BT-Drucksache 17/6167

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der sozialen Situation von Menschen, die ohne Aufenthaltsstatus in Deutschland leben

Vom 8. Juni 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6167
17. Wahlperiode 08. 06. 2011

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Memet Kilic, Josef Philip Winkler, Markus Kurth, Marieluise
Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Birgitt Bender, Viola von Cramon-Taubadel,
Kai Gehring, Katrin Göring-Eckardt, Katja Keul, Sven-Christian Kindler, Maria
Klein-Schmeink, Tom Koenigs, Jerzy Montag, Dr. Konstantin von Notz, Omid
Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Elisabeth Scharfenberg, Hans-Christian
Ströbele, Wolfgang Wieland und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der sozialen Situation von Menschen,
die ohne Aufenthaltsstatus in Deutschland leben

A. Problem

Die deutsche Rechtslage behindert die Inanspruchnahme sozialer Menschen-
rechte durch Betroffene, die ohne Aufenthaltsstatus in Deutschland leben. Die
Meldepflicht aller öffentlichen Stellen an die Ausländerbehörden stellt dabei das
größte Hindernis dar. Die Betroffenen vermeiden den Kontakt mit allen staatli-
chen Einrichtungen aus Furcht, dass dadurch ihr Aufenthalt in Deutschland be-
kannt wird. So kommen ihnen Leistungen, auf die sie einen Anspruch haben,
nicht zugute. Das gilt insbesondere für den Zugang zur medizinischen Grund-
bzw. Notfallversorgung, den Kindergarten- und Schulbesuch sowie für die
Durchsetzung von Lohn- und Entschädigungsansprüchen. Zudem ist die huma-
nitär motivierte Hilfe für diese Menschen in Deutschland unter Strafe gestellt.
Bis zum 20. Juli 2011 muss Deutschland die Richtlinie 2009/52/EG des Euro-
päischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards
für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige
ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (Sanktionsrichtlinie) umsetzen,
welche die Stärkung der Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oh-
ne Aufenthaltsstatus vorschreibt. Die Umsetzungsvorschläge der Bundesregie-
rung im bisherigen Entwurf des Richtlinienumsetzungsgesetzes sind bei weitem
nicht ausreichend.

B. Lösung

Die Übermittlungspflichten gemäß § 87 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG)
werden auf die öffentlichen Stellen beschränkt, die der Gefahrenabwehr und der
Strafrechtspflege dienen. Weitere Übermittlungspflichten von Leistungsträgern

und Gerichten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), Schwarz-
arbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG), Dritten und Siebten Buch Sozial-
gesetzbuch werden eingeschränkt. Zudem wird die Strafbarkeit von Beihilfe-
handlungen gemäß § 27 des Strafgesetzbuchs i. V. m. § 95 AufenthG einge-
schränkt. Schließlich wird Menschen ohne Aufenthaltsstatus, die Opfer einer
Straftat nach § 10 Absatz 1 SchwarzarbG oder nach § 15a des Arbeitnehmer-
überlassungsgesetzes sind, eine vorübergehende Aufenthaltserlaubnis erteilt,

Drucksache 17/6167 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

wenn sie in Strafverfahren mit den Behörden kooperieren. Die Aufenthaltser-
laubnis soll auch zur Durchsetzung von Lohn- und Entschädigungsansprüchen
erteilt werden. Weitere Verbesserungen für die effektive Durchsetzung von
Lohnansprüchen sind die Vermutung eines mindestens dreimonatigen Arbeits-
verhältnisses, die Mindestvergütung in Höhe der üblichen Vergütung, die Haf-
tung von Generalunternehmern und zwischengeschalteten Unternehmern sowie
die Einführung einer gesetzlichen Prozessstandschaft von Verbänden.

C. Alternativen

Keine.

D. Kosten

Durch die erleichterte Inanspruchnahme einer medizinischen Grund- bzw. Not-
fallversorgung i. S. d. Asylbewerberleistungsgesetzes sowie im Hinblick auf die
erwünschte Teilnahme von Kindern, die ohne Aufenthaltsstatus in Deutschland
leben, an frühkindlicher und schulischer Bildung entstehen den öffentlichen
Leistungsträgern Kosten. Der Kostenumfang ist aufgrund der unbekannten An-
zahl der Betroffenen derzeit nicht zu prognostizieren.

Gleichzeitig wird die Schwarzarbeit abnehmen, wenn sie dadurch erschwert und
verteuert wird, dass die ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
ohne Aufenthaltsstatus vor Arbeitsgerichten auf Lohnzahlung klagen.

Durch die Verringerung der Schwarzarbeit ist ein Anstieg der Sozialversiche-
rungsbeiträge und des Steueraufkommens zu erwarten.

satz 1, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist,

für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufent-
haltserlaubnis zu erteilen, wenn

1. die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers
im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen die-
ser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem
Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil oh-

d) Die Absätze 4 bis 6 werden die Absätze 3 bis 5.

6. § 95 wird wie folgt geändert:

a) Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 3 eingefügt:

„(3) Handlungen, die der Unterstützung eines Aus-
länders dienen, der eine Handlung nach § 95 Absatz 1
Nummer 1, 2, Absatz 1a oder Absatz 2 Nummer 1
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6167

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der sozialen Situation von Menschen,
die ohne Aufenthaltsstatus in Deutschland leben

Vom …

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das
folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Aufenthaltsgesetzes

Das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntma-
chung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt ge-
ändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 12. April 2011
(BGBl. I S. 610), wird wie folgt geändert:

1. In § 15a Absatz 1 wird folgender Satz 5 eingefügt:

„Ausgenommen von der Verteilung sind Ausländer, die
Opfer von Straftaten nach den §§ 232, 233 oder § 233a
des Strafgesetzbuchs, nach § 10 des Schwarzarbeits-
bekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmer-
überlassungsgesetzes sind.“

2. § 25 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 4a wird wie folgt gefasst:

„(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat
nach den §§ 232, 233, 233a des Strafgesetzbuchs wur-
de, ist abweichend von § 11 Absatz 1, auch wenn er
vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorüberge-
henden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis zu ertei-
len, wenn

1. die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers
im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen die-
ser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem
Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil oh-
ne seine Angaben die Erforschung des Sachver-
halts erschwert wäre, und

2. der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem
Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszu-
sagen.“

b) Nach Absatz 4a werden folgende Absätze 4b und 4c
eingefügt:

„(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat
nach § 10 Absatz 1 des Schwarzarbeitsbekämpfungs-
gesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüber-
lassungsgesetzes wurde, ist abweichend von § 11 Ab-

2. der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem
Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszu-
sagen.

(4c) Die Aufenthaltserlaubnis gemäß der Absät-
ze 4a und 4b soll ferner erteilt oder verlängert werden,
wenn dem Ausländer die zustehende Vergütung oder
der zustehende Schadensersatz noch nicht vollständig
geleistet wurde.“

3. In § 26 Absatz 1 Satz 3 wird nach der Angabe „§ 25
Abs. 4a“ die Angabe „und 4b“ eingefügt.

4. § 50 Absatz 2a wird wie folgt geändert:

a) In Satz 1 wird die Angabe „§ 25 Abs. 4a Satz 1“
durch die Wörter „§ 25 Absatz 4a oder Absatz 4b“
sowie die Angabe „§ 25 Abs. 4a Satz 2 Nr. 3“ durch
die Wörter „§ 25 Absatz 4a Nummer 2 oder Ab-
satz 4b Nummer 2“ ersetzt.

b) In Satz 2 werden die Wörter „einen Monat“ durch die
Wörter „drei Monate“ ersetzt.

c) Nach Satz 4 wird folgender Satz 5 angefügt:

„Ausländer, die ohne die nach § 4 Absatz 3 erforder-
liche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt
waren, sind unverzüglich, spätestens vor der Auswei-
sung, durch eine von der Ausländerbehörde beauf-
tragten Fachstelle über die Rechte nach Artikel 6 Ab-
satz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni
2009 über Mindeststandards für Sanktionen und
Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsange-
hörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen
(ABl. L 168 vom 30.06.2009, S. 24), umfassend zu
unterrichten.“

5. § 87 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 werden die Wörter „Öffentliche Stellen“
durch die Wörter „Polizei- und Ordnungsbehörden
sowie öffentliche Stellen mit der Aufgabe der Straf-
verfolgung und -vollstreckung“ ersetzt.

b) In Absatz 2 Satz 1 werden die Wörter „Öffentliche
Stellen“ durch die Wörter „Die in Absatz 1 genannten
Stellen“ ersetzt und der letzte, mit „das Jugendamt“
beginnende Halbsatz gestrichen.

c) Absatz 3 wird aufgehoben.
ne seine Angaben die Erforschung des Sachver-
halts erschwert wäre, und

Buchstabe b begeht, stellen kein Hilfeleisten im Sinne
des § 27 des Strafgesetzbuchs dar, wenn das Ziel der

Drucksache 17/6167 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Handlung die humanitäre Unterstützung der betroffe-
nen Person war.“

b) Die Absätze 3 bis 6 werden die Absätze 4 bis 7.

