BT-Drucksache 17/431

Kinder-und Jugendreisen für alle

Vom 13. Januar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/431
17. Wahlperiode 13. 01. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Jörn Wunderlich, Kornelia Möller, Dr. Gesine
Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, Heidrun Bluhm, Steffen Bockhahn, Dr. Martina
Bunge, Roland Claus, Heidrun Dittrich, Katrin Kunert, Jens Petermann, Ingrid
Remmers, Kathrin Senger-Schäfer, Kersten Steinke, Sabine Stüber, Dr. Kirsten
Tackmann, Kathrin Vogler, Harald Weinberg und der Fraktion DIE LINKE.

Kinder- und Jugendreisen für alle

„Kinder- und Jugendreisen sind aus unserer Sicht ein wesentlicher Beitrag zur
Persönlichkeitsentwicklung, zur Bildung und zur Integration junger Menschen –
und sie bieten Chancen, die es so nur auf Kinder- und Jugendreisen gibt, d. h.
dort, wo Kinder und Jugendliche über einen längeren Zeitraum einander und
einer anderen Umgebung ausgesetzt sind.“ So äußert sich Ansgar Drücker,
Vorsitzender des BundesForums Kinder- und Jugendreisen e. V., in seinem
Vorwort zur Studie „Deutsche Kinder- und Jugendreisen 2008“, welche das
BundesForum gemeinsam mit dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bun-
desministerium für Wirtschaft und Technologie, Ernst Burgbacher, am
8. Dezember 2009 der Presse vorgestellt hat. Sein Fazit in diesem Vorwort: „Un-
ser politisches und gesellschaftliches Ziel ist es, jedem Kind und jedem Jugend-
lichen eine Kinder- und Jugendreise zu ermöglichen.“

Im Kontext mit diesem Ziel stehen auch der am 3. Juli 2002 vom Deutschen Bun-
destag verabschiedete Aktionsplan zum Kinder- und Jugendtourismus in
Deutschland (Bundestagsdrucksache 14/9715) sowie die „Tourismuspolitischen
Leitlinien der Bundesregierung“ aus dem Jahr 2009, in denen es unter der Über-
schrift „Teilhabe“ heißt: „Ziel der Bundesregierung ist die Teilhabe aller Bevöl-
kerungskreise am Tourismus. Auch Menschen mit gesundheitlichen, sozialen
oder finanziellen Einschränkungen sollen reisen können …“

Die aktuelle Studie „Kinder- und Jugendreisen 2008“ macht deutlich, dass dieses
Ziel noch nicht erreicht ist. Zwar gibt es in Deutschland mit 82,2 Prozent eine
auch im internationalen Vergleich hohe Urlaubsreiseintensität bei Jugendlichen
zwischen 14 und 17 Jahren, aber die Studie zeigt auch, dass Kinder und Jugend-
liche aus einkommensschwachen Schichten der Bevölkerung mit 70,4 Prozent
deutlich weniger am Tourismus teilhaben. Kaum bzw. keine Aussagen liefert die
Studie zur Urlaubsreiseintensität von Kindern und Jugendlichen unter 14 Jahren,
von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen oder Migrationshintergrund.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Was hat die Bundesregierung (auch im Zusammenwirken mit den Bundeslän-
dern) in den Jahren 2008 und 2009 zur Umsetzung des Aktionsplanes zum
Kinder- und Jugendtourismus in Deutschland und der darin enthaltenen acht
Zielvorgaben unternommen und erreicht (bitte mit Nennung der einzelnen
Maßnahmen und der dafür eingesetzten Mittel aus dem Bundeshaushalt)?

Drucksache 17/431 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Wie bewertet die Bundesregierung die Anzahl der in Deutschland zur Verfü-
gung stehenden Kinder- und Jugendunterkünfte (siehe Studie „Kinder- und
Jugendreisen 2008“), deren Zustand und die Barrierefreiheit dieser Unter-
künfte?

3. Was wird die Bundesregierung (auch im Zusammenwirken mit den Bundes-
ländern) im Jahr 2010 zur Umsetzung des Aktionsplanes zum Kinder- und
Jugendtourismus in Deutschland und der darin enthaltenen acht Zielvorga-
ben unternehmen (bitte mit Nennung der einzelnen Maßnahmen und der
dafür eingeplanten Mittel aus dem Bundeshaushalt – Entwurf laut Beschluss
der Bundesregierung vom Dezember 2009)?

