BT-Drucksache 17/1832

Private Kreditvergabe im Internet

Vom 25. Mai 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1832
17. Wahlperiode 25. 05. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Dr. Konstantin von Notz, Dr. Thomas
Gambke, Britta Haßelmann, Lisa Paus, Kerstin Andreae, Volker Beck (Köln),
Katrin Göring-Eckardt, Sven-Christian Kindler, Christine Scheel, Dr. Harald Terpe
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Private Kreditvergabe im Internet

In den letzten fünf Jahren ist das Marktvolumen von privat vergebenen Krediten
mittels Onlinemarktplätzen kontinuierlich auf weltweit schätzungsweise 1 Mrd.
Euro angewachsen. Eine der traditionellen Aufgaben der Banken, die Kreditin-
termediation, wird auf diese Weise von Kreditvergabeplattformen über das
Internet übernommen. Diese vermitteln die Kreditvergabe zwischen privaten
Kreditgebenden und privaten Kreditnehmenden (auch als „Peer-to-Peer-Lending“
oder „Peer-to-Peer-Banking“ bezeichnet). Eine Bank wirkt höchstens indirekt
als rechtliche Kreditgeberin an der Kreditvergabe mit. Auch in Deutschland
fassen Onlineportale für private Kreditvergabe zunehmend Fuß und konnten im
Jahr 2009 ein vermitteltes Kreditvolumen von ca. 20 Mio. Euro ausweisen.

Damit eröffnen sich aus Verbrauchersicht gänzlich neue und potentiell hand-
lungserweiternde Möglichkeiten, jenseits der bestehenden Kreditvergabestruk-
turen und den dort von den bestehenden Banken, Sparkassen und Geldinstituten
vorgegebenen Vergabebedingungen an Kredite zu gelangen. Diese Entwicklung
steht noch am Anfang und ist in seinem Potential zur Veränderung der bestehen-
den Märkte der Kreditvergabe noch kaum absehbar.

Dabei bestehen derzeit große Unterschiede in der konzeptionellen Ausgestal-
tung dieser Kreditvergabeplattformen. So differiert das Angebot zwischen pro-
fit- und sozialorientierten Plattformen, reinen Kreditanzeigemärkten, Kredit-
auktionsplätzen und Plattformen mit Einbindung einer Transaktionsbank. Zu-
dem bieten die Plattformen unterschiedliche Kreditvergabekonditionen sowie
Bonitätsprüfungsverfahren an. Dies stellt nicht nur den Verbraucherschutz vor
neue Anforderungen, sondern auch die kreditrechtliche Aufsicht.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sieht derzeit laut
eigener Mitteilung vom Mai 2007 nur Einzelfallprüfungen der Plattformen für
erlaubnispflichtige Bankgeschäfte vor. Die angemessene Bewertung und Ver-
gleichbarkeit verschiedener Kreditmodalitäten ist für Verbraucherinnen und
Verbraucher durch die genannten Gestaltungsspielräume nur bedingt gegeben.
Wir fragen daher die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung die Entwicklung des „Peer-to-Peer-
Lending“-Sektors weltweit und insbesondere in Deutschland?

2. Wie bewertet die Bundesregierung die Internetplattformen für private
Kreditvergabe?

Drucksache 17/1832 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Welche Plattformen sind der Bundesregierung bekannt?

Welche Differenzierungen und Unterschiede sind bezüglich Konzeption,
Kreditvergabekonditionen und Bonitätsprüfung bei den verschiedenen
Plattformen feststellbar?

4. Inwiefern liegen der Bundesregierung und/oder BaFin Daten und/oder Ab-
schätzungen zur Entwicklung der Geschäftsvolumina in Deutschland tätiger
Kreditvergabeplattformen hinsichtlich der letzten Jahre sowie prospektiv
vor?

Wie lassen sich diese Daten und/oder Abschätzungen hinsichtlich der ver-
schiedenen Konzeptionen der Kreditvergabeplattformen differenzieren?

5. Gibt es neben der Mitteilung im BaFin Journal 05/2007 weitere Veröffent-
lichungen von BaFin oder der Deutschen Bundesbank zu privater Kredit-
vergabe im Internet?

6. Welche Risiken für Verbraucherinnen und Verbraucher (im Sinne von
Datenschutz, Missbrauch, Betrug o. Ä.), und welche Chancen/Potentiale
sieht die Bundesregierung bei Kreditvergabeplattformen allgemein?

7. Welche und wie viele Missbrauchs- oder Betrugsfälle im Zusammenhang
mit dem Betrieb oder der Nutzung einer Plattform für private Kreditvergabe
sind der Bundesregierung bekannt?

Inwiefern liegen Daten zu den Betrugsvolumina vor (summarisch, durch-
schnittlich, maximale Höhe)?

Wie lassen sich diese Volumina und Betrugsfälle bestimmten Arten von
Kreditvergabeplattformen zuordnen?

Sind Tendenzen und Schwerpunkte feststellbar?

8. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung nur die BaFin mit dem Thema
befasst oder auch die Deutsche Bundesbank?

