BT-Drucksache 17/7844

Wirksamkeit der Arbeit der Beiräte bei den Jobcentern erhöhen

Vom 22. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7844
17. Wahlperiode 22. 11. 2011

Antrag
der Abgeordneten Katrin Kunert, Katja Kipping, Sabine Zimmermann,
Dr. Kirsten Tackmann, Diana Golze, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens,
Karin Binder, Heidrun Bluhm, Steffen Bockhahn, Roland Claus, Dr. Rosemarie
Hein, Andrej Hunko, Harald Koch, Caren Lay, Sabine Leidig, Michael Leutert,
Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Cornelia Möhring, Kornelia Möller,
Jens Petermann, Ingrid Remmers, Dr. Ilja Seifert, Kersten Steinke, Sabine Stüber,
Alexander Süßmair, Frank Tempel, Dr. Axel Troost, Harald Weinberg und der
Fraktion DIE LINKE.

Wirksamkeit der Arbeit der Beiräte bei den Jobcentern erhöhen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Im Rahmen der Neuorganisation der Aufgabenwahrnehmung im Bereich des
Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) wurde die Bildung von Beiräten bei
den Jobcentern gesetzlich verankert. § 18d SGB II schreibt die Bildung eines
Beirates bei dem jeweiligen Jobcenter zwingend vor. Damit liegt es nicht mehr
im Ermessen der kreisfreien Städte und Landkreise, ob ein Beirat bei den Job-
centern gebildet wird. Dies ist zu begrüßen.

Als problematisch erweist sich in der Praxis die rechtliche Ausgestaltung der
Kompetenzen und der Zusammensetzung der Beiräte.

Die Befugnisse des Beirates sind auf eine ausschließlich beratende Funktion
beschränkt, die sich zudem nur auf den Bereich der Eingliederungsinstrumente
und -maßnahmen bezieht.

Der Zusammensetzung des Beirates sind Grenzen gesetzt. Arbeitslosengeld-II-
Beziehende bzw. deren Interessenvertretungen können nicht direkt in den Bei-
rat gewählt werden, weil sie nicht zu den Beteiligten des örtlichen Arbeitsmark-
tes zählen.

Die unzureichenden Befugnisse und die Restriktionen bei der Zusammenset-
zung der Beiräte schränken die Wirksamkeit ihrer Arbeit ein und führen nicht
zu der vom Gesetzgeber gewollten guten fachlichen Unterstützung der Träger
bei der Bestimmung der angemessenen und zweckmäßigen Eingliederungs-
maßnahmen.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

gesetzliche Voraussetzungen für eine Erweiterung der Kompetenzen und der
Zusammensetzung der Beiräte zu schaffen. Ziel muss es sein, die Wirksamkeit
der Arbeit der Beiräte im Interesse der Betroffenen zu erhöhen. Die gesetzli-
chen Grundlagen der Arbeit der örtlichen Beiräte sind daher durch folgende
Regelungen zu verändern und zu erweitern:

Drucksache 17/7844 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

1. Die örtlichen Beiräte beraten die Trägerversammlung und die Geschäftsfüh-
rung des Jobcenters in allen grundsätzlichen Fragen im Zusammenhang mit
Leistungen, die für Betroffene im Rahmen des SGB II erbracht werden. Die
Beiräte tagen grundsätzlich öffentlich.

2. Die örtlichen Beiräte bestimmen über die Einsatzfelder öffentlich geförder-
ter Beschäftigung verbindlich mit.

3. Auf der Basis entsprechender Vereinbarungen der Trägerversammlung kön-
nen die örtlichen Beiräte weitere Aufgaben übernehmen.

4. Soll einem Widerspruch nicht stattgegeben werden, sind die örtlichen Bei-
räte zu hören.

5. Den örtlichen Beiräten ist bei allen Angelegenheiten, die zu ihrem Aufga-
benbereich gehören, Akteneinsicht zu gewähren und auf Verlangen Aus-
kunft zu erteilen, sofern und soweit datenschutzrechtliche Regelungen dem
nicht entgegenstehen.

