BT-Drucksache 17/11815

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 - Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes

Vom 11. Dezember 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11815
17. Wahlperiode 11. 12. 2012

Änderungsantrag
der Abgeordneten Burkhard Lischka, Christine Lambrecht, Rainer Arnold,
Edelgard Bulmahn, Sebastian Edathy, Petra Ernstberger, Gabriele Fograscher,
Dr. Edgar Franke, Martin Gerster, Iris Gleicke, Günter Gloser, Ulrike Gottschalck,
Dr. Gregor Gysi, Hans-Joachim Hacker, Michael Hartmann (Wackernheim),
Dr. Rosemarie Hein, Dr. Barbara Hendricks, Gustav Herzog, Josip Juratovic,
Dr. h. c. Susanne Kastner, Ulrich Kelber, Daniela Kolbe (Leipzig), Niema Movassat,
Dr. Rolf Mützenich, Aydan Özog˘uz, Johannes Pflug, Joachim Poß, Dr. Sascha
Raabe, Stefan Rebmann, Anton Schaaf, Paul Schäfer (Köln), Marianne Schieder
(Schwandorf), Swen Schulz (Spandau), Sonja Steffen, Kerstin Tack, Kathrin Vogler,
Heidemarie Wieczorek-Zeul, Waltraud Wolff (Wolmirstedt)

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/11295, 17/11800, 17/11814 –

Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer
Beschneidung des männlichen Kindes

Der Bundestag wolle beschließen:

1. In Artikel 1 wird § 1631d wie folgt geändert:

a) Absatz 1 wird wie folgt gefasst:

„(1) Die Personensorge umfasst auch das Recht, nach vorangegangener
ärztlicher Aufklärung in eine medizinisch nicht erforderliche Beschnei-
dung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzu-
willigen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt
werden soll. Dies gilt nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Be-
rücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird.“

b) Folgender Absatz 3 wird angefügt:

„(3) Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch
Rechtsverordnung das Nähere hinsichtlich

1. der Ausbildungsvoraussetzungen und des Befähigungsnachweises der
nichtärztlichen Beschneider,
2. der Anforderungen und Modalitäten des Eingriffs, insbesondere der
Schmerzbehandlung,

3. der Anforderungen und Modalitäten zur Feststellung der gesundheit-
lichen Unbedenklichkeit einer nicht medizinisch indizierten Beschnei-
dung für das minderjährige männliche Kind sowie

Drucksache 17/11815 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. der Anforderungen an die Ermittlung und Feststellung eines entwick-
lungsabhängigen Vetorechts des minderjährigen männlichen Kindes
gegen eine Beschneidung

zu regeln.“

2. Artikel 2 wird wie folgt gefasst:

„Artikel 2

Inkrafttreten

(1) Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

(2) Die Regelungen dieses Gesetzes sind innerhalb von fünf Jahren ab In-
krafttreten von dem Bundesministerium der Justiz im Einvernehmen mit dem
Bundesministerium für Gesundheit zu evaluieren. In diesem Zeitraum unter-
zieht das Bundesministerium der Justiz in Abstimmung mit dem Bundes-
ministerium der Gesundheit und unter Hinzuziehung von Experten aus Wis-
senschaft und Praxis die neuen gesetzlichen Regelungen einer eingehenden
Prüfung hinsichtlich der Erfahrungen in der Praxis. Die Bundesregierung
unterrichtet den Bundestag bis zum 31. Dezember 2018 über die Ergebnisse
der Evaluierung.“

Berlin, den 11. Dezember 2012

Begründung

A. Allgemeiner Teil

Explizites Ziel des Gesetzentwurfs der Bundesregierung über den Umfang der
Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes, Bundestags-
drucksache 17/11295, ist es, „Rechtssicherheit für alle Beteiligten“ zu schaffen.
Der Lösungsvorschlag der Regierung ist grundsätzlich geeignet, der zurzeit be-
stehenden Rechtsunsicherheit in der Frage der Zulässigkeit von Beschneidungen
zu begegnen. Gleichwohl enthält der Vorschlag Unklarheiten, welche bei der

