BT-Drucksache 17/5803

Verbot der Einfuhr, des Handels und der Verwendung von Steinprodukten, die durch ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurden

Vom 12. Mai 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5803
17. Wahlperiode 12. 05. 2011

Antrag
der Abgeordneten Harald Weinberg, Katrin Werner, Dr. Martina Bunge,
Diana Golze, Dr. Barbara Höll, Matthias W. Birkwald, Heidrun Dittrich, Klaus Ernst,
Katja Kipping, Jutta Krellmann, Cornelia Möhring, Dr. Ilja Seifert,
Kathrin Senger-Schäfer, Kathrin Vogler, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann
und der Fraktion DIE LINKE.

Verbot der Einfuhr, des Handels und der Verwendung von Steinprodukten,
die durch ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurden

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Vor mehr als zehn Jahren wurde das Übereinkommen 182 der International
Labour Organization (ILO) verabschiedet. Das Übereinkommen beinhaltet not-
wendige Maßnahmen mit dem Ziel der Abschaffung von ausbeuterischer Kin-
derarbeit. Das Übereinkommen 182 gehört zu den am schnellsten ratifizierten
Konventionen der ILO. Insgesamt haben bislang 170 Staaten diese ILO-Kon-
vention unterzeichnet, darunter auch Deutschland. Damit hat sich Deutschland
verpflichtet, ausbeuterische Kinderarbeit zu ächten. Trotz erfolgter Ratifizie-
rung und mancher Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der
Kinderarbeit sieht die Realität oft anders aus. Grabsteine, Pflastersteine und an-
dere Steinprodukte, die durch ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurden,
werden zu niedrigen Preisen nach Europa importiert. Beispielsweise stammen
allein zwei Drittel aller in Deutschland aufgestellten Grabsteine aus Indien.
Dort arbeiten laut Xertifix e. V. schätzungsweise 150 000 Kinder in Stein-
brüchen, in der Regel unter extrem ausbeuterischen und menschenunwürdigen
Bedingungen. Diese Geschäfte, die gegen die ILO-Konvention verstoßen, müs-
sen unterbunden werden.

Ein Bundesgesetz ist geeignet, um durch ausbeuterische Kinderarbeit herge-
stellte Steinprodukte mit einem Einfuhr-, Handels- und Verwendungsverbot zu
belegen. Die Verabschiedung eines solchen Gesetzes wäre ein wichtiger Schritt
zur Ächtung der schlimmsten Formen der ausbeuterischen Kinderarbeit im
Sinne der ILO-Konvention 182.

Einzelne Bundesländer haben für die Verwendung von Grabsteinen aus aus-
beuterischer Kinderarbeit bereits Regelungen getroffen. Diese können das Pro-
blem aber nur teilweise lösen, da sie lediglich die Friedhofsträger ermächtigen,

in Friedhofssatzungen Regelungen über das Aufstellen von Grabsteinen zu tref-
fen. In der Konsequenz entstünde dadurch ein unerwünschter und lückenhafter
regulatorischer Flickenteppich.

Der Deutsche Bundestag muss sich des Problems der Kinderarbeit grundsätz-
lich annehmen. Da es sich bei der Herstellung von Steinprodukten um eine
nachweisbar besonders schlimme Form der Ausbeutung von Kindern handelt,

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besteht dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Das gilt umso mehr, als
auf der Ebene der Kommunen und der Bundesländer der klare politische Wille
zur Verhinderung dieser Kinderarbeit in Steinbrüchen besteht, aber nach gelten-
dem Recht nur auf Bundesebene mittelbar durch entsprechende Regelungen
verwirklicht werden kann.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen Gesetzentwurf vorzulegen, wonach die Einfuhr, der Handel und die
Verwendung von Steinprodukten aus ausbeuterischer Kinderarbeit verboten
und entsprechend sanktioniert werden;

2. sich auf internationaler Ebene gegen ausbeuterische Kinderarbeit gemäß
ILO-Übereinkommen 182 einzusetzen, dabei insbesondere Regelungen zu
Handelsverboten und der Verhinderung des Marktzugangs von auf diesem
Wege hergestellten Stein- und anderen Produkten in der Welthandelsorgani-
sation anzustoßen und sich für die Durchsetzung des Verbots in den EU-Mit-
gliedstaaten einzusetzen.

