BT-Drucksache 17/5490

Keine Vorratsspeicherung von Fluggastdaten - Richtlinienvorschlag über die Verwendung von Fluggastdatensätzen, KOM (2011) 32 endg., Ratsdok. 6007/11 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 EUZBBG

Vom 13. April 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5490
17. Wahlperiode 13. 04. 2011

Antrag
der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Wolfgang Wieland, Jerzy Montag,
Markus Tressel, Volker Beck (Köln), Kai Gehring, Winfried Hermann, Ulrike Höfken,
Ingrid Hönlinger, Memet Kilic, Sven-Christian Kindler, Tom Koenigs, Omid
Nouripour, Dr. Hermann Ott, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Hans-
Christian Ströbele, Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Keine Vorratsspeicherung von Fluggastdaten –
Richtlinienvorschlag über die Verwendung von Fluggastdatensätzen
KOM(2011) 32 endg.; Ratsdok. 6007/11

hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3
des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 EUZBBG

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Europäische Kommission hat am 2. Februar 2011 einen Vorschlag für eine
Richtlinie über die Verwendung von Fluggastdatensätzen zu Zwecken der Ver-
hütung, Aufdeckung, Aufklärung und strafrechtlichen Verfolgung von terroris-
tischen Straftaten und schwerer Kriminalität (KOM(2011) 32 endg.) vorgelegt.
Zuvor hatte bereits ein in Planung befindlicher Rahmenbeschluss zum selben
Thema schwerwiegende Kritik hervorgerufen (KOM(2007) 654 endg.; Ratsdok.
14922/07), vgl. dazu den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
(Bundestagsdrucksache 16/8199), ferner die Kritik der damaligen Bundesminis-
terin der Justiz, Brigitte Zypries, des Europäischen Parlaments, der EU-Grund-
rechteagentur, des Europäischen Datenschutzbeauftragten und des Bundes-
beauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit.

Mit dem nun vorliegenden Richtlinienentwurf greift die Europäische Kommis-
sion zwar einen Teil der datenschutzrechtlichen Kritik auf. Das grundsätzliche
datenschutzrechtliche Problem bleibt aber erhalten: Bei dem Richtlinienentwurf
handelt es sich wie bei der Richtlinie zur Speicherung von Telekommunikations-
verbindungsdaten 2006/24/EG abermals um eine anlasslose Vorratsdatenspei-
cherung, deren Geeignetheit und Erforderlichkeit für den Zweck der Terroris-
mus- und Kriminalitätsbekämpfung nicht nachgewiesen ist. Die Europäische
Kommission weist in ihrem Vorschlag zwar auf die vielfach geäußerten Zweifel

an der Geeignetheit und Erforderlichkeit dieser Maßnahme hin, begnügt sich
dann aber im Wesentlichen damit, diese ohne weitere Begründung zu behaupten.
Die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Speicherung von Fluggastdaten für
die Aufdeckung, Aufklärung und strafrechtliche Verfolgung von terroristischen
Straftaten und schwerer Kriminalität muss nicht nur behauptet, sondern über-
zeugend nachgewiesen werden. Die Ausgestaltung dieser neuen Art der Vorrats-

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datenspeicherung im Richtlinienentwurf zu den Fluggastdaten verstößt gegen
die Vorgaben im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeiche-
rung der Telekommunikationsverbindungsdaten (1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08,
1 BvR 586/08).

