BT-Drucksache 17/4227

zu der Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker Kauder, Ute Granold, Erika Steinbach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Marina Schuster, Pascal Kober, Serkan Tören, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -17/3124, 17/4122- Religionsfreiheit weltweit schützen

Vom 15. Dezember 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4227
17. Wahlperiode 15. 12. 2010

Änderungsantrag
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Tom Koenigs, Marieluise Beck (Bremen),
Viola von Cramon-Taubadel, Ulrike Höfken, Ingrid Hönlinger, Thilo Hoppe,
Uwe Kekeritz, Katja Keul, Ute Koczy, Agnes Malczak, Jerzy Montag, Kerstin Müller
(Köln), Dr. Konstantin von Notz, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg),
Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian Ströbele, Josef Philip
Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker Kauder, Ute Granold,
Erika Steinbach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Marina Schuster, Pascal Kober, Serkan Tören,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksachen 17/2334, 17/4122 –

Religionsfreiheit weltweit schützen

Der Bundestag wolle beschließen:

1. In Abschnitt I wird nach dem zehnten Absatz („Die von den Medien […]
Bundesstaat Gujarat.“) folgender Text eingefügt:

Entscheidend ist jedoch nicht allein, welche Religionen von Unterdrückung
am stärksten betroffen sind. Für die Opfer von Verfolgung, Unterdrückung
und Diskriminierungen ist es unerheblich, ob sie zu einer global häufig oder
selten verfolgten Religionsgemeinschaft gehören. Deswegen gebietet der
Grundsatz der Universalität der Menschenrechte, Menschenrechtsverletzun-
gen nicht allein aufgrund ihrer Quantität anzuprangern. Den Schutz verfolg-
ter Christinnen und Christen einzufordern, ist also ein richtiger und enorm
wichtiger Teilaspekt zum Schutze der Religions- und Glaubensfreiheit. Um
dieses Menschenrecht umfassend zu stärken, ist jedoch ein Schutz aller
Glaubens- und Bekenntnisgemeinschaften in gleichem Maße erforderlich.
Der Deutsche Bundestag will sich dieser umfassenden Aufgabe stellen. Der
Bundesminister des Auswärtigen Dr. Guido Westerwelle fasst dies in seiner
Rede vom 8. Juli 2010 zutreffend zusammen: „Wenn Christen sich nur um
die Freiheit von Christen kümmern, Hindus nur um die Freiheit von Hindus,
Muslime nur um die Freiheit von Muslimen, dann ist das nicht das Miteinan-
der von Religionen, das wir meinen.“

2. In Abschnitt I wird nach dem dreizehnten Absatz („Schwerwiegend […]
Auslegungen stehen.“) folgender Text eingefügt:

Nicht nur in außereuropäischen Ländern aber wird das Menschenrecht auf
Religions- und Glaubensfreiheit in Frage gestellt; so widerspricht etwa das in
der Schweiz am 29. November 2009 per Volksabstimmung beschlossene Ver-

Drucksache 17/4227 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

bot des Baus von Minaretten dem Menschenrecht auf kollektive Religions-
und Glaubensfreiheit. Auch das in einigen europäischen Staaten angedachte
oder bereits durchgesetzte Verbot muslimischer Ganzkörperschleier sorgt für
Diskussionen. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
vom 3. November 2009 (Rs. 30814/06) gegen Italien, das in der staatlichen
Verpflichtung zum Anbringen eines Kruzifixes in italienischen Klassen-
zimmern einen Verstoß gegen das Recht auf negative Religionsfreiheit in Ar-
tikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention gesehen hat, zeigt,
welch schmaler Grat im Einzelfall die Abgrenzung zwischen den Menschen-
rechten auf Religions- und Glaubensfreiheit, der Neutralitätspflicht des Staa-
tes in Religionsfragen und den Menschenrechten nichtreligiöser Menschen,
darunter das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ist. Gerade deshalb
muss auch in Europa das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit immer
wieder verteidigt werden, wie es das Urteil des Europäischen Gerichtshofs
für Menschenrechte tut. Ein weltweiter Einsatz für die Religions- und Glau-
bensfreiheit bedeutet deshalb, auch die Diskriminierung religiöser Minder-
heiten in Deutschland und Europa in den Blick zu nehmen und außer in der
Außen- und Menschenrechtspolitik auch in der Innen- und Europapolitik für
das Menschenrecht auf Religions- und Glaubensfreiheit einzutreten.