Berlin, den 12. Mai 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Granite, Marmor und Sandstein werden großteils in Nord- und Südindien in
Steinbrüchen, in denen Kinder unter ausbeuterischen Bedingungen arbeiten
müssen, zur Herstellung von Steinprodukten wie Grabsteinen, Pflastersteinen
und Schotter abgebaut. In der öffentlichen Debatte wird aktuell von Organisa-
tionen wie Human Rights Watch und terre des hommes Deutschland e. V. ge-
fordert, auf Friedhöfen nur noch Grabsteine aufstellen zu lassen, die nachweis-
lich ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurden. Die bisherigen Ver-
suche, gegen die Verwendung von Grabsteinen, die durch ausbeuterische Kin-
derarbeit hergestellt wurden, vorzugehen, verdeutlichen die Notwendigkeit
eines Bundesgesetzes. In den letzten Jahren haben verschiedene Kommunen
Regelungen in ihre Friedhofssatzungen aufgenommen, die das Aufstellen von
Grabsteinen untersagen, für die keine Nachweise vorgelegt wurden, dass sie in
der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit herge-
stellt wurden. Beispielsweise hat der Nürnberger Stadtrat am 25. März 2009 be-
schlossen, das Aufstellen von Grabsteinen ohne bereits erwähnte Nachweise zu
verbieten. Gegen diese Festlegung hat ein regionaler Steinmetzbetrieb geklagt
und von dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Recht bekommen. Das Bun-
desverwaltungsgericht hat im Januar 2010 den Beschluss des Bayerischen Ver-
waltungsgerichtshofs bestätigt. In einem ähnlichen Fall hat das Oberverwal-
tungsgericht in Rheinland-Pfalz im November 2008 eine entsprechende Fried-
hofssatzung für unwirksam erklärt. Damit wurde eine Regelungsbefugnis durch
die Kommunen verneint. Die Gerichte gehen davon aus, dass es den Kommu-
nen an einer erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage fehlt, um das
Aufstellen von Grabsteinen, die unter Verletzung der ILO-Konvention 182 her-
gestellt wurden, zu untersagen.

Die Bundesregierung erklärte, dass sie alle Schritte begrüße, die die Umsetzung
der ILO-Konvention 182 förderten (Antwort der Bundesregierung auf die

Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/2406).
Ebenso teilte die Bundesregierung mit, dass ihrer Auffassung nach Bundesrecht

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5803

der Schaffung von landesrechtlichen Regelungen nicht entgegenstünde, die die
Kommunen ermächtigen, das Aufstellen von Grabsteinen, die unter Verletzung
der ILO-Konvention 182 hergestellt wurden, zu untersagen (Antwort der
Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 16/14091). Der Bayerische Verwaltungs-
gerichtshof scheint in seinem Urteil vom 4. Februar 2009 (Aktenzeichen 4 N
08.788) aber davon auszugehen, dass für die Durchführung der völkerrecht-
lichen Vertragsverpflichtung aus dem ILO-Übereinkommen der Bund zustän-
dig ist. Es stellt darauf ab, dass es sich hier um Vorgänge in anderen Staaten
handelt. Damit seien Materien der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes,
nämlich die auswärtigen Angelegenheiten (Artikel 73 Absatz 1 Nummer 1 des
Grundgesetzes – GG) sowie der Warenverkehr mit dem Ausland (Artikel 73
Absatz 1 Nummer 5 GG) betroffen.

In der 871. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2010 haben die Länder Rhein-
land-Pfalz und Bremen einen Antrag zur Entschließung des Bundesrates zur
Verhinderung des Marktzugangs von Produkten aus ausbeuterischer Kinderar-
beit gestellt (Bundesratsdrucksache 309/10). Dem Antrag sind die Länder Ber-
lin und Brandenburg beigetreten. Der Bundesrat hat in seiner 873. Sitzung am
9. Juli 2010 den Antrag mehrheitlich beschlossen.

Gemäß Artikel 3 der ILO-Konvention 182 umfasst der Ausdruck „schlimmste
Formen der Kinderarbeit“ (hier: ausbeuterische Kinderarbeit) unter anderem
alle Formen der Sklaverei oder alle sklavereiähnlichen Praktiken, wie den Ver-
kauf von Kindern und den Kinderhandel, Schuldknechtschaft und Leibeigen-
schaft sowie Zwangs- oder Pflichtrekrutierung von Kindern für den Einsatz in
bewaffneten Konflikten, sowie Arbeit, die ihrer Natur nach oder aufgrund der
Umstände, unter denen sie verrichtet wird, voraussichtlich für die Gesundheit,
die Sicherheit oder die Sittlichkeit von Kindern schädlich ist.

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