BT-Drucksache 17/4065

Irland unterstützen und Steuerharmonisierung vorantreiben hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i.V.m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union

Vom 1. Dezember 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4065
17. Wahlperiode 01. 12. 2010

Antrag
der Abgeordneten Manuel Sarrazin, Dr. Gerhard Schick, Alexander Bonde,
Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Viola von Cramon-Taubadel,
Dr. Thomas Gambke, Priska Hinz (Herborn), Ulrike Höfken, Thilo Hoppe,
Uwe Kekeritz, Katja Keul, Sven-Christian Kindler, Ute Koczy, Tom Koenigs,
Fritz Kuhn, Agnes Malczak, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour, Lisa Paus,
Claudia Roth (Augsburg), Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian Ströbele
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Irland unterstützen und Steuerharmonisierung vorantreiben

hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3
des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit
von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten
der Europäischen Union

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Irland hat am 21. November 2010 offiziell Finanzhilfe im Rahmen eines
gemeinsamen EU-/IWF-Programms beantragt. In einer Sondersitzung der Euro-
gruppe und des ECOFIN am 28. November 2010 haben sich die EU-Finanz-
minister sowohl auf ein Rettungspaket in Höhe von 85 Mrd. Euro als auch auf
ein Anpassungsprogramm als Konditionierung geeinigt. Ein Drittel der externen
Finanzhilfen werden durch den IWF, zwei Drittel durch Mittel aus dem Euro-
päischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM), der Europäischen Finanz-
stabilisierungsfazilität (EFSF) sowie mit Hilfe von bilateralen Krediten aus
Großbritannien, Schweden und Dänemark getragen.

Der Rat bzw. die Eurogruppe werden am 6. und 7. Dezember 2010 den formalen
Beschluss über das Hilfspaket treffen. Der Rat muss mit qualifizierter Mehrheit
auch über die Darlehensgewährung und das Anpassungsprogramm im Rahmen
des EFSM entscheiden. Dabei handelt es sich um ein Vorhaben, für das der
Artikel 23 des Grundgesetzes (GG) i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusam-
menarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten
der Europäischen Union (EUZBBG) das Recht und die Gelegenheit des Deut-

schen Bundestages zur Stellungnahme verbürgt, bevor die Bundesregierung an
dem Beschluss im Rat mitwirkt.

Drucksache 17/4065 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● den Kredithilfen für Irland aus dem EFSM zuzustimmen;

● gegenüber den Europäischen Institutionen darauf hinzuwirken, dass zukünf-
tig die Verfahrensschritte vor Ratsentscheidungen so gestaltet werden, dass
die verfassungsgemäßen Rechte des Deutschen Bundestages gewahrt werden
können;

● sich im Weiteren bei der Europäischen Kommission und im Europäischen
Rat für ein zügiges Voranschreiten bei der gemeinsamen steuerlichen Bemes-
sungsgrundlage einzusetzen mit dem Ziel einer stärkeren Steuerharmonisie-
rung und gemeinsamer Mindeststeuersätze bei der Unternehmensbesteue-
rung;

● den Deutschen Bundestag fortlaufend über die Umsetzung des Anpassungs-
programms zu unterrichten.

Berlin, den 1. Dezember 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Die Lage in Irland hat sich in den vergangenen Tagen dramatisch zugespitzt. Die
akute Ansteckungsgefahr für andere Eurostaaten, die von der angespannten
Situation in Irland und den Reaktionen auf den Finanzmärkten ausging, kann nur
durch die Inanspruchnahme des Euro-Rettungsschirms verringert werden. Der
Fall Irland macht darüber hinaus klar, dass die Europäische Union eine gemein-
same Steuerpolitik braucht. Die Niedrigsteuerpolitik, insbesondere bei der
Körperschaftsteuer und das Regulierungsdumping Irlands sind entscheidende
Ursachen für die derzeitige Krise.

Der Deutsche Bundestag erkennt die Bemühungen der Bundesregierung an, ihn
zeitnah und umfassend zu informieren. Er teilt auch die Beurteilung der Bundes-
regierung in der Sache. Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass die Bundesregie-
rung dem Deutschen Bundestag, wenn die Voraussetzungen des Artikels 23 GG
beachtet werden sollen, in Zukunft nicht nur ausführliche mündliche Unter-
richtungen und informelle Papiere zukommen lässt, sondern dass auch der der
Ratsentscheidung zugrunde liegende formale Vorschlag und weitere relevante
Beratungsdokumente zu einem Zeitpunkt vorliegen müssen, der dem Deutschen
Bundestag ermöglicht, eine Stellungnahme abzugeben. Dies ist gemäß § 4
Absatz 1 EUZBBG Sache der Bundesregierung. Die Vorschläge der EU-Kom-
mission liegen bisher aber nicht vor, der Vorschlag der EU-Kommission für
einen Beschluss des Rates ist erst für den 3. Dezember 2010 angekündigt.

Mit dieser Stellungnahme wirkt der Deutsche Bundestag an der Entscheidung
der Bundesregierung im Rat mit, obwohl bisher nur der Entwurf für den
Rechtsetzungsvorschlag für den Rat vorliegt. Dies ist vor dem Hintergrund der
Tragweite der anstehenden Entscheidung angemessen. Die Umgehung der
parlamentarischen Rechte durch die Bundesregierung entlässt den Deutschen
Bundestag nicht aus seiner Verantwortung. Deswegen stimmt er trotz der for-
malen Mängel den Kredithilfen für Irland zu.

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