BT-Drucksache 17/7639

Qualität der Integrationskurse verbessern

Vom 9. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7639
17. Wahlperiode 09. 11. 2011

Antrag
der Abgeordneten Memet Kilic, Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln),
Birgitt Bender, Katja Dörner, Kai Gehring, Ingrid Hönlinger, Sven-Christian Kindler,
Maria Klein-Schmeink, Markus Kurth, Jerzy Montag, Beate Müller-Gemmeke,
Dr. Konstantin von Notz, Brigitte Pothmer, Wolfgang Wieland und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Qualität der Integrationskurse verbessern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit dem Zuwanderungsgesetz hat die rot-grüne Koalition 2005 die Integrations-
politik in Deutschland erstmals auf eine gesetzliche Grundlage gestellt: Wäh-
rend bis dahin kaum 10 Prozent der jährlichen Neueinwandererinnen und -ein-
wanderer ein Sprachkurs angeboten wurde, haben nunmehr größtenteils alle, die
nach Deutschland einwandern, einen Rechtsanspruch auf den Besuch eines In-
tegrationskurses.

Diese Integrationskurse sind lange Zeit auf ein beispielloses Interesse gestoßen:
Über 700 000 Personen haben daran teilgenommen. Besonders erfreulich war,
dass so genannte Alteinwanderer, die ganz überwiegend freiwillig an den Kur-
sen teilnehmen, rund die Hälfte der Integrationskursteilnehmer stellten und da-
mit mit großem Abstand die größte Teilnehmendengruppe bildeten.

Die Bundesregierung betont regelmäßig, Deutschkenntnisse seien die Grund-
lage für eine erfolgreiche Integration, unternimmt aber zu wenig, um die Kurse
für Einwanderinnen und Einwanderer attraktiv zu gestalten. Im Gegenteil, im
letzen Jahr hat sie Sparmaßnahmen eingeführt, die den Interessierten eine er-
folgreiche Teilnahme noch weiter erschweren. Das ist besonders bedenklich,
weil der Aufenthaltsstatus maßgeblich von den Deutschkenntnissen der Einwan-
derinnen und Einwanderer abhängt.

A. Teilnahme

Die Teilnahme an den Integrationskursen ist in den letzten beiden Jahren ganz
erheblich gesunken. Das gilt sowohl für die erteilten Teilnahmeberechtigungen
als auch für die Teilnahme als solche. Insbesondere ist es zu bedauern, dass der
Anteil von Personen, die freiwillig an einem Integrationskurs teilnimmt, über-

proportional zurück geht und insbesondere die Zahl der freiwillig teilnehmen-
den Alteinwanderer. Über ein Handlungskonzept, wie dieser Entwicklung ge-
gengesteuert werden könnte, verfügt die Bundesregierung nicht.

Nicht nachvollziehbar und sogar europarechtlich bedenklich ist darüber hinaus,
dass dauerhaft bleibeberechtigte Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach
§ 104a des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) bzw. subsidiär geschützte Personen

Drucksache 17/7639 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 3 AufenthG keinen Anspruch
auf Teilnahme an einem Integrationskurs haben.

B. Kursqualität

Die Integrationskurse werden ihrem eigentlichen Anspruch nicht gerecht. Nur
die Hälfte aller Teilnehmenden erreicht im Integrationskurs das für eine Aufent-
haltsverfestigung erforderliche Sprachniveau B1 des „Gemeinsamen Europäi-
schen Referenzrahmens für Sprachen“. Auch das derzeitige Angebot zur Kurs-
bzw. Prüfungswiederholung reicht für mehr als die Hälfte der Teilnehmenden
nicht aus, um das für eine Niederlassungserlaubnis erforderliche Sprachniveau
zu erreichen. Seit 2008 beendet mehr als ein Drittel der Teilnehmenden ihren
Integrationskurs ohne Abschluss. Die 2010 eingeführte Beschränkung, dass
Personen, die ihren Integrationskurs auf einem Sprachniveau unter A2 abge-
schlossen haben, ihren Kurs nicht wiederholen dürfen, wird diesen Trend noch
verschärfen.