Besonders bedenklich ist hier, dass die zunächst bei unterschiedlichen privaten
Flugunternehmen erhobenen und dezentral gespeicherten Daten der Flugpassa-
giere bei einer staatlichen Zentralstelle zusammengeführt und dort zu unter-
schiedlichsten Zwecken der Kriminalitätsbekämpfung zentralisiert, gespeichert
und verarbeitet werden sollen. Zudem sollen die gespeicherten Daten über den
unverhältnismäßig langen Zeitraum von 30 Tagen (unverschlüsselt) plus fünf
Jahre (bei eingeschränktem Zugriff durch Pseudonymisierung, damit aber blei-
bender Individualisierbarkeit) gespeichert bleiben. Ausdrücklich zielt der Richt-
linienentwurf zudem darauf, durch Datenauswertung und Datenabgleich Ver-
dächtige zu identifizieren und „PNR-Daten proaktiv zur Analyse und Bestim-
mung von Prüfkriterien“ (S. 5 des Vorschlags) verwenden zu können. In der
Folge sollen die aufgrund dieser Prüfkriterien identifizierten Personen besonde-
ren Kontrollmaßnahmen und damit Grundrechtseingriffen unterzogen werden
(Artikel 4 Absatz 2 des Richtlinienentwurfs.) „Dazu müssen die Strafverfol-
gungsbehörden die PNR-Daten in Echtzeit verwenden, um einen Datenabgleich
mit verschiedenen Datenbanken […] durchzuführen“ (ebenda, S. 6) (PNR: Pas-
senger Name Record – Passagiernamensregister). Diese Ermittlungsmethode
läuft auf eine anlasslose Rasterung der Fluggäste nach einem höchst abstrakten
Rasterprofil hinaus. Derartige Vorgehensweisen, die nicht an hinreichend be-
stimmbare strafbare Handlungen, sondern lediglich an allgemeine Kategorien,
äußere Verhaltensmuster und unveränderliche Identitätsmerkmale anknüpfen,
sind in Deutschland verfassungsrechtlich unzulässig (vgl. etwa Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 4. April 2006, 1 BvR 518/02) und würden
zwangsläufig diskriminierende Maßnahmen der Sicherheitsbehörden nach sich
ziehen.

Die neuerliche Kritik an dem Richtlinienvorschlag, die nicht nur vom Bundes-
beauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit und dem Euro-
päischen Datenschutzbeauftragten, sondern auch von Vertretern der Bundes-
regierung und aus dem Bundesministerium der Justiz heraus geäußert wurde, er-
staunt daher nicht. Der Bundesrat hat am 18. März 2011 mit Mehrheit für einen
sehr kritischen Antrag zum Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission
gestimmt (Bundesratsdrucksache 73/11).

Aus der umfassenden Bewertung gemäß § 7 Absatz 2 des Gesetzes über die
Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angele-
genheiten der Europäischen Union (EUZBBG) vom 15. März 2011 ist klar er-
sichtlich, dass auch seitens der Bundesregierung Zweifel an der Grundrechts-
konformität des Richtlinienentwurfs und seiner verfassungskonformen Umsetz-
barkeit in nationales Recht bestehen.

Vor dem Hintergrund der EU-Grundrechtecharta, der Europäischen Menschen-
rechtskonvention (EMRK) und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
richts bestehen erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit des Richtlinienvor-
schlags mit EU-Grundrechten und an der Möglichkeit der verfassungskonfor-
men Umsetzung einer solchen Richtlinie in deutsches Recht.

EU-Grundrechte finden Anwendung, wenn die Organe und Einrichtungen der
EU oder die Mitgliedstaaten EU-Recht anwenden. EU-Sekundärrecht, also auch
der vorliegende Richtlinienentwurf, ist an der EU-Grundrechtecharta zu messen.
Es bestehen ganz erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit des Richtlinienent-
wurfs mit Artikel 8 der EU-Grundrechtecharta (Grundrecht auf Datenschutz)
und Artikel 8 EMRK (Achtung des Privat- und Familienlebens). Zudem ist

zweifelhaft, ob die entschädigungslose Übertragung der Kostenlast auf die Flug-
gesellschaften mit den Artikeln 15 und 16 der EU-Grundrechtecharta (Berufs-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5490

freiheit und wirtschaftliche Betätigungsfreiheit) vereinbar ist. Jenseits der
Grundrechtsproblematik ist darauf hinzuweisen, dass die gewählte Rechts-
grundlage aus dem Bereich Justiz und Inneres selbst nach Ansicht des juristi-
schen Dienstes des Rates nicht ausreichend ist, um die im Richtlinienentwurf
enthaltenen Verpflichtungen der Fluggesellschaften zu begründen.

Aber auch nationale Grundrechte sind insoweit Bewertungsmaßstab, als die
Fluggastdaten-Richtlinie den Mitgliedstaaten einen Umsetzungsspielraum lässt
oder die durch Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) geschützte Verfas-
sungsidentität Deutschlands betroffen ist. Aus deutscher Sicht stellt sich die
Frage nach einer verfassungskonformen Verhandlungsposition der Bundesregie-
rung ebenso wie die Frage, ob die Richtlinie, würde sie in der Form des jetzt vor-
gelegten Vorschlags erlassen, verfassungskonform umsetzbar wäre.