7. In § 99 Absatz 1 Nummer 14 werden nach den Wörtern
„Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende“ die
Wörter „nach Maßgabe der Regelung gemäß § 87“ einge-
fügt.

Artikel 2

Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes

In § 11 Absatz 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes in
der Fassung der Bekanntmachung vom 5. August 1997
(BGBl. I S. 2022), zuletzt geändert durch Artikel 2e des Ge-
setzes vom 24. September 2008 (BGBl. I S. 1856), wird
nach Satz 2 folgender Satz 3 eingefügt:

„Die Datenübermittlung ist unzulässig, wenn einem voll-
ziehbar ausreisepflichtigen Ausländer im Sinne des § 1 Ab-
satz 1 Nummer 5 oder einem Familienangehörigen Leistun-
gen gemäß § 4 oder § 6 gewährt werden.“

Artikel 3

Änderung des Gesetzes zur Bekämpfung
der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung

Das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und ille-
galen Beschäftigung vom 23. Juli 2004 (BGBl. I S 184), zu-
letzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 22. April
2009 (BGBl. I S. 818), wird wie folgt geändert:

1. Nach § 6 Absatz 1 Satz 1 wird folgender Satz 2 eingefügt:

„Die in § 2 Absatz 2 Nummer 1 bis 7, 8a und 9 genannten
Stellen dürfen personenbezogene Daten über vollziehbar
ausreisepflichtige Ausländer nicht übermitteln.“

2. § 13 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 2 wird folgender Satz 2 eingefügt:

„Die in § 2 Absatz 2 Nummer 1 bis 7, 8a und 9 ge-
nannten Stellen dürfen personenbezogene Daten über
vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer nicht über-
mitteln.“

b) In Absatz 3 wird folgender Satz 3 angefügt:

„In Verfahren über Ansprüche von vollziehbar ausrei-
sepflichtigen Ausländern dürfen Gerichte personen-
bezogene Daten über den Ausländer nicht übermit-
teln.“

Artikel 4

Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch
– Arbeitsförderung

Nach § 405 Absatz 6 Satz 2 des Dritten Buches Sozialge-
setzbuch – Arbeitsförderung – (Artikel 1 des Gesetzes vom
24. März 1997, BGBl. I S. 594), zuletzt geändert durch Arti-

„In Verfahren über Ansprüche von vollziehbar ausreise-
pflichtigen Ausländern dürfen Gerichte personenbezogene
Daten über den Ausländer nicht übermitteln.“

Artikel 5

Änderung des Siebten Buches Sozialgesetzbuch
– Gesetzliche Unfallversicherung

In § 211 Satz 4 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch
– Gesetzliche Unfallversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes
vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254), zuletzt geändert
durch Artikel 11 des Gesetzes vom 28. April 2011 (BGBl. I
S. 687), werden am Satzanfang die Wörter „Personenbezo-
gene Daten von vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern
sowie“ eingefügt.

Artikel 6

Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch
– Kinder- und Jugendhilfe

Nach § 6 Absatz 2 Satz 1 des Achten Buches Sozialgesetz-
buch – Kinder- und Jugendhilfe – (Artikel 1 des Gesetzes
vom 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) in der Fassung der Be-
kanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3134),
zuletzt geändert durch Artikel 3a des Gesetzes vom 24. März
2011 (BGBl. I S. 453), wird folgender Satz 2 eingefügt:

„Die Einschränkung nach Satz 1 gilt weder für den Anspruch
auf Förderung in Tageseinrichtungen und in Kindertages-
pflege gemäß § 24 noch wenn das Kindeswohl die Inan-
spruchnahme von Leistungen erfordert.“

Artikel 7

Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

Nach § 612a des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I
S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 1
des Gesetzes vom 17. Januar 2011 (BGBl. I S. 34), wird fol-
gender § 612b eingefügt:

㤠612b

Vergütung bei illegaler Beschäftigung

(1) Bei einem Dienstverhältnis mit einem Betroffenen von
§ 232 oder § 233 des Strafgesetzbuchs oder einem Auslän-
der, der keine erforderliche Genehmigung nach § 284 Ab-
satz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und keine
erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit nach § 4 Ab-
satz 3 hat, wird für die Vergütung vermutet, dass der Arbeit-
geber den Ausländer mindestens drei Monate beschäftigt hat.

(2) Als vereinbarte Vergütung ist die übliche Vergütung
anzusehen, es sei denn, der Arbeitgeber hat mit dem Auslän-
der eine höhere Vergütung vereinbart.

(3) Ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit
der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt,
haftet für die Erfüllung der Verpflichtung dieses Unterneh-
mers nach Absatz 1 wie ein Bürge, der auf die Einrede der
Vorausklage verzichtet hat. Das Gleiche gilt für den General-
kel 7 des Gesetzes vom 28. April 2011 (BGBl. I S. 687),
wird folgender Satz 3 eingefügt:

unternehmer und alle zwischengeschalteten Unternehmer
ohne unmittelbare vertragliche Beziehung zu dem Arbeitge-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/6167

ber. Die Haftung nach Satz 2 entfällt, wenn der Generalun-
ternehmer oder der zwischengeschaltete Unternehmer das
Fehlen der nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches Sozial-
gesetzbuch erforderlichen Genehmigung oder der nach § 4
Absatz 3 erforderlichen Berechtigung zur Erwerbstätigkeit
oder das Vorliegen von § 232 oder § 233 des Strafgesetz-
buchs nicht kannte und bei Anwendung der erforderlichen
Sorgfalt auch nicht hätte erkennen können.

(4) Ein Ausländer, der im Geltungsbereich dieses Geset-
zes ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches Sozial-
gesetzbuch erforderliche Genehmigung oder ohne die nach
§ 4 Absatz 3 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätig-
keit beschäftigt worden ist oder Betroffener von § 232 oder
§ 233 des Strafgesetzbuchs ist, kann Klage auf Erfüllung der
Zahlungsverpflichtungen nach Absatz 3 auch vor einem
deutschen Gericht für Arbeitssachen erheben.

(5) Die Vorschriften des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes
bleiben unberührt.“

Artikel 8

Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes

Nach § 11a des Arbeitsgerichtsgesetzes in der Fassung
der Bekanntmachung vom 2. Juli 1979 (BGBl. I S. 853,

1036), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom
28. April 2011 (BGBl. I S. 687), wird folgender § 11b einge-
fügt:

㤠11b

Prozessstandschaft von Verbänden

Wollen vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer die Ver-
letzung ihrer Rechte nach der Richtlinie 2009/52/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009
über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen ge-
gen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßi-
gen Aufenthalt beschäftigen, geltend machen, können an ih-
rer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die
nach ihrer Satzung vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer
auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am
Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfah-
rensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen
durch den Ausländer selbst vorliegen.“

Artikel 9

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in
Kraft.

Berlin, den 7. Juni 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

der sozialen Rechte von Menschen dar, die ohne Aufent- Verbindung mit § 27 StGB drohen, wenn sich ihr Handeln

haltsstatus in Deutschland leben. Die Betroffenen vermeiden
den Kontakt mit allen staatlichen Einrichtungen aus Furcht,
dass dadurch ihr Aufenthalt in Deutschland bekannt wird. So

auf die Erfüllung ihrer rechtlich festgelegten beziehungswei-
se anerkannten berufs- oder ehrenamtsspezifischen Pflichten
bezieht (vor 95.1.4, Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum
Drucksache 17/6167 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeines

I.

In Deutschland besteht ein menschenrechtliches Problem im
staatlichen Umgang mit Menschen, die in unserem Land
ohne ein Aufenthaltsrecht leben.

Der Staat hat die Pflicht, Leben, Gesundheit und auch die
menschenwürdige Existenz von Betroffenen, die ohne Auf-
enthaltsstatus in Deutschland leben, zu sichern.

Die in diesem Entwurf vorgeschlagenen Gesetzesänderun-
gen stehen nicht im Widerspruch zu der Pflicht des Staates,
illegale Einwanderung und illegalen Aufenthalt zu bekämp-
fen. Dabei muss der Staat aber die ihm durch die Grundrech-
te und Menschenrechte gesetzten Grenzen beachten. Der Ge-
setzesentwurf definiert diese Grenzen und schafft einen
Ausgleich zwischen dem ordnungspolitischen Interesse der
Migrationskontrolle und dem rechtsstaatlichen Interesse der
Wirksamkeit von fundamentalen Rechten für alle in
Deutschland lebenden Menschen.

Auch zu den Bemühungen, die illegale Beschäftigung in
Deutschland zu bekämpfen, stehen die vorgeschlagenen Än-
derungen nicht im Widerspruch. Im Gegenteil: Durch die
hier vorgeschlagene Verbesserung von Klagemöglichkeiten
der schwarz beschäftigten Menschen ohne Aufenthaltsstatus
gegen ihre hiesigen Arbeitgeber wird eine Verteuerung der
Beschäftigung von illegalen Arbeitskräften bezweckt – und
damit eine Verringerung des durch diese Form der Schwarz-
arbeit entstehenden volkswirtschaftlichen Schadens.