Maßgeblich für eine gute Kursqualität ist auch die Motivation der Lehrkräfte,
die ein angemessenes Gehalt voraussetzt. Es ist beschämend, dass die Arbeit ins-
besondere der freiberuflichen Integrationskurs-Lehrkräfte im Hinblick auf ver-
gleichbare Berufsgruppen am schlechtesten vergütet wird. Die 2008 vom Bun-
desamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eingeführte Zulassungsbefris-
tung auf ein Jahr für Kursträger, die ihren Honorarkräften weniger als 15 Euro
die Stunde bezahlen, hat sich als unzureichend erwiesen. Die Bundesregierung
möchte bis Ende 2011 ihre Kriterien für die Zulassung von Integrationskursträ-
gern überarbeiten. Ein Konzept der Bundesregierung, wie hierbei die Vergütung
der Integrationskursdozentinnen und -dozenten signifikant verbessert werden
kann, ist nicht ersichtlich.

Immer noch lernen zu viele Teilnehmende in zu heterogenen Lerngruppen. Das
mindert nachweislich die Chancen auf einen erfolgreichen Kursabschluss. Das
2008 reformierte Einstufungssystem für die Integrationskurse ist vor diesem
Hintergrund weiter entwicklungsbedürftig.

Defizite bestehen darüber hinaus bei den Möglichkeiten zur Kurswiederholung,
dem Angebot an Teilzeitkursen und der qualitativen integrationskursbegleiten-
den Kinderbetreuung.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

im Rahmen des für Anfang 2012 angekündigten „Nationalen Aktionsplans Inte-
gration“ und der für Ende 2011 geplanten Reform der Integrationskursverord-
nung Folgendes umzusetzen:

A. Teilnahme erweitern

Die Bundesregierung wird aufgefordert,

1. ein Handlungskonzept vorzulegen und adäquate Finanzmittel bereitzustellen,
um Alteinwanderinnen und Alteinwanderer besser für den Besuch eines In-
tegrationskurses zu motivieren. Angesprochen werden sollen die über
230 000 Personen, die seit 2005 eine Teilnahmeberechtigung erhalten haben,
bislang aber noch keinen Integrationskurs begonnen haben, sowie die über
290 000 Personen, die zwar am Kurs teilgenommen, diesen aber nicht abge-
schlossen haben;

2. einen Teilnahmeanspruch auch für subsidiär geschützte Personen und für
Bleibeberechtigte einzuführen. Hierzu sind zumindest innerhalb eines Stu-
fenplans die benötigten Finanzmittel im Bundeshaushalt einzustellen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7639

B. Kursqualität erhöhen

Die Bundesregierung wird aufgefordert,

1. im Rahmen der Überarbeitung der Zulassungskriterien für Integrationskurs-
träger, die für eine mehrjährige Zulassung maßgebliche Mindestvergütung
für freiberufliche Lehrkräfte von derzeit 15 Euro auf 24 Euro anzuheben;

2. durch finanzielle und organisatorische Unterstützung die Kursträger dazu zu
befähigen, an den Vorkenntnissen orientierte lernhomogene Gruppen in den
einzelnen Kursen zu gewährleisten. Hierzu ist zunächst eine Evaluation des
2008 eingeführten neuen Einstufungssystems vonnöten. Daraufhin sollen
Wege aufgezeigt werden, wie es Kursträgern auch in Regionen mit nur weni-
gen Integrationskursberechtigten besser gelingen könnte, homogene Lern-
gruppen zusammenzustellen. Schließlich bedürfen auch die stark frequentier-
ten Frauen- und Elternkurse eine Aufteilung der Teilnehmenden nach Vor-
kenntnissen;

3. ein Handlungskonzept zur Verbesserung der 2007 eingeführten Möglichkeit
zur Kurswiederholung vorzulegen. Zum einen müssen die Rahmenbedingun-
gen für diejenigen, die ihren Integrationskurs wiederholen, verbessert werden
– etwa durch Erhöhung des Stundenkontingents. Zum anderen müssen
Personen, die nicht einmal das Sprachniveau A2 erreicht haben, besondere
Unterstützung erfahren. Das bedeutet auch, dass der in 2010 beschlossene
Ausschluss dieser Personen von den Wiederholungskursen zurückgenom-
men werden muss;

