BT-Drucksache 17/1036

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -17/200, 17/201, 17/616, 17/623, 17/624, 17/625- Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2010 (Haushaltsgesetz 2010) hier: Einzelplan 17 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Vom 15. März 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1036
17. Wahlperiode 15. 03. 2010

Änderungsantrag
der Abgeordneten Diana Golze, Klaus Ernst, Steffen Bockhahn, Dr. Gesine
Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, Karin Binder, Matthias W. Birkwald,
Heidrun Bluhm, Roland Claus, Heidrun Dittrich, Katja Kipping, Jutta Krellmann,
Katrin Kunert, Caren Lay, Sabine Leidig, Michael Leutert, Thomas Lutze, Cornelia
Möhring, Kornelia Möller, Ingrid Remmers, Dr. Ilja Seifert, Kersten Steinke, Sabine
Stüber, Alexander Süßmair, Dr. Kirsten Tackmann, Jörn Wunderlich, Sabine
Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/200, 17/201, 17/616, 17/623, 17/624, 17/625 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2010
(Haushaltsgesetz 2010)

hier: Einzelplan 17
Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Der Bundestag wolle beschließen:

Im Kapitel 17 10 wird der Titel 681 13 – Kinderzuschlag für Anspruchsberech-
tigte nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes – um 3,28 Mrd. Euro auf 3,654
Mrd. Euro aufgestockt.

Im Kapitel 17 10 wird der Titel 681 02 – Elterngeld – um 2,5 Mrd. Euro auf
6,98 Mrd. Euro aufgestockt, um die Auszahlungsdauer des Elterngeldes auf
12 Monate pro Elternteil (24 Monate für Alleinerziehende) auszuweiten und das
Mindestelterngeld auf 450 Euro zu erhöhen.

Im Kapitel 17 02 wird der Titel 882 01 – Zuweisungen an die Länder für Inves-
titionen zum Ausbau der Betreuung von Kindern unter drei Jahren – um 4 Mrd.
Euro aufgestockt, um das Betreuungsangebot gebührenfrei und ganztägig zu
gewährleisten.

Berlin, den 15. März 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Drucksache 17/1036 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Begründung

Kinderzuschlag

Laut der im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend erstellten PROGNOS-Studie sind 2,36 Millionen Kinder in Deutschland
„von Armut betroffen“ (PROGNOS 2008, S. 16). Zur wirksamen Bekämpfung
von Kinderarmut und zur Gleichberechtigung von Alleinerziehenden und ihren
Kindern muss der Kinderzuschlag deutlich, von bisher maximal 140 Euro auf
200 Euro für unter 6-jährige, 236 Euro für 6 bis unter 14-jährige und 272 Euro
für 14-jährige und ältere Kinder, angehoben werden. Neben dieser deutlichen
Leistungserhöhung muss der Kreis der Anspruchsberechtigten ausgeweitet wer-
den. Selbst die Bundesregierung sieht das Problem, hat aber bis dato nur unzu-
reichende Schritte unternommen.

Die Ausbreitung des Niedriglohnsektors hat dazu geführt, dass immer mehr Be-
schäftigte trotz Arbeit arm sind. Zwei Drittel der zu Niedriglöhnen Beschäftig-
ten sind Frauen, vor allem alleinerziehende Mütter. Alleinerziehende und ihre
Kinder tragen von allen gesellschaftlichen Gruppen das höchste Armutsrisiko in
Deutschland. Fast die Hälfte aller Kinder in Hartz IV leben mit rund 650 000 Al-
leinerziehenden zusammen im Haushalt. Doch ihr Anteil an den Kinderzuschlag
beziehenden Kindern liegt bislang nur bei gut 7 Prozent. Kinder von Allein-
erziehenden bleiben damit beim Kinderzuschlag systematisch ausgegrenzt.
Solange die Maximalhöhe von 140 Euro nicht angehoben wird und Alleinerzie-
hende keinen dem Mehrbedarf im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch entsprechen-
den Aufschlag beim Kinderzuschlag bekommen, kann der Kinderzuschlag seine
Wirkung, insbesondere für Alleinerziehende, kaum entfalten. Hohe Verwal-
tungskosten führen dazu, dass ein kaum vertretbarer Anteil der für den Kinder-
zuschlag aufgewendeten Mittel nicht bei den Familien ankommt. Dies rügt auch
der Bundesrechnungshof.