6. Die kommunalen Vertretungen und die Beteiligten des örtlichen Arbeits-
marktes benennen ihre Vertreterinnen und Vertreter im Beirat. Sichergestellt
werden muss, dass Mitglieder der kommunalen Vertretung, die Beteiligten
des örtlichen Arbeitsmarktes, insbesondere Gewerkschaften und Arbeit-
geberverbände, die Industrie- und Handelskammer, die Handwerkskammern,
die Liga der freien Wohlfahrtspflege sowie Betroffene im Rahmen des
SGB II oder deren Interessenvertretungen im Beirat vertreten sind. Eine
Berufung durch die Trägerversammlung entfällt.

Berlin, den 22. November 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Zu Nummer 1

Die Wirksamkeit der Arbeit der Beiräte kann nur erhöht werden, wenn ihnen
weitere Kompetenzen zugewiesen und sie in ihren Rechten gestärkt werden. Sie
sollten sich mit allen grundsätzlichen Fragen, die im Zusammenhang mit allen
Leistungen, die für Betroffene im Rahmen des SGB II erbracht werden, befassen
und hierzu Empfehlungen an die Trägerversammlung und die Jobcenter aus-
sprechen können.

Zu Nummer 2

Im Bereich der beschäftigungsschaffenden Maßnahmen sollten Beiräte nicht
nur beratend tätig sein, sondern mitentscheiden können, um Missbrauch und
Fehlsteuerungen entgegenwirken zu können.

Zu Nummer 3

Um sicherzustellen, dass den unterschiedlichen Gegebenheiten des jeweiligen
örtlichen Arbeitsmarktes und den daraus erwachsenden Anforderungen an Aus-
wahl und Gestaltung der Eingliederungsinstrumente entsprechend Rechnung
getragen werden kann, müssen die Trägerversammlungen in der Lage sein, die
Kompetenzen der örtlichen Beiräte bei Bedarf zu erweitern.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7844

Zu Nummer 4

Es wird vorgeschlagen, dass sich die Beiräte mit strittigen Widerspruchsbe-
scheiden befassen können, um Klageverfahren zu verhindern. Eine Beteiligung
Dritter im Widerspruchsverfahren ist dem SGB auch nicht fremd. Für die So-
zialhilfe bestimmt § 116 Absatz 2 SGB XII, dass sozial erfahrene Dritte vor
dem Erlass des Bescheides über den Widerspruch gegen die Ablehnung der
Sozialhilfe oder die Festsetzung ihrer Art und Höhe beratend zu beteiligen sind.
Die Einbringung dieser Erfahrung in das Verfahren soll u. a. eine erhöhte
„Richtigkeitsgewähr“ für die jeweils zu treffende Maßnahme bewirken, und
zwar im öffentlichen Interesse wie im Interesse des von dieser Maßnahme be-
troffenen Einzelnen (BVerwGE 94, 326).

Zu Nummer 5

Durch die Arbeit des Beirates soll für alle Beteiligten des örtlichen Arbeits-
marktes Transparenz über das Gesamtpaket der aktiven Leistungen hergestellt
werden. Voraussetzung hierfür ist der Zugang zu Informationen in allen zu sei-
nem Aufgabenbereich gehörenden Angelegenheiten. Ein Akteneinsichtsrecht
für alle Mitglieder des Beirates und eine Auskunftspflicht der Geschäftsfüh-
rung des Jobcenters würden dem Rechnung tragen und zugleich eine
Kooperation gleichwertiger Partner gewährleisten. Zu beachten sind allerdings
etwaig entgegenstehende datenschutzrechtliche Regelungen.

Zu Nummer 6

Um sicherzustellen, dass alle gesellschaftlich relevanten Belange berücksich-
tigt werden, benennen kommunale Vertretungen und SGB-II-Beziehende bzw.
deren Interessenvertretungen sowie die übrigen Beteiligten des örtlichen Ar-
beitsmarktes, insbesondere Gewerkschaften und Arbeitgebervertretungen, die
Industrie- und Handelskammer, die Handwerkskammern sowie die Liga der
freien Wohlfahrtspflege ihre Vertreter. Sie sind Mitglied des Beirates. Damit
erübrigt sich eine Berufung durch die Trägerversammlung.

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