4. die 2010 eingeführte Beschränkung für den Besuch von Teilzeit-Integrations-
kursen wieder aufzuheben;

5. eine Evaluation vorzulegen und Verbesserungsmöglichkeiten vorzuschlagen
im Hinblick auf das Zusammenwirken der Integrationskurse mit den seit
2007 angebotenen Anschlussförderungen (Verbundprojekte) bzw. der be-
rufsbezogenen Sprachförderung im Rahmen des ESF-BAMF-Programms
(ESF – Europäischer Sozialfonds);

6. die qualitative integrationskursbegleitende Kinderbetreuung signifikant aus-
zuweiten.

Berlin, den 9. November 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Zu Abschnitt II

Zu Buchstabe A

Teilnahme erweitern

Die Teilnahme an den Integrationskursen sinkt in letzter Zeit ganz erheblich. So
sank die Zahl der Teilnahmeberechtigungen von 215 000 (2005) auf 115 000
(2010). Das entspricht einem Rückgang von 46 Prozent. Die Zahl der Teilneh-
menden sank von 130 000 (2005) auf 89 000 (2010), also ein Rückgang um
32 Prozent. Besonders bedenklich ist der überproportionale Rückgang von Per-
sonen, die freiwillig an einem Integrationskurs teilnehmen. Deren Zahl sank

allein von 2009 auf 2010 um 38 Prozent – die der freiwillig teilnehmenden Alt-
einwanderer sogar um 41 Prozent.

Drucksache 17/7639 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wenn die Prognose der Bundesregierung von 100 000 Kursteilnehmenden in
2011 und 2012 zutrifft (vgl. Bundestagsdrucksache 17/7075), so wären dies
immer noch, abgesehen vom Tiefpunkt in 2010, die schlechtesten Werte seit
2005.

Zu Nummer 1

Die Bundesregierung geht im Hinblick auf den Kreis sog. Altzuwanderer, die
Interesse am Besuch eines Integrationskurses haben, immer noch von einem
„hohen Potential“ aus. Diese Menschen seien aber – so die Bundesregierung –
„schwieriger zu adressieren, als in den Anfangsjahren“ (Bundestagsdrucksache
17/7075). Die bisherigen Versuche, hier gegenzusteuern, sind halbherzig und
zum Teil sogar kontraproduktiv.

Die Antworten der Bundesregierung, den 230 000 Personen, die seit 2005 eine
Teilnahmeberechtigung erhalten haben, bislang aber noch keinen Integrations-
kurs begonnen haben, bzw. den über 290 000 Personen, die zwar am Kurs teilge-
nommen haben, diesen aber nicht abgeschlossen haben, stünde der Kursbesuch
respektive die Anmeldung zur Abschlussprüfung offen (vgl. Bundestagsdruck-
sache 17/7075), offenbaren die Taten- und Ideenlosigkeit dieser Bundesregie-
rung. Wenn die Bundesregierung für eine entsprechende Motivationskampagne
(„Deutsch lernen, Deutschland kennen lernen“) von 2009 bis 2010 gerade einmal
88 000 Euro investiert (vgl. Bundestagsdrucksache 17/7075), dann nimmt sie ihr
Anliegen offenkundig selbst nicht ernst. Geradezu widersinnig ist es, zwar
schwer erreichbare Klientel ansprechen und zum Kursbesuch motivieren zu wol-
len, gleichzeitig aber ab 2005 ausgerechnet die Bundesmittel für die sog. niedrig-
schwelligen Frauenkurse zu kürzen, mit denen Migrantinnen aus gesellschaftlich
zurückgezogenen Milieus zum Besuch eines Integrationskurses erfolgreich hin-
geführt werden.

Zu Nummer 2

In Deutschland leben heute rund 7 000 dauerhaft bleibeberechtigte Personen mit
einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG bzw. über 27 000 subsidiär ge-
schützte Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 3 AufenthG.
Diese Menschen haben derzeit keinen Anspruch auf Teilnahme an einem Inte-
grationskurs, sondern nur einen nachrangigen Zugang zu freigebliebenen Kurs-
plätzen (vgl. § 5 Absatz 3 der Integrationskursverordnung).