Wenn der Kinderzuschlag dem Anspruch der Kinderarmutsbekämpfung auf
dem Niveau des soziokulturellen Existenzminimums gerecht werden will, muss
unter den gegenwärtigen Bedingungen davon ausgegangen werden, dass min-
destens 2,1 Millionen Familien mit wenigstens 3,5 Millionen Kindern an-
spruchsberechtigt wären. Mit der Aufstockung um 3,28 Mrd. Euro werden die
finanziellen Voraussetzungen für einen wirksamen Kinderzuschlag geschaffen.

Elterngeld

Das 2007 eingeführte Elterngeld ist in der derzeitigen Form eine sozialpolitische
Mogelpackung. Familien erhalten nicht die in der Frühphase des Aufwachsens
eines Kindes nötige Flexibilität. Erwerbslose, Eltern in Ausbildung und Be-
zieherinnen und Bezieher niedriger Einkommen sind deutlich benachteiligt
worden. In gleichstellungspolitischer Hinsicht sind zwei verbindliche „Väter-
monate“ zu wenig.

Deshalb ist es notwendig, das Elterngeld nach skandinavischem Vorbild zu einer
Sozialleistung auszubauen, die Elternschaft ermöglicht und die Gleichstellung
von Frauen und Männern fördert.

Jedem Elternteil ist ein individueller und nicht übertragbarer Anspruch auf
12 Monate Elterngeld zu gewähren (Alleinerziehenden 24 Monate). Die „Väter-
monate“ werden so zu einem individuellen Anspruch jedes Elternteils auf
Elterngeld weiterentwickelt, längere Berufsunterbrechungen nur eines Eltern-
teiles werden vermieden. Die Lohnersatzrate von 67 Prozent bleibt bestehen, die
Mindestleistung wird aber auf 450 Euro angehoben. Das Elterngeld kann ab der
Geburt des Kindes bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres in Teilabschnitten ab
2 Monaten in Anspruch genommen werden. So werden die Gestaltungsmöglich-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1036

keiten von Familien verbessert – auch spätere kurzzeitige Erwerbsunterbrechun-
gen (etwa zu Schulbeginn) werden möglich gemacht.

Kinderbetreuung

Um in einer Anschubfinanzierung qualitativ hochwertige, gebührenfreie, ganz-
tägige und bedarfsdeckende Kinderbetreuung in allen Bundesländern zu ge-
währleisten, reichen die von der Bundesregierung eingeplanten Mittel nicht aus.
Familienpolitik muss Versorgungsdefizite und Benachteiligungen so weit ab-
bauen, dass für alle im Land lebenden Menschen eine optimale Entwicklung und
ein Leben ohne materielle Not gewährleistet sind. Gleiche Teilhabe aller am
wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben ist sicherzustellen. Hierfür ist
vor allem die Bereitstellung einer verlässlichen und qualitativ hochwertigen In-
frastruktur für Kinder und Familien notwendig. Diese Infrastruktur ist besonders
für Familien mit geringem Einkommen wichtig. Die Finanzierung einer bedarfs-
deckenden und elternbeitragsfreien Kindertagesbetreuung ist weiterhin nicht
ausreichend. Der Ausbau kommt nur schleppend voran. Ein Grund hierfür ist,
dass die Bundesregierung die Kommunen mit dem Wachstumsbeschleunigungs-
gesetz zusätzlich belastet hat. Die Möglichkeiten der Kommunen, ihren Teil zur
Finanzierung der Kindertagsbetreuung zu leisten, sind daher noch einmal gesun-
ken.

Bildung beginnt in Kinderkrippen und Kindergärten. Diese, wie auch Hortein-
richtungen, ermöglichen die gemeinschaftliche Erziehung von Kindern unter-
schiedlicher Herkunft. Dies befördert die soziale Kompetenz der Kinder, wirkt
sich positiv auf die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund aus und
verbessert so Bildungs- und spätere Erwerbschancen. Erziehungsmängel und
soziale Defizite können durch Fachkräfte eher erkannt und durch erzieherische
Arbeit ausgeglichen werden. Nicht zuletzt geben öffentliche Kinderbetreuungs-
angebote den Eltern die Möglichkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, und
wirken somit auch als ein Instrument der Armutsbekämpfung.

Gebührenfreie, umfassende und flächendeckende Betreuungsangebote für Kin-
der gibt es in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Aber nur diese gewährleis-
ten, dass kein Kind wegen der Einkommens- oder Lebenssituation der Eltern
von einer Erziehung im Kreise anderer Kinder sowie von frühkindlicher Bildung
und Erziehung durch Fachkräfte ausgeschlossen ist. Deshalb müssen die Länder
und Kommunen in die Lage versetzt werden, gebührenfreie, umfassende und
flächendeckende Betreuungsangebote für Kinder anzubieten und aufzubauen.

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