnen und Lebenspartner werden im Steuerrecht
und insbesondere im Einkommensteuerrecht gegenüber Ehegatten benach-
teiligt. Dies ist nicht nur ungerecht, sondern auch mit Artikel 3 Absatz 3 des
Grundgesetzes (GG) unvereinbar. Der Erste Senat des Bundesverfassungs-
gerichts hat am 7. Juli 2009 in einer Entscheidung zur Hinterbliebenenrente für
Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner entschieden, dass die Ungleichbehand-
lung von Lebenspartnerschaften gegenüber Ehen einen Verstoß gegen Arti-
kel 3 Absatz 1 GG darstellt (BVerfGE 124, 199). In einer weiteren Grundsatz-
entscheidung vom 21. Juli 2010 entschied er ferner, dass die seit dem Inkraft-
treten des Lebenspartnerschaftsgesetzes geltende Ungleichbehandlung homo-
sexueller Lebenspartnerschaften gegenüber Ehepaaren bei der Erbschaftssteuer
mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar ist (BVerfGE 126, 400). Er
betonte zudem, dass die Lebenspartnerinnen und Lebenspartner wie Ehegatten
in einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfestigten Partnerschaft leben, die
eine gegenseitige Unterhalts- und Einstandspflicht begründet.

Die die Bundesregierung tragenden Fraktionen der CDU/CSU und FDP haben
in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, dass sie „insbesondere gleichheits-
widrige Benachteiligungen im Steuerrecht abbauen“ wollen. Von diesem Ziel
scheint sich die Koalition inzwischen verabschiedet zu haben. In der Antwort
der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 21 des Abgeordneten Volker
Beck (Köln) (Bundestagsdrucksache 17/9002) schrieb die Bundesregierung, sie
„warte weiterhin die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in den an-
hängigen Verfahren zum Ehegattensplitting ab“, bevor sie einem Gesetzentwurf
zur Gleichstellung vorlegen würde.

Zugleich bestritt die Bundesregierung in ihrer Antwort Medienberichte, wonach
sie mit den Steuerverwaltungen der Bundesländer vereinbart hätte, eingetragene
Lebenspartner, die Einspruch gegen die Ablehnung ihrer gemeinsamen Veranla-
gung oder gegen die Änderung ihrer Steuerklassen eingelegt haben, im Wege der
Aussetzung der Vollziehung bis zur noch ausstehenden Entscheidung des Bun-

desverfassungsgerichts vorläufig mit Ehegatten gleichzustellen. Der Finanz-
minister des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, Dr. Norbert Walter-Borjans,
bestätigte gegenüber der Zeitung „DIE WELT“ am 8. März 2012 diese Verein-
barung jedoch. Auch der designierte Generalsekretär und stellvertretende Frak-
tionsvorsitzende der FDP, Patrick Döring, bestätigte die Einigung und nannte sie
in einer Pressemitteilung vom 7. März 2012 „eine gute und praktikable“
Lösung.

Drucksache 17/9270 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

„DER SPIEGEL“ berichtet in seiner Ausgabe vom 19. März 2012 von einem
internen Vermerk aus dem Bundesministerium der Finanzen (BMF), wonach
die Bundesregierung sehr wohl eine solche Vereinbarung mit den Steuerver-
waltungen der Bundesländer getroffen habe, nunmehr aber Vorbehalt einlegen
würde. In dem Vermerk heißt es: „Gegen den Beschluss der Abteilungsleiter
(Steuer) beabsichtigt das Bundesministerium der Finanzen, FMK Vorbehalt
einzulegen. Die Abstimmung zwischen dem Bundesministerium der Finanzen
und den obersten Finanzbehörden der Länder zu diesem Thema ist daher noch
nicht abgeschlossen.“ Als Begründung heißt es, dass „dieses Vorgehen [Be-
schluss zur Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes] die Argumentations-
linie des BMF in den beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren
schwächen“ könnte.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Haben sich die Abteilungsleiter (Steuer) der obersten Finanzbehörden des
Bundes und der Länder in ihrer Sitzung vom 28. Februar bis 1. März 2012 in
Berlin unter Tagesordnungspunkt 4 zur Frage des vorläufigen Rechtsschutzes
beim Antrag auf Zusammenveranlagung und Änderung der Steuerklassen für
Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft geeinigt, dass bis zur Ent-
scheidung des Bundesverfassungsgerichts verwaltungsseitig bundeseinheit-
lich auf Antrag einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren ist?

Wenn ja, warum hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Schrift-
liche Frage 21 auf Bundestagsdrucksache 17/9002 an den Abgeordneten
Volker Beck (Köln) dies bestritten?

Wenn nein, hält die Bundesregierung eine Bund-Länder-Absprache aus ver-
waltungsökonomischer Sicht vor dem Hintergrund aktueller Finanzgerichts-
rechtsprechung für geboten, und wenn ja, wie sollte aus Sicht der Bundesre-
gierung in dieser Frage zukünftig verfahren werden?

2. Hat die Bundesregierung gegen diesen Beschluss Vorbehalt eingelegt?

Wenn ja, wann, und auf welcher rechtlichen Grundlage ist dies geschehen?

Welche Rechtswirkung hat ein solcher Vorbehalt?

Ist die Vereinbarung damit unwirksam?

Wenn nein, plant die Bundesregierung, einen solchen Vorbehalt einzulegen?

Auf welcher rechtlichen Grundlage wird dies geschehen?

Welche Rechtswirkung wird ein solcher Vorbehalt haben, und wird die Ver-
einbarung damit unwirksam?

3. Hat die Bundesregierung die gesetzliche Kompetenz, den Steuerverwaltun-
gen der Bundesländer vorzuschreiben, den einstweiligen Rechtsschutz zu
verweigern?

4. Findet bei eingetragenen Lebenspartnern automatisch eine vorläufige Steu-
erfestsetzung statt, und ist damit in jedem Fall gesichert, dass die Steuerfest-
setzung nach einem Urteil geändert werden kann?

5. Werden Einsprüchen und Anträgen zu einer Aussetzung des Verfahrens mit
Bezug auf das schwebende Gerichtsverfahren von den Finanzämtern in je-
dem Fall entsprochen bzw. wie wird das sichergestellt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9270

6. Hält die Bundesregierung an dem Ziel fest, gleichheitswidrige Benachteili-
gungen im Einkommensteuerrecht für eingetragene Lebenspartner noch in
dieser Legislaturperiode abzubauen, auch wenn kein Urteil des Bundesver-
fassungsgerichts zu dieser Fragestellung innerhalb dieser Frist ergeht?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, wann?

7. Hat die Bundesregierung vor, im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2013 die
Änderungen des Fünften Vermögensbildungsgesetzes um Maßnahmen zur
Gleichstellung von gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaft und Ehe zu
ergänzen?

Wenn nein, warum nicht?

8. Hat die Bundesregierung vor, im Wohnungsbauprämiengesetz gleichge-
schlechtliche Lebenspartnerschaft und Ehe gleichzustellen?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, wann?

Berlin, den 5. April 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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