Dies ist integrationspolitisch nicht nachvollziehbar, denn diese Menschen wer-
den erkennbar auf Dauer in Deutschland leben und sind genauso auf gute
Deutschkenntnisse angewiesen wie die Anspruchsberechtigten.

Wollte man allen 34 000 in Frage kommenden Personen Zugang zu den Integra-
tionskursen ermöglichen, wäre mit Mehraufwendungen von bis zu 51 Mio. Euro
zu rechnen (vgl. Bundestagsdrucksache 17/7075). Es ist aber wahrscheinlich,
dass zumindest ein Teil dieser Personen bereits die Möglichkeit hatte, einen
Integrationskurs zu besuchen oder auf andere Weise bereits deutsch gelernt hat.
Insofern schlägt der Deutsche Bundestag vor, diesem Personenkreis in den kom-
menden drei Jahren zumindest stufenweise den Zugang zum Integrationskurs zu
ermöglichen.

Dies entspräche nicht nur der Absicht der damaligen rot-grünen Parlaments-
mehrheit (vgl. Bundestagsdrucksache 14/8414, S. 75) und dem Wunsch der
Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration
(Bundestagsdrucksache 17/2400, S. 128). Artikel 33 Absatz 2 der einschlägigen
Qualifikationsrichtlinie der EU (2004/83/EG) sieht ohnehin den Zugang für sub-
sidiär geschützte Personen zu den Integrationsangeboten des aufnehmenden

Mitgliedstaates vor. Zudem ist die Angleichung des Schutzstatus für subsidiär

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/7639

geschützte Personen mit Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention
nicht nur Kernanliegen der „Asylstrategie“ der Europäischen Kommission
(KOM(2008) 360, S. 4 ff.). Dieses Ziel wurde auch durch die Bundesregierung
im „Europäischen Pakt zu Einwanderung und Asyl“ (EU-Ratsdokument 13440/
08, S. 11) sowie im „Stockholmer Programm“ (EU-Ratsdokument 5731/10,
S. 114) bestätigt.

Zu Buchstabe B

Kursqualität erhöhen

Ziel der Integrationskurse war es – so der damalige rot-grüne Gesetzgeber –,
dass hier nicht nur gesellschaftspolitisches Basiswissen vermittelt, sondern ins-
besondere „das für eine Aufenthaltsverfestigung vorausgesetzte, ausreichende
Sprachniveau erreich[t]“ werden soll (Bundestagsdrucksache 14/7387, S. 81).
Um eine Niederlassungserlaubnis zu erhalten müssen seither Sprachkenntnisse
auf dem Niveau B1 des „Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für
Sprachen“ nachgewiesen werden (vgl. 9.2.1.7 der Allgemeinen Verwaltungs-
vorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009).

Von diesem klaren Bewertungsmaßstab für die Integrationskurse hat sich die
nachfolgende schwarz-rote und die gegenwärtige schwarz-gelbe Bundesregie-
rung verabschiedet: Die aktuelle Integrationskursverordnung vom 5. Dezember
2007 legt in § 3 Absatz 1 Nummer 1 als Ziel des Integrationskurses nur noch
ganz allgemein „die erfolgreiche Vermittlung von ausreichenden Kenntnissen
der deutschen Sprache“ fest (BGBl. I S. 2787). Nicht ohne Grund, denn seit
2005 erreichen bestenfalls rund die Hälfte aller Kursteilnehmenden in ihrer
Abschlussprüfung das von Rot-Grün anvisierte Sprachniveau B1.

Um diese Probleme zu kaschieren, gilt seit 2009 auch ein Abschluss auf dem
Sprachniveau A2 als erfolgreicher Kursabschluss. Da jedoch das für eine Auf-
enthaltsverfestigung erforderliche Sprachniveau nicht abgesenkt wurde, ist ein
Abschluss auf dem Niveau A2 aufenthaltsrechtlich ohne Belang. Das Selbstlob
der Bundesregierung, 89 Prozent der Teilnehmenden würden ihren Integrations-
kurs erfolgreich abschließen, ist damit nicht mehr als ein statistischer Taschen-
spielertrick.