Der vorliegende Gesetzentwurf hat zwei Zielgruppen im
Blick, nämlich Ausländerinnen und Ausländer, die im Aus-
länderzentralregister als ausreisepflichtig registriert sind und
keine Duldung besitzen und solche, die keinen Aufenthalts-
titel und keine Duldung besitzen und weder im Ausländer-
zentralregister noch sonst behördlich registriert sind.

II.

Um zu erreichen, dass Menschen in der aufenthaltsrecht-
lichen Illegalität die ihnen zustehenden sozialen Rechte tat-
sächlich wahrnehmen, schlägt der Gesetzentwurf die Ein-
schränkung der Übermittlungspflichten von öffentlichen
Stellen, die Entkriminalisierung der humanitären Hilfe so-
wie die Stärkung der Rechte von illegal Beschäftigten zur
Durchsetzung ihrer Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis
vor. Die Änderungen sind eine Weiterentwicklung des Ge-
setzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus
der 16. Wahlperiode (Bundestagsdrucksache 16/445).

1. Einschränkung der Übermittlungspflichten

Die Meldepflicht aller öffentlichen Stellen an die Ausländer-
behörden stellt das größte Hindernis bei der Wahrnehmung

Der Gesetzentwurf begrenzt daher die Übermittlungspflich-
ten gemäß § 87 AufenthG auf die öffentlichen Stellen, die
der Gefahrenabwehr und Strafrechtspflege dienen. Andere
öffentliche Stellen dürfen personenbezogene Daten über
Ausländerinnen und Ausländer ohne Aufenthaltsstatus nicht
mehr an die Ausländerbehörden weitergeben. Dadurch soll
insbesondere öffentlichen Stellen, deren Kernaufgabe die
Gewährung sozialer Rechte ist, die Datenübermittlung un-
tersagt werden, denn die Übermittlungspflicht steht der Er-
füllung ihrer Aufgaben entgegen. Nur wenn Anspruchsbe-
rechtigte sicher sein können, dass die Ausländerbehörden
über ihren Aufenthalt nicht informiert werden, werden sie
sich an die Leistungsträger wenden, um ihre Rechte wahrzu-
nehmen.

Aber auch in anderen Gesetzen sind Übermittlungspflichten
von Leistungsbehörden und Gerichten statuiert, die mit die-
sem Gesetzentwurf geändert werden sollen. Das gilt insbe-
sondere für die Übermittlungspflicht der Sozialämter gemäß
§ 11 Absatz 3 AsylbLG bei der Inanspruchnahme von Leis-
tungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Die hier
vorgeschlagene partielle Änderung des Asylbewerberleis-
tungsgesetzes ändert nichts an der Notwendigkeit, das
Asylbewerberleistungsgesetz insgesamt aufzuheben (vgl.
Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
zur Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes, Bundes-
tagsdrucksache17/1428).

Die Übermittlungspflichten sind als Instrument zur Migra-
tionskontrolle nicht geeignet. Die Vorstellung ihrer migra-
tionskontrollierenden Wirkung geht nämlich davon aus, dass
sich Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität etwa
im Krankheitsfalle an die Behörden wenden und ihre Identi-
tät und Aufenthaltssituation preisgeben, um anschließend
nach einer hinreichenden Genesung auszureisen. Diese
Sichtweise geht an der Realität vorbei, denn die Betroffenen
scheuen vor dem Behördenkontakt zurück und verzichten
auf die Wahrnehmung ihrer sozialen Rechte – mit allen für
sie schwerwiegenden Konsequenzen.

2. Entkriminalisierung der humanitären Hilfe

Mit dem Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtli-
cher Richtlinien der Europäischen Union (BGBl. I S. 1970,
1988) wurde die Beihilfe zum illegalen Aufenthalt als quali-
fizierter Straftatbestand gemäß § 96 Absatz 1 Nummer 2
AufenthG a. F. aufgehoben. Eine Strafbarkeit wegen Beihil-
fe nach § 27 StGB zu den in § 95 AufenthG aufgeführten
Straftaten kommt jedoch weiterhin in Betracht.

Durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufent-
haltsgesetz hat sich die Situation zwar etwas verbessert. Da-
nach soll Personen, die im Rahmen der Ausübung ihres Be-
rufs oder ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit handeln, keine
Strafverfolgung nach § 95 Absatz 1 Nummer 2 AufenthG in
kommen ihnen Leistungen, auf die sie einen Anspruch ha-
ben, nicht zugute.

Aufenthaltsgesetz). Die Straflosigkeit allein durch Verwal-
tungsvorschrift klarzustellen, ist jedoch nicht ausreichend.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/6167

Unter helfenden Personen herrscht weiterhin Rechtsunsi-
cherheit darüber unter welchen Umständen sie im Einzelnen
Hilfe leisten dürfen. Dies gilt erst Recht vor dem Hinter-
grund der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtsho-
fes. In seinem Beschluss vom 2. September 2009, Az. 5 StR
266/09, hat der Bundesgerichtshof eine strafbare Beihilfe
zum unerlaubten Aufenthalt eines Ausländers durch das Ge-
währen von Unterkunft und Verpflegung bejaht, ungeachtet
dessen, dass der Ausländer auch ohne diese Hilfeleistung zur
Fortsetzung seines illegalen Aufenthalts fest entschlossen
war. Um die Rechtsklarheit insbesondere auch im Bereich
beruflicher und ehrenamtlicher Tätigkeiten zu erhöhen, stellt
der Gesetzentwurf die humanitär motivierte Hilfe für Perso-
nen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität in § 95 AufenthG
ausdrücklich straflos.

3. Unterstützung von Betroffenen, die Opfer von Schwarz-
arbeit sind, bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche aus
dem Arbeitsverhältnis

Der Gesetzentwurf sieht die Einführung einer vorübergehen-
den Aufenthaltserlaubnis für bestimmte Opfer von Schwarz-
arbeit vor, wenn die Betroffenen sich bereit erklären, in
Strafverfahren mit den Behörden zu kooperieren oder An-
sprüche aus dem Arbeitsverhältnis in Deutschland durchset-
zen möchten. Weitere Verbesserungen zur effektiven Durch-
setzung von Lohnansprüchen sind die Vermutung eines
mindestens dreimonatigen Arbeitsverhältnisses, die Min-
destvergütung in Höhe der üblichen Vergütung, die Haftung
von Generalunternehmern und zwischengeschalteten Unter-
nehmern sowie die Einführung einer gesetzlichen Prozess-
standschaft von Verbänden. Diese Änderungen dienen der
Umsetzung der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindest-
standards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitge-
ber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt
beschäftigen (Sanktionsrichtlinie). Die Umsetzungsvor-
schläge der Bundesregierung im bisherigen Entwurf des
Richtlinienumsetzungsgesetzes sind bei weitem nicht ausrei-
chend.

Die in dem Gesetzentwurf vorgeschlagenen Änderungen
werden von wichtigen Gremien des öffentlichen Lebens in
Deutschland, die sich seit Jahren mit der menschenrecht-
lichen Herausforderung im Umgang mit Menschen ohne
Aufenthaltsstatus beschäftigen, befürwortet. So hat insbe-
sondere die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohl-
fahrtspflege, bestehend aus der Arbeiterwohlfahrt, dem
Deutschen Caritasverband, dem Paritätischen Wohlfahrts-
verband, dem Deutschen Roten Kreuz, dem Diakonischen
Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland sowie der
Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland in ihrem
Positionspapier „Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Il-
legalität in Deutschland“ von Januar 2010 entsprechende
Forderungen aufgestellt. Aber auch das Deutsche Institut für
Menschenrechte hat mehrfach die ungenügende Rechtslage
in Deutschland angemahnt und Handlungsempfehlungen he-
rausgegeben (vgl. „Das Recht auf Bildung für Kinder ohne
Papiere“ von 2009 sowie der Bericht der Bundesarbeitsgrup-
pe Gesundheit/Illegalität „Frauen, Männer und Kinder ohne
Papiere in Deutschland – ihr Recht auf Gesundheit“ von
August 2008). Auch die Bundesärztekammer hat mehrfach

ämter) an die Ausländerbehörde im Falle der medizinischen
Behandlung von Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus
aufzuheben, um zu gewährleisten, dass diese ihr Recht auf
medizinische Behandlung nach § 4 AsylbLG auch faktisch
wahrnehmen können.

Die schwarz-gelbe Regierungskoalition ihrerseits hat dies-
bezüglich lediglich zwei Aspekte aufgegriffen: Auf Seite 78
ihres Koalitionsvertrags hat sie zum einen angekündigt, die
aufenthaltsgesetzlichen Übermittlungspflichten dahinge-
hend zu ändern, dass zumindest der Schulbesuch von Kin-
dern in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität ermöglicht
wird. Zum anderen will Schwarz-Gelb europäische Rechts-
vorschriften in das deutsche Recht umsetzen, damit illegal
beschäftigte Drittstaatsangehörige ihre Lohnansprüche in
Zukunft besser einklagen können (Bundestagsdrucksache
17/5470).