4. Welche Bundesländer haben nach Kenntnis der Bundesregierung analoge
Aktionspläne zum Kinder- und Jugendtourismus erarbeitet und beschlossen?

5. Wie viele Kinder und Jugendliche lebten nach Kenntnis der Bundesregie-
rung in den Jahren 2008 und 2009 in so genannten Bedarfsgemeinschaften
(Hartz IV), in Familien mit Leistungen aus dem Zwölften Buch Sozialge-
setzbuch (zum Beispiel Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderun-
gen) bzw. Haushalten und Einrichtungen mit geringem finanziellen Budget?

6. Inwieweit ist es aus Sicht der Bundesregierung notwendig und für deren
Persönlichkeitsentwicklung sinnvoll, dass auch diese Kinder und Jugend-
lichen am Kinder- und Jugendtourismus teilhaben können?

7. Wie viele dieser Kinder und Jugendlichen konnten nach Kenntnis der Bun-
desregierung in den Jahren 2008 und 2009 keine Ferien- bzw. Urlaubsreise
unternehmen?

8. Welche Kenntnisse, Probleme und Erfahrungen gibt es für diese Kinder und
Jugendlichen bezüglich der Teilnahme an Klassenfahrten?

9. Wie bewertet die Bundesregierung die Feststellung aus der Studie, dass bei
Urlaubsreisen mit Kindern bis 13 Jahre im Jahr 2008 der niedrigste Wert
(17 Prozent) seit seiner Erfassung im Jahr 1996 (22 Prozent) erreicht wurde,
und sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen der Einfüh-
rung der Hartz-IV-Gesetzgebung und dem zeitgleich einsetzenden Rück-
gang in diesem Reisesegment?

10. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung hinsichtlich der Teilhabe von
Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen am Tourismus?

11. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung hinsichtlich der Teilhabe von
Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund am Tourismus?

12. Inwieweit ist für die Bundesregierung die mangelhafte Datenlage zur
Urlaubsreiseintensität von Kindern bis 13 Jahre sowie von Kindern und
Jugendlichen mit Behinderungen sowie mit Migrationshintergrund in der
von ihr in Auftrag gegebenen Studie „Deutsche Kinder- und Jugendreisen
2008 – Aktuelle Daten zu Struktur und Volumen“ akzeptabel und zufrieden-
stellend, wenn sie in den tourismuspolitischen Leitlinien davon ausgeht,
dass es Ziel der Bundesregierung ist, die Teilhabe aller Bevölkerungskreise
am Tourismus zu sichern und dass auch Menschen mit gesundheitlichen,
sozialen oder finanziellen Einschränkungen reisen können?

13. Welche Maßnahmen sind zur weiteren Verbesserung der statistischen Daten-
lage geplant?

Gibt es Bemühungen der Bundesregierung, den Ostdeutschen Sparkassen-
verband (OSGV) zu bitten, die Datenlage aus dem Bereich Kinder- und
Jugendreisen in das Tourismusbarometer einzugliedern?
Wenn ja, wann?

Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/431

14. Inwieweit wird die Studie auch eine Planungshilfe für die Bundesregierung
sein, und wo sieht sie Änderungsbedarf gegenüber früheren Planungen und
Entscheidungen?

15. Inwieweit reicht es aus, wenn das Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend die Qualität von Kinder- und Jugendreisen mit den be-
kannten Mitteln – Qualitätsprojekte des BundesForums Kinder- und Jugend-
reisen insbesondere im Bereich Personal und Unterkünfte – unterstützt und
Kinder- und Jugendverbände und andere Träger der Kinder- und Jugendhil-
fen, die ein breites Spektrum an Kinder- und Jugendreisen, -begegnungen
und -austauschen durchführen, fördert?

Für wie viele Kinder und Jugendliche sind die Angebote der Kinder- und
Jugendhilfe eine echte Alternative zum klassischen Tourismus?