Burkhard Lischka
Christine Lambrecht
Rainer Arnold
Edelgard Bulmahn
Sebastian Edathy
Petra Ernstberger
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Ulrike Gottschalck
Dr. Gregor Gysi
Hans-Joachim Hacker
Michael Hartmann (Wackernheim)
Dr. Rosemarie Hein
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Josip Juratovic

Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Daniela Kolbe (Leipzig)
Niema Movassat
Dr. Rolf Mützenich
Aydan Özog˘uz
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Sascha Raabe
Stefan Rebmann
Anton Schaaf
Paul Schäfer (Köln)
Marianne Schieder (Schwandorf)
Swen Schulz (Spandau)
Sonja Steffen
Kerstin Tack
Kathrin Vogler
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Waltraud Wolff (Wolmirstedt)
Auslegung zu gerichtlichen Urteilen führen könnten, die dem Ziel des Gesetzes
zuwiderliefen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11815

Erforderlich ist eine gesetzliche Klarstellung in dem neu zu schaffenden § 1631d
Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), dass es bei einer nicht medizi-
nisch indizierten Beschneidung in jedem Fall der vorherigen ärztlichen Aufklä-
rung über Art, Umfang und Folgen des Eingriffs bedarf. Der Gesetzestext des
Regierungsentwurfs lässt dies offen und damit Raum für Zweifel. Eine solche
ärztliche Aufklärung ist allerdings erforderlich, damit die Eltern eine sachge-
rechte und fundierte Entscheidung über die Beschneidung ihres Sohnes treffen
können.

Darüber hinaus erforderlich sind Präzisierungen hinsichtlich der fachlichen
Qualifikation der nichtärztlichen Beschneider und der Anforderungen und Mo-
dalitäten des Eingriffs. Dazu gehören auch eine dem Alter des Kindes angemes-
senen Schmerzbehandlung sowie die Feststellung, dass der Gesundheitszustand
des minderjährigen Jungen einer Beschneidung nicht entgegensteht. Auch die
Konsequenzen bei einer erkennbaren Abwehrreaktion eines älteren Jungen ge-
genüber einer Beschneidung (so genanntes Vetorecht) bedürfen einer rechts-
sicheren Regelung. Die erforderlichen Präzisierungen, die wegen ihrer Rege-
lungsinhalte und -dichte nicht im Bürgerlichen Gesetzbuch zu verorten sind,
sollen im Wege einer vom Bundesministerium für Gesundheit im Dialog mit den
Betroffenen zu erlassenden Rechtsverordnung rechtliche Verbindlichkeit erhal-
ten.

Zur Überprüfung, ob die Neuregelung das erklärte Ziel erreicht, sollen die ein-
geführten Rechtsvorschriften evaluiert werden.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1

Zu Buchstabe a

Erforderlich ist eine gesetzliche Klarstellung in dem neu zu schaffenden § 1631d
Absatz 1 BGB, dass es bei einer nicht medizinisch indizierten Beschneidung in
jedem Fall der vorherigen ärztlichen Aufklärung über Art, Umfang und Folgen
des Eingriffs bedarf. Der Gesetzestext des Regierungsentwurfs lässt offen und
damit Raum für Zweifel, ob bei einer Beschneidung durch Nichtärzte eine ärzt-
liche Aufklärung erforderlich ist.

In der Begründung des Regierungsentwurfs wird lediglich darauf hingewiesen,
dass auch der Eingriff durch einen nichtärztlichen Beschneider nach den „Re-
geln der ärztlichen Kunst“ zu erfolgen hat und der nichtärztliche Beschneider die
bei nicht medizinisch indizierten Eingriffen erforderliche ordnungsgemäße und
umfassende Aufklärung der Eltern gewährleisten können muss. Diese Formulie-
rung könnte in der Weise interpretiert werden, dass eine Aufklärung auch durch
den den Eingriff durchführenden nichtärztlichen Beschneider vorgenommen
werden kann. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung (z. B. Bundes-
gerichtshof, Urteil vom 7. November 2006, VI ZR 206/05) kann eine Aufklärung
über Art, Umfang und gesundheitliche Risiken eines operativen Eingriffs jedoch
nur durch einen approbierten Arzt erfolgen. Es gibt zwar Erleichterungen inso-
weit, als die Aufklärung auch durch einen Arzt/eine Ärztin durchgeführt werden
darf, der/die selbst nicht den Eingriff vornimmt, dennoch ist eine Aufklärung
durch ärztliches Personal verpflichtend. Die Bundesregierung selbst führt in der
Begründung zutreffend aus, dass das Fehlen einer medizinischen Indikation die
Anforderungen an die Risikoaufklärung erhöht. Daher muss auch für einen Ein-
griff durch einen nichtärztlichen Beschneider gelten, dass eine Aufklärung hin-
sichtlich der Art, des Umfangs und der Folgen des Eingriffs ausschließlich durch
einen Arzt/eine Ärztin erfolgen darf. Nur ein Arzt/eine Ärztin ist aufgrund der
Ausbildung in der Lage, die Eltern über den Eingriff vollständig und zuverlässig