Schließlich problematisiert die Beauftragte der Bundesregie-
rung für Migration, Flüchtlinge und Integration in ihrem
„Achten Lagebericht über die Lage der Ausländerinnen und
Ausländer in Deutschland“ von Juni 2010 den Zugang zur
Gesundheitsversorgung und Bildung sowie die Durchset-
zung von Lohnansprüchen von Menschen ohne Aufenthalts-
status. Der Lagebericht kommt zu dem Schluss, dass An-
sprüche und garantierte Menschenrechte in der Praxis
aufgrund der Übermittlungspflichten von diesen Menschen
nicht im gebotenen Maße wahrgenommen werden und die
gesetzlichen Regelungen unzureichend sind.

III.

Die Schätzungen, wie viele Menschen ohne Aufenthalts-
status in Deutschland leben, schwanken erheblich – von
100 000 bis zu 500 000 Menschen.

Dass valide Daten über die Anzahl der in Deutschland leben-
den Menschen ohne Aufenthaltsstatus nicht vorliegen, hat
zum einen damit zu tun, dass staatliche Kontrollbehörden
grundsätzlich nur das sog. Hellfeld erfassen, nicht aber das
Dunkelfeld ausleuchten können. Die Unsicherheit über das
quantitative Ausmaß der unerlaubten Migration in Deutsch-
land hängt aber auch mit dem spezifischen Charakter dieses
gesellschaftlichen Phänomens zusammen. Die hier lebenden
Menschen ohne Aufenthaltsstatus sind nämlich sowohl in
ihrer Zusammensetzung, als auch von ihren jeweiligen Auf-
enthaltszeiten in Deutschland äußerst heterogen. Es gibt eine
Vielzahl von wechselnden – und nicht selten Legalität und
Illegalität verbindende – Mischformen von Einreise, Auf-
enthalt und Beschäftigung. Viele der Ausländerinnen und
Ausländer ohne Aufenthaltsstatus leben seit Jahren in
Deutschland – unter ihnen eine große Zahl von Kindern, die
unter den – gerade für Minderjährige – unzumutbaren Bedin-
gungen der Illegalität aufwachsen.

IV.

Internationale Menschenrechtspakte, die von Deutschland
ratifiziert wurden, enthalten die Verpflichtung, die Men-
schenrechte von Personen ohne Aufenthaltstitel zu schützen.
Insbesondere der Internationale Pakt über wirtschaftliche,
soziale und kulturelle Rechte (Sozialpakt) verpflichtet die
Vertragsstaaten, die für ein Leben in Menschenwürde not-
die Bundesregierung aufgefordert, die Übermittlungspflicht
für öffentliche Stellen (öffentliche Krankenhäuser, Sozial-

wendigen sozialen Rechte für alle Menschen, die in einem
Vertragsstaat leben, zu gewährleisten.

Drucksache 17/6167 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

So verpflichtet Artikel 12 des Sozialpakts die Vertragsstaa-
ten, allen Menschen gleichen Zugang zur Gesundheitsver-
sorgung zu gewährleisten. Der Ausschuss für soziale, wirt-
schaftliche und kulturelle Rechte, der die Einhaltung der
Rechte überwacht, hat dabei unterstrichen, dass „die Staaten
(insbesondere) der Verpflichtung (unterliegen), das Recht
auf Gesundheit zu achten, indem sie es zum Beispiel unter-
lassen, den gleichberechtigten Zugang zu vorbeugenden,
heilenden und lindernden Gesundheitsdiensten für jeden
Menschen zu verweigern oder zu beschränken, einschließ-
lich für (…) Asylsuchende und illegale Immigranten.“
Gemäß Artikel 2 Absatz 2 des Sozialpakts sind die Vertrags-
staaten verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen zu
ergreifen, um die volle Verwirklichung der Rechte zu errei-
chen. Zu diesen Maßnahmen gehört, dass die rechtlichen und
tatsächlichen Voraussetzungen für den Zugang zur Gesund-
heitsversorgung so ausgestaltet werden, dass alle Menschen,
die in einem Vertragsstaat leben, Zugang haben. Für
Deutschland bedeutet dies, dass die Rahmenbedingungen für
den Zugang zur Gesundheitsversorgung so ausgestaltet sein
müssen, dass illegal in Deutschland lebende Menschen die-
sen ohne Furcht vor Entdeckung in Anspruch nehmen kön-
nen. Die derzeitige Ausgestaltung des § 1 AsylbLG genügt
diesen Voraussetzungen nicht, da die Meldepflicht dazu
führt, dass illegal in Deutschland lebende Menschen Leis-
tungen der gesundheitlichen Notversorgung nicht in An-
spruch nehmen.

Kinder sind durch die Menschenrechtspakte besonders ge-
schützt. So verpflichtet Artikel 13 des Sozialpakts und
Artikel 28 des internationalen Übereinkommens über die
Rechte des Kindes die Bundesrepublik Deutschland, allen
Kindern den Zugang zur Grundschule und zu den weiterfüh-
renden Schulen zu ermöglichen. Insbesondere nach der
Rücknahme der Vorbehalte zur UN-Kinderrechtskonvention
im Mai 2010 muss der Zugang zu frühkindlicher und schuli-
scher Bildung für alle hier lebenden Kinder unabhängig von
ihrem Aufenthaltsstatus sichergestellt werden. Ein besonde-
res Augenmerk der Kinderrechtskonvention liegt darüber hi-
naus auf der Gesundheitsvorsorge der Kinder.

Alle internationalen Menschenrechtspakte verlangen von
den Vertragsstaaten, dass dem Einzelnen der Rechtsweg of-
fen steht, um die ihm verbürgten Rechte durchsetzen zu
können. Dazu gehört, dass der Zugang zum Rechtsweg tat-
sächlich besteht. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Menschen
ohne Aufenthaltsstatus die Durchsetzung ihrer Lohnforde-
rungen oder anderer Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis
häufig deswegen nicht in Anspruch nehmen, weil sie be-
fürchten, dass dadurch der Ausländerbehörde ihre Aufent-
haltssituation bekannt wird. Durch die Meldepflichten der
Arbeitsgerichte an die Ausländerbehörden und die Zollver-
waltung wird also der tatsächliche Zugang zum Rechtsweg
verhindert. Damit genügt Deutschland nicht seinen inter-
nationalen Verpflichtungen, wie sie z. B. aus Artikel 2
Absatz 3 Buchstabe a des Internationalen Übereinkommens
über bürgerliche und politische Rechte bestehen. Bezüglich
der Rechte in der Arbeit, wie sie in Artikel 7 des Sozialpak-
tes verbürgt sind, hat der Ausschuss für wirtschaftliche, so-
ziale und kulturelle Rechte in seiner allgemeinen Empfeh-
lung Nr. 3 vom 14. Dezember 1990 hervorgehoben, dass

Die UN-Konvention über die Rechte von Wanderarbeitneh-
mern und ihrer Familien ist seit 2003 in Kraft. Dieses Über-
einkommen fasst die Menschenrechte von Migrantinnen und
Migranten zusammen. Unter anderem werden dort auch ex-
plizit die Rechte von irregulär in einem Land lebenden Aus-
länderinnen und Ausländer genannt. Deutschland ist aufge-
fordert, (zuletzt durch die sog. abschließenden Bemerkungen
des UN-Sozialpaktausschusses vom 20. Mai 2011) dieses
Übereinkommen zu ratifizieren.

V.
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass für den
Grundrechtsschutz von Menschen ohne Aufenthaltsstatus
auch folgenden untergesetzlichen Maßnahmen große Bedeu-
tung zukommt:

1. Die Bundesländer sollten Regelungen schaffen, die dem
Recht auf Bildung und damit auch dem Recht auf Zugang
zu öffentlichen Kindergärten und Schulen aller Kinder,
deren Lebensmittelpunkt in Deutschland liegt, Rechnung
trägt. Ein gutes Beispiel dafür ist Hamburg, wo die Schul-
senatorin der damaligen schwarz-grünen Koalition per
Rundschreiben erklärte, die umstrittene Schülerdatei dür-
fe nicht zur Erfassung statusloser Kinder verwendet wer-
den.

2. Im Hinblick auf die Gesundheitsversorgung sollten sich
die Länder an den Regelungen in Hamburg und Bremen
orientieren. Im rot-grün regierten Bremen wurde 2009
die Humanitäre Sprechstunde in den Räumen des Ge-
sundheitsamtes eingerichtet. Zwei Mal die Woche bieten
dort Ärztinnen und Ärzte mit Migrationshintergrund kos-
tenlos und anonym eine ärztliche Primärversorgung an.
In Hamburg hat die Bürgerschaft im September 2010 auf
Vorschlag der grünen Bürgerschaftsfraktion die Einrich-
tung einer Clearing Stelle sowie eines Notfallfonds be-
schlossen. Die Clearingstelle ermöglicht in einer vertrau-
lichen Beratung angstfrei zu prüfen, ob die Betroffenen
reguläre Ansprüche auf Kostenübernahme haben. Für
dringende Notfälle gibt es die Möglichkeit, über den
Fonds schnell Hilfe zu leisten.