Das Bundesverfassungsgericht hat zuletzt in dem von der Bundesregierung in
seiner umfassenden Bewertung zitierten Urteil zur Vorratsdatenspeicherung von
Telekommunikationsverbindungsdaten festgestellt, dass es zur verfassungs-
rechtlichen Identität Deutschlands gehört, dass die Freiheitswahrnehmung der
Bürger nicht total erfasst und registriert werden darf. Die Vorratsdatenspeiche-
rung von Telekommunikationsverbindungsdaten sei, so das Gericht, ein beson-
ders schwerer Eingriff mit einer Streubreite, wie sie die Rechtsordnung bisher
nicht kenne. Die Vorratsdatenspeicherung ermögliche die Bildung von Persön-
lichkeits- und Bewegungsprofilen und steigere das Risiko der Bürger, weiteren
Ermittlungen ausgesetzt zu werden, ohne hierfür selbst Anlass gegeben zu ha-
ben. Eine solche Vorratsdatenspeicherung sei nur in sehr engen Grenzen mit der
Verfassung zu vereinbaren. „Die Einführung der Telekommunikationsverkehrs-
datenspeicherung“, so das Bundesverfassungsgericht weiter, „kann damit nicht
als Vorbild für die Schaffung weiterer vorsorglich anlassloser Datensammlun-
gen dienen, sondern zwingt den Gesetzgeber bei der Erwägung neuer Speiche-
rungspflichten oder -berechtigungen in Blick auf die Gesamtheit der verschiede-
nen schon vorhandenen Datensammlungen zu größerer Zurückhaltung.“

Bei der Beurteilung der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der
Speicherung und Verwendung von Fluggastdaten muss daher vor dem Hinter-
grund der deutschen Verfassungsrechtsprechung und des Artikels 8 der EU-
Grundrechtecharta in Betracht gezogen werden, dass in Europa bereits verschie-
dene Arten der Vorratsdatenspeicherung stattfinden, deren kumulative Auswir-
kungen auf die Grundrechte des Einzelnen im Rahmen einer wertenden Gesamt-
schau zu berücksichtigen sind. Nur so kann der wachsenden Gefahr der Bildung
von grundrechtswidrigen Persönlichkeits- und Bewegungsprofilen vorgebeugt
werden. Diese Gefahr würde sich durch die nun anvisierte Ausdehnung der Vor-
ratsspeicherung von Fluggastdaten auch auf Flüge innerhalb der EU (dazu Ver-
merk des Ratsvorsitzes vom 28. März 2011) erheblich erhöhen. Für die Verhält-
nismäßigkeit einer solchen Ausdehnung auf Flüge innerhalb der EU liegen kei-
nerlei stichhaltige Begründungen vor. Das Gleiche gilt für die von verschiedenen
Mitgliedstaaten erhobenen Forderungen, die Passagierdaten auch bei anderen
Verkehrsmitteln wie zum Beispiel Fähren und Zügen auf Vorrat zu speichern.
Die Zusatzkosten, die durch die Speicherung der Daten bei Flügen innerhalb der
EU entstehen, werden allein für die Lufthansa auf 150 000 Euro pro Monat ge-
schätzt.

Es bestehen erhebliche Zweifel, ob die vorgeschlagene Fluggastdaten-Richtlinie
in Deutschland umgesetzt werden könnte, ohne die vom Bundesverfassungs-
gericht in seinem Vorratsdatenurteil benannten engen Grenzen für die Zulässig-
keit von Vorratsdatenspeicherungen zu überschreiten. Erhebliche verfassungs-
rechtliche Zweifel bestehen vor allem im Hinblick auf folgende Punkte:

● Erstens scheint die im Richtlinienentwurf vorgesehene Errichtung einer staat-

lichen PNR-Zentralstelle und damit die Schaffung eines staatlichen zentralen
Datenpools als verfassungsrechtlich unzulässig.

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● Zweitens werden weder die Begründung des Richtlinienentwurfs noch sein
Inhalt der Tatsache gerecht, dass die Vorratsdatenspeicherung als streng zu
begrenzende Ausnahme unter den staatlichen Eingriffsinstrumenten anzuse-
hen ist. Die Verfassung erlegt dem Gesetzgeber bei der Erwägung der neuen
Speicherungspflicht von Fluggastdaten durch die Richtlinie größere Zurück-
haltung auf.

