BT-Drucksache 17/7943

Rechtsextremismus vorbeugen - Unsere Demokratie braucht gute politische Bildung und eine starke Bundeszentrale für politische Bildung

Vom 29. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7943
17. Wahlperiode 29. 11. 2011

Antrag
der Abgeordneten Daniela Kolbe (Leipzig), Gabriele Fograscher,
Dr. Hans-Peter Bartels, Klaus Barthel, Klaus Brandner, Marco Bülow,
Sebastian Edathy, Siegmund Ehrmann, Petra Ernstberger, Iris Gleicke,
Kerstin Griese, Wolfgang Gunkel, Michael Hartmann (Wackernheim),
Dr. Barbara Hendricks, Petra Hinz (Essen), Frank Hofmann (Volkach), Christel
Humme, Oliver Kaczmarek, Ulrich Kelber, Ute Kumpf, Christine Lambrecht,
Gabriele Lösekrug-Möller, Kirsten Lühmann, Caren Marks, Katja Mast,
Thomas Oppermann, Gerold Reichenbach, Sönke Rix, Michael Roth (Heringen),
Dr. Martin Schwanholz, Rolf Schwanitz, Rüdiger Veit, Ute Vogt,
Dr. Dieter Wiefelspütz, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Rechtsextremismus vorbeugen – Unsere Demokratie braucht gute politische
Bildung und eine starke Bundeszentrale für politische Bildung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Behauptung der Bundesregierung, sie würde nicht beim Kampf gegen
Rechtsextremismus kürzen, ist falsch. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat
die Mittel für die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB), die im Einzel-
plan 06 des Bundesministeriums des Innern (BMI) angesiedelt sind, auch im
vorliegenden Haushalt 2012 massiv gekürzt. Insgesamt 3,5 Mio. Euro – das sind
immerhin 21 Prozent der Mittel – stehen weniger für die inhaltliche Arbeit der
Bundeszentrale für politische Bildung zur Verfügung. Die Bundeszentrale für
politische Bildung ist unbestritten eine der wichtigsten Institutionen zur Demo-
kratieförderung und Präventionsarbeit u. a. im Kampf gegen Rechtsextremis-
mus in unserem Land. Die tiefen finanziellen Einschnitte werden zu drama-
tischen Auswirkungen führen. Die Bundeszentrale selbst wird ihre Leistungen
einschränken müssen, aber auch die etwa 430 Träger der politischen Bildung
bundesweit, die durch Zuschüsse der Bundeszentrale gefördert werden, werden
die Breite und Qualität ihrer Angebote spürbar verringern müssen. Für einige
Träger sind die Kürzungen möglicherweise existenzbedrohend. Die Höhe der
Förderung für die politische Bildung in der Bundesrepublik Deutschland ist nun-
mehr auf das Niveau von vor der Wiedervereinigung zurückgegangen. Weil die
außerschulische Bildung keine Pflichtaufgabe der Kommunen ist und die Kom-
munen selbst weiterhin unterfinanziert sind, werden die Kürzungen auch nicht

von diesen aufgefangen werden. Unter dem Strich wird die politische Bildung in
unserem Land diese Einschnitte ausbaden müssen. Es steht zu befürchten, dass
bedeutende Träger der politischen Bildung und ihre langfristig aufgebauten
Kompetenzen von der Bildfläche verschwinden. Die politische Bildung vorsätz-
lich derart zu schwächen, zeugt von kurzsichtiger Politik, die den Wert politischer
Bildung komplett verkennt. Eine solche Politik schadet unserer Demokratie
nachhaltig.

Drucksache 17/7943 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Gerade vor dem Hintergrund der Geschehnisse rings um die Zwickauer Terror-
zelle, der Wahlerfolge der NPD, alltäglicher rechter Gewalttaten und der weiten
Verbreitung rechtsextremistischer Einstellungsmuster sind die Kürzungen bei
der Bundeszentrale für politische Bildung grob fahrlässig. Unsere Demokratie
ist gerade jetzt auf eine starke politische Bildung angewiesen.

Der Bundeszentrale und den von ihr geförderten Trägern gelingt es, die Zivil-
gesellschaft vor Ort zu stärken, Informationen zur Verfügung zu stellen und
u. a. durch Seminarangebote an Akteure die Qualität der Arbeit zu steigern und
zu verstetigen.

