BT-Drucksache 17/14118

Umfassenden Lärmschutz am BER sicherstellen - Sanierung der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg auf Kosten der Anwohner verhindern

Vom 25. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14118
17. Wahlperiode 25. 06. 2013

Antrag
der Abgeordneten Herbert Behrens, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dagmar Enkelmann,
Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder, Heidrun Bluhm,
Steffen Bockhahn, Roland Claus, Katrin Kunert, Caren Lay, Sabine Leidig,
Michael Leutert, Stefan Liebich, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Kornelia
Möller, Petra Pau, Jens Petermann, Ingrid Remmers, Dr. Ilja Seifert, Kersten
Steinke, Sabine Stüber, Alexander Süßmair, Halina Wawzyniak und der Fraktion
DIE LINKE.

Umfassenden Lärmschutz am BER sicherstellen – Sanierung der
Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg auf Kosten der Anwohner verhindern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Umfassender Lärmschutz sowohl am Tage als auch in der Nacht ist die Grund-
bedingung für die Akzeptanz des Flughafens BER in der Region Berlin-Bran-
denburg. Diese Erkenntnis wird bisher nur vom Flughafen-Gesellschafter Land
Brandenburg geteilt, welcher sowohl für ein konsequentes Nachtflugverbot als
auch die Gewährung rechtskonformen passiven Schallschutzes eintritt. Die
Konflikte um die Lärmbelastung, die perspektivisch vom Flughafen BER aus-
gehen wird, konnten in den vergangenen Jahren nicht befriedet werden, sondern
drohen durch das Handeln der Geschäftsführung der Flughafen Berlin Branden-
burg GmbH (FBB) sowie insbesondere von Vertretern der Bundesregierung ge-
tätigten Aussagen zu eskalieren.

Vor allem die Schallschutzpraxis der FBB im Tagschutzgebiet hat in den letzten
zwei Jahren massive Bürgerproteste hervorgerufen. Zum ersten Mal in der Ge-
schichte der Bundesrepublik Deutschland klagten Bürgerinnen und Bürger so-
wie betroffene Gemeinden auf Einhaltung eines Planfeststellungsbeschlusses.
Am 25. April 2013 stellte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Branden-
burg fest, dass der Fluglärm um den BER in geschlossenen Räumen den Pegel
von 55 dB(A) nicht überschreiten darf. Diese bereits im Jahr 2006 vom Bundes-
verwaltungsgericht höchstrichterlich bestätigte Auflage des Planfeststellungs-
beschlusses wurde seitens der FBB systematisch verfehlt und den Betroffenen
somit effektiver Schallschutz rechtswidrig vorenthalten.

Trotz eingetretener Rechtssicherheit durch die Bestätigung des seit sieben Jah-

ren gültigen Tagschutzzieles müssen die betroffenen Bürgerinnern und Bürger
fürchten, bis zur Inbetriebnahme des Flughafens keinen adäquaten baulichen
Schallschutz zu erhalten. Hauptursächlich ist hierbei die Ankündigung des
Hauptgeschäftsführers der FBB, Hartmut Mehdorn, nunmehr das einst von der
FBB selbst beantragte Schutzziel per Änderungsverfahren aufzuweichen („BER
und Mehdorn“, DER TAGESSPIEGEL, 16. Mai 2013), um zulasten der von Flug-

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lärm betroffenen Bürgerinnen und Bürger Kosten in Höhe von 300 Mio. Euro zu
sparen.

Die Umwidmung von Mitteln für den Schallschutz durch die Geschäftsführung
der FBB in Aufwendungen zur Deckung von Baukosten bezeugt, dass dem An-
wohnerschutz durch die FBB nicht die gleiche Priorität eingeräumt wird wie der
Inbetriebnahme des BER. Es ist offenkundig, dass die Flughafengesellschaft bei
der Verwendung des von der Europäischen Kommission genehmigten Gesell-
schafterzuschusses in Höhe von 1,2 Mrd. Euro stärker kontrolliert werden muss,
um die Ausfinanzierung des planfestgestellten Schallschutzes und einen zügigen
Fortgang der Umsetzung des Schallschutzprogrammes zu gewährleisten.

Die Vertreter des Bundes in der Gesellschafterversammlung sowie im Auf-
sichtsrat der FBB haben sich bisher nicht offen zum gerichtlich bestätigten
Rechtsanspruch der Anwohnerinnen und Anwohner auf umfassenden Schall-
schutz bekannt. Der Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, hat
vielmehr durch gegenüber dem Bayerischen Rundfunk getätigten Aussagen für
weitere Irritationen gesorgt.