● Drittens ergibt sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
2. März 2010, dass die Verarbeitung auf Vorrat gespeicherter Daten einer
hohen Eingriffsschwelle unterliegen muss. Diese Schwelle kann etwa durch
das Erfordernis des Vorliegens eines besonders begründeten Verdachts einer
auch im Einzelfall schwerwiegenden Straftat oder – im Bereich der Ge-
fahrenabwehr – durch das Erfordernis des Vorliegens einer durch bestimmte
Tatsachen hinreichend belegten konkreten Gefahr für überragend wichtige
Güter definiert sein. Diesen Anforderungen wird der Richtlinienentwurf, der
auf eine anlasslose und permanente Datenverarbeitung durch die zentrale
PNR-Zentralstelle zielt, nicht gerecht. Das Vorliegen eines hinreichenden
Umsetzungsspielraums erscheint sehr zweifelhaft.

Der vorliegende Richtlinienentwurf zielt ausdrücklich auf eine Rasterprofil-
bildung und die Rasterung von großen personenbezogenen Datenbeständen ab.
Daher ist zudem der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Rasterfahn-
dung vom April 2006 (1 BvR 518/02) zu berücksichtigen. Da der Richtlinienent-
wurf ausweislich seiner Begründung auf eine anlasslose präventive Rasterung
zielt und den Umsetzungsspielraum der EU-Mitgliedstaaten nicht klar definiert,
bleibt auch vor diesem Hintergrund zweifelhaft, ob der deutsche Gesetzgeber
bei Umsetzung der vorgeschlagenen Fluggastdatenrichtlinie den verfassungs-
rechtlichen Vorgaben gerecht werden könnte.

Zudem ist im Rahmen der verfassungsrechtlichen Bewertung zu berücksichti-
gen, dass der Richtlinienentwurf zwar die Weiterleitung von PNR-Daten von
staatlichen Zentralstellen an die von den Mitgliedstaaten als zuständig benann-
ten Polizei- und Strafverfolgungsbehörden vorsieht. Für die voraussichtliche
Vielzahl dieser Behörden existiert aber bei weitem kein einheitliches oder gar
EU-rechtlich harmonisiertes Datenschutzniveau. So beschränkt sich der Rah-
menbeschluss 2008/977/JI zum Datenschutz, der auf die Polizei- und Strafver-
folgungsbehörden Anwendung findet, auf den Datenaustausch zwischen den be-
treffenden Behörden der EU-Mitgliedstaaten, lässt die Datenverarbeitung durch
Polizei- und Strafverfolgungsbehörden auf nationaler Ebene aber unberührt. Zu-
dem weist dieser Rahmenbeschluss vor allem im Hinblick auf die Rechte der
Betroffenen und die Weiterleitung von personenbezogenen Daten in Drittstaaten
außerhalb der EU erhebliche Defizite auf. Dieses Manko adäquater europarecht-
licher Datenschutzstandards im Bereich des Polizei- und Strafrechts macht die
Verarbeitung der im Rahmen der Richtlinie auf Vorrat zu speichernden Fluggast-
daten für die Betroffenen zu einem datenschutzrechtlichen Glücksspiel. Die
diesbezüglichen Vorschriften des Richtlinienentwurfs nennen keine konkreten
Schranken für die Übermittlung oder den Empfang von Fluggastdaten innerhalb
der EU. Umsetzungsspielräume, die grundrechtsorientiert zu füllen wären, sind
nicht formuliert.

Die Grundrechtsbedenken werden noch dadurch verstärkt, dass die EU derzeit im
Rahmen ihres sektorübergreifenden Konzepts zur Übermittlung von Fluggast-
daten an Drittländer dabei ist, neue Abkommen über die Übermittlung von Flug-
gastdaten an die USA, Kanada und Australien auszuhandeln. Aktuell blockieren
die USA dabei Verbesserungen im Hinblick auf den Datenschutz. Wegen des
unvergleichlich niedrigen Niveaus des amerikanischen Datenschutzrechts er-
weisen sich auch die Verhandlungen mit den USA über ein EU-US-Abkommen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/5490

zum Datenschutz für die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Straf-
sachen als sehr schwierig. Das Europäische Parlament hat in seiner kritischen
Entschließung vom 11. Dezember 2010 eine strenge Verhältnismäßigkeitsprü-
fung und ein hohes Datenschutzniveau für die geplanten Abkommen angemahnt.

