BT-Drucksache 17/3419

Auswirkungen des Gesetzes zum Ausbau von Energieleitungen - Mehrkostenfaktor einer Erdverkabelung

Vom 26. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3419
17. Wahlperiode 26. 10. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder,
Eva Bulling-Schröter, Roland Claus, Dr. Dagmar Enkelmann, Diana Golze, Sabine
Leidig, Ralph Lenkert, Dorothee Menzner, Kornelia Möller, Wolfgang Neskovic,
Thomas Nord, Jens Petermann, Sabine Stüber und der Fraktion DIE LINKE.

Auswirkungen des Gesetzes zum Ausbau von Energieleitungen –
Mehrkostenfaktor einer Erdverkabelung

Das Gesetz zum Ausbau von Energieleitungen (Energieleitungsausbaugesetz –
EnLAG) trat im Sommer 2009 in Kraft. Der Ausbau von Energieleitungen
sollte vor allem im Bereich von 380 Kilovolt (kV) beschleunigt werden. Im Ge-
setz werden vier Pilotvorhaben benannt, in welchen Fällen statt einer Freilei-
tung eine Erdverkabelung genutzt werden kann. In anderen Regionen, welche
nicht mit der Möglichkeit der Erdverkabelung einer 380-kV-Leitung bedacht
wurden oder in denen 110-kV-Freileitungen gebaut werden sollen, wächst der
Protest und die Forderung, geplante Energieleitungen ebenfalls unter die Erde
zu bringen. Bürgerinnen und Bürger befürchten gesundheitlich, touristisch und
landschaftsästhetisch negative Auswirkungen neuer Freileitungen. Die Kosten
einer Erdverkabelung im Verhältnis zu einer Freileitung werden von einigen
Sachverständigen extrem hoch eingeschätzt. Solche Prognosen sorgen bei Bür-
gerinitiativen für Unmut und werden angezweifelt. In manchen Fällen hingegen
liegen die Gesamtkosten einer Studie der Universität Duisburg-Essen zufolge
sogar unter denen von Freileitungen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hat es – über die bereits seit langem praktizierte Erdverkabelung innerhalb
von Ballungsräumen hinaus – seitens der Netzbetreiber Initiativen zur voll-
ständigen oder teilweisen Erdverkabelung neuer Hoch- oder Höchstspan-
nungsleitungen gegeben?

Wenn ja, wo, und wie ist der aktuelle Stand?

2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Unterschiede der Aus-
wirkungen von Hoch- und Höchstspannungsleitungen als Freileitung einer-
seits und Erdverkabelung andererseits auf Flora, Fauna, Boden, gesundheit-
liche Risiken für Menschen, Beeinträchtigung land- und forstwirtschaft-
licher Nutzung, Wertminderung in der betroffenen Region für Wohnen, Er-
holung, Tourismus, Immobilien in unmittelbarer Nähe oder im weiteren

Umfeld der Trassen?

3. Hat es in Deutschland von den Netzbetreibern oder in ihrem Auftrag er-
stellte oder von ihnen akzeptierte Kostenschätzungen für ein konkretes Pro-
jekt einer geplanten neuen Hochspannungsleitung gegeben, die zu einem
Mehrkostenfaktor von unter 1,6 gegenüber einer Freileitungsvariante ge-
kommen sind (bitte aufschlüsseln nach Region, Bauvorhaben, Jahr und
Netzbetreiber)?

Drucksache 17/3419 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
4. Falls es seitens der Netzbetreiber keine Kostenschätzungen mit einem
Mehrkostenfaktor von unter 1,6 gibt, ist die Höhe dieses Faktors realis-
tisch, um einen gesetzlichen Rahmen zur Förderung der Erdverkabelung
von Hochspannungsleitungen zur Beschleunigung des Netzausbaus zu
schaffen?

5. Hat es irgendwo in Deutschland von den Netzbetreibern oder in ihrem Auf-
trag erstellte oder von ihnen akzeptierte Kostenschätzungen für ein konkre-
tes Projekt einer geplanten neuen Hochspannungsleitung gegeben, die zu
einem Mehrkostenfaktor von über 1,6 gekommen sind (bitte aufschlüsseln
nach Region, Bauvorhaben, Jahr und Netzbetreiber)?

6. Welche bindende Wirkung hätte eine Unterschreitung des Mehrkostenfak-
tors 1,6 in einem Gutachten für die Netzbetreiber?

7. Welche der geologischen und infrastrukturellen Einflussgrößen auf die
Kosten für Erdverkabelungen (z. B. Baugrundbeschaffenheit, Grundwas-
serspiegel, bereits im Untergrund befindliche Bauten) müssen in welcher
Höhe in den Schätzungen der Mehrkosten enthalten sein?

8. Welche Gründe sprechen unter dem Aspekt der Beschleunigung des Netz-
ausbaus für oder gegen die Regelung, es vom Willen der Netzbetreiber ab-
hängig sein zu lassen, ob eine Erdverkabelung angestrebt wird, und welche
Entscheidungsbefugnis hat die Bundesnetzagentur diesbezüglich?

9. Welche Mehrkosten aus den Netzgebühren erwartet die Bundesregierung
bei den jährlichen Stromkosten pro durchschnittlichem deutschen Haushalt
durch die im EnLAG vorgesehenen Trassen

a) bei einer vollständigen Ausführung als Freileitung,

b) bei einem angenommenen Erdkabelanteil von 10 Prozent?

10. Welche Mehrkosten aus den Netzgebühren erwartet die Bundesregierung
bei den jährlichen Stromkosten pro durchschnittlichem deutschen Haushalt

a) durch den Bau von 1 000 km neuer Hochspannungsfreileitungen,

b) durch den Bau von 1 000 km neuer Hochspannungserdkabelleitungen?

11. Was sind die Gründe für den deutlichen Anstieg der Netzgebühren seit dem
Inkrafttreten der Anreizregulierung?

12. Wie begründet die Bundesregierung den Weiterbau und die Weiterplanung
der derzeit im EnLAG vorgesehenen Ausbauprojekte angesichts der Tat-
sache, dass deren Notwendigkeit für ein zukunftsorientiertes Leitungsnetz
derzeit nicht vorhergesehen werden kann, wie auch die Forderung der Bun-
desregierung im Energiekonzept nach einem Konzept „Zielnetz 2050“
zeigt?

13. Welche Kenntnisse (Erfahrungswerte sowie eventuelle Ergebnisse von
Umfragen) liegen in Deutschland über die Akzeptanz von neuen Hoch- und
Höchstspannungsleitungen, ausgeführt als Freileitung bzw. als Erdkabel,
vor?

Welche Schlüsse lassen sich daraus hinsichtlich einer möglichen Beschleu-
nigung der Realisierung neuer Leitungen ziehen?

Berlin, den 26. Oktober 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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