3. Die Bundesländer, die Härtefallkommissionen im Sinne
von § 23a AufenthG eingerichtet haben, sollten sicher-
stellen, dass ein illegaler Aufenthalt keinen Ausschluss-
grund für die Annahme eines Härtefalles darstellt. An-
sonsten könnten gerade diejenigen Personen nicht von
der Vorschrift des § 23a AufenthG profitieren, denen die
Einrichtung von Härtefallkommissionen auch zugute
kommen soll.

4. Die deutschen Auslandsvertretungen sollten künftig so-
wohl auf die Gefahren und Folgen einer unerlaubten Ein-
reise bzw. irregulären Beschäftigung in Deutschland hin-
weisen als auch über Anlaufstellen informieren, an die
sich Hilfesuchende in Notfällen wenden können.

5. Auch die Zollbehörden des Bundes und die Polizeibehör-
den der Länder sollten über Informationsmaterial und
über entsprechend geschultes Personal verfügen, um auf-
gegriffene Personen ohne Aufenthaltsstatus über deren
Rechte aufzuklären und sie auf Wege hinzuweisen, wie
sie diese wahrnehmen können. Vorbild sollten hier die in
einigen Bundesländern bestehenden Kooperationsverein-
diese Rechte einklagbar sind und deswegen der Rechtsweg
eröffnet werden muss.

barungen zwischen der Polizei und nichtstaatlichen Bera-
tungsstellen im Bereich des Frauenhandels sein.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/6167

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1 (AufenthG)

Zu Nummer 1 (§ 15a)

Mit der Änderung sollen Opfer von den in § 25 Absatz 4a
und 4b genannten Straftaten aus der Verteilung ausgenom-
men werden, weil ihnen eine Verteilung nicht zuzumuten ist
und sie mit den örtlich zuständigen Ermittlungsbehörden eng
kooperieren. Häufig sind sie traumatisiert und müssen zu-
nächst entscheiden, ob sie zur Kooperation mit den Ermitt-
lungsbehörden bereit sind oder ob sie ausreisen wollen. Zum
Teil werden die Opfer von den Tätern bedroht, so dass die
Polizei sie etwa durch Unterbringung in einer geschützten
Wohnung besonders schützen muss. Schließlich wird für die
Ermittlungsbehörden die Kooperation erheblich erschwert,
wenn die Personen an einen anderen Ort verteilt werden.

Zu Nummer 2 (§ 25)

Mit dem neuen Absatz 4b wird Artikel 13 Absatz 4 der
Sanktionsrichtlinie umgesetzt und eine vorübergehende
Aufenthaltserlaubnis für die Opfer von Schwarzarbeit einge-
führt, die in Strafverfahren mit den Behörden kooperieren
müssen. Die Aufenthaltserlaubnis wird unter vergleichbaren
Bedingungen erteilt wie die Aufenthaltserlaubnis für Opfer
von Menschenhandel nach § 25 Absatz 4a, der die Richtlinie
2004/81/EG des Rates über die Erteilung von Aufenthalts-
titeln für Drittstaatsangehörige, die Opfer des Menschenhan-
dels sind oder denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung
geleistet wurde und die mit den zuständigen Behörden ko-
operieren, umgesetzt.

Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach den Absätzen 4a
und 4b wird als Anspruchsnorm ausgestaltet. In beiden Ab-
sätzen wird zudem auf die Voraussetzung verzichtet, dass der
Ausländer oder die Ausländerin jede Verbindung zu den Per-
sonen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu
haben, abgebrochen hat. Denn der Kontakt zu den beschul-
digten Personen ist oft zur Geltendmachung bestehender
Ansprüche der Opfer im Rahmen eines Zivilprozesses oder
eines außergerichtlichen Vergleichsverfahrens erforderlich.

Mit dem neuen Absatz 4c wird für die Opfer der in Absatz 4a
und 4b genannten Straftaten ein Regelanspruch auf Erteilung
einer Aufenthaltserlaubnis zur Durchsetzung von Lohnan-
sprüchen sowie Entschädigungsansprüchen für im Rahmen
des ausbeuterischen Arbeitsverhältnisses erlittene Verletzun-
gen eingeführt. Damit wird Artikel 6 Absatz 2 der Sank-
tionsrichtlinie umgesetzt, der vorschreibt, dass die Mitglied-
staaten wirksame Verfahren und Mechanismen einrichten
müssen, um den irregulär Beschäftigten die Durchsetzung
von Lohnansprüchen zu ermöglichen. Es besteht ein öffent-
liches Interesse an der Bekämpfung der Schwarzarbeit nicht
nur durch die strafrechtliche Verfolgung von Arbeitgebern,
sondern auch dadurch, dass die illegale Beschäftigung wirt-
schaftlich unattraktiv gemacht wird.

Diese Aufenthaltserlaubnis wird auch Betroffenen von Men-
schenhandel zur sexuellen Ausbeutung und zur Arbeitsaus-
beutung gewährt. Gerade Opfer von Menschenhandel erle-
ben schwerste Formen von Ausbeutung und Verletzungen
weiterer Rechte. Eine unterschiedliche Behandlung der Op-

konvention gegen Menschenhandel die Staaten verpflichtet,
Opfern von Menschenhandel Entschädigungsansprüche ein-
zuräumen und deren Durchsetzung auch tatsächlich zu er-
möglichen. Unbeschadet der Berücksichtigung der Opfer
von Menschenhandel in diesem Gesetzentwurf, der im We-
sentlichen auf die bessere Rechtewahrnehmung aller Men-
schen ohne Aufenthaltsstatus abzielt, sollte geprüft werden,
in welchen Fällen Opfern von Menschenhandel verbesserte
Aufenthaltsrechte aus humanitären Gründen eingeräumt
werden könnte.

Zu Nummer 3 (§ 26)

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu § 25 Absatz 4b.
Die Regelerteilungs- und Verlängerungsdauer von sechs
Monaten entspricht derjenigen für die Aufenthaltserlaubnis
für Opfer von Menschenhandel nach § 25 Absatz 4a.

Zu Nummer 4 (§ 50)

Zu den Buchstaben a und b

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu § 25 Absatz 4b.
§ 50 Absatz 2a regelt die Ausreisepflicht von Ausländerin-
nen und Ausländern, die Opfer von Menschenhandel sind.
Mit der Änderung wird die bei der Ausreisefrist zu berück-
sichtigende Bedenkzeit auch Opfern von in § 25 Absatz 4b
genannten Straftaten eingeräumt. Gleichzeitig wird die Aus-
reisefrist auf mindestens drei Monate verlängert. Die
dreimonatige Bedenkfrist soll sicherstellen, dass die Betrof-
fenen die Möglichkeit erhalten, in voller Kenntnis der Sach-
lage – und unter Abwägung der Gefahren, denen sie sich aus-
setzen – darüber zu entscheiden, ob sie mit den zuständigen
Ermittlungsbehörden kooperieren möchten. Nur so kann ge-
währleistet werden, dass Betroffene freiwillig kooperieren.
Aus der Praxis der Betroffenenverbände ist bekannt, dass
eine einmonatige Frist oft nicht ausreicht, damit die Betrof-
fenen sich psychisch und physisch erholen und eine Ent-
scheidung über die Mitwirkung in einem Strafverfahren tref-
fen können.

Zu Buchstabe c

Satz 5 dient der Umsetzung von Artikel 6 Absatz 2 Satz 2 der
Sanktionsrichtlinie, der vorschreibt, dass illegal beschäftigte
Drittstaatsangehörige vor ihrer Abschiebung systematisch
und objektiv über ihre Rechte gemäß Artikel 6 Absatz 2 und
Artikel 13 der Sanktionsrichtlinie informiert werden. Die In-
formationen müssen sich auf die Möglichkeit eines Strafver-
fahrens gegen die Arbeitgeber und auf die damit verbundene
Möglichkeit der Aufenthaltsgewährung, auf ein Beschwer-
derecht gegen Arbeitgeber sowie auf Lohnansprüche und
Verfahren der Durchsetzung beziehen.

Sowohl für eine arbeitsgerichtliche Klage wie auch ein Straf-
verfahren braucht es Zeit, um überhaupt den Entschluss zu
fassen, Kontakt zu einer Rechtsvertretung aufzunehmen und
unter Umständen Beweismittel für eine Klage beizubringen.
Diesbezügliche Informationen müssen den Betroffenen da-
her zu dem frühestmöglichen Zeitpunkt erteilt werden. Um
eine Inanspruchnahme der Rechte zu gewährleisten, ist es
fer von Menschenhandel wäre sachlich nicht gerechtfertigt.
Dies gilt umso, als Artikel 15 Absatz 3 und 4 der Europarats-

außerdem wichtig, dass die Betroffenen durch Fachstellen
über ihre Rechte informiert werden.

Drucksache 17/6167 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Um eine umfassende Beratung der Betroffenen zu gewähr-
leisten, müssen entsprechende Beratungsstellen qualifiziert
werden.

