BT-Drucksache 17/8607

Kein Bau der dritten Start- und Landebahn am Flughafen München

Vom 8. Februar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8607
17. Wahlperiode 08. 02. 2012

Antrag
der Abgeordneten Herbert Behrens, Eva Bulling-Schröter, Sabine Leidig,
Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder, Heidrun Bluhm,
Steffen Bockhahn, Roland Claus, Klaus Ernst, Nicole Gohlke, Katrin Kunert,
Caren Lay, Ralph Lenkert, Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch,
Dorothee Menzner, Kornelia Möller, Jens Petermann, Ingrid Remmers,
Dr. Ilja Seifert, Kersten Steinke, Sabine Stüber, Alexander Süßmair,
Harald Weinberg und der Fraktion DIE LINKE.

Kein Bau der dritten Start- und Landebahn am Flughafen München

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Anders als die Bundesregierung behauptet, ist die finanzielle Situation der
Flughafen München GmbH (FMG) alles andere als gut. Im Gegenteil, die FMG
ist mit etwa 2,3 Mrd. Euro überschuldet. Bislang steigen die Schulden an. Der
geplante Bau der dritten Start- und Landebahn soll nach derzeitigen Angaben
etwa 1,2 Mrd. Euro kosten. Das soll aus den laufenden Einnahmen finanziert
werden. Angesichts der hohen, bislang steigenden Schulden sowie der mit gro-
ßen Unsicherheiten behafteten wirtschaftlichen Entwicklung ist diese Strategie
nicht überzeugend. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Finanzierung
des Baus aus den Einnahmen nicht möglich sein wird. In dem Fall würden auf
den Bund finanzielle Forderungen zukommen. Das ist nicht akzeptabel.

Ein Ausbau der Flughafeninfrastruktur in Deutschland, der sich allein an groß-
teils fraglichen Verkehrsprognosen orientiert und die Anforderungen des Klima-
schutzes ignoriert, ist unverantwortlich. Der Beitrag des Luftverkehrs zur globa-
len Erwärmung beträgt schon heute mindestens 4 Prozent – Tendenz steigend.
Dieser Wert liegt deutlich über dem prozentualen Anteil des Flugverkehrs am
globalen CO2-Ausstoß, da die Emissionen des Luftverkehrs eine deutlich höhere
Klimawirksamkeit haben. Ohne die Berücksichtigung der Wolkenbildung ist der
doppelte Wert der CO2-Emissionen anzusetzen, die Berücksichtigung der Wol-
kenbildung würde nach aktuellen Studien mehr als eine dreifach so starke Klima-
belastung implizieren (Antwort der Bundesregierung auf Frage 23 der Kleinen
Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/8264). Die
Bundesregierung erwartet in den kommenden 20 Jahren eine Verdopplung der
CO2-Emissionen des Luftverkehrs in und von Deutschland von 27 Millionen

Tonnen im Jahr 2009 auf knapp 50 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2030 (Antwort
auf Frage 32, Bundestagsdrucksache 17/8264). Demgegenüber stehen die Min-
derungserfordernisse für den Klimagasausstoß in Industrieländern wie Deutsch-
land von mindestens 40 Prozent bis zum Jahr 2020 und 95 Prozent bis Mitte des
Jahrhunderts, um das auf UN-Ebene beschlossene Ziel einer maximalen Erder-
wärmung von zwei Grad einhalten zu können. Zudem gibt es auf absehbare Zeit
keine tragfähigen Lösungen für klimaneutrale Treibstoffe. So geht die Bundes-

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regierung selber von einem Anteil von maximal 5 Prozent Biokraftstoffen im
Jahr 2025 im Luftverkehr aus (Antwort auf Frage 26, Bundestagsdrucksache 17/
8264). Im Luftverkehr sind daher besondere Anstrengungen für den Klimaschutz
erforderlich. Klimaschutz und weiterhin unbegrenztes Wachstum des deutschen,
europäischen und weltweiten Luftverkehrs schließen sich gegenseitig aus.