aufzuklären.

Drucksache 17/11815 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Zu Buchstabe b

Darüber hinaus sind Präzisierungen erforderlich hinsichtlich der Anforderungen
und Modalitäten des Eingriffs. Dazu gehört auch die Gewährleistung einer dem
Alter des Kindes angemessenen Schmerzbehandlung sowie die Feststellung,
dass der Gesundheitszustand des minderjährigen Kindes einer Beschneidung
nicht entgegensteht. Auch die Konsequenzen einer erkennbaren Abwehrreak-
tion eines älteren Jungen (Vetorecht) bedürfen einer rechtssicheren Regelung.
Schließlich sind Ausbildungsvoraussetzungen und Befähigungsnachweis eines
nichtärztlichen Beschneiders zu konkretisieren.

Der Regierungsentwurf sieht vor, dass die Beschneidung auch durch von den
Religionsgesellschaften dazu vorgesehenen Personen vorgenommen werden
dürfen, wenn sie dafür besonders ausgebildet und für die Durchführung der
Beschneidung einer Ärztin oder einem Arzt vergleichbar befähigt sind. Er be-
stimmt, dass die Regelung nur für Personen gilt, die eine besondere Ausbildung
für die Vornahme von Beschneidungen absolviert haben, legt jedoch die konkre-
ten Anforderungen, welche an diese Ausbildung zu stellen sind, nicht explizit
fest. Ebenso wenig präzisiert er die konkreten Anforderungen und Modalitäten
des Eingriffs, insbesondere die Anforderungen an eine dem Alter des Kindes an-
gemessene Schmerzbehandlung. Gleiches gilt für die Voraussetzungen für die
Feststellung, dass der Gesundheitszustand des minderjährigen Jungen eine Be-
schneidung erlaubt sowie die Konsequenzen bei einer erkennbaren Abwehr-
reaktion eines älteren Jungen gegenüber einer Beschneidung (Vetorecht).

Zu Nummer 1 (Anforderungen an die Qualifikation der Beschneider)

In Deutschland erfolgt bislang keine Ausbildung von Beschneidern. Die in
Deutschland praktizierenden Beschneider sind im Ausland ausgebildet. Inzwi-
schen hat der Zentralrat der Juden die Entwicklung eines Ausbildungsganges in
Deutschland angekündigt. In Israel setzt die Verleihung der Bezeichnung „lizen-
sierter Mohel“ durch ein Komitee des Oberrabbinats im Zusammenwirken mit
dem Gesundheitsministerium eine Ausbildung bei einem Mohel, die Empfeh-
lung eines Rabbiners und den Nachweis medizinischer Atteste sowie eine theo-
retische und praktische Prüfung voraus. Dies macht deutlich, dass für die Vor-
nahme von Beschneidungen durch nichtärztliche Beschneider einheitliche Stan-
dards auf einer sicheren Rechtsgrundlage erforderlich sind. Für die Präzisierung
der Voraussetzungen an die Qualifikation und – medizinische – Aus- bzw. Vor-
bildung des nichtärztlichen Beschneiders ist das Recht der Personensorge im
Bürgerlichen Gesetzbuch nicht der adäquate Regelungsstandort. Sie soll daher
einer Regelung des Verordnungsgebers vorbehalten bleiben. Hierzu bedarf es
der Entwicklung eines Kataloges, der die maßgeblichen Ausbildungs- und Prü-
fungsinhalte unter Berücksichtigung der erforderlichen medizinischen Fach-
kenntnisse definiert. Dazu gehören neben den unmittelbar eingriffsspezifischen
Kenntnissen und Fertigkeiten auch vertiefte Kenntnisse und Fertigkeiten im
Umgang mit Hygiene, Desinfektion und Sterilität sowie über die Erstversorgung
in akuten Zuständen und Notfällen.