Zu Nummer 5 (§ 87)

Zu Buchstabe a

Die Meldepflicht aller öffentlichen Stellen an die Ausländer-
behörden stellt das größte Hindernis bei der Wahrnehmung
der sozialen Rechte von Menschen dar, die ohne Aufent-
haltsstatus in Deutschland leben. Die Betroffenen vermeiden
den Kontakt mit allen staatlichen Einrichtungen aus Furcht,
dass dadurch ihr Aufenthalt in Deutschland bekannt wird. So
kommen ihnen Leistungen, auf die sie einen Anspruch ha-
ben, nicht zugute.

Mit der Änderung sind nicht mehr alle öffentlichen Stellen
zur Datenübermittlung an die Ausländerbehörden verpflich-
tet, sondern nur die Polizei- und Ordnungsbehörden sowie
öffentliche Stellen mit der Aufgabe der Strafverfolgung und
-vollstreckung. Andere öffentliche Stellen dürfen personen-
bezogene Daten über Menschen ohne Aufenthaltsstatus
nicht mehr an die Ausländerbehörden weitergeben.

Die Änderung berücksichtigt in ausgewogenem Maße das
ordnungspolitische Interesse der Migrationskontrolle sowie
das rechtsstaatliche Interesse, gesetzlich verankerte soziale
Grund- und Menschenrechte für jeden praktisch wirksam zu
machen. Die öffentlichen Stellen, die der Gefahrenabwehr
sowie der Strafrechtspflege dienen, sind weiterhin verpflich-
tet, durch die Übermittlung von Daten illegale Einwande-
rung und illegalen Aufenthalt zu verhindern. Dagegen ist
den öffentlichen Stellen, deren Kernaufgabe die Gewährung
sozialer Rechte ist, die Datenübermittlung untersagt, denn
die Übermittlungspflicht steht der Erfüllung ihrer Aufgaben
entgegen. Nur wenn Anspruchsberechtigte sicher sein kön-
nen, dass die Ausländerbehörde über ihren Aufenthalt nicht
informiert wird, werden sie sich an die Leistungsträger wen-
den, um ihre Rechte wahrzunehmen.

Durch die Änderung soll Menschen ohne Aufenthaltsstatus
insbesondere der Zugang zu Bildung, gesundheitlicher Ver-
sorgung und zu arbeitsgerichtlichem Rechtsschutz ermög-
licht werden. Gleichzeitig wird die herrschende Rechtsunsi-
cherheit darüber beendet, welche Stellen meldepflichtig
i. S. d. § 87 AufenthG sind.

Zugang zur Bildung

Im Oktober 2009 trat die Verwaltungsvorschrift zum Aufent-
haltsgesetz in Kraft, in der auch Schulen als Einrichtung ge-
nannt werden, die den illegalen Aufenthalt einer Person an
die Ausländerbehörden melden müssen. Allerdings gilt dies
nur, wenn der Aufenthaltsstatus den Schulleitungen im Zuge
des Anmeldeverfahrens zwangsläufig bekannt wird (Num-
mer 87.1.1.3 und 87.2.1.1 der Allgemeinen Verwaltungsvor-
schrift zum Aufenthaltsgesetz). Ob dies der Fall ist, hängt
von der Ausgestaltung des Anmeldeverfahrens in den Län-
dern und Kommunen ab, das stark variiert. Teilweise sind die
Schulleitungen angewiesen, aufenthaltsrechtliche Daten
ihrer Schüler zu erheben und an die Ausländerbehörde
weiterzuleiten. In anderen Ländern ist die Datenerfassung
und Weitergabe dagegen untersagt. So dürfen in Nordrhein-

die Pflicht zur Vorlage einer Meldebescheinigung abge-
schafft. Und in Hamburg erklärte das Schulministerium per
Rundschreiben, die umstrittene Schülerdatei dürfe nicht zur
Erfassung statusloser Kinder verwendet werden.

Die unterschiedliche Handhabung und Rechtsunsicherheit
auf diesem Gebiet dürfen nicht dazu führen, dass Kinder, die
für ihren illegalen Aufenthaltsstatus nicht verantwortlich
sind, von ihrem Menschenrecht auf Bildung nicht Gebrauch
machen können. Dadurch, dass alle öffentlichen Schulen,
Kindertagesstätten und weitere mit der Aufgabe der Bildung
betrauten Behörden, wie Jugendämter, mit der Änderung
von der Meldepflicht ausgenommen werden, soll statuslosen
Kindern der Kindergarten- und Schulbesuch tatsächlich er-
möglicht werden.

Zugang zur Gesundheitsversorgung

Menschen ohne Aufenthaltsstatus haben gemäß § 1 Num-
mer 5 des AsylbLG Anspruch auf ärztliche Behandlung nach
dem Asylbewerberleistungsgesetz. Die Kostenübernahme
für die Leistungen muss im Regelfall vor der Behandlung
beim Sozialamt beantragt werden. Da die Sozialämter über-
mittlungspflichtig sind, werden die Leistungen aus Furcht
vor Statusaufdeckung selten von Menschen ohne Aufent-
haltsstatus in Anspruch genommen.

Erfahrungen von Ärztinnen und Ärzten der Bundesarbeits-
gruppe Gesundheit/Illegalität des Deutschen Instituts für
Menschenrechte zeigen, dass die Betroffenen in der Regel
– wenn überhaupt – erst viel zu spät zu einem Arzt gehen. In
vielen Fällen entfällt damit die Möglichkeit, frühzeitig die
notwendigen präventiven und therapeutischen Maßnahmen
einzuleiten. Stattdessen zögern die Betroffenen die Behand-
lung einer Krankheit so lange hinaus, bis ihnen nichts ande-
res übrig bleibt, als zum Arzt zu gehen. Dadurch drohen ein
schwerer und langer Krankheitsverlauf sowie eine Chronifi-
zierung der Beschwerden. Als Folge der Verschleppung von
Krankheiten können die Behandlungskosten steigen.

In Ausnahmefällen, wenn die Beantragung der Kostenüber-
nahme im Vorfeld der Behandlung dem Patienten nicht zu-
mutbar ist, stellt sich das Problem der Übermittlungspflicht
nicht. In medizinischen Notfällen rechnet der Krankenhaus-
träger unmittelbar mit dem zuständigen Sozialamt ab. In die-
sen Fällen ist das Sozialamt nicht befugt, die aufenthalts-
rechtlichen Daten an die Ausländerbehörde weiterzuleiten,
denn der Geheimnisschutz von Ärztinnen und Ärzten er-
streckt sich seit der Einführung der Verwaltungsvorschrift
im Oktober 2009 sowohl auf das Verwaltungspersonal in der
Abrechnungsstelle des Krankenhauses sowie auf das Sozial-
amt (Nummer 88.2.3. der Verwaltungsvorschrift zum Auf-
enthaltsgesetz).

Besondere Probleme ergeben sich bei einer Schwangerschaft
und Geburt eines Kindes. Ärztliche Kontrolluntersuchungen
im Rahmen einer Schwangerschaft werden von den betroffe-
nen Frauen aus Furcht vor Statusaufdeckung oft unterlassen,
wodurch gesundheitliche Gefahren für Mutter und Kind ent-
stehen können. Wird ein Kind in die aufenthaltsrechtliche
Illegalität hinein geboren, ist nach gegenwärtiger Rechts-
praxis nicht sicher, dass das Kind eine Geburtsurkunde er-
hält. Das Vorgehen des jeweils zuständigen Standesamtes
Westfalen Schulen von ausländischen Schülern weder Pass
noch Meldebescheinigung verlangen. In Hessen wurde 2009

der Länderverwaltungen ist in Bezug auf die Ausstellung
von Geburtsurkunden nicht einheitlich. In jedem Fall ist die

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/6167

Beantragung einer Geburtsurkunde nach wie vor mit dem
Risiko der Statusaufdeckung verbunden, weil die Standes-
ämter als öffentliche Stellen gemäß § 87 AufenthG übermitt-
lungspflichtig sind. Erhält ein Kind keine Geburtsurkunde,
zieht dies eine ganze Reihe von schwerwiegenden Proble-
men nach sich.

Die Änderung stellt sicher, dass das Standesamt sowie alle
öffentlichen Stellen, die Leistungen im Rahmen der Kran-
kenbehandlung gewähren, von der Übermittlungspflicht aus-
genommen werden.

Effektive Rechtsdurchsetzung

Um den gesetzlich verankerten Rechten Wirkung zu verlei-
hen, müssen Menschen ohne Aufenthaltsstatus in der Lage
sein, ihre Rechte vor Gericht geltend zu machen. Bislang se-
hen Menschen ohne Aufenthaltsstatus von der Durchsetzung
ihrer Ansprüche ab, weil die Gerichte übermittlungspflichtig
sind und daher mit Einreichung einer Klage die Statusaufde-
ckung droht. Besonders problematisch ist dabei, dass sich
Betroffene nicht gegen Nötigungen im Arbeitsverhältnis
wehren können und ihren Lohn und andere Forderungen aus
dem Arbeitsverhältnis vor den Arbeitsgerichten nicht ohne
Furcht vor Entdeckung einklagen können. Durch die Ände-
rung wird ihre Position gegenüber Arbeitgebern und Arbeit-
geberinnen gestärkt, die den fehlenden Aufenthaltsstatus
ihrer Beschäftigten ausnutzen. Das Verbot der Datenüber-
mittlung dient auch der Umsetzung von Artikel 6 Absatz 2
der Sanktionsrichtlinie.