Seine Darstellung, die Bürgerinnen und Bürger hätten durch Klagen den Schall-
schutz und somit das Gesamtprojekt (vgl. „Schäuble: BER teurer wegen der An-
wohner Wowereit will Urteil“, DER TAGESSPIEGEL vom 26. Mai 2013) ver-
teuert, haben in den Gemeinden im Nahbereich des Flughafens Entrüstung
hervorgerufen (vgl. Pressemitteilung des Bürgermeisters der Gemeinde Blan-
kenfelde-Mahlow, Ortwin Baier, vom 24. Mai 2013). Ein erfolgreicher Flug-
hafen braucht jedoch ein friedliches Miteinander im Umfeld, was nur durch
offenen Diskurs und vorbehaltlose Garantie des Gesundheitsschutzes der Lärm-
betroffenen zu erreichen ist.

Mit der Bereitstellung ausreichender Mittel für den Tagschutz ist es dabei nicht
getan. Dies untermauern die Volksbegehren in Berlin und Brandenburg, welche
auf ein konsequentes Nachtflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr abzielten. Das er-
folgreiche Volksbegehren in Brandenburg wurde von der Landesregierung ange-
nommen. Um die sowohl von den Bürgerinnen und Bürgern als auch vom Um-
weltbundesamt geforderte Verkürzung der Betriebszeiten des BER zu
realisieren, ist ein diesbezüglicher Antrag der Flughafengesellschaft auf eine
Änderungsgenehmigung der effizienteste Weg (vgl. Ausarbeitung der Wissen-
schaftlichen Dienste des Bundestages WD 7 – 3000 – 024/ 13, Kap. 2).

Gemäß der satzungsrechtlichen Kompetenzzuweisung der FBB kann die Stel-
lung dieses Antrages durch die Geschäftsführung der FBB auf dem Wege eines
Gesellschafterbeschlusses in Form einer Geschäftsanweisung erteilt werden
(vgl. ebd.). Auf diesem Wege würde ein mehrjähriges Planänderungsverfahren
umgangen und dem Willen sowie Schutzbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger
umgehend Rechnung getragen werden. Der Landtag Brandenburg hat bereits seit
dem 27. Februar 2013 eine entsprechende Beschlusslage – Drucksache 5/6916,
Abschnitt III Buchstabe b, „Der Landtag ist der Auffassung, dass es allerdings
nicht bei der bloßen Annahme des Volksbegehrens bleiben kann, da dadurch
allein in tatsächlicher und materieller Hinsicht kein Erfolg im Sinne von weiteren
Verbesserungen für die Nachtruhe der Anwohnerinnen und Anwohner erreicht
werden kann. Deshalb wird die Landesregierung gebeten, sich beim Land Berlin
und dem Bund als Mitgesellschaftern der Flughafengesellschaft dafür einzuset-
zen, dass die Betriebszeiten für planmäßige Flüge verkürzt werden. … Insofern
bedarf es eines Antrages der Flughafengesellschaft selbst (der wiederum nur mit
Zustimmung der drei Gesellschafter möglich ist), um angesichts der Ausgangs-
lage überhaupt eine gewisse Aussicht auf Erfolg zu haben.“

Durch die am 26. Januar 2012 vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung
(BAF) förmlich durch Rechtsverordnung festgesetzten, nach dem Start abkni-

ckenden Flugrouten sind nun viele Menschen zukünftig vom Fluglärm betrof-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14118

fen, die auf den Planfeststellungsbeschluss vertrauend nicht davon ausgegangen
sind.

Darüber hinaus sind von den festgelegten Flugrouten Wasserschutzgebiete und
Flora-Fauna-Habitate sowohl in Berlin (Friedrichshagen) als auch in Branden-
burg (Rangsdorf) betroffen. Dies war nur möglich, weil keine Umweltver-
träglichkeitsprüfung (UVP) der festgelegten Flugrouten durchgeführt, sondern
vielmehr mit Verweis auf die im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens durch-
geführten UVP der Infrastruktur des Flughafens unterlassen wurde.

Diese inzwischen auch von der Europäische Kommission beanstandete Verfah-
rensweise wurde von Bürgerinitiativen und Umweltschutzverbänden kritisiert,
welche vor dem OVG Beschwerden gegen die Festsetzung der Flugrouten ein-
legten.

