BT-Drucksache 17/8528

Deutsche Altkleiderexporte in Entwicklungs- und Schwellenländer

Vom 30. Januar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8528
17. Wahlperiode 30. 01. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Kerstin Andreae,
Britta Haßelmann, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Cornelia Behm,
Birgitt Bender, Agnes Brugger, Viola von Cramon-Taubadel, Dr. Thomas Gambke,
Katja Keul, Sven-Christian Kindler, Maria Klein-Schmeink, Tom Koenigs,
Oliver Krischer, Dr. Tobias Lindner, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour,
Dr. Herrmann E. Ott, Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin,
Elisabeth Scharfenberg, Dr. Frithjof Schmidt, Dorothea Steiner,
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Hans-Christian Ströbele, Markus Tressel,
Daniela Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Deutsche Altkleiderexporte in Entwicklungs- und Schwellenländer

Jährlich werden viele tausend Tonnen Altkleider aus Deutschland in Entwick-
lungs- und Schwellenländer, v. a. nach Afrika, exportiert. Der gesamte Markt ist
von großer Intransparenz gekennzeichnet. Die hier in der Regel als Sachspende
von Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung gestellten Textilien werden von
karitativen, aber vorwiegend von kommerziellen Trägern gesammelt. Meist
fungieren karitative Organisationen gegen eine minimale Zahlung als Werbeträ-
ger für die Sammlung. Für Spenderinnen und Spender ist dies nicht transparent.
Viele Verbraucherinnen und Verbraucher gehen oft irrtümlich davon aus, dass
ihre Altkleider kostenlos für humanitäre und entwicklungspolitische Zwecke
weitergegeben werden. Zahlreiche Sammler nehmen dies offenbar billigend in
Kauf. Anders als es den Anschein hat, werden Altkleider häufig in den Empfän-
gerländern jedoch kommerziell vermarktet. In welchem Umfang und mit welchen
Auswirkungen Altkleiderexporte in Entwicklungs- und Schwellenländer statt-
finden, muss daher geklärt werden, um ggf. regulatorisch eingreifen zu können.

Daher fragen wir die Bundesregierung:

1. Wie beurteilt die Bundesregierung aus humanitärer und entwicklungspoli-
tischer Sicht den Export von Altkleidern in Entwicklungs- und Schwellen-
länder?

2. Welche positiven bzw. negativen Folgen sind im sozialen, ökologischen und
wirtschaftlichen Bereich in den jeweiligen Empfängerländern von Altkleider-
exporten zu verzeichnen?
3. In welchen afrikanischen Ländern werden die lokalen Textil- und Klei-
dungsmärkte von importierten Altkleidern dominiert?

4. Durch welche bi- und multilateralen Handelsabkommen werden deutsche
Altkleiderexporte nach Afrika geregelt (bitte nach Vertragspartnern, Art der
Abkommen und Jahr der Vertragsschlüsse auflisten), und sieht die Bundes-
regierung hier Veränderungsbedarf?

Drucksache 17/8528 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. Welche handelsrechtlichen Möglichkeiten existieren auf Seiten der Export-
wie auf Seiten der Importländer von Altkleidern, um deren Handel zu regu-
lieren (quantitativ und qualitativ)?

6. Befürwortet die Bundesregierung Exportbeschränkungen für Altkleider in
Entwicklungs- und Schwellenländer, und wie schätzt sie deren Wirkung
ein?

7. Befürwortet die Bundesregierung die von der Altkleiderindustrie sich selbst
auferlegten Exportbeschränkungen, und erachtet sie diese für sinn- und
wirkungsvoll?

8. Welche Art von wirtschaftlicher Kooperation im Textilsektor besteht zwi-
schen der Bundesrepublik Deutschland und Staaten in Subsahara-Afrika
(bitte nach Staaten, Jahren und Kooperationsvereinbarungen auflisten)?

9. Wie bewertet die Bundesregierung im Allgemeinen den Zusammenhang
zwischen einer auf nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung zielenden und
damit Wertschöpfung vor Ort generierenden Entwicklungszusammenarbeit
und einem hohen Export von Endprodukten in Entwicklungsländer aus den
Industrieländern?

10. Sieht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang ein Problem darin,
dass die Exporte deutscher Alttextilunternehmen und - sammler in Entwick-
lungsländer die dortigen Projekte deutscher Entwicklungszusammenarbeit
konterkarieren?