Bereits am 18. März 2011 hat der Bundesrat einen im Wesentlichen aus verfas-
sungsrechtlichen Erwägungen heraus sehr kritischen Beschluss (Bundesrats-
drucksache 73/11) zum PNR-Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission
gefasst. Auch der Deutsche Bundestag hat erhebliche Zweifel an der Grund-
rechtskonformität des Richtlinienentwurfs und der Möglichkeit einer verfas-
sungskonformen Umsetzung desselben.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

bei den Verhandlungen über den Richtlinienvorschlag der Europäischen Kom-
mission im Rat folgende im Sinne von § 9 Absatz 4 EUZBBG wesentlichen Be-
lange durchzusetzen:

1. Zweckgebunden erhobene und gespeicherte Fluggastdaten der privaten Flug-
unternehmen dürfen nicht anlasslos von einer staatlichen Zentralstelle zu all-
gemeinen Zwecken der Kriminalitätsbekämpfung gespeichert und verarbei-
tet werden.

2. Die anlasslose präventive Datenspeicherung, -verarbeitung und -nutzung
zum Zweck der laufenden Profilbildung und des Rasterabgleichs ohne das
Vorliegen der Voraussetzung einer Gefährdung für hochrangige Rechtsgüter
ist in Deutschland aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht umsetzbar. Dies
darf daher unabhängig von der Bewertung der Vereinbarkeit mit EU-Primär-
recht nicht in der Richtlinie geregelt werden.

3. Falls ein Verzicht auf die Normierung einer Verpflichtung zur Speicherung
von Fluggastdaten nicht durchsetzbar sein sollte, muss die Geeignetheit,
Erforderlichkeit und Angemessenheit jeder Erhebung, Speicherung und Ver-
arbeitung von personenbezogenen Daten unter Berücksichtigung der Ge-
samtschau bereits existierender Datenspeicherungen und Überwachungs-
maßnahmen vom EU-Gesetzgeber eingehend geprüft und dargelegt werden.

4. Falls ein Verzicht auf die Normierung einer Verpflichtung zur Speicherung
von Fluggastdaten auf Vorrat nicht durchsetzbar sein sollte, ist die derzeit im
Richtlinienvorschlag vorgesehene Speicherfrist von 30 Tagen plus fünf
Jahre, während der die Daten nach dem Richtlinienvorschlag (etwa als Pseu-
donyme im Sinne von § 3 Absatz 6a des Bundesdatenschutzgesetzes) indivi-
dualisierbar personenbezogen bleiben, als unverhältnismäßig lang abzuleh-
nen. Eine Speicherfrist könnte allenfalls unter Angabe einer wesentlich
kürzeren, verbindlichen Höchstspeicherfrist der Regelung durch nationales
Recht vorbehalten werden.

5. Bei dieser und weiteren EU-Regelungen im Bereich des Polizei- und Straf-
rechts soll nicht auf die unzulänglichen Datenschutzvorschriften des Rah-
menbeschlusses 2008/977/JI verwiesen werden. Die Richtlinie muss viel-
mehr ein hohes Datenschutzniveau für die Verarbeitung personenbezogener
Daten durch die Mitgliedstaaten sichern.

6. Falls ein Verzicht auf die Normierung einer Verpflichtung zur Speicherung
von Fluggastdaten auf Vorrat nicht durchsetzbar sein sollte, ist jedenfalls die
Ausdehnung der Vorratsdatenspeicherung auf Flüge innerhalb der EU zu ab-
zulehnen.

Drucksache 17/5490 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

7. Falls ein Verzicht auf die Normierung einer Verpflichtung zur Speicherung
von Fluggastdaten auf Vorrat nicht durchsetzbar sein sollte, ist jedenfalls die
Ausdehnung der Vorratsdatenspeicherung von Passagierdaten, die bei der
Nutzung anderer Verkehrsmittel als Flugzeuge entstehen, abzulehnen.

Berlin, den 12. April 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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