BT-Drucksache 17/13718

Fortführung der arbeitsmarktlichen Unterstützung für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge in der nächsten Förderungsperiode des Europäischen Sozialfonds

Vom 5. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13718
17. Wahlperiode 05. 06. 2013

Antrag
der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Brigitte Pothmer, Arfst Wagner
(Schleswig), Memet Kilic, Priska Hinz (Herborn), Volker Beck (Köln), Viola von
Cramon-Taubadel, Britta Haßelmann, Ingrid Hönlinger, Jerzy Montag,
Dr. Konstantin von Notz, Wolfgang Wieland, Claudia Roth (Augsburg) und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Fortführung der arbeitsmarktlichen Unterstützung für Bleibeberechtigte und
Flüchtlinge in der nächsten Förderungsperiode des Europäischen Sozialfonds

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Die Maßnahmen der damaligen rot-grünen Bundesregierung sowie der spä-
teren großen Koalition, Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) zur
Förderung der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen und Asylsuchenden
zu nutzen, haben sich bewährt. So konnten über das 2008 aufgelegte ESF-
Bundesprogramm zur arbeitsmarktlichen Unterstützung für Bleibeberech-
tigte und Flüchtlinge rund die Hälfte der knapp 11 000 Teilnehmenden in Be-
schäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt bzw. in eine Ausbildung vermittelt
werden. Die durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)
geförderte Evaluierungsstudie kommt zu der unmissverständlichen Empfeh-
lung, „das Bundesprogramm in seiner jetzigen Struktur neu aufzulegen“.

2. Offenkundig plant das BMAS jedoch, mit der neuen Förderperiode des ESF
das erfolgreiche Bundesprogramm zur arbeitsmarktlichen Unterstützung für
Bleibeberechtigte und Flüchtlinge Ende 2013 auslaufen zu lassen.

3. Ein solcher Schritt wäre ein schwerer integrations- und arbeitsmarktpoliti-
scher Fehler. Richtig wäre es demgegenüber, die Zielgruppe des bisherigen
Bundesprogramms auch in Zukunft gesondert zu adressieren.

4. Die Fortführung des ESF-Bundesprogramms zur arbeitsmarktlichen Unter-
stützung für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge – mit all seinen Hilfeangebo-
ten und Strukturen – auch über 2013 hinaus entspricht im Übrigen dem ein-
stimmig gefassten Beschluss der Integrationsministerkonferenz von Bund
und Ländern von Ende März 2013.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
die Fortführung des ESF-Bundesprogramms zur arbeitsmarktlichen Unterstüt-
zung für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge grundsätzlich sicherzustellen, so wie
dies von der Programmevaluation sowie von der Integrationsministerkonferenz
gefordert worden ist.

Drucksache 17/13718 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Sollte es dennoch zum Auslaufen dieses ESF-Bundesprogramms kommen, so
fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung jetzt schon vorsorglich
dazu auf, zumindest folgende Eckpunkte umzusetzen:

• Verankerung der Zielgruppe des ESF-Bundesprogramms als Zugangsberech-
tigte in allen Programmbereichen der künftigen ESF-Förderstruktur;

• Sicherstellung statusunabhängiger Zugangsvoraussetzungen, so dass die
Zielgruppe des bisherigen Bundesprogramms Zugang zu allen ESF-Maßnah-
men auf Bundes- und Landesebene erhält;

• Definition einer festen Zuständigkeit innerhalb des BMAS für die Zielgruppe
des bisherigen Bundesprogramms in den ESF-Steuerungsgruppen des Bun-
des und der Länder sowie

• Aufrechterhaltung des Netzwerks des jetzigen Bundesprogramms, damit
auch in Zukunft eine kohärente, zielgruppenadäquate, individuelle und recht-
lich kompetente Beratung erfolgen kann.

Berlin, den 4. Juni 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Vor dem Hintergrund, dass der Bundesrepublik Deutschland seitens der EU für
die kommende ESF-Förderperiode rund 9,5 Mrd. Euro weniger Fördermittel zur
Verfügung stehen sollen, plant die Bundesregierung eine Konzentration der
deutschen ESF-Förderstruktur auf künftig sieben Säulen:

a) betriebliche Perspektiven für Langzeitarbeitslose;

b) Qualifizierung von Bezieherinnen und Beziehern von Transferkurzarbeiter-
geld;

c) Übergang Schule/Beruf – Berufseinstiegsbegleitung;

d) Anpassung an den demographischen Wandel;

e) Qualifizierung von Migrantinnen und Migranten;

f) berufsbezogene Sprachförderung und schließlich

g) Integration statt Ausgrenzung.