11. Wie beurteilt die Bundesregierung die ökonomische und entwicklungspoli-
tische Vereinbarkeit von bestehenden Investitionsförderverträgen zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und einzelnen afrikanischen Staaten (bei-
spielsweise Mauritius) zur Unterstützung der lokalen Textilindustrie auf
der einen und den großflächigen Exporten von Textilendprodukten seitens
deutscher Unternehmen in eben diese Länder auf der anderen Seite?

12. Wie entwickelte sich die Textilindustrie in den Staaten in Subsahara-
Afrika, mit denen die Bundesrepublik Deutschland in diesem Sektor wirt-
schaftlich kooperiert (bitte nach Staaten, Jahren und Wirtschaftsleistungen
auflisten)?

13. Sieht die Bundesregierung Chancen für den (Wieder-)Aufbau eines eigen-
ständigen Textilsektors in Subsahara-Afrika, und welche Voraussetzungen
wären dafür nötig?

14. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung dem Export von Altkleidern
für Beschäftigung und wirtschaftliche Leistung in der Bundesrepublik
Deutschland bei?

15. Welche karitativen und kommerziellen Träger sammeln in der Bundesrepu-
blik Deutschland Altkleider ein?

16. Wie viele Tonnen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung von jedem
dieser Träger pro Jahr in den letzten fünf Jahren gesammelt, und welcher
Anteil davon wurde jeweils pro Jahr nach Afrika exportiert (bitte nach
Trägern, Jahren und Tonnen auflisten)?

17. Welcher Anteil von diesen Altkleiderexporten nach Afrika wurde nach
Kenntnis der Bundesregierung jeweils in Form von kostenfreien Sachspen-
den an Bedürftige verteilt bzw. als kommerzielle Handelsware genutzt
(bitte nach Trägern, Jahren und Tonnen auflisten)?

18. Welchen Umsatz und ggf. Gewinn (soweit öffentlich bekannt) erzielen
diese Träger nach Kenntnis der Bundesregierung mit der Sammlung von

Altkleidern und deren Export (bitte nach Trägern, Jahren, Umsätzen und
ggf. Gewinnen auflisten)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8528

19. Welcher Anteil der Exporte in Entwicklung- und Schwellenländer erfolgt
dabei bereits sortiert bzw. unsortiert, und ist die beim Export unsortierter
Altkleider unvermeidbare Ausfuhr von Alttextilabfall mit der Verordnung
(EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen vereinbar?

20. Wie sind die Begriffe „karitativ“ bzw. „gemeinnützig“ im Allgemeinen
definiert, und inwiefern lässt sich diese Definition auf Altkleidersammler
anwenden?

21. Wie werden kommerzielle und karitative Altkleidersammler steuerrecht-
lich behandelt, und ändert sich für karitative bzw. gemeinnützige Sammler
daran etwas, wenn von der Sammlung letztlich kommerzielle Altkleider-
verwerter und -exporteure profitieren?

22. Auf welcher rechtlichen Grundlage findet die

a) karitative beziehungsweise

b) kommerzielle Sammlung von Altkleidern in Deutschland statt?

23. Welche Maßnahmen stehen Kommunen, Ländern und Bund zur Verfü-
gung, um Sammlungen von Altkleidern zu regulieren?

24. Sieht die Bundesregierung Regulierungsbedarf, um den Bürgerinnen und
Bürgern die Verwendung der von ihnen gespendeten Altkleider transparen-
ter zu machen, und wenn ja, welchen?

25. Wie bewertet die Bundesregierung vor diesem Hintergrund Partnerschaften
zwischen karitativen Sammlern und kommerziellen Verwertern, bei denen
für den Spender der Altkleider nur der gemeinnützige Sammler ersichtlich
ist, ohne dass die spätere kommerzielle Verwendung klar wird (wie am
Beispiel der Kooperation zwischen der Firma SOEX Textil-Vermarktungs
GmbH und dem Deutschen Roten Kreuz)?

26. Teilt die Bundesregierung die Einschätzungen und Empfehlungen des
Dachverbandes FairWertung e. V. sowohl im Hinblick auf den Verbraucher-
schutz in Deutschland als auch auf die Wirkungen von Altkleiderexporten in
den Empfängerländern, und falls nein, warum nicht?

Berlin, den 30. Januar 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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