BT-Drucksache 17/7722

Umsetzung der Beschlüsse des G20-Gipfels zur Sozialen Dimension der Globalisierung

Vom 11. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7722
17. Wahlperiode 11. 11. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Markus Kurth, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Beate Müller-Gemmeke, Ute Koczy, Thilo Hoppe, Marieluise Beck (Bremen),
Volker Beck (Köln), Viola von Cramon-Taubadel, Dr. Thomas Gambke, Katja Keul,
Sven-Christian Kindler, Tom Koenigs, Agnes Malczak, Kerstin Müller (Köln),
Omid Nouripour, Lisa Paus, Brigitte Pothmer, Claudia Roth (Augsburg),
Manuel Sarrazin, Dr. Gerhard Schick, Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian Ströbele
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Umsetzung der Beschlüsse des G20-Gipfels zur Sozialen Dimension
der Globalisierung

Vom 2. bis 4. November 2011 kamen die Staats- und Regierungschefs der G20
zum Gipfel in Cannes zusammen. Ein Schwerpunkt des Gipfels war die „Soziale
Dimension der Globalisierung“. Die abschließende „Working Session“ wurde in
Verhandlungen zwischen den G20-Staaten und einem Treffen der Arbeits-, Be-
schäftigungs- und Sozialministerinnen und -minister mit dem französischen Prä-
sidenten Nicolas Sarkozy und dem Generaldirektor der Internationalen Arbeits-
organisation (ILO) Juan Somavia am 26. und 27. September 2011 in Paris
vorbereitet. Aus diesem Treffen ging ein ausführliches Beschlusspapier hervor.

Konkret standen die folgenden Ziele im Zentrum der Debatte:

1. Verbesserung der aktiven Beschäftigungsmaßnahmen, insbesondere für Ju-
gendliche und sonstige benachteiligte Gruppen;

2. Stärkung der sozialen Sicherung durch Einrichtung von an das jeweilige Land
angepasste Social protection Floors (Basissysteme der sozialen Sicherung);

3. Förderung der effektiven Anwendung der Arbeits- und Sozialrechte;

4. Stärkung der Kohärenz von Wirtschafts- und Sozialpolitik.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßen die Initiative der französi-
schen G20-Präsidentschaft und den Schwerpunkt auf die vier genannten Politik-
felder, die die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als zentral für die welt-
weite Entwicklung ansieht. Außerdem ist es erfreulich festzustellen, dass in
diesem Jahr zum ersten Mal ein Gewerkschaftsgipfel (L20) zur Ergänzung des
Business-Gipfels (B20) abgehalten wurde und von Seiten des Elysée-Palasts

darauf geachtet wurde, den Gewerkschaftsvertreterinnen und -vertretern ebenso
viel Aufmerksamkeit zu schenken, wie den Wirtschaftsvertreterinnen und - ver-
tretern. Die ambitionierten Zielsetzungen für die internationale sozialpolitische
Zusammenarbeit werfen die Frage auf, wie die Bundesregierung die Beschlüsse
konkret umsetzen will (die Zitate in den Fragen beziehen sich auf die „Schluss-
folgerungen der G20-Arbeits- und Beschäftigungsminister“, Paris, 26. und
27. September 2011).

Drucksache 17/7722 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche konkreten Schritte plant die Bundesregierung, um die Ergebnisse der
G20-Arbeits- und Beschäftigungsministerinnen und -minister umzusetzen?

2. Welche

a) „Maßnahmen“ wird die Bundesregierung ergreifen, und welche

b) „Einrichtungen“ wird die Bundesregierung etablieren, um, wie beim G20-
Arbeitsministerinnen- und Arbeitsministertreffen beschlossen, Wirt-
schaftswachstum beschäftigungswirksamer zu gestalten, und wie hoch
sind die finanziellen Mittel, die die Bundesregierung dafür zur Verfügung
stellen wird?

3. Wie sollen dabei die Wechselbeziehungen zwischen Wirtschaftswachstum,
Beschäftigung und sozialer Sicherung „eingehender ausgelotet werden“?

4. Wie plant die Bundesregierung ihrer Zusage nachzukommen,

a) „den Wissens- und Erfahrungsaustausch fortzusetzen und komplementäre
Initiativen auf den Weg zu bringen und dabei auch die Süd-Süd-Zusam-
menarbeit und Formen der dreiseitigen Zusammenarbeit einzubeziehen“
(bitte auf konkrete Planungen im Bereich Sozialpolitik eingehen),

b) die „Zusammenarbeit im Bereich der erfolgreichen Erfahrungen mit insti-
tutionellen Koordinierungsmechanismen und -strategien zur Verknüpfung
von Schule, Ausbildung und Beschäftigung auszubauen“?

5. Bis wann rechnet die Bundesregierung mit der Einsetzung der intergouverne-
mentalen Task Force „für den gegenseitigen Austausch von Erfahrungen,
besten Praktiken und Reaktionen der Politik“ auf Beschäftigungsfragen, und
wie häufig, und wann soll sie tagen?

6. Welche Themen wird die Bundesregierung mit Blick auf den kommenden
G20-Gipfel in Mexiko in der Task Force besonders in den Mittelpunkt
stellen?