Zu den Buchstaben b bis d

Es handelt sich um Folgeänderungen der eingeschränkten
Übermittlungspflicht gemäß Buchstabe a.

Zu Nummer 6 (§ 95)

Bislang besteht bei Personen, die Ausländerinnen und Aus-
länder ohne Aufenthaltsstatus unterstützen, erhebliche Un-
sicherheit darüber, ob sie sich durch ihr Verhalten strafbar
machen. Dies betrifft insbesondere folgende Personen:

● der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin und
Angehörige von Pflegeberufen,

● der Lehrer oder die Lehrerin, die ein Kind ohne Aufent-
haltsstatus unterrichten,

● Angehörige von Nichtregierungsorganisationen und an-
deren sozialen Einrichtungen, die Menschen ohne Auf-
enthaltsstatus über ihre Rechte aufklären,

● Personen, die einen Familienangehörigen ersten Grades
bei der Einreise nach Deutschland und dem Aufenthalt in
Deutschland unterstützen,

● Personen, die Flüchtlinge unterstützen sowie

● Seelsorger.

Durch die Änderung soll sichergestellt werden, dass Perso-
nen, die aus humanitären Gründen einer Ausländerin oder ei-
nem Ausländer bei Taten gemäß § 95 Absatz 1 Nummer 1, 2,
Absatz 1a oder Absatz 2 Nummer 1b unterstützen, straffrei

90/EG (Richtlinie über die illegale Beihilfe) geschaffen wur-
de.

Zu Nummer 7 (§ 99)

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu § 87. § 99 Absatz 1
Nummer 14 ermächtigt das Bundesministerium des Innern
im Wege der Rechtsverordnung den Umfang der Übermitt-
lungspflichten von öffentlichen Stellen an die Ausländerbe-
hörde zu regeln. Mit der Änderung wird diese Ermächtigung
an die eingeschränkte Reichweite der Übermittlungspflich-
ten gemäß § 87 angepasst, indem nur noch die in § 87 ge-
nannten Stellen zur Übermittlung der dort genannten Daten
berechtigt sind.

Zu Artikel 2 (AsylbLG)

Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität haben ge-
mäß § 1 Absatz 1 Nummer 5 einen Anspruch auf Leistungen
nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Wenn kein Notfall
vorliegt, müssen die Betroffenen im Vorfeld einer ambulan-
ten oder stationären Behandlung beim Sozialamt die Kosten-
übernahme beantragen. Nach § 11 Absatz 3 ist das Sozialamt
in diesem Fall verpflichtet, Daten über die Antragsteller an
die Ausländerbehörde zu übermitteln. Aus Angst vor Aufde-
ckung ihres Status sehen Betroffene im Krankheitsfalle von
der Inanspruchnahme der ihnen zustehenden Leistungen da-
her ab.

Mit der Änderung wird es den Sozialämtern, die über Leis-
tungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz entscheiden,
untersagt, Daten über Personen ohne Aufenthaltsstatus an
die Ausländerbehörde weiterzuleiten. Damit soll sicherge-
stellt werden, dass Betroffene sich im Krankheitsfalle medi-
zinisch versorgen lassen.

Zu Artikel 3 (SchwarzArbG)

Zu Nummer 1 (§ 6)

Das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz sieht weit reichende
Kooperationspflichten zwischen den Behörden der Zollver-
waltung sowie zahlreichen anderen Behörden vor, darunter
Sozialleistungsträgern, ausführende Behörden des Asylbe-
werberleitungsgesetzes und Ausländerbehörden. Nach § 6
Absatz 1 i. V. m. § 2 Absatz 2 sind diese öffentlichen Stellen
verpflichtet, einander die für deren Prüfungen erforderlichen
Informationen einschließlich personenbezogener Daten und
die Ergebnisse der Prüfungen zu übermitteln. Ferner unter-
richten nach § 6 Absatz 3 Nummer 5 die Behörden der Zoll-
verwaltung die Ausländerbehörden über Verstöße gegen das
Aufenthaltsgesetz.

Diese Pflichten zur Datenübermittlung können etwa dazu
führen, dass ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung
anlässlich eines Arbeitsunfalls von der unerlaubten Beschäf-
tigung einer Person ohne Aufenthaltsstatus erfährt. Er ist da-
raufhin verpflichtet, die Zollverwaltung und die Ausländer-
behörde über den illegalen Aufenthalt der verletzten Person
zu infomieren.

Mit der Änderung wird die Übermittlungspflicht der in § 2

bleiben. Der Wortlaut orientiert sich an der Ausnahme der
Strafbarkeit, die in Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 2002/

Absatz 2 genannten Stellen, die nicht primär der Gefahren-
abwehr oder der Strafrechtspflege dienen, eingeschränkt.

Drucksache 17/6167 – 12 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Zu Nummer 2 (§ 13)

Zu Buchstabe a

Gemäß § 13 Absatz 2 sind die in § 2 Absatz 2 Nummer 2
bis 11 genannten Stellen verpflichtet, die Zollverwaltungen
über Anhaltspunkte für in § 8 genannte Verstöße zu infor-
mieren. Um zu verhindern, dass im Rahmen der Auskunfts-
pflichten personenbezogene Daten über Menschen ohne
Aufenthaltsstatus über die Zollverwaltungen an die Auslän-
derbehörde gelangen, wenn diese von ihren gesetzlich veran-
kerten fundamentalen Rechten Gebrauch machen, wird die
Übermittlungspflicht für die in § 2 Absatz 2 genannten Stel-
len, die nicht primär der Gefahrenabwehr oder Strafrechts-
pflege dienen, eingeschränkt.

Zu Buchstabe b

Mit der Änderung wird die Übermittlungspflicht der Gerich-
te gemäß § 13 Absatz 3 eingeschränkt.

Nach ständiger Rechtsprechung haben Ausländerinnen und
Ausländer, die ohne Arbeitserlaubnis oder ohne Aufenthalts-
genehmigung in Deutschland als Arbeitnehmer oder Arbeit-
nehmerin gearbeitet haben, einen Anspruch auf Zahlung des
Lohnes für die erbrachte Arbeitsleistung. Es handelt sich in
diesen Fällen um ein faktisches Arbeitsverhältnis. Menschen
ohne Aufenthaltsstatus wenden sich aber häufig nicht an die
Arbeitsgerichte, weil sie befürchten, dass dadurch ihr Auf-
enthalt in Deutschland den Ausländerbehörden bekannt
wird. Dies führt dazu, dass insbesondere Menschen ohne
Aufenthaltsstatus von Arbeitgebern um ihren Lohn geprellt
werden oder aber ausgebeutet werden. Deswegen ist es er-
forderlich, sicherzustellen, dass Betroffene ihren Lohn oder
Forderungen, die im Zusammenhang mit dem Arbeits-
verhältnis stehen, einklagen können, ohne befürchten zu
müssen, dass ihr Aufenthaltsstatus der Ausländerbehörde
bekannt wird. Dadurch wird ihre Position gegenüber Arbeit-
gebern oder Arbeitgeberinnen gestärkt, die den fehlenden
Aufenthaltsstatus ihrer Beschäftigten ausnutzen.

Die Änderung dient gleichzeitig der Umsetzung der Sank-
tionsrichtlinie. Nach Artikel 6 Absatz 2 der Sanktionsricht-
linie müssen die Mitgliedstaaten wirksame Verfahren sicher-
stellen, damit illegal Beschäftigte ihren Lohn und gegebe-
nenfalls Entschädigungsansprüche gerichtlich durchsetzen
können.

Zu Artikel 4 (SGB III)

Die Änderung ist erforderlich, um sicherzustellen, dass
Menschen ohne Aufenthaltsstatus ihren Lohn oder Entschä-
digungsansprüche einklagen können, ohne dass das angeru-
fene Gericht Daten über den Aufenthaltsstatus an die Zoll-
verwaltung weiterleitet und damit der Aufenthaltsstatus den
Polizei- und Ausländerbehörden bekannt wird. Die Ände-
rung ist auch zur Umsetzung der Sanktionsrichtlinie notwen-
dig, weil gemäß Artikel 6 Absatz 2 der Sanktionsrichtlinie
die Mitgliedstaaten wirksame Verfahren sicherstellen müs-
sen, damit Beschäftigte ihren Lohn und gegebenenfalls Ent-
schädigungsansprüche gerichtlich durchsetzen können.

Zu Artikel 5 (SGB VII)

kommt Beschäftigten zugute, unabhängig davon, ob der
Aufenthalt oder die Beschäftigung in Deutschland erlaubt
sind. Aber auch andere Personen wie Kindergartenkinder
und Schüler fallen unter den Versicherungsschutz. Die Leis-
tungen der gesetzlichen Unfallversicherung werden gemäß
§ 19 Seite 2 von Amts wegen erbracht. Insbesondere bei Ar-
beitsunfällen ist es daher vorstellbar, dass der Unfallversi-
cherungsträger ohne Zutun des Betroffenen benachrichtigt
wird.