Wie viele Kinder und Jugendliche insbesondere aus sozial schwächeren
Schichten werden mit Hilfe des Kinder- und Jugendplans des Bundes
erreicht und unterstützt (siehe Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage
des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Plenarprotokoll der 11. Sitzung des Deut-
schen Bundestages in der 17. Wahlperiode am 16. Dezember 2009)?

16. Wie bewertet die Bundesregierung die Feststellung aus der Studie „Kinder-
und Jugendreisen 2008“, dass bei öffentlich geförderten Kinder- und
Jugendreisen drastische Reduzierungen geplant sind und dass diese Rück-
gänge in Ostdeutschland deutlich höher sind als in den westlichen Bundes-
ländern?

17. Welche Maßnahmen, Projekte und sonstigen Aktivitäten hat die Bundes-
regierung in Angriff genommen, um Kindern und Jugendlichen aus Familien
und Einrichtungen mit geringem finanziellen Budget die Teilnahme am Kin-
der- und Jugendtourismus zu ermöglichen?

18. Wie viele Kinder und Jugendliche leben nach Kenntnis der Bundesregierung
in Flüchtlings- und Asylbewerberfamilien?

19. Welche Maßnahmen, Projekte und sonstigen Aktivitäten hat die Bundes-
regierung unternommen, um Kindern und Jugendlichen aus Flüchtlings- und
Asylbewerberfamilien die Teilnahme am Kinder- und Jugendtourismus zu
ermöglichen?

20. Inwieweit ist es aus Sicht der Bundesregierung notwendig und für die Per-
sönlichkeitsentwicklung dieser Kinder und Jugendlichen sinnvoll, dass auch
sie am Kinder- und Jugendtourismus sowie an Schulfahrten teilhaben kön-
nen?

21. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Gewährleistung der
Teilnahme (und der Finanzierung) von Kindern und Jugendlichen aus
Flüchtlings- und Asylbewerberfamilien an Reisen ihrer Schulklasse?

22. Wie hoch war der deutsche Anteil am EU-Aktionsprogramm JUGEND in
den Jahren ab 2006, und in welcher Höhe wurden finanzielle Mittel für den
internationalen Jugendaustausch bzw. Jugendtourismus aufgewendet?

23. Welche Rolle spielt dabei – sowie in anderen Programmen der Kinder-
austausch und -tourismus – die Altersgruppe 12 bis 14 Jahre?

24. Welche Kooperationen und Maßnahmen der Bundesregierung zur Förde-
rung des internationalen Kinder- und Jugendtourismus gibt es darüber
hinaus?

25. Wie bewertet die Bundesregierung die Feststellung aus der Studie „Kinder-
und Jugendreisen 2008“, dass Maßnahmen der internationalen Jugendarbeit

bei öffentlich geförderten Kinder- und Jugendreisen um 31 Prozent reduziert
wurden?

Drucksache 17/431 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
26. Was unternahm und unternimmt die Bundesregierung zur Förderung der
Barrierefreiheit sowie von integrativen Reisen im Kinder- und Jugendtouris-
mus, insbesondere bei Jugendaustauschprogrammen?

27. Welche Staaten bzw. deren Regierungen sind Mitglied in der internationalen
Sozialtourismusorganisation BITS?

28. Welche Position hat die Bundesregierung zu den in Frankreich eingeführten
„Ferienchecks“, um auf diesem Weg Ferien für alle zu ermöglichen, und
inwieweit sieht sie Möglichkeiten, diese Erfahrungen im eigenen Land nutz-
bar zu machen.

29. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode,
um den Jugendaustausch zwischen Deutschland und den neuen EU-Mit-
gliedstaaten (insbesondere durch Partnerschaften zwischen Bildungsein-
richtungen, Vereinen und Interessengruppen) zu intensivieren?

30. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode,
um neue Austauschprogramme mit den nicht zur EU gehörenden Staaten
Europas zu initiieren?

31. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass an den Programmen zum
internationalen Jugendaustausch auch Jugendliche aus einkommensschwa-
chen Haushalten teilnehmen können?

32. Durch welche konkreten Maßnahmen will die Bundesregierung erreichen,
dass die Bedeutung von Besuchen der Gedenkstätten für die Opfer des
Nationalsozialismus in Polen, Tschechien und anderen Staaten durch Schu-
len und Jugendgruppen verstärkt werden kann?

Berlin, den 13. Januar 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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