7. Wie plant die Bundesregierung die IAO, die OECD (Organisation für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und den IWF (Internationaler
Währungsfonds) (und gegebenenfalls weitere, nicht im Abschlussdokument
des Arbeitsministerinnen- und Arbeitsministertreffens genannte Organisatio-
nen wie die Weltbank) darin zu unterstützen,

a) „zu einem breiteren Verständnis der Wechselwirkung zwischen der Schaf-
fung von Arbeitsplätzen, dem Wachstum der Wirtschaft und der sozialen
Sicherung beizutragen“,

b) „auf Anfrage Länder dabei zu unterstützen, die größten benachteiligten
Gruppen, ihre Schwierigkeiten sowie Methoden zu ermitteln, mit denen
diese Gruppen zu einer rascheren Eingliederung in gute Arbeit verholfen
werden kann“,

c) „eine Plattform für den Wissensaustausch einzurichten, um eine Ausbil-
dungsförderung entsprechend der G20-Ausbildungsstrategie durchzufüh-
ren.“?

8. Wie sollen diese G20-Maßnahmen auch Nicht-G20-Ländern, insbesondere
den Least Developed Countries (LDC), zugutekommen?

9. Wie will die Bundesregierung im G20-Prozess und darüber hinaus „stufen-
weise Fortschritte bei der Verwirklichung von nationalen Social Protection
Floors“ unterstützen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7722

10. Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die im
Abschlussdokument des G20-Arbeitsministerinnen- und Arbeitsminister-
treffens gennannten Einzelbereiche „gesundheitliche Versorgung, Einkom-
menssicherung für ältere Menschen und Menschen mit Behinderung, Leis-
tungen für Kinder und Einkommenssicherung für Arbeitslose und
erwerbstätige Menschen“ international voranzutreiben?

11. Ist hierzu auch die Wiedereinführung der Zielgröße „Soziale Sicherung“ im
Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung geplant, und wenn nein, warum nicht?

12. Wie wird die Bundesregierung die Aufforderung in den Schlussfolgerungen
des G20-Arbeitsministerinnen- und Arbeitsministertreffens zur Vertiefung
der internationalen Zusammenarbeit (bi-, multilaterale und dreiseitige Zu-
sammenarbeit) für den Wissensaustausch und die Stärkung der Institutionen
auf dem Gebiet der sozialen Sicherung umsetzen?

13. Wie stellt sich die Bundesregierung die Umsetzung der G20-Forderung vor,
dass auch private Geber einen Beitrag zum Aufbau von Social Protection
Floors leisten?

14. Welche „neuen Wege“ schlägt die Bundesregierung vor, „mit denen inter-
nationale solidarische Hilfsangebote ergänzt werden können, damit Social
Protection Floors weltweit eingeführt werden können“?

15. Wie sollen

a) IWF und

b) IAO

die Regierungen dabei unterstützen, „die notwendigen haushaltspolitischen
Maßnahmen festzulegen, die als Beitrag zur schrittweisen Umsetzung der
Social Protection Floors […] erforderlich sind“?

16. Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung, um ihr Verspre-
chen einzulösen, „noch größere Anstrengungen zu unternehmen, um ge-
meinsam mit der IAO die effektive Anwendung [von…] Arbeitsrechten“ zu
fördern, und um „grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit über-
all in der Welt“ zu erreichen?

17. Welche „innerstaatlichen Kapazitäten für die Einhaltung der internationalen
Arbeitsnormen“ wird die Bundesregierung in Deutschland stärken?

a) Plant die Bundesregierung, Berichtspflichten für deutsche transnationale
Unternehmen zur Einhaltung internationaler Arbeitsnormen gesetzlich
einzuführen?
Wenn ja, wie und wann?
Wenn nein, warum nicht?

b) Plant die Bundesregierung, Opfern von Menschenrechtsverletzungen
durch deutsche transnationale Unternehmen die Klage vor deutschen
Gerichten zu ermöglichen?
Wenn ja, auf welchem Wege?
Wenn nein, warum nicht?

c) Plant die Bundesregierung, internationale Arbeitsnormen in die Krite-
rien der öffentlichen Beschaffung mit aufzunehmen (und dies nicht nur
als Möglichkeit wie im Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts
von April 2009, sondern unterfüttert mit entsprechenden, verpflichten-
den Verwaltungsvorschriften zur Beschaffung)?

Wenn ja, wie?
Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 17/7722 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
d) Wo sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf bei der Nationalen Kon-
taktstelle (NKS), die die Einhaltung der OECD-Leitsätze für multinatio-
nale Unternehmen unterstützen soll?

18. Welche konkreten Konzepte verfolgt die Bundesregierung zur gegensei-
tigen Unterstützung der G20-Staaten bei der „Stärkung ihrer innerstaat-
lichen Kapazitäten für die Einhaltung der internationalen Arbeitsnormen“?

a) Plant die Bundesregierung „den Austausch auf dem Gebiet der tech-
nischen Zusammenarbeit“ zu verbessern?
Wenn ja, wie?
Wenn nein, warum nicht?

b) Wie plant die Bundesregierung das „Nachahmen erfolgreicher Stra-
tegien“ zu fördern, und auf welche Strategien bezieht sich die Bundes-
regierung hier?

19. Welche konkreten Maßnahmen schlägt die Bundesregierung vor „um die
Koordinierung und die Kohärenz unserer Wirtschafts- und Sozialpolitik zu
verbessern“?

20. Bei welchen Gelegenheiten wird die Bundesregierung das Thema „Kohä-
renz zwischen Wirtschafts- und Sozialpolitik“ als Diskussionspunkt der
„Staats- und Regierungschefs“ wieder aufsetzen, wie im Abschlussdoku-
ment des Treffens der Arbeitsministerinnen und -minister festgehalten?

Berlin, den 11. November 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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