BT-Drucksache 17/176

Erhebung, Speicherung und Weitergabe von Informationen über Bundestagsabgeordnete durch Geheimdienste - Nachfragen zu Antworten der Bundesregierung auf entsprechende Kleine Anfragen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus der letzten Wahlperiode

Vom 8. Dezember 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 17/176
17. Wahlperiode 08. 12. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Ingrid Hönlinger, Monika Lazar, Memet
Kilic, Jerzy Montag, Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele, Wolfgang
Wieland, Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Erhebung, Speicherung und Weitergabe von Informationen über
Bundestagsabgeordnete durch Geheimdienste – Nachfragen zu Antworten
der Bundesregierung auf entsprechende Kleine Anfragen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus der letzten Wahlperiode

Obwohl der Bundesregierung bereits seit dem 30. Juli 2009 bekannt war, dass
sie ohne verfassungsrechtlich zureichende Begründung die Kleinen Anfragen
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf den Bundestagsdrucksachen
16/1808 und 16/2342 nicht hinreichend beantwortet hatte, musste sie vom
Bundestagspräsidenten und der fragenden Fraktion mehrfach ermahnt werden,
ihren verfassungsgerichtlich festgestellten Antwortpflichten nachzukommen.

Viel zu spät – und damit unter Missachtung der Entscheidung des Bundesverfas-
sungsgerichtes (vgl. Beschluss vom 1. Juli 2009, Az. 2 BvE 5/06) – versuchte
die Bundesregierung dann doch noch zum Ablauf der vergangenen Legislatur-
periode mit Schreiben vom 27. Oktober 2009 (Bundestagsdrucksache 16/14159)
eine Antwort zu geben. Diese Antwort ist jedoch erneut völlig unzureichend und
perpetuiert die Verletzung der Rechte der Fragesteller und des Deutschen Bun-
destages. Es wird hinsichtlich der beim Bundesamt für Verfassungsschutz vor-
liegenden Daten im Wesentlichen nur auf Ergebnisse des Aktenhinweissystems
(Nachrichtendienstliches Informationssystem – NADIS) Bezug genommen. Die
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte jedoch nicht (nur) danach gefragt,
was in diesem System gespeichert ist, sondern wollte ersichtlich mehr wissen.
Welche Informationen durch den Verfassungsschutz „gesammelt“ und gegebe-
nenfalls „weitergegeben“ wurden, hat die Bundesregierung nicht erläutert und
die Fragen damit nicht beantwortet. Es erscheint kaum denkbar, dass die Bun-
desregierung nicht mehr antworten kann, als einen Hinweis auf das Aktenhin-
weissystem zu geben. Unklar bleibt, ob die 56 erfassten Abgeordneten, deren
Daten bereits gelöscht wurden, beobachtet wurden.

Schließlich legt die Bundesregierung keine materiellen Auskünfte zu der Frage
vor, ob ihr Fälle der Sammlung, Speicherung bzw. Weitergabe von Informatio-
nen über Abgeordnete, die Dienste der Bundesländer getätigt haben, bekannt

sind. Der in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bun-
destagsdrucksache 16/14159 rein formale Verweis, dass mit entsprechenden
Auskünften gegen den Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens verstoßen
werden würde, wird der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht ge-
recht. Das Gericht selbst führt aus, dass bei Fragen nach dem Kenntnisstand der
Bundesregierung die zu offenbarenden Informationen „bei unbefangener Wür-
digung die Sphäre und den Verantwortungsbereich“ der Bundesregierung be-

Drucksache 17/176 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
treffen (vgl. o. g. Beschluss, a. a. O.). Die Bundesregierung muss daher darle-
gen, warum dies – falls sie die Antworten inhaltlich verweigert – nicht der Fall
sein sollte. Ein pauschaler Hinweis auf den Grundsatz des bundesfreundlichen
Verhaltens reicht hierfür jedenfalls nicht aus.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass auch der Verweis der Bundesregie-
rung auf eine der Fraktion DIE LINKE. gegebene Antwort nicht in der Lage ist,
die gestellten Fragen zu beantworten. Denn dort finden sich – falls mit dem von
der Bundesregierung angeführten Verweis die Bundestagsdrucksache 16/13990
gemeint sein sollte – nur Informationen zur Beobachtung von Abgeordneten
der Fraktion DIE LINKE., nicht aber zu Parlamentarierinnen und Parlamen-
tariern anderer Fraktionen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Abgeordneten des Deutschen Bundestages wurden – unabhängig
von der Frage, ob die entsprechenden Informationen im Aktenhinweissys-
tem des Verfassungsschutzverbundes NADIS erfasst worden sind – wann,
auf welche Art und Weise, zu welchem Zweck und aus welchem Grund
durch das Bundesamt für Verfassungsschutz überwacht, und welche Daten
von Abgeordneten des Deutschen Bundestages wurden durch das Bundes-
amt für Verfassungsschutz gespeichert und an Dritte weitergegeben?

2. Wie erklärt die Bundesregierung den Widerspruch, wonach die Frage der
Fraktion DIE LINKE., ob die Sachakte Informationen zu allen Mitgliedern
der Fraktion DIE LINKE. enthalte, mit „Ja“ (vgl. Bundestagsdrucksache
16/13990(neu)), die Frage nach der Sammlung, Speicherung und Weiter-
gabe von Informationen über Abgeordnete in den einzelnen Wahlperioden
des Deutschen Bundestages aus der Kleinen Anfrage der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN jedoch mit der Angabe „h) 16. Wahlperiode –
Im NADIS sind Hinweise zu 27 Abgeordneten der Partei ,DIE LINKE.‘ zu-
vor ,Die Linkspartei.PDS‘ vorhanden; davon wurden elf bereits in vorhe-
rigen Wahlperioden aufgeführt“ beantwortet wird (vgl. Bundestagsdruck-
sache 16/14159)?

3. Hat die Bundesregierung von Fällen der Erhebung, Speicherung bzw. Wei-
tergabe von Informationen über Abgeordnete Kenntnis, die andere Dienste,
insbesondere Dienste der Bundesländer getätigt haben, unabhängig von der
Frage, ob diese Dienste von anderen Institutionen verantwortet oder kontrol-
liert werden (vgl. Antwort der Bundesregierung zur entsprechenden Frage
auf Bundestagsdrucksache 16/14159)?

4. a) Sind die Antworten der Bundesregierung auf die hier in Rede stehenden
Kleinen Anfragen vor dem Hintergrund vollständig und wahrheitsgemäß,
dass der für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) tätige
Dirk Schneider in seiner Zeit als Abgeordneter offenbar nicht vom Bun-
desamt für Verfassungsschutz erfasst wurde (vgl. Bundestagsdrucksache
16/14159)?

b) Wann wurde die Tätigkeit von Dirk Schneider für das MfS dem Bundes-
amt für Verfassungsschutz bekannt?

Berlin, den 8. Dezember 2009

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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