Politische Bildung allein kann Rechtsextremismus und Demokratieverdrossen-
heit natürlich nicht beseitigen, sie leistet aber einen ungemein wichtigen Bei-
trag für eine lebendige Demokratie in unserem Land.

Die Bundesrepublik Deutschland besitzt mit der BpB ein unschätzbar wertvol-
les Instrument, um politisch unabhängige, qualitativ hochwertige politische
Bildung zu leisten. Die Bildungsarbeit der Bundeszentrale steht dabei auf zwei
Säulen:

Die erste wichtige Säule ist die Arbeit der Bundeszentrale selbst. Ihr gelingt es
bisher sehr gut, aktuell, zeitgemäß und zielgruppengerecht Informationen zur
Verfügung zu stellen und bei hochkarätigen Veranstaltungen aktuelle Themen zu
diskutieren. Die Bundeszentrale nutzt zudem das Internet und die neuen Medien
und erreicht damit Zielgruppen, die bisher nur unzureichend an politischer Bil-
dung teilhaben konnten. Die BpB zeichnet sich trotz ihrer Finanzierung durch
das BMI durch ihre Überparteilichkeit und inhaltliche Unabhängigkeit aus.

Die zweite, gleichwertig wichtige Säule ist die Trägerförderung der BpB. Die
Arbeit in den 430 ganz unterschiedlichen geförderten Trägern der politischen
Bildung trägt dazu bei, flächendeckend möglichst viele Menschen zu erreichen.
Die Arbeit der Bundeszentrale wird mit verhältnismäßig geringen Mitteln ge-
leistet, die durch die schwarz-gelbe Bundesregierung weiter zusammengestri-
chen wurden. Dabei klagen gerade die Bildungsträger schon länger über eine
unzureichende Höhe der Förderung und den Umfang der Bürokratie bei der
Antragstellung.

Auch das interfraktionelle Kuratorium der Bundeszentrale für politische Bildung
und der wissenschaftliche Beirat haben angesichts der Lage einstimmige Be-
schlüsse gefasst, die die Wichtigkeit der Arbeit der Bundeszentrale für politische
Bildung hervorgehoben und die Mittelkürzungen kategorisch ablehnt haben.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hatte zudem selbst angekündigt, dass Bil-
dungsausgaben von den Haushaltskonsolidierungen ausgenommen seien. Die
Kürzungen bei der Bundeszentrale offenbaren das verkürzte Bildungsverständ-
nis von schwarz-gelb und führen die Behauptung der angestrebten „Bildungs-
republik Deutschland“ ad absurdum. Dass der Bundesminister des Innern,
Dr. Hans-Peter Friedrich, die Bildungsarbeit der BpB in mehreren Briefen gegen
den Verfassungsschutz ausspielt, setzt dem Ganzen die Krone auf. Das Demo-
kratieprinzip unserer Verfassungsordnung lebt von seiner aktiv bejahenden Ge-
staltung, die politische Bildung leistet dazu einen unverzichtbaren Beitrag.

II. Der Deutsche Bundestag ist der Auffassung, dass die verheerenden Kür-
zungen bei der Bundeszentrale für politische Bildung verfehlt sind und
schnellstmöglich zurückgenommen und auf das Niveau von 2010 zurück-
geführt werden müssen. Dabei ist zudem zu prüfen, die Höhe des Budgets der
BpB an die Höhe der Budgets der parteinahen Stiftungen zu koppeln, um eine
vernünftige Balance zwischen überparteilicher und parteinaher politischer

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7943

Bildung zu schaffen. Beide Ansätze, überparteiliche und parteinahe politische
Bildung, sind für unsere Demokratie essentiell.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– sich klar zur Aufgabe der überparteilichen politischen Bildung und damit
zur Bundeszentrale für politische Bildung zu bekennen, diese zu stärken und
ihre inhaltliche Unabhängigkeit zu wahren;

– ein Anschlussprogramm für das bei der Bundeszentrale angesiedelte Bun-
desprogramm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ sicherzustellen;

– umgehend neue Richtlinien für die Trägerförderung der BpB zu erlassen, die
die Fördersituation der Träger verbessern und Rechtssicherheit hinsichtlich
der Umsatzsteuer schaffen.

Berlin, den 29. November 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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