Hinzu kommt, dass mehr als 13 Prozent der Kursabsolventinnen und -absolven-
ten 2010 überhaupt keinen Abschluss erzielen konnten. Berücksichtigt man
sinnvollerweise noch die rund 100 000 Teilnehmenden, die sich gar nicht erst zu
einer Abschlussprüfung angemeldet haben, bleibt über ein Drittel aller Teilneh-
menden, die seit 2008 einen Integrationskurs begonnen haben, ohne jeglichen
Abschluss.

Zu Nummer 1

Über 17 000 Dozentinnen und Dozenten arbeiten derzeit in den Integrationskur-
sen. In vorbildlicher Weise unterstützen sie jedes Jahr Tausende von Menschen
dabei, ihre Teilhabechancen in unserem Land mittels der erworbenen Sprach-
kenntnisse zu verbessern. Es ist für die Lehrkräfte unzumutbar, dass die Arbeit,
insbesondere die der freiberuflichen Integrationskurs-Lehrkräfte, im Hinblick
auf vergleichbare Berufsgruppen nachweislich am schlechtesten vergütet wird.
Die unangemessene Bezahlung kann schließlich Auswirkungen auf die Motiva-
tion der Lehrkräfte haben und damit auch einen ganz erheblichen Einfluss auf
die Qualität der Kurse. Auch um die Qualität der Kurse zu verbessern, muss die
Bundesregierung für eine angemessene Bezahlung der Lehrkräfte sorgen.

Die 2008 vom BAMF eingeführte Zulassungsbefristung von einem Jahr für

Kursträger, die ihre Lehrkräfte mit weniger als 15 Euro vergüten, hat sich als
unzureichend erwiesen, dieses Problem zu beheben. Auch die Integrationsbe-

Drucksache 17/7639 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

auftragte kommt zu dem Schluss, dass diesem Problem allein mit haushalteri-
schen Mitteln wie einer bloßen Erhöhung des Stundensatzes nicht beizukommen
ist (Bundestagsdrucksache 17/2400, S. 132). Deswegen fordert der Deutsche
Bundestag die Bundesregierung auf, im Rahmen der neuen Zulassungskriterien
für Integrationskursträger die bisherige Mindestvergütung für eine mehrjährige
Zulassung von derzeit 15 Euro auf 24 Euro anzuheben. Dies wäre vergaberecht-
lich unbedenklich, da keinem privatwirtschaftlichen Kursträger eine konkrete
Vergütung vorgeschrieben wird.

Die hier vorgeschlagene Mindestvergütung ist eine Zwischenlösung. Sie ver-
sucht – angesichts der Sparzwänge, denen auch der Einzelplan 06 des Bundes-
haushaltes unterworfen ist - einen Ausgleich zu schaffen zwischen den berech-
tigten Forderungen der Betroffenen bzw. ihrer „Gewerkschaft für Erziehung und
Wissenschaft“, die die Forderung nach einer Mindestvergütung von 30 Euro er-
hoben hat, und dem Bemühen, zusätzliche Haushaltsmittel bereitzustellen, um
die Zahl der Teilnehmenden wieder zu erhöhen.