3. In Abschnitt I wird nach dem vierzehnten Absatz („Doch nicht nur […] der
Religionsfreiheit.“) folgender Text eingefügt:

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit gilt – wie jedes Recht – nicht
grenzenlos. Es endet dort, wo es sich gegen die Menschenrechte und Grund-
rechte Anderer richtet. Glaubens- und Religionsgemeinschaften können nicht
nur Opfer von Einschränkungen und Unfreiheiten sein, von ihnen können
auch Einschränkungen und Unfreiheiten ausgehen. Die UN-Sonderbericht-
erstatterin für Religions- und Glaubensfreiheit, Asma Jahangir, unterscheidet
daher in ihrem Bericht vom Dezember 2009 zutreffend zwischen Einschrän-
kungen der Religions- und Glaubensfreiheit „aufgrund des Glaubens“ und
Gewalt „im Namen des Glaubens.“ Dabei bezieht sich die erstgenannte
Erscheinungsform auf die Religions- oder Glaubensbindung des jeweiligen
Opfers; die letztgenannte hingegen auf jene der Täter.

4. In Abschnitt I wird nach dem achtzehnten Absatz („Das Recht […] nicht
möglich ist.“) folgender Text eingefügt:

Der Deutsche Bundestag bekräftigt seine Auffassung, dass das Recht, kei-
nen Glauben zu bilden, zu haben, zu bekennen und danach zu leben sowie
eine Religion zu wechseln oder ganz abzulegen, nicht durch staatliche Ge-
setze oder Regelungen eingeschränkt werden darf.

5. In Abschnitt II werden nach der Nummer 11 die folgenden Nummern 12 bis
16 angefügt:

12. die rechtliche Gleichstellung aller Religionsgemeinschaften in Deutsch-
land, Europa und weltweit zum Schutz des Menschenrechts auf Reli-
gions- und Glaubensfreiheit mit Nachdruck in allen Politikbereichen zu
verfolgen;

13. den bestehenden Schutz des Menschenrechts auf Religions- und Glau-
bensfreiheit umzusetzen, ohne einzelne religiöse Gruppen zu privile-
gieren;

14. dem Menschenrecht auf Religions- und Glaubensfreiheit gleichermaßen
in individueller, kollektiver und negativer Hinsicht in Deutschland,
Europa und der Welt zur Geltung zu verhelfen;

15. das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit unter der Maßgabe des
Diskriminierungsverbotes und der Rechte von Minderheiten zu schüt-
zen, zu gewährleisten und zu stärken;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4227

16. bei der Aufnahme von Angehörigen verfolgter religiöser Minderheiten
aus dem Ausland einzig nach deren Schutzbedürftigkeit und nicht pri-
mär nach ihrer Religionszugehörigkeit zu entscheiden.

Berlin, den 14. Dezember 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Der Bundesminister des Auswärtigen Dr. Guido Westerwelle drückte in seiner
Rede anlässlich der ersten Lesung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP (Bundestagsdrucksache 17/2334) und des Antrags der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Bundestagsdrucksache 17/2424) die Hoffnung
aus, die „fundamentalen Wertefragen“, die in diesen Anträgen behandelt wer-
den, „durch gemeinsame Beschlussfassungen [zu] dokumentieren“ (vgl. Plenar-
protokoll vom 8. Juli 2010, S. 5590). Die öffentliche Anhörung unter dem Titel
„Religionsfreiheit und europäische Identität“ des Ausschusses für Menschen-
rechte und humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages hat ergeben, dass das
Menschenrecht auf Religions- und Glaubensfreiheit weltweit – also auch in
Deutschland und Europa – und diskriminierungsfrei für alle Religions- und
Glaubensgemeinschaften gilt. Diesen beiden Überlegungen soll dieser Ände-
rungsantrag zum Koalitionsantrag Rechnung tragen.

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