BT-Drucksache 17/2521

Europäische Bürgerinitiative - Mögliche Änderungen an der allgemeinen Ausrichtung des Rates

Vom 7. Juli 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2521
17. Wahlperiode 07. 07. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Manuel Sarrazin, Dr. Konstantin von Notz, Jerzy Montag,
Ulrike Höfken, Viola von Cramon-Taubadel, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck
(Köln), Ingrid Hönlinger, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Memet Kilic,
Ute Koczy, Tom Koenigs, Agnes Malczak, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour,
Claudia Roth (Augsburg), Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian Ströbele, Wolfgang
Wieland, Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Europäische Bürgerinitiative – Mögliche Änderungen an der allgemeinen
Ausrichtung des Rates

Im Vertrag von Lissabon wurde ein neues Instrument partizipatorischer Demo-
kratie verankert: die Europäische Bürgerinitiative. Demnach können eine Mil-
lion Unionsbürgerinnen und Unionsbürger die Europäische Kommission auffor-
dern, im Rahmen ihrer Befugnisse geeignete Rechtsetzungsakte zur Umsetzung
der Verträge vorzulegen. Bevor dieses neue Instrument auch in der Praxis ange-
wendet werden kann, bedarf es einer Verordnung des Rates und des Europäi-
schen Parlaments. Darin werden die genauen Verfahren und Bedingungen zur
Durchführung einer Europäischen Bürgerinitiative festgelegt sein. Der Vor-
schlag für diese Verordnung wurde am 31. März 2010 von der Europäischen
Kommission unterbreitet. Auf seiner Tagung am 14. Juni 2010 hat der Rat für
Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen in Erwartung des Stand-
punkts des Europäischen Parlaments eine allgemeine Ausrichtung zu dem Vor-
schlag für eine Verordnung über die Europäische Bürgerinitiative festgelegt.

Die Verordnung wird im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren verabschiedet.
Die legislative Entschließung des Europäischen Parlaments und die Einigung
zwischen Rat und Parlament auf eine gemeinsame Position stehen noch aus.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche sind nach Ansicht der Bundesregierung die wichtigsten noch un-
gelösten Fragen bezüglich der Ausgestaltung der Verordnung über die Bür-
gerinitiative, und in welchen Punkten gibt es in der allgemeinen Ausrichtung
des Rates noch Verhandlungsspielraum?

2. Wie beurteilt die Bundesregierung die derzeitig vorgesehene Regelung, dass
Initiatorinnen und Initiatoren für jede Initiative ein eigenes Online-System

einrichten müssen, und welche Gründe sprechen aus Sicht der Bundesregie-
rung gegen ein zentrales, bei einer geeigneten europäischen Stelle angesie-
deltes Online-Sammelsystem?

Drucksache 17/2521 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Aus welchen Gründen erachtet es die Bundesregierung für unerlässlich,
dass für Unterzeichnerinnen und Unterzeichner die Angabe der Pass- oder
Personalausweisnummer im Formular für eine Unterstützungsbekundung
obligatorisch ist, und hat sie dabei die Einschätzung der für die Beurteilung
dieser Frage zuständigen Datenschutzbeauftragtenbehörde eingeholt?

4. Aus welchem Grund hat sich die Bundesregierung nicht den Mitgliedstaaten
Dänemark, Irland, den Niederlanden, Finnland, dem Vereinigten Königreich
und der Slowakei angeschlossen, die derzeit lediglich die Punkte 1 bis 4 der
Anlage III der Verordnung (Vor- und Familienname, Anschrift, Geburts-
datum, -ort und -land, Staatsangehörigkeit) als Pflichtfelder deklarieren und
keine zusätzlichen Angaben zur Identifizierung der Personen verlangen?

5. Wurde die Festlegung der anzugebenden Informationen vor dem Hinter-
grund des Zweckbindungs- und Erforderlichkeitsgrundsatzes der Daten-
schutzgesetze kritisch geprüft?

6. Ist in der Bundesrepublik Deutschland die Angabe von Vor- und Familien-
name, Geburtsort und -datum für die Identifizierung einer Person aus-
reichend, und wenn nicht, welche zusätzlichen Angaben werden hierzu un-
bedingt benötigt?

7. Aus welchen Gründen erachtet die Bundesregierung bei der Europäischen
Bürgerinitiative die Angabe einer Personal- oder Passnummer als notwen-
dig während in den Ländern eine solche Angabe bei verschiedensten For-
men der Bürgerbeteiligung (Bürgerbegehren, Bürgerentscheide etc.) gesetz-
lich nicht vorgesehen ist?

8. Inwiefern ist sich die Bundesregierung des Risikos bewusst, mit der obliga-
torischen Angabe der Personal- bzw. Passnummer womöglich potenzielle
Unterzeichnerinnen und Unterzeichner von Unterstützungsbekundungen
abzuhalten, und wie rechtfertigt sie diese schwerwiegende Folge?

9. Wie positioniert sich die Bundesregierung hinsichtlich der Frage der Regis-
trierung und der Zulässigkeit einer vorgeschlagenen Initiative?

Insofern die Bundesregierung ein zweistufiges Verfahren befürwortet, er-
achtet sie einen Schwellenwert von 100 000 Unterstützungsbekundungen
für angemessen?

10. Wird sich die Bundesregierung in den weiteren Verhandlungen für eine
Senkung der Mindestzahl an Mitgliedstaaten einsetzen, und wenn nein,
warum nicht?

11. Welche Gründe sprechen vor dem Hintergrund, dass die Bürgerinitiative als
Instrument des Agenda-Settings nicht mit einem Wahlakt gleichzusetzen
ist, aus Sicht der Bundesregierung gegen die Festsetzung des Mindestalters
für die Unterstützung einer Bürgerinitiative auf 16 Jahre?

12. Wie soll unmittelbar nach Inkrafttreten der Verordnung die Sammlung von
Online-Unterschriften gewährleistet werden, wenn erst innerhalb von neun
Monaten nach Inkrafttreten die vorgesehenen technischen Spezifikationen
für die Online-Sammelsysteme festgelegt werden sollen?

13. Wie realistisch schätzt die Bundesregierung die Chance ein, dass Einzel-
personen oder europaweit noch wenig vernetzte Organisationen binnen
zwölf Monaten eine Million Unterschriften aus neun Mitgliedstaaten sam-
meln können?

14. Inwiefern wird sich die Bundesregierung in den weiteren Verhandlungen
für stärkere Rechte der Initiatorinnen und Initiatoren einsetzen insbe-
sondere was ein Klagerecht gegen das Ergebnis der Zulässigkeitsprüfung

betrifft?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2521

15. Welche Behörde wird in Deutschland für die Koordinierung der Über-
prüfungen der Unterstützungsbekundungen und für die Ausstellung der
diesbezüglichen Bescheinigung benannt werden?

Berlin, den 7. Juli 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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