In einem möglichen Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof kann die Bun-
desrepublik Deutschland zur Anpassung des Luftverkehrsrechts an Europäische
Normen verpflichtet werden, was das Flugroutensystem am BER infrage stellte.
Auch im Interesse der Flughafengesellschaft, welche ohne rechtssichere Flug-
routen den Flughafen nicht betreiben kann, sollte diesem Gerichtsverfahren zu-
vor gekommen und umgehend eine umfassende UVP eingeleitet werden. Damit
wäre vor allem dem Anwohnerschutz gedient, denn allein 1,5 Millionen Berline-
rinnen und Berliner beziehen ihr Trinkwasser über das Wasserwerk Friedrichs-
hagen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. das planfestgestellte Tagschutzziel von 55 dB(A) in geschlossenen Innenräu-
men anzuerkennen und in ihrer Eigenschaft als Vertreterin des Gesellschaf-
ters Bund in der Gesellschafterversammlung der FBB auf einen Beschluss
hinzuwirken, der die Geschäftsführung per Geschäftsanweisung zur Unter-
lassung des Einleitens eines das Tagschutzziel tangierenden Planänderungs-
verfahrens verpflichtet;

2. die Ausfinanzierung des Schallschutzprogrammes durch die Entsperrung und
Zweckbindung an den Schallschutz der im Bundeshaushalt eingestellten Mit-
tel für den BER sicherzustellen;

3. der Gesellschafterversammlung der FBB einen Antrag zur Beschlussfassung
vorzulegen, welcher die Geschäftsführung der FBB dazu verpflichtet, beim
Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft des Landes Brandenburg
einen Antrag auf Änderungsgenehmigung gemäß § 8 Absatz 4 Satz 2 des
Luftverkehrsgesetzes mit dem Inhalt zu stellen, dass die Genehmigung des
Nachtflugbetriebs nicht weiter aufrechterhalten wird;

4. dafür Sorge zu tragen, dass die am 26. Januar 2012 per Rechtsverordnung
erlassenen Flugrouten für den BER umgehend gemäß den Vorgaben der
Europäischen Umweltverträglichkeits-, Wasserschutz-, Flora-Fauna-Habitat-
sowie Vogelschutzrichtlinie überprüft werden und

5. sowohl in der Gesellschafterversammlung als auch im Aufsichtsrat der FBB
kapazitätserweiternde Maßnahmen über die planfestgestellte Endausbaustufe
des BER gemäß Flugbetriebsszenario 20xx hinaus abzulehnen. Dies schließt
neben dem Bau einer dritten Start- und Landebahn am Standort Schönefeld
auch Pläne zur Offenhaltung des Flughafens Berlin-Tegel aus.

Berlin, den 25. Juni 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Drucksache 17/14118 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Begründung

Zu Nummer 1

Das planfestgestellte Tagschutzziel nachträglich zu verändern, bedeutet, die
Flughafengesellschaft auf Kosten der Lärmbetroffenen zu sanieren oder zumin-
dest durch ein zeitaufwändiges Verfahren die Fälligkeit der Schallschutzkosten
zu Lasten der Anwohner um Jahre zu verschieben. Dieses den Gesundheits-
schutz der Anwohnerinnen und Anwohner negierende Ansinnen muss umge-
hend von den Gesellschaftern der Flughafengesellschaft verhindert werden.

Gerade an einem Standort, der im vergleichenden Raumordnungsverfahren auf
Grund lärmmedizinischer Bedenken durchfiel, darf am Lärmschutz nicht ge-
spart werden.

Insbesondere die Legalisierung von Überschreitungen eines Maximalpegels
(sog. NAT-Kriterium) hätte fatale Folgen. Sie würde es Schallschutzberechtig-
ten, die außerhalb der planfestgestellten Tagschutzzone leben, faktisch unmög-
lich machen, unbürokratisch und vor allem ohne enormes finanzielles Risiko
ihren Schallschutzanspruch geltend zu machen. „Außerhalb des Tagschutzge-
bietes ist durch eine Einzelfallprüfung das Erfordernis von Schallschutzvorrich-
tungen durch den Eigentümer eines Grundstückes, das am 15.05.2000 bebaut
oder bebaubar war, durch eine Geräuschmessung außen nachzuweisen. Die Kos-
ten für den Nachweis, die Einzelfalluntersuchung und die geeigneten Schall-
schutzvorrichtungen tragen im Fall des Erfordernisses die Träger des Vorha-
bens.“ (Planfeststellungsbeschluss Ausbau Verkehrsflughafen Berlin Schöne-
feld, 2004, Kapitel 5.2.1.)