Auf zwei Schriftliche Fragen von Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN erklärte die Bundesregierung Folgendes:

• Zum einen soll die bisherige Zielgruppe des o. g. ESF-Bundesprogramms
(Asylsuchende, Geduldete und Bleiberechtigte) in Zukunft offenkundig
praktisch keinen Zugang zum künftigen ESF-Programm zur Förderung be-
trieblicher Perspektiven für Langzeitarbeitslose erhalten. So sollen zu diesem
ESF-Programm (so die Antwort des BMAS vom 7. Mai 2013 auf die Schrift-
liche Frage 94 des Abgeordneten Josef Philip Winkler) künftig nur solche
Personen Zugang erhalten, die in den Geltungsbereich des Zweiten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB II) fallen (vgl. Bundestagsdrucksache 17/13394)
– und dass vor dem Hintergrund die Zielgruppe des Bundesprogramms ganz
überwiegend, allein schon als Folge der Arbeitsverbote und der Vorrangrege-
lung, zu der Gruppe von Langzeitarbeitslosen zählt und eben nicht in den

Anwendungsbereich des SGB II fällt.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13718

• Zum anderen sollen die bisherigen, sich spezifisch an Flüchtlingen und Asyl-
suchenden orientierenden Informations- und Beratungsleistungen anschei-
nend auch nicht weiter fortgeführt werden (Bundestagsdrucksache 17/13171,
Frage 65).

Demgegenüber gibt es die steigende Notwendigkeit, die Zielgruppe des bisheri-
gen Bundesprogramms auch in Zukunft gesondert anzusprechen:

• Erstens werden die Bedarfe steigen: sowohl im Hinblick auf steigende Zah-
len von Asylsuchenden und die geplante Ausweitung von Formen der aktiven
Aufnahme von Flüchtlingen (z. B. über Resettlement-Kontingente) als auch
bei Umsetzung des Beschlusses des Bundesrates zur Schaffung einer sog.
rollierenden Bleiberechtsregelung. Auch die fortschreitende Öffnung der Ar-
beitsmarktzugangsregelungen für die Zielgruppe des jetzigen Bundespro-
gramms (z. B. die Verkürzung des Arbeitsverbotes für Asylsuchende auf
neun Monate) wird zu einer Steigerung des Bedarfs von Arbeitsförderungs-
maßnahmen für diesen Personenkreis führen.

• Zweitens ist für die Zielgruppe des ESF-Bundesprogramms der Arbeits-
marktzugang bzw. die Inanspruchnahme von Arbeitsförderungsmaßnahmen
nach dem SGB II weiterhin rechtlich beschränkt bzw. ausgeschlossen.

• Drittens hat dieser Personenkreis beim Arbeitsmarktzugang nach wie vor
erhebliche Vermittlungsschwierigkeiten: Zum einen sind hier Bildungsas-
pekte zu nennen (Sprachkenntnisse, Ausbildungsgrad oder nicht anerkannte
Bildungsabschlüsse). Zum anderen leiden Flüchtlinge aber auch unter psy-
chischen oder psychosozialen Belastungen durch Fluchterfahrungen und/
oder als Folge von Arbeitsverboten bzw. einer langjährig erzwungenen beruf-
lichen Untätigkeit.

• Und viertens ist eine spezialisierte Beratung für Flüchtlinge und Bleibe-
berechtigte – so wie sich diese innerhalb des ESF-Bundesprogramms ent-
wickelt hat – wegen der vielfältigen und zum Teil unübersichtlichen recht-
lichen Besonderheiten des Arbeitsmarktzugangs bzw. bei der Inanspruch-
nahme von Arbeitsförderungsmaßnahmen auch in Zukunft unerlässlich.
Schließlich hat diese Beratungs- und Netzwerkarbeit maßgeblich zu der außer-
ordentlich positiven Zwischenbilanz des ESF-Bundesprogramms beigetragen.

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