Zu Nummer 2

Im Jahr 2007 wurde ein reformiertes Einstufungssystem für Integrationskursbe-
rechtigte eingeführt, nach welchem die Teilnehmenden je nach Vorkenntnissen
in unterschiedliche Kurse aufgeteilt werden. Zeitgleich wurden auf Grundlage
von § 13 der Integrationskursverordnung neben den allgemeinen Integrations-
kursen eine Reihe von Spezialkursen geschaffen (Alphabetisierung, Intensiv-
kurs, Förderkurs, Jugendkurs, Frauen-/Elternkurs). Das damit verfolgte Ziel,
lernhomogenere und an den Vorkenntnissen orientierte Gruppen zu bilden,
wurde bis heute aber nicht erreicht. Bei den Frauen- und Elternkursen findet eine
Einteilung nach Vorkenntnissen gar nicht statt. Bei den Alphabetisierungskursen
hat sich in der Praxis nicht bewährt, dass jeder als Analphabet gilt, der nicht in
der lateinischen Schrift alphabetisiert ist. Das führt dazu, dass Lehrkräfte in
einem Kurs den Bedürfnissen von Analphabeten wie auch gut ausgebildeten
Personen, die lediglich die lateinische Schrift noch nicht beherrschen, gerecht
werden müssen. Hinzu kommt, dass viele Kursträger nicht die Mittel haben, um
jederzeit Kurse mit unterschiedlichen Niveaus anzubieten. So kommt es vor,
dass Teilnehmende zwar nach dem Einstufungstest in unterschiedliche Kurse
aufgeteilt werden müssten, aber zum gewünschten Zeitpunkt nur ein einziger
Kurs angeboten wird, in den dann alle Interessierten vermittelt werden. Wie sich
aus den folgenden Zahlen ergibt, erschwert die Mischung der unterschiedlichen
Vorkenntnisse es den Lehrkräften, den Teilnehmenden effektiv Deutschkennt-
nisse zu vermitteln und behindert so die Teilnehmenden bei ihrem Lernerfolg.

Am stärksten frequentiert sind – neben dem allgemeinen Integrationskurs
(76 Prozent) – die Alphabetisierungs- und die Frauen-/Elternkurse (10 Prozent
bzw. 11 Prozent). Migrantinnen sind in allen Kursarten überrepräsentiert (allge-
meiner Integrationskurs – 60 Prozent –, Alphabetisierungskurs – 64 Prozent –
und Frauen-/Elternkurse – 81 Prozent).

Die Abschlüsse in den Spezialkursen sind sehr unterschiedlich (vgl. Bundes-
tagsdrucksache 17/7075). Am bedenklichsten sind die Abschlussquoten in den
Alphabetisierungskursen. Auch nach bis zu 1 200 Kursstunden erreicht weniger
als ein Viertel der Teilnehmenden das aufenthaltsrechtlich notwendige Sprach-
niveau B1. Über 35 Prozent aller Teilnehmenden erreichen nicht einmal das
Sprachniveau A2. In den Frauenkursen liegt der Erreichungsgrad von B1 eben-
falls unter dem Durchschnitt der übrigen Kursarten.

Angesichts dieser unbefriedigenden Zahlen ist eine Weiterentwicklung der Zu-
sammensetzung/Modularisierung des allgemeinen Integrationskurses bzw. der
Spezialkurse sinnvoll.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/7639

Zu Nummer 3

Im Jahr 2010 haben 23 500 Personen ihren Integrationskurs und rund 6 000
ihren Abschlusstest wiederholen können. Die Abschlussquoten zeigen jedoch,
dass für mehr als die Hälfte aller Wiederholenden auch das derzeitige, zusätz-
liche Angebot der Kurs- bzw. Prüfungswiederholung nicht ausreicht, um das für
eine Niederlassungserlaubnis erforderliche Sprachniveau (B1) zu erreichen (vgl.
Bundestagsdrucksache 17/7075).

Hinzu kommt, dass die Bundesregierung die rund 100 000 Personen von einer
Kurswiederholung ausgeschlossen hat, die entweder keinen Abschlusstest oder
nur ein Sprachniveau von unter A2 erreicht haben. Die Bundesregierung möchte
diese Menschen innerhalb des Integrationskurssystems nicht weiter qualifizie-
ren. Sie verweist sie stattdessen ganz allgemein auf die Existenz des Programms
zur beruflichen Sprachförderung (das sog. ESF-BAMF-Programm). Auch die
Integrationsbeauftragte hält diese Entscheidung der Bundesregierung für „pro-
blematisch“ (Bundestagsdrucksache 17/2400, S. 130).

