BT-Drucksache 17/7853

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 17/6600, 17/6602, 17/7113, 17/7123, 17/7124, 17/7125 - Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2012 (Haushaltsgesetz 2012) hier: Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung

Vom 22. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7853
17. Wahlperiode 22. 11. 2011

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Inge Höger, Paul Schäfer (Köln), Harald Koch, Kathrin Vogler,
Katrin Kunert, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine Buchholz,
Dr. Dietmar Bartsch, Heidrun Bluhm, Steffen Bockhahn, Roland Claus,
Sevim Dag˘delen, Dr. Diether Dehm, Dr. Dagmar Enkelmann, Annette Groth,
Heike Hänsel, Andrej Hunko, Sabine Leidig, Michael Leutert, Stefan Liebich,
Dr. Gesine Lötzsch, Cornelia Möhring, Kornelia Möller, Niema Movassat,
Thomas Nord, Raju Sharma, Alexander Ulrich, Harald Weinberg, Katrin Werner
und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/6600, 17/6602, 17/7113, 17/7123, 17/7124, 17/7125 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2012
(Haushaltsgesetz 2012)

hier: Einzelplan 14
Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das vom Bundesminister der Verteidigung, Dr. Thomas de Maizière, Ende
Oktober 2011 vorgelegte Standortkonzept der Bundeswehr stellt betroffene
Kommunen vor gewaltige Herausforderungen. 31 Standorte werden geschlos-
sen, ca. 90 Standorte sollen signifikant verkleinert werden. Der Abbau von Bun-
deswehrstandorten ist zwar längst überfällig, dennoch ist die Bundesregierung
nach wie vor verantwortlich dafür, den Prozess sozialverträglich und im Sinne
einer wirtschaftlich nachhaltigen, regionalen Entwicklung zu gestalten. Insbe-
sondere in strukturschwachen Regionen werden betroffene Kommunen vor ge-
waltige Herausforderungen gestellt. Hier sind Bund und Länder in der Pflicht,

durch finanzielle Hilfen sicherzustellen, dass die Kommunen nicht allein ge-
lassen werden.

Die Erfahrungen mit Standortschließungen in den vergangenen 20 Jahren haben
gezeigt, dass mit einem langfristig angelegten und finanziell abgesicherten
Konversionsprogramm neue soziale und ökologische Perspektiven für die
Kommunen entstehen können. Ehemalige militärische Liegenschaften wurden

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gewinnbringend umfunktioniert, sei es durch privat-ökonomische Nutzung
(Ansiedlung von produzierendem oder dienstleistendem Gewerbe), sei es durch
kommunale Nutzung (Kultur- und Bildungseinrichtungen) oder durch Schaf-
fung von Naturreservaten, gegebenenfalls verbunden mit Öko-Tourismus.
Beispiele für gelungene Konversion finden sich sowohl im Osten als auch im
Westen des Landes: in Mecklenburg-Vorpommern wurde auf dem ehemaligen
Kasernengelände Basepohl nahe der Stadt Stavenhagen die Voraussetzungen für
einen der größten Solarparks Norddeutschlands geschaffen; in Baden-Württem-
berg beispielsweise wurden ehemalige Kasernen der französischen Streitkräfte
unter breiter Bürgerbeteiligung in das sogenannte Französische Viertel umge-
wandelt, das Lebens- und Arbeitsraum für Bevölkerungsgruppen unterschied-
licher Einkommensschichten bietet.

Leider wird die Chance, die eine solche Liegenschaftskonversion bedeuten
kann, noch immer zu selten wahrgenommen. Stattdessen konzentrieren sich die
betroffenen Städte und Gemeinden aus Sorge um mögliche Negativfolgen eines
Verlusts an Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen auf den Wettstreit untereinan-
der. Dabei wird ausgeblendet, dass militärische Standorte nur in begrenztem
Umfang zu der lokalen ökonomischen Entwicklung beitragen. Bundesweite Un-
tersuchungsergebnisse zwischen 2003 und 2007 haben gezeigt, dass durch
Standortschließungen zwar Strukturveränderungen stattfanden, jedoch keine si-
gnifikanten negativen Auswirkungen festzustellen waren, im Gegenteil: Zivile
Nachnutzungen sind ökonomisch häufig besser regional eingebunden und be-
wirken dadurch auch einen Anstieg der Steuereinnahmen (vgl. Alfredo R. Pa-
layo u.a. The Regional Economic Effects of Military Base Realignments and
Closures in Germany, Ruhr Economic Paper No. 181, April 2010).