Zu Nummer 2 (Anforderungen und Modalitäten des Eingriffs, insbesondere der
Schmerzbehandlung)

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung verweist in Bezug auf die Durchfüh-
rung der Beschneidung auf die „Regeln der ärztlichen Kunst“. In Ermangelung
verbindlicher Richtlinien und Standards hinsichtlich der Modalitäten des Ein-
griffs existieren unterschiedliche Beschneidungspraktiken. Diesem Umstand
trägt der Regierungsentwurf nicht Rechnung, weil er insoweit eine Präzisierung
unterlässt.
Die Festschreibung zwingender Standards ist erforderlich, um sicherzustellen,
dass bei Durchführung einer Beschneidung durch nichtärztliche Beschneider

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/11815

Rituale, die mit hohen gesundheitlichen Risiken verbunden sind, unterbleiben.
So erhöht z. B. das jüdisch-orthodoxe Ritual des „Metzitzah B’peh“, bei dem
der Mohel als letzte Handlung nach der Abtrennung der Vorhaut mit seinem
Mund Blut aus der Wunde des Säuglings saugt, signifikant das Risiko von In-
fektionen (z. B. die Übertragung von Herpesviren). Diese Infektionen können
im schlimmsten Fall tödlich verlaufen.

Seitens der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland gibt es Signale, wegen des
Gesundheitsrisikos die Beschneidung nicht durch einen Mohel durchführen zu
lassen, der dieses Ritual praktiziert.

Mit seinem Beschluss vom 19. Juli 2012 hatte der Deutsche Bundestag von der
Regierung die Vorlage eines Gesetzentwurfs gefordert, der sicherstellt, dass eine
Beschneidung von Jungen „ohne unnötige Schmerzen“ stattfindet. Dieses Erfor-
dernis will die Regierung im Entwurf mit der Formulierung „nach den Regeln
der ärztlichen Kunst“ erfüllen. Nach diesen Regeln ist eine im Einzelfall ange-
messene und wirkungsvolle Betäubung erforderlich.

Bezüglich der Schmerzbehandlung und -therapie unterstellt der Regierungsent-
wurf einen zur Beurteilung der im Einzelfall angemessenen Maßnahme notwen-
digen Wissensstand, dessen Vorliegen in der erforderlichen Tiefe und Verbrei-
tung jedoch bezweifelt werden muss. So ist beispielsweise auch in Teilen der
Ärzteschaft noch immer die Annahme verbreitet, dass bei Säuglingen das
Schmerzsystem noch nicht ausgereift sei, so dass ein chirurgischer Eingriff wie
etwa eine Beschneidung keine vergleichbare Belastung wie bei älteren Kindern
oder Erwachsenen darstelle.

Annahmen dieser Art entsprechen nicht bzw. nicht mehr dem aktuellen Stand
der klinischen und wissenschaftlichen Forschung zur Schmerzbehandlung und
- therapie. Studienbasierte Erkenntnisse stützen die Annahme, dass das Schmerz-
system beim Menschen vor der Geburt bereits soweit entwickelt ist, dass auch
bei Neugeborenen Schmerzen ausgelöst werden und zu Leiden führen können.
Studiengestützten Vermutungen zur Folge könnten Säuglinge sogar schmerz-
empfindlicher sein als im Kindes- und Jugendalter.

Es ist daher erforderlich, altersangepasste Standards insbesondere hinsichtlich
einer adäquaten Schmerzbehandlung und Nachsorge einzuführen.

Zu Nummer 3 (Ärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung)

Ebenfalls qua Verordnung sollen die Anforderungen und Modalitäten zur Fest-
stellung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit einer nicht medizinisch indi-
zierten Beschneidung für das männliche Neugeborene konkretisiert und stan-
dardisiert werden. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es
bislang keine Vorgaben und Richtlinien für solche Fälle gibt, in denen sich eine
Beschneidung aus gesundheitlichen Gründen verbietet.