Mit dem Bau der dritten Start- und Landebahn würden viele Menschen einer er-
heblichen, unzumutbaren Lärmbelastung ausgesetzt werden. Nicht allen wird
die Übernahme der Kosten eines Umzuges angeboten. Im Ort Attaching kön-
nen nur die Bewohnerinnen und Bewohner eines etwa 420 Meter breiten Strei-
fens direkt unter der Flugschneise ihr Grundstück an die FMG verkaufen. Alle,
die daneben wohnen, können dies nicht, obwohl die Flugzeuge diese Gebiete in
einer Höhe von lediglich bis zu 100 Metern Höhe überfliegen, also auch mehr
als 210 Meter links und rechts davon eine unzumutbare Lärmbelästigung herr-
schen würde. Das für die geplante dritte Start- und Landebahn ein längeres
Nachtflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr gelten soll, ist angesichts der erheb-
lichen Belastung tagsüber bei weitem nicht ausreichend.

In den Gemeinden rund um den Flughafen regt sich zu Recht großer Wider-
stand gegen den Bau der dritten Start- und Landebahn. In München wird es am
17. Juni 2012 einen Bürgerentscheid über die dritte Start- und Landebahn ge-
ben. Unverständlich ist aber, wieso der Anteilseigner Bund, dessen Anteil mit
26 Prozent den der Stadt München mit 23 Prozent sogar übersteigt, sich offen-
kundig nicht kritisch mit dem Plan befasst und den Angaben der anderen Ge-
sellschafter und der FMG vorbehaltlos zu vertrauen scheint.

Der Flughafen London-Heathrow verfügt – wie derzeit der Flughafen München –
über lediglich zwei Start- und Landebahnen. Mit etwa 66 Millionen Passagieren
und 460 000 Flugbewegungen im Jahr 2009 bewältigte er wesentlich mehr Pas-
sagiere und ein größeres Verkehrsaufkommen als der Flughafen München mit
zuletzt knapp 390 000 Flugbewegungen mit nur 39 Millionen Passagieren. Zu-
dem wurde vor kurzem die Entscheidung getroffen, keine weitere Start- und
Landebahn in London-Heathrow zu bauen. Vor diesem Hintergrund ist der Bau
einer dritten Start- und Landebahn in München keinesfalls betrieblich erforder-
lich, selbst wenn es zu einer deutlichen Steigerung der Flugbewegungen kommen
sollte. Die von den Fluggesellschaften zum Vergleich mit London-Heathrow vor-
gebrachten Argumente, es gäbe in München weniger lokale Passagiere, wes-
wegen die Flüge zeitlich gebündelt werden müssten, belegen vielmehr, dass ein
internationales Drehkreuz in München nicht gebraucht wird.

Das Argument, dass die Kapazitätserweiterung zu mehr Arbeitsplätzen führt,
muss hinterfragt werden. Ein großer Teil des Flughafenpersonals in München
bekommt schon jetzt Dumpinglöhne. Bundesweit wird der ruinöse Wettbewerb
zwischen den Flughäfen mit Lohnkürzungen und Outsourcing betrieben. Profi-
teure sind ausschließlich die Flughafenbetreiber. Die Anwohner und Anwohne-
rinnen um die Flughäfen haben davon nichts. Viele am Flughafen Beschäftigte
können von den Niedriglöhnen nicht leben, oft sind aufstockende Leistungen
der Arbeitsagentur notwendig. Sofern die Grundstücke nicht in der lärmbelaste-
ten Einflugschneise liegen, machen steigende Immobilien-Preise und Mieten
das Leben in Flughafennähe teuer.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt

die Entscheidung der bayerischen Staatsregierung, als Mehrheitseignerin der
FMG auf den Vorschlag des mit den Klagen befassten Bayerischen Verwal-
tungsgerichtshofes einzugehen, auf den Sofortvollzug und damit den Baube-
ginn vor der gerichtlichen Entscheidung zu verzichten.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8607

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. umgehend zu erklären, dass sie als Gesellschafterin der Flughafen München
GmbH auf den Bau der dritten Start- und Landebahn am Flughafen Mün-
chen verzichten wird und innerhalb der FMG darauf hinzuwirken,

2. sich in der FMG dafür einzusetzen, dass über den Baustopp bis zum gericht-
lichen Entscheid über die dritte Start- und Landebahn hinaus ab sofort auch
keine Vergaben und Planungen im Zusammenhang mit dem Bau der dritten
Start- und Landebahn mehr getätigt werden, und

3. in der FMG darauf zu hinzuwirken, dass bis Ende des Jahres 2012 ein Kon-
zept für den dauerhaften und nachhaltigen Betrieb des Flughafens München
mit den beiden bestehenden Start- und Landebahnen entwickelt wird.

Berlin, den 8. Februar 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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