Dabei bedürfen gerade die Menschen, die einen Kurs wiederholen oder keinen
oder nur einen ungenügenden Kursabschluss vorweisen können, besonderer In-
tegrationsanstrengungen. Es werden konkrete Vorschläge benötigt, wie die Rah-
menbedingungen verbessert werden können, damit auch diese Menschen ihren
Integrationskurs absolvieren können (entsprechende Überlegungen finden sich
auch im 8. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flücht-
linge und Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in
Deutschland; ebd.). Über eine gezielte Erhöhung von Stundenkontingenten
muss ebenso diskutiert werden wie über eine zusätzliche Öffnung der Härtefall-
regelung in § 9 AufenthG, um Personen, die sich erkennbar jahrelang – letztlich
jedoch ohne Erfolg – um den Erwerb ausreichender Sprachkenntnisse bemüht
haben, nicht dauerhaft von einer Aufenthaltsverfestigung auszuschließen.

Zu Nummer 4

Im Jahr 2010 verfügte die Bundesregierung eine gezielte Reduzierung des An-
gebots der bis dahin beliebten Teilzeitkurse. Infolgedessen sanken die Zahlen
der angebotenen Teilzeitkurse – auch und gerade in den stark frequentierten
Alphabetisierungs- sowie Frauen- und Elternkursen – von Januar 2010 bis
Dezember 2010 wie folgt: Alphabetisierungskurse fielen von 44 Prozent auf 40
Prozent, Frauenkurse von 60 Prozent auf 40 Prozent und Elternkurse von 35 Pro-
zent auf 28 Prozent (Daten nach: Bundestagsdrucksache 17/6924, S. 36 f.).

Teilzeitkurse sind besonders für Personen mit Kinderbetreuungspflichten, Be-
rufstätige oder lernschwächere Teilnehmende/Analphabeten notwendig. Eine
Kürzung des Angebots von Teilzeitkursen ist integrationspolitisch nicht sinnvoll.
Die Bundesregierung sollte ihren letztjährigen Beschluss daher zurücknehmen.

Zu Nummer 5

Bereits Ende 2005 hatte das BAMF ein Rahmenkonzept für eine berufsbezogene
Förderung im Anschluss an einen abgeschlossenen Integrationskurs (Verbund-
projekte) veröffentlicht (www.integration-in-deutschland.de). Die Evaluierung
der Integrationskurse durch die Beratungsfirma Rambøll Management Consul-
ting GmbH empfahl auf S. 209 f. eine „Ausweitung“ von Verbundprojekten. Im
„Nationalen Integrationsplan“ (Bundestagsdrucksache 16/6281) kündigte die
Bundesregierung auf S. 35 an, in die Zulassungsbestimmungen für Integrations-
träger ein neues Kriterium aufzunehmen, nämlich inwiefern Träger ihren Inte-
grationskurs mit Bildungsangeboten in den Bereichen Beruf und Gesellschaft
vernetzen bzw. inwieweit sie diesbezüglich mit den Agenturen für Arbeit und

den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende zusammenarbeiten. Letzt-

Drucksache 17/7639 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
lich wurden aber weder die diesbezügliche Förderstruktur noch die Erfolge und
Probleme der Verbundprojekte untersucht. Dies ist nachzuholen. Das gilt insbe-
sondere, weil in Zukunft aufgrund der neuen Anerkennungspraxis von ausländi-
schen Qualifikationen mit einem größeren Bedarf an berufsspezifischen Sprach-
kursen zu rechnen ist.

Zu Nummer 6

Im „Nationalen Integrationsplan“ (Bundestagsdrucksache 16/6281) erklärte die
Bundesregierung: „Eine wesentliche Voraussetzung, um die Wirksamkeit der
Kurse zu erhöhen [sei u. a.] eine qualifizierte Kinderbetreuung im Rahmen der
Integrationskurse“ (S. 11). Eine kursbegleitende Kinderbetreuung, die durch
den „Einsatz qualifizierter Fachkräfte“ erfolge, diene nicht nur der „sozialen In-
tegration der Kinder“ (S. 35 und 42), sondern leiste auch einen „wesentlichen
Beitrag zur Integration von Frauen“ (S. 13). Vor diesem Hintergrund versprach
die Bundesregierung die „Kursträger zum Nachweis einer qualifizierten Kinder-
betreuung zu verpflichten“ (ebd.). Tatsächlich werden aber immer noch nur in
rund einem Drittel aller Kinderbetreuungsmaßnahmen qualifizierte Fachkräfte
eingesetzt (vgl. Bundestagsdrucksache 17/7075).

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