Gemäß § 211 SGB VII sind die Träger der gesetzlichen Un-
fallversicherung verpflichtet, zur Verfolgung und Ahndung
von Ordnungswidrigkeiten mit den in der Norm einzeln auf-
geführten Behörden zusammenzuarbeiten. Insbesondere
müssen sie die Ausländerbehörden bei konkreten Anhalts-
punkten für Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz unterrich-
ten. Um zu verhindern, dass Ausländerbehörden im Falle
eines Arbeitsunfalls vom fehlenden Aufenthaltsstatus einer
Person Kenntnis erlangen, wird mit der Änderung die Über-
mittlungspflicht der Träger der gesetzlich Unfallversiche-
rung eingeschränkt.

Zu Artikel 6 (SGB VIII)

Sowohl das Grundgesetz als auch verschiedene internatio-
nale Menschenrechtspakte verpflichten Deutschland für das
Wohl von allen in Deutschland lebenden Kindern zu sorgen.
Insbesondere die UN-Kinderrechtskonvention schreibt vor,
dass das Kindeswohl bei allen staatlichen Entscheidungen
vorrangig berücksichtigt werden muss. Das deutsche Recht
steht mit diesen Vorgaben nicht in vollem Umfang in Ein-
klang, denn nach § 6 Absatz 2 SGB VIII sind Kinder in der
aufenthaltsrechtlichen Illegalität von Leistungen der Kinder-
und Jugendhilfe ausgeschlossen. Insbesondere haben sie kei-
nen Anspruch auf den Besuch einer Kindertageseinrichtung
und erhalten dafür auch keine Förderung gemäß § 24
SGB VIII.

Die Grundlage für die Persönlichkeitsentwicklung eines je-
den Kindes und die späteren Bildungschancen werden früh
gelegt. Das hat erneut der OECD-Bericht „Doing better for
Families“ vom 27. April 2011 belegt. Deshalb muss der Zu-
gang zu Kindertageseinrichtungen für alle Kinder unabhän-
gig von ihrem Aufenthaltsstatus gewährleistet sein. Gerade
Kinder in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität müssen die
Chance haben, im Rahmen von Kindertageseinrichtungen
ein Stück Normalität zu erleben.

Durch die Änderung wird überdies sichergestellt, dass auch
Kinder ohne Aufenthaltsstatus Anspruch auf weitere Leis-
tungen nach dem SGB VIII haben, wenn ihr Wohl dies erfor-
dert.

Zu Artikel 7 (BGB)

Der neue § 612b legt verschiedene Besserungen für auslän-
dische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Durchset-
zung ihrer Vergütungsansprüche gegenüber ihren Arbeitge-
bern fest. Die Änderungen dienen der Umsetzung der
Sanktionsrichtlinie, gehen aber teilweise über den Mindest-
standard der Sanktionsrichtlinie hinaus. Das gilt insbesonde-
re für die Berücksichtigung von Opfern von Menschenhan-
del. Die Vorschriften nach § 612b kommen nicht nur
Beschäftigte Personen genießen nach § 2 Absatz 1 SGB VII
den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Schutz

Personen zu gute, die keine Genehmigung nach § 284 Ab-
satz 1 SGB III oder Berechtigung zur Erwerbstätigkeit nach

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13 – Drucksache 17/6167

§ 4 Absatz 3 AufenthG haben, sondern auch Opfern von
Menschenhandel nach § 232 oder § 233 StGB. Die rechtli-
che Gleichbehandlung der verschiedenen Opfer ist erforder-
lich, weil deren Situation vergleichbar ist. Es handelt sich um
Personen, die in der Regel nach Abschluss des Strafverfah-
rens ausreisepflichtig sind. Sie haben erhebliche Schwierig-
keiten, nach der Rückkehr in ihre Herkunftsländer ihre An-
sprüche geltend zu machen, da sie in der Regel eine Gruppe
mit wenigen Ressourcen sowie geringer Sprach- und Rechts-
kenntnis sind. Eine unterschiedliche Behandlung wäre daher
sachlich nicht gerechtfertigt.

Absatz 1 setzt Artikel 6 Absatz 3 der Sanktionsrichtlinie um.
Die Vorschrift regelt, dass zu Gunsten der oder des Beschäf-
tigten für die Berechnung der zu zahlenden Vergütung wi-

ben. Satz 3 regelt die Exkulpationsmöglichkeit für General-
unternehmer und zwischengeschaltete Unternehmer. Danach
entfällt die Haftung, wenn sie das Fehlen der nach § 284 Ab-
satz 1 SGB III erforderlichen Genehmigung oder der nach
§ 4 Absatz 3 AufenthG erforderlichen Berechtigung zur Er-
werbstätigkeit oder das Vorliegen von § 232 oder § 233
StGB nicht kannten und bei Anwendung der erforderlichen
Sorgfalt auch nicht hätten erkennen können.

Absatz 4 erweitert die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte. Für
Klagen gegen einen Arbeitgeber sind die Arbeitsgerichte
nach § 2 Absatz 1 Nummer 3a ArbGG zuständig. Für An-
sprüche aus Bürgenhaftung im Sinne des neuen § 612b
Absatz 3 BGB sind in Deutschland die ordentlichen Gerichte
derlegbar vermutet, dass das Beschäftigungsverhältnis min-
destens drei Monate bestand.

Absatz 2 setzt Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a Teilsatz 2 der
Sanktionsrichtlinie um. Nach der Vorschrift ist als vereinbar-
te Vergütung die übliche Vergütung anzusehen, es sei denn,
es wurde eine höhere Vergütung vereinbart. Eine niedrigere
Vergütung als die übliche kann nicht wirksam vereinbart
werden. Zwar wäre die Vereinbarung über eine niedrigere
Vergütung nach dem Wortlaut der Sanktionsrichtlinie nicht
ausgeschlossen. Eine solche Vereinbarung würde aber dem
Ziel der Sanktionsrichtlinie, einen Beitrag zur Verringerung
der Ausbeutung von Drittstaatsangehörigen ohne legalen
Aufenthalt zu leisten, zuwiderlaufen. Der Bezug auf die üb-
liche Vergütung stellt auch keine unzulässige Beschränkung
der Vertragsautonomie dar. So ist zum Beispiel für den Be-
reich der legalen Beschäftigung gesetzlich vorgesehen, dass
die Agentur für Arbeit gemäß § 39 Absatz 2 Nummer 2
AufenthG einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18 AufenthG
nur zustimmen kann, wenn die Beschäftigung der Einwande-
rin oder des Einwanderers nicht zu ungünstigeren Arbeitsbe-
dingungen als die vergleichbarer deutscher Arbeitnehmer er-
folgt. Dies bezieht sich auch auf die Vergütung.

Absatz 3 setzt Artikel 8 der Sanktionsrichtlinie um. Die
Vorschrift regelt die Haftung des Unternehmers, deren un-
mittelbarer Unterauftragnehmer der Arbeitgeber ist, des Ge-
neralunternehmers sowie aller zwischengeschalteter Unter-
nehmer ohne unmittelbare vertragliche Beziehung zum
Arbeitgeber. Sie alle haften für die Vergütungsansprüche wie
Bürgen, die auf die Einrede der Vorausklage verzichtet ha-

zuständig und nur im Rahmen der so genannten Zusammen-
hangsklage die Arbeitsgerichte nach § 2 Absatz 3 ArbGG.
Um illegal beschäftigten Menschen ohne Aufenthaltsstatus
die Durchsetzung ihrer Rechte zu erleichtern wird mit
Absatz 4 die Möglichkeit eingeräumt, Ansprüche nach Ab-
satz 3 auch vor den Arbeitsgerichten geltend zu machen.

Absatz 5 stellt klar, dass die Regelungen zur Durchsetzung
bestimmter branchenspezifischer Mindestlöhne unberührt
bleiben.

Zu Artikel 8 (ArbGG)

Mit der Änderung wird zur Durchsetzung der Rechte nach
der Sanktionsrichtlinie die Prozessstandschaft für Verbände
eingeführt. Gemäß Artikel 13 Absatz 2 der Sanktionsricht-
linie sind auch prozessuale Beteiligungsmöglichkeiten für
Verbände zur Unterstützung illegal Beschäftigter ein vorge-
schriebenes Instrument, um die Wirksamkeit der Verfahren
zur Durchsetzung von Lohnansprüchen sicherzustellen. Die
Unterstützung durch Verbände kann zum Ausgleich des
massiven Machtungleichgewichts zwischen den Parteien
beitragen. Eine Geltendmachung des Lohns durch Verbände
in Prozessstandschaft kann zudem helfen, wenn sich die Be-
schäftigten bereits wieder außerhalb Deutschlands aufhalten
oder aus Angst vor Statusaufdeckung nicht persönlich vor
Gericht erscheinen möchten.

Zu Artikel 9

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

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