Gemäß Planfeststellungsbeschluss würde bereits der Nachweis einer Über-
schreitung des Maximalpegels den Schallschutzanspruch auslösen. Würden hin-
gegen eine bzw. mehrere Überschreitungen dieses Maximalpegels für zulässig
erklärt, müsste diese Betroffenengruppe ein Jahr lang über geeichte, technische
Messgeräte verfügen. Dies ist mit Kosten im fünfstelligen Bereich verbunden,
welche zunächst von den Betroffenen getragen werden müssten und nur im An-
spruchsfall erstattungsfähig sind. Eine nachträgliche Einführung eines NAT-Kri-
teriums würde somit nicht nur das Schallschutzniveau senken, sondern vor
allem einkommensschwache Schallschutzberechtigte außerhalb des Tagschutz-
gebiets systematisch vom Bezug passiver Schallschutzmaßnahmen ausschlie-
ßen. In der Konsequenz führt damit ein NAT-Kriterium zu einer sozial selektiven
Schallschutzpraxis, welche Menschen mit geringem Einkommen (außerhalb des
ausgewiesenen Schutzgebietes) den Bezug baulichen Schallschutzes unverhält-
nismäßig stark erschweren würde.

Zu Nummer 2

Die Flughafengesellschaft hat das ursprünglich vorgesehene Schallschutzbudget
in Höhe von 590 Mio. Euro auf 305 Mio. Euro reduziert, obwohl keine Rechts-
sicherheit für diesen Schritt vorlag. Um eine zügige Umsetzung des Schall-
schutzprogrammes gewährleisten zu können, muss der Gesellschafter Bund die
noch unter dem Zustimmungsvorbehalt des Finanzausschusses stehenden Mittel
entsperren und somit eine zweckgebundene Zuführung dieser Mittel für den
Schallschutz an die FBB ermöglichen.

In diesem Zusammenhang ist der von Vertretern der Bundesregierung initiierte
Diskurs über die Verhinderung von Großprojekten durch „Wutbürger“ umge-
hend zu beenden. Die Lärmbetroffenen, welche vor Gericht keine neuen Schutz-
ziele erstritten haben – wie dies der Bundesfinanzminister in einem Interview
mit dem Bayerischen Rundfunk (vgl. „Schäuble: BER teurer wegen der An-
wohner Wowereit will Urteil“, DER TAGESSPIEGEL vom 26. Mai 2013) an-

deutete – sondern schlicht die rechtswidrige Praxis der FBB beklagten, als die

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Verursacher der Kostenexplosion beim größten Infrastrukturprojekt Ostdeutsch-
lands zu diffamieren, entbehrt jeglicher sachlicher Grundlage. Das Schallschutz-
programm war vielmehr mit 140 Mio. Euro nie ausfinanziert und die fälsch-
licher Weise als Mehrkosten bezeichneten notwendigen Aufwendungen für den
Schallschutz sind lediglich Ergebnis einer Korrektur der von der FBB selbst ver-
schuldeten Fehlkalkulation.

Zu Nummer 3

Die Flugrouten des BER werden unabhängig von deren konkreter Führung über
hoch verdichtetes Siedlungsgebiet führen, wobei davon ausgegangen werden
muss, dass ca. 85 000 Menschen von erheblichem Fluglärm betroffenen sein
werden (vgl. Dieter Faulenbach-Da Costa (2011): Aktiver Lärmschutz am BBI,
Maßnahmenpaket – final draft. S. 67).