Bislang ist die Bundesregierung nicht bereit, die Verantwortung für eine kohä-
rente Konversionspolitik im Zuge der Schließung von militärischen Liegen-
schaften zu übernehmen. Das Standortkonzept ist auch Bestandteil des umfang-
reichen Reform- und Umstrukturierungsprozess der Bundeswehr zur Interven-
tionsarmee. Bei der gegenwärtigen Reform spielen die sozialen, ökologischen
und wirtschaftspolitischen Aspekte – wenn überhaupt – nur eine untergeordnete
Rolle. Um nicht die Chancen für eine langfristig sinnvolle regionale Entwick-
lung zu verspielen, ist es daher dringend notwendig, jetzt ein langfristiges Kon-
versionsprogramm aufzulegen, dass die Entwicklung und Umsetzung sinnvoller
Nachnutzungskonzepte ermöglicht.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Einführung eines zwischen Bund
und Ländern abgestimmten Konversionsprogramms zum Gegenstand hat.
Ziel des Programms soll sein, einen fairen, dauerhaften Lastenausgleich zwi-
schen Bund, Ländern und Kommunen unter Berücksichtigung der sozialen,
wirtschaftlichen und ökologischen Folgen von militärischen Standortschlie-
ßungen. Hierzu sind folgende strukturelle Maßnahmen einzuleiten:

a) für die Umsetzung des Konversionsprogramms ist das Gesetz über die
Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImAG) dahingehend zu ändern,
dass die Kommunen den ersten Zugriff auf die zu verwertenden Liegen-
schaften in ihrem Territorium erhalten. Für die Zukunft ist sicherzustellen,
dass die Realisierung gesamtgesellschaftlicher Interessen bei der Zu-
schlagserteilung Priorität hat vor einer rein fiskalischen Verwertung der
Liegenschaften;

b) eine Bundesbeauftragte/einen Bundesbeauftragten für Konversion (zur
Koordination von Querschnittsaufgaben) ist zu ernennen, deren bzw. des-
sen Amt sich am Beispiel der erfolgreichen Landesbeauftragten für

Konversion orientiert. Er bzw. sie übernimmt die Koordinierung einer neu
zu besetzenden interministeriellen Arbeitsgruppe;

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c) eine kontinuierliche, wissenschaftliche Begleitung der erfolgten Kon-
versionsprozesse zu gewährleisten, u. a. durch die Förderung der Konver-
sionsforschung;

2. für ein solches Konversionsprogramm ausreichende finanzielle Unter-
stützung zur Verfügung zu stellen, indem

a) aus Mitteln des Verteidigungshaushalts ein Konversionsfonds zur Finan-
zierung von Planungs- und Machbarkeitsstudien, Wirtschaftsförderpro-
grammen, Städtebauförderung, weiteren Sonderförderprogrammen sowie
regionalen und kommunalen Kompensationsprogrammen aufgelegt wird;

b) über ein Förderprogramm bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)
verbilligte Kredite für Kommunen, die Konversionsflächen erwerben und
entwickeln wollen, bereitgestellt werden;

c) Kommunen bei dem Erwerb von Konversionsflächen eine Verbilligung
von mindestens 50 Prozent des kalkulierten Liegenschaftswerts einge-
räumt wird sofern das Konversionskonzept unter frühzeitiger und breiter
Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger erarbeitet und umgesetzt wird
und der Verwirklichung regionaler Entwicklungsziele dient;

3. sich bei der Europäischen Union für eine Neuauflage von konversionsspezi-
fischen Fördermitteln (ähnlich der Programme KONVER I und KONVER II)
sowie Instrumenten und Fonds für Strukturhilfe einzusetzen;

4. bei der Umsetzung des Konversionsprogramms folgende Kriterien zu be-
rücksichtigen und gegebenenfalls die Voraussetzung für deren Anwendung
zu schaffen:

a) die kommunale und regionale Gestaltungshoheit bei der Umsetzung von
Konversionsmaßnahmen zu stärken;

b) Mechanismen für eine transparente und kontinuierliche Beteiligung der
Bevölkerung sowie anderer relevanter Akteure auf der lokalen, regionalen
und überregionalen Ebene zum Zweck einer partnerschaftlichen Planung
und Umsetzung der Konversionsmaßnahmen zu entwickeln und zu unter-
stützen.

Berlin, den 21. November 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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