BT-Drucksache 17/5376

Telekommunikationsmarkt verbrauchergerecht regulieren

Vom 6. April 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5376
17. Wahlperiode 06. 04. 2011

Antrag
der Abgeordneten Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, Karin Binder,
Heidrun Bluhm, Steffen Bockhahn, Roland Claus, Dr. Rosemarie Hein, Dr. Barbara
Höll, Katrin Kunert, Sabine Leidig, Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas
Lutze, Kornelia Möller, Jens Petermann, Ingrid Remmers, Dr. Ilja Seifert, Raju
Sharma, Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke, Sabine Stüber, Alexander Süßmair,
Dr. Kirsten Tackmann, Frank Tempel, Johanna Voß, Halina Wawzyniak und der
Fraktion DIE LINKE.

Telekommunikationsmarkt verbrauchergerecht regulieren

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mangelhafter Verbraucherschutz im Telekommunikationssektor ist ein Haupt-
ärgernis für Verbraucherinnen und Verbraucher. Im Süddeutschen Verbraucher-
monitor 2010 klagten 44 Prozent der Befragten über Probleme im Bereich Tele-
fon und Internet (siehe unter www.verbraucherportal-bw.de). Das zweite Ver-
brauchermonitoring Berlin von 2010 kommt zu ähnlichen Befunden (siehe unter
www.berlin.de/sen/verbraucherschutz). Der Telekommunikationsbereich sorgt
bei den Verbraucherzentralen seit Jahren für das höchste Beratungsaufkommen.
Gleichzeitig erzielte die Telekommunikationsbranche 2010 in Deutschland einen
Umsatz von rund 61 Mrd. Euro.

Die Probleme, mit denen sich Verbraucherinnen und Verbraucher konfrontiert
sehen, sind vielfältig: überraschend hohe Telefonrechnungen, nicht oder
schlecht funktionierende Festnetzleitungen, unerwünschte Telefonanrufe, kost-
spielige Warteschleifen oder Angebote bei Mobilfunk und Internet, bei denen
die teils überzogenen Kosten nicht deutlich erkennbar sind. Hinzu kommt, dass
der Telekommunikationsmarkt ein sich ständig verändernder Markt ist. Die
technischen Neuerungen stellen die Verbraucherinnen und Verbraucher vor im-
mer neue Herausforderungen. Jugendliche und ältere Menschen sind eine be-
liebte Zielgruppe unlauterer oder zumindest fragwürdiger Geschäftspraktiken.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen umfassenden Verbraucherschutz im Telekommunikationsbereich zu ge-
währleisten und dieses Schutzniveau auch auf EU-Ebene voranzutreiben.
Dazu sind unter anderem folgende Maßnahmen notwendig:

1. Preisobergrenzen und Preisinformationen müssen einheitlich für Festnetz
und Mobilfunk gelten. Dazu ist eine Preisansagepflicht vor Telefonaten für
Festnetz, Mobilfunk und für Internet by Call gesetzlich zu verankern, auf die
die Verbraucherinnen und Verbraucher zumindest bei Ortsgesprächen durch
ausdrückliche Erklärung verzichten können. Außerdem müssen Preisober-

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grenzen für Premium-SMS eingeführt und der Abschluss von Abonnements
per SMS gesetzlich untersagt werden.

2. Warteschleifen sowie Störungshotlines müssen für alle Anrufe aus dem Fest-
netz und Mobilfunk gesetzlich kostenfrei gestellt werden. Die Dauer der
Warteschleifen ist zu begrenzen. Diese Vorschriften sind innerhalb eines Jah-
res nach Inkrafttreten zu evaluieren.

3. Die Bedingungen für Telekommunikationsverträge sind verbrauchergerecht
zu definieren:

● Die Mindestlaufzeit von Telekommunikationsverträgen darf höchstens
zwölf Monate betragen.

● Bei Umzug muss sichergestellt werden, dass der Vertrag am neuen Wohn-
ort nicht nur mit der vereinbarten Vertragslaufzeit, sondern auch mit den
bisherigen Vertragskonditionen beibehalten werden kann. Anderenfalls
muss den Verbraucherinnen und Verbrauchern beim Umzug ein Sonder-
kündigungsrecht zustehen.

● Rufen Verbraucherinnen und Verbraucher infolge eines unlauteren Werbe-
anrufes oder aufgrund einer Werbung unter Verwendung einer automa-
tischen Anrufmaschine eine teure Rufnummer zurück, muss die Pflicht
zur Zahlung des Verbindungsentgelts entfallen.

4. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen wirksam vor Kostenfallen im In-
ternet geschützt werden. Entstehende Kosten müssen deutlich benannt und
gekennzeichnet werden. Voraussetzung dafür ist ein Preisbutton, durch den
Verbraucherinnen und Verbraucher klar mit „Ja“ oder „Nein“ entscheiden
können, ob sie einen kostenpflichtigen Vertrag abschließen wollen. Damit
Unternehmen den Button nicht bis zur Unkenntlichkeit kaschieren, sind ver-
bindliche Vorgaben nötig. Die Beweislast dafür, dass ein Vertrag rechtmäßig
zustande gekommen ist, muss bei den Unternehmen liegen.

5. Die Bundesnetzagentur ist verbrauchergerecht umzustrukturieren, um neben
den Verbraucherverbänden als effektiver Marktwächter agieren zu können.
Sie muss dazu verpflichtet werden, stärker präventiv tätig zu werden. Außer-
dem sind in den Beirat der Bundesnetzagentur zwei Vertreterinnen und Ver-
treter von Verbraucherverbänden aufzunehmen.

6. Die Rechtdurchsetzung muss verbessert und die Geldbußen müssen erhöht
werden, insbesondere bei Verstößen gegen das Verbot der unlauteren Tele-
fonwerbung.

7. Die beworbene Übertragungsgeschwindigkeit von Internetzugängen muss
den Verbraucherinnen und Verbrauchern auch tatsächlich zu 100 Prozent zur
Verfügung gestellt werden. Kann der Anbieter diese Leistung, mit Ausnahme
technisch bedingter Leistungsschwankungen von wenigen Prozent, nicht ge-
währleisten, ist gesetzlich festzulegen, dass die Kundin bzw. der Kunde den
Vertrag kündigen oder den Preis mindern kann.

Berlin, den 6. April 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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