Um die Anwohnerinnen und Anwohner umfassend zu schützen, muss die Nacht-
ruhe garantiert werden, welche Schutzgegenstand des § 29b Absatz 1 Satz 2
LuftVG ist. Diesbezüglich hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass
„der durch die übliche Geschäftigkeit verursachte Taglärm verstummen und sich
durch eine Lärmpause die Nacht vom Tag unterscheiden soll“ (BVerwG 4 A
2001.06, Rn. 75). Ohne konsequente Nachtruhe kann der Gesundheitsschutz der
Anwohnerinnen und Anwohner nicht garantiert werden. In der Lärmwirkungs-
forschung ist es anerkannt, dass Lärm krank macht und oberhalb eines nächt-
lichen Mittelungspegels aller Lärmereignisse von Lnight = 45 dB(A) die Grenze
zur erheblichen Belästigung überschritten wird, da mehr als 25 Prozent der Be-
troffenen sich stark belästigt fühlen (Ortscheid, J., Wende, H. [Umweltbundes-
amt, Hrsg.]: Fluglärmwirkungen, Berlin, 2001). Auch der Sachverständigenrat
für Umweltfragen (Umweltgutachten 2002 – Für eine neue Vorreiterrolle, Berlin
2002) legt die Grenze der zumutbaren Belastung bei diesen Werten fest und die
Weltgesundheitsorganisation WHO spricht sich sogar dafür aus, dass langfristig
oberhalb eines Mittelungspegels von 40 dB(A) keine Belastungen auftreten soll-
ten (World Health Organization: Night Noise Guidelines for Europe, Kopen-
hagen, 2009). Da sich die von den Lärmemissionen des BER schwer betroffenen
Gebiete innerhalb eines Lärmknotens befinden, in welchem sich nächtlicher
Lärm mehrerer Verkehrsträger überlagert, kann der Gesundheitsschutz der dort
lebenden Menschen nur durch ein Nachtflugverbot sichergestellt werden.

Zu Nummer 4

Obwohl noch kein Flugzeug vom Flughafen BER abgehoben hat, sind die Flug-
routen bereits Gegenstand mehrerer verwaltungsrechtlicher Auseinandersetzun-
gen und eines Vertragsverletzungsverfahrens der Europäischen Union, weil das
deutsche Luftverkehrsrecht EU-Recht zuwiderläuft. Zusätzlich prüft Brüssel die
Einleitung eines weiteren Vertragsverletzungsverfahrens, in welchem aus-
schließlich die Flugrouten am BER gegenständlich sind. Um Risiken für die
Inbetriebnahme des Flughafens zu minimieren und sowohl den Natur- und Ge-
sundheitsschutz als auch die sichere Abwicklung des Flugverkehrs zu
garantieren, müssen die Flugrouten umgehend umfassend geprüft werden.

Zu Nummer 5

Die Reduktion der Zahl von Lärmbetroffenen im Vergleich zu einem Flughafen-
system mit drei Standorten (Tegel, Schönefeld, Tempelhof) war die zentrale
Säule der Planrechtfertigung für den Flughafen BER. Im Planfeststellungs-
beschluss heißt es daher: „Der Planfeststellungsbeschluss steht unter dem Vor-
behalt der endgültigen Schließung der Flughäfen Berlin-Tegel und Berlin-

Tempelhof spätestens nach einer Übergangszeit von sechs Monaten nach In-

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betriebnahme der ausgebauten Südbahn“ (Planfeststellungsbeschluss Ausbau
Verkehrsflughafen Berlin Schönefeld, 2004, S. 328).

Von einem Weiterbetrieb des Flughafens Berlin-Tegel, deren Anwohner seit der
Absage des BER-Eröffnungstermins 3. Juni 2013 verstärkten Lärmbelastungen
ausgesetzt sind und denen eine Verstetigung derselben nicht zugemutet werden
kann, ist daher aus planungs- wie immissionschutzrechtlichen Gründen abzuse-
hen. Des Weiteren würde der Parallelbetrieb zweier Flughäfen die Flughafen-
gesellschaft finanziell belasten, da perspektivisch neben erhöhten Betriebskosten
auch erhebliche Mittel für passiven Lärmschutz der Tegel-Anrainer aufzuwen-
den wären.

Der Bau einer dritten Start- und Landebahn am Standort Schönefeld würde zu
einer Verteilung des Fluglärms im Einzugsbereich des Flughafens führen und
neue Lärmbetroffenenheiten schaffen. Im Sinne präventiven Gesundheitsschut-
zes darf der Betroffenenkreis jedoch nicht weiter ausgedehnt werden. Der Bau
einer weiteren Start- und Landebahn steht dem Vorsorgegedanken entgegen. Der
Gesellschafter Land Brandenburg hat sich daher ausdrücklich gegen diese bau-
liche Maßnahme ausgesprochen (vgl. u. a. Landtag Brandenburg, Drucksache
5/4817). Die Unterstützung des Gesellschafters Bund würde eine diesbezügliche
Mehrheit in der Gesellschafterversammlung sicherstellen.

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