Bei alleiniger Befassung durch die BaFin, in welcher Form (prüfend, be-
ratend), und mit welchen Erkenntnissen/Ergebnissen ist diese tätig?

9. Wie bewertet die Bundesregierung die derzeitige Position der BaFin,
Einzelfallprüfungen von Kreditvergabeplattformen auf erlaubnispflichtige
Bankgeschäfte durchzuführen, hinsichtlich der Übersicht über private
Kreditvergabevorgänge, Prüfungsaufwand und gesamtheitliche Erfassung
der Plattformen für private Kreditvergabe (vgl. BaFin Journal, Mitteilungen
der BaFin 05/2007)?

10. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, den neu entstandenen Sektor
einer laufenden Aufsicht zu unterstellen, statt wie bisher nur Einzel-
fallprüfungen vorzunehmen (vgl. BaFin Journal, Mitteilungen der BaFin
05/2007)?

11. Wie beurteilt die Bundesregierung die Zusammenarbeit von Kreditvergabe-
plattformen mit einer Transaktionsbank, die wiederum einer laufenden Auf-
sicht durch die BaFin unterliegt?

12. Kann die Bundesregierung die Auffassung bestätigen, dass in einem Modell
von Kreditvergabeplattform in Kooperation mit einer Transaktionsbank die
privaten Kreditgeber rechtlich Einleger bei der Transaktionsbank werden,
die wiederum die Einlagen als Kredite an die privaten Kreditnehmer weiter-
reicht?

Falls dies zutrifft, sind diese Einlagen über den Einlagensicherungsfonds
gesichert?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1832

13. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag, dieses Modell der pri-
vaten Kreditvergabe (Kooperation von einer Plattform für private Kredit-
vergabe mit einer Transaktionsbank) als Standard zu etablieren und damit
auch die Frage der aufsichtsrechtlichen Handhabung zu klären (vgl.
Frage 10)?

14. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf bei der Setzung von weiteren
(gesetzlichen) Standards zum Beispiel bezüglich der Kreditvergabekon-
ditionen und dem regulatorischen Status der Kreditvergabeplattformen?

15. Ist der Bundesregierung bekannt, wie eine Regulierung vergleichbarer
Kreditvergabeplattformen weltweit und insbesondere im europäischen Aus-
land gehandhabt wird?

16. Zieht die Bundesregierung einen Katalog für Mindeststandards von Platt-
formen für private Kreditvergabe in Betracht?

17. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass die Etablie-
rung von Mindeststandards für derartige Plattformen und die Aufklärung
über mögliche Risiken zu einer Stärkung der Rechte von Verbraucherinnen
und Verbrauchern führen wird?

18. Werden nach Kenntnis der Bundesregierung durch das „Peer-to-Peer-
Banking“ besondere datenschutzrechtliche Probleme aufgeworfen?

Wenn ja, welche?

19. Fallen die Anbieter von Kreditvergabeplattformen sowie die dort offerieren-
den Kreditanbieterinnen und Kreditanbieter unter die bestehenden Bestim-
mungen zur Regelung des Einsatzes von Scoringmethoden?

Wenn ja, in welchem Umfang?

Wenn nein, bedarf es in dieser Hinsicht entsprechender, die Verbraucherin-
nen und Verbraucher schützender Bestimmungen?

20. Welche Absicherungsmaßnahmen bei Kreditausfällen existieren nach
Kenntnis der Bundesregierung derzeit für Anlegerinnen und Anleger bei
einer Plattform für private Kreditvergabe?

Zieht die Bundesregierung dahingehend eine Vereinheitlichung oder Min-
destabsicherung in Betracht, und wenn nein, wie begründet sie dies?

21. Welche Dienstleistungen bezüglich Debitorenbuchhaltung und Mahnwesen
werden von den Plattformen für private Kreditvergabe angeboten, und
inwiefern erwägt die Bundesregierung dahingehend Mindestanforde-
rungen?

22. Auf welcher Grundlage wird nach Kenntnis der Bundesregierung die Boni-
tät von Selbstständigen bewertet (z. B. persönlich und branchenspezifisch,
nur persönlich), und wie sind die Haftungsumstände?

23. Plant die Bundesregierung Maßnahmen für eine transparente und vollstän-
dige Kundenaufklärung über das Kreditausfall- und Betrugsrisiko bei Platt-
formen für private Kreditvergabe, und wenn ja, welcher Art?

24. Wie schätzt die Bundesregierung den Einfluss von privaten Kreditvergabe-
plattformen und der ggf. verbesserten Transparenz hinsichtlich des Anlage-
zwecks durch das Internet auf traditionelle Finanzdienstleistungen ein?

25. Liegen Informationen darüber vor, dass Formen der Kreditvergabeplattfor-
men spezifische Probleme aufwerfen, die mit dem grenzüberschreitenden
Charakter des Mediums Internet typischerweise einhergehen?

Drucksache 17/1832 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
26. Zu den mittlerweile etablierten Vergabeplattformen gehören auch gemein-
nützig angelegte Kreditvergabeprojekte. Sieht die Bundesregierung hier
einen aus der spezifischen Zwecksetzung folgenden Regelungsbedarf?

Berlin, den 21. Mai 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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