So kann etwa Hämophilie – die so genannte Bluterkrankheit – bei einem männ-
lichen Neugeborenen ein Hinderungsgrund für eine Beschneidung sein. Hämo-
philie ist eine Erbkrankheit, bei der die Blutgerinnung gestört ist. Durch eine
Blutuntersuchung, mit der die Gerinnungswerte und die Menge der Blutplätt-
chen (Thrombozyten) bestimmt werden, ist diese Krankheit auch bei einem
Neugeborenen zu diagnostizieren. Eine solche Blutuntersuchung bei Neugebo-
renen veranlassen Ärzte allerdings nicht generell vorsorglich, sondern bislang
nur bei Krankheitsverdacht, der sich zum Beispiel auf Hinweise in der Fami-
liengeschichte gründet.

Risiken dieser Art in einem standardisierten Verfahren festzustellen bzw. auszu-
schließen, erhöht die Rechtssicherheit für alle Betroffenen. Mit Blick darauf,
dass in der jüdischen Gemeinschaft die männlichen Kinder in aller Regel am

achten Tag nach der Geburt beschnitten werden, bietet sich beispielsweise eine

Drucksache 17/11815 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

entsprechende Anpassung und Ausgestaltung der zweiten Früherkennungsun-
tersuchung eines neugeborenen Kindes – die so genannte U2 – an, die zwischen
dem dritten und zehnten Lebenstag stattfindet.

Zu Nummer 4 (Vetorecht)

Die Regelung des Regierungsentwurfs gilt grundsätzlich nur für Jungen, die auf-
grund ihres Entwicklungsstandes noch nicht in der Lage sind, ernsthaft ihren
Willen für oder gegen eine Beschneidung auszudrücken. Die Grenze, ab wann
Kinder hierzu in der Lage sind, ist fließend und bewegt sich zwischen dem zwei-
ten/dritten und zwölften bis vierzehnten Lebensjahr. Unbestritten ist aber, dass
auch Kinder unterhalb der Schwelle der Einsichts- und Urteilsfähigkeit in der
Lage sind, ihren Willen gegen eine Beschneidung ernsthaft und unmissverständ-
lich zum Ausdruck zu bringen. Dies kann auch durch ein rein physisches Ab-
wehrverhalten bzw. nonverbale Kommunikation geschehen.

Der Gesetzestext sieht eine ausdrückliche Beachtung des kindlichen Willens in
diesen Fällen jedoch nicht vor. Lediglich in der Begründung des Regierungsent-
wurfs wird ausgeführt, dass ein solcher Wille gegen die Beschneidung „im Ein-
zelfall“ Berücksichtigung finden kann und sich die Eltern mit dem der Beschnei-
dung entgegenstehenden Willen des noch nicht einsichtsfähigen Kindes ausein-
andersetzen sollen.

Es ist sicherzustellen, dass auch in diesen Fällen der Wille des Kindes zu berück-
sichtigen ist. Im Rahmen einer Rechtsverordnung sollen verbindliche Richt-
linien und Maßgaben für den Umgang mit gegen die Beschneidung gerichteten
unmissverständlichen Willensbekundungen nicht einsichts- und urteilsfähiger
Kinder (Vetorecht) entwickelt werden.

Das Bundesministerium für Gesundheit wird daher ermächtigt, das Nähere zu
den unter den Nummern 1 bis 4 dargestellten Punkten in einer im Zusammen-
wirken mit den Betroffenen zu erstellenden Rechtsverordnung zu regeln.

Zu Artikel 2

Zu Absatz 1

Absatz 1 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

Zu Absatz 2

Die in Absatz 2 ausdrücklich normierte Evaluierungsverpflichtung soll vor allem
der Prüfung dienen, ob die eingeführte Rechtsvorschrift sich in ihrer konkreten
inhaltlichen Ausgestaltung in der Praxis bewährt hat. Eine solche Evaluierung
erscheint insbesondere deshalb geboten, weil es sich bei der eingeführten Norm
um eine erstmalige gesetzliche Regelung der entsprechenden Materie handelt.
Ziel der Evaluierung ist es, Anhaltspunkte über Probleme in der praktischen Um-
setzung der